Zwanzig Valium und eine halbe Flasche Wein

Vorsichtig klopfe ich an der Zimmertür, dann trete ich ein.
„Guten Morgen, Frau….“, verdammt, ich kann den Namen noch immer nicht richtig aussprechen!
„…Leszekowski!“, sagt die Angesprochene ohne mich anzuschauen.
„Wie geht es Ihnen?“
Frau Leszekowski sitzt an dem kleinen Tisch und schaut aus dem Fenster.
„Ich würde mir jetzt gerne eine Zigarette anzünden!“
„Wenn Sie auf den Balkon möchten….“
„Schon gut!“
„Alles in Ordnung?“
Frau Leszekowski seufzt.
„Würden Sie es nochmal tun?“
Sie schüttelt den Kopf.
„Das war dumm!“
An einem regnerischen Nachmittag ist Frau Leszekowski in ihren betagten Opel gestiegen, ist in den Einödshofener Wald gefahren und auf dem Wanderparkplatz hat sie dann zuerst eine halbe Flasche Wein getrunken und dann zwanzig Tabletten Valium eingeworfen.
Sie ist dann zwar eingeschlafen, aber irgendwann aufgewacht, dann ausgestiegen und in strömendem Regen die Straße entlang gelaufen bis sie zur Waldschenke kam, wo die Wirtsleute sie zunächst in warme Decken gepackt, ihr dann einen heißen Tee mit ordentlich Rum eingeflößt und schließlich den Notarzt gerufen haben.
„Warum haben Sie das getan?“
Frau Leszekowski schweigt.
Ich weiß, was los war. Also, natürlich weiß ich es nicht. Also, eigentlich geht es mich ja nichts an, und andersherum natürlich doch. Denn Frau Leszekowski arbeitet bei uns im Haus. Sie ist Sekretärin drüben in der Verwaltung und gerüchteweise weiß ich, dass sie übel gemobbt wurde. Natürlich weiß ich es nicht, und es wird auch nichts davon in den Akten stehen, aber es ist schon merkwürdig, dass keine ihrer Kolleginnen sie hier besucht hat.