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Themen-Preview für den 15.08.2014
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Das Pharmakartell – ein Nachtrag
Am Dienstag hat das ZDF das “Pharmakartell” präsentiert. Vorab: Die Dokumentation war eindrucksvoll. Inhaltlich konnte die Reportage Schwächen nicht verbergen. Das fängt bei dem Titel “Kartell” an. Ein Begriff, der Verbindungen mit gleicher Zielsetzung beschreibt. Was der Komplexität der Pharmaindustrie nicht gerecht wird.
Die Redaktion hatte merklich Schwierigkeiten angemessene Gesprächspartner vor die Kamera zu bekommen. Hier im Blog hatte eine Autorin es auch probiert – ohne Erfolg. So konnte man die bekannten Experten bewundern, die immer im TV auftreten, wenn es kritisch um die Pharmaindustrie geht, was die Expertise nicht schmälert. Der ehemalige Lilly-Manager ist auch nicht erstmals vor die Kamera getreten. Bei Youtube ist er seit Januar 2007 vertreten und kündigt sein Buch an.
Die betroffenen Unternehmen und Einrichtungen antworteten auf die Dokumentation mit Richtigstellungen.
Strattera
Zweifel sind bei der Geschichte mit dem ADHS-Medikament Strattera des Unternehmens Lilly aufgekommen. Bei näherer Betrachtung reduzieren sich die vier Todesfälle auf einen Bericht über einen vollzogenen Suizid. Dieser Fallbericht stellt das BfArM folgendermassen vor:
Ein weiterer dem BfArM berichteter Fall bezieht sich auf ein 3-jähriges Mädchen aus den USA, das nach unbestätigten Angaben nach Einnahme von Strattera verstarb. Der Fall wurde von einem Arzt berichtet, der seinerseits von Kollegen von diesem Fall gehört hatte. Es liegen keine weiteren Informationen zu diesem Fall vor (Fall-Nummer 07061104).
Lilly verweist in einer Pressemitteilung darauf, dass bereits im Rote-Hand-Brief zu Strattera aus dem Jahre 2005 auf das Thema Suizidalität hingewiesen und einen entsprechenden Warnhinweis in die Fach- und die Gebrauchsinformation aufgenommen worden seien.
Eine im Filmbeitrag verwendete Aussage des Patientenbeauftragten im Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bezeichnete das Unternehmen als “grob unwissenschaftlich und zudem unverantwortlich”, da dort eine Nutzen-Risiko-Bewertung ohne Kenntnis von Einzelfällen vorgenommen worden sei.
Auch die in der Sendung gezeigte Selbsthilfegruppe ADHS-Deutschland distanziert sich von der Darstellung. Die 6.500 Euro zweckgebunde Spenden des Pharmakonzerns Lilly, mit der die Abhängigkeit des Verbandes belegt werden sollte, würden nur einen Bruchteil des Etats von ADHS-Deutschland ausmachen. Die Beziehungen zwischen Pharmaindustrie und Selbsthilfe sind kritikwürdig, nur hat die Redaktion sich wie es aussieht hier einen Verband gesucht, der in Sachen Transparenz eher vorbildlich ist. Ein weiteres Indiz, dass das Vorgehen des ZDF nicht ganz sauber war, findet man in einem ADHS-Forum. Dort schildert der Gesprächspartner in der Beratungsstelle den Undercover-Besuch.
Wenn das den Tatsachen entspricht, wäre dies kein sauberes journalistisches Vorgehen.
Fluoxetin
Zu den geschilderten Unregelmässigkeiten bei der Zulassung von Fluoxetin (“Prozac”) und die Todesfälle bei der Behandlung mit dem Antidepressiva hat das BfArM sein Schreiben an die Frontal21-Redaktion ins Internet gestellt. Dem kann man entnehmen, dass die Autoren des ZDF-Beitrags eher tendenziös mit den Informationen umgegangen sind.
Redaktionelle Werbung
Am überzeugensten war aus meiner Sicht der Teil, in dem die Redakteure vorgaben, ein Pharmaunternehmen zu haben und eine Werbekampagne für das neue Antidpressivum des fiktiven Unternehmens – Volazin – zu planen.
Natürlich hat dies speziell beim Verlag “Wort & Bild”, der die Apothekenumschau verantwortet, zu Widerspruch geführt. Beispielsweise würde in dem Artikel, der in dem “Frontal 21”-Beitrag in die Kamera gehalten wird, explizit darauf hingewiesen, dass die neuartigen Antidepressionsmedikamente “keine Wundermittel”(Zitat) sind. Mögliche Nebenwirkungen (“Vermehrte Unruhe, Angst und gesteigerte Aggressivität”) würden genannt und abschliessend auch auf die Gefahr eines möglichen Suizidversuchs hingewiesen.
Was bleibt? Eine wichtige Dokumentation, die jedoch durch allzu forsches und auf Skandal bedachtes Vorgehen sich selber zum Teil diskreditiert hat.
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Update
Die Redaktion von Frontal21 nimmt Stellung zu den Vorwürfen, das ZDF “inszeniere” die Aufregung um ein ADS-Medikament.
Prof. Peter Schönhöfer stellt aus seiner Sicht die Lilly-Pressemitteilung richtig.
Medizin-Marketing mit falschem Facebook-Profil
Medizin lebt von Vertrauen. Vertrauen in die Kompetenz der Ärzte, die Akribie der Aufsichts- und Zulassungsbehörden, die Korrektheit der wissenschaftlichen Evidenz. Wie die ins Pharma- und Gesundheitsmarketing schwappende Social Media-Welle, diesen Kredit unterspült – in Sachen Pharmarketing kann könnte man auch von dem Restvertrauen sprechen … – zeigt ein aktuelles Facebook-Beispiel.
Sara Baker gibt vor ein Patient wie du und ich zu sein, aber dennoch ist es nur ein Fakeprofil bei Facebook.
Erschaffen von dem Unternehmen Medseek, das eHealth-Lösungen verkauft. Bis auf die Enthüllung in den persönlichen Angaben, deutet in ihrem Stream nichts darauf hin, dass es sich um ein Marketing-Geschöpf handelt. Sie kommuniziert mit den Facebook-Usern, wenn gleich ihre Status-Updates ein wenig automatisiert und hölzern wirken. Es wird eine catchy emotionale, sehr persönliche Story erzählt: Sara Baker ist schwanger und erwartet Zwillinge. Dank Medseek kann sie sich mehr um die Geburtsvorbereitungen kümmern.
Natürlich ist das unethisches Marketing, keine Frage. Nur sehen wir bei der Werbung und PR im Gesundheitsbereich täglich, dass ethische Grenzen verschieden definiert bzw. überschritten werden, und nicht einmal Gesetze oder Kodizes Unternehmen von irreführender Werbung und der Nichtbeachtung von gesetzlichen Einschränkungen bei der Heilmittelwerbung abhalten.
In diesem Fall wird offengelegt, dass es sich bei Sara Baker um eine Kampagne handelt. Wer die Begeisterung der Pharmaindustrie und der Pharmawerbeagenturen für “below-the-line”-Marketing kennt, wird sich sofort fragen, wieviele Patienten-Profile bei Facebook oder Twitter derzeit schon ohne Offenlegung im Dienste der Pharmakonzerne für Therapien und Produkte werben. Für below-the-line ist Social Media die ideale Plattform, da es darum geht unkonventionell und meist persönlich und direkt die Marketingbotschaften zu platzieren – zielgenau, konstengünstig, weitgehend konkurrenzlos – und für Sanktionen durch Gerichte und Branchen-Schiedsstellen kaum fassbar.
Man könnte einfach sagen, ein Medium wird erwachsen. Social Media ist, wie andere Medien auch, nicht gegen Manipulation immun. Wenn es um Gesundheitsthemen geht, birgt Social Media jedoch besondere Gefahren, da Informationen mit persönlichen Schicksalen verknüpft sind. Was das Heilmittelwerbegesetz zu verhindern versucht, wie etwa die Wiedergabe von Krankengeschichten, die Erzeugung von Ängsten, die Aufforderung zur Selbstdiagnose oder das Sammeln von Patientendaten, gehört bei Facebook zum Business-Modell.
Erfahrungen miteinander teilen, Patienten besser informieren, Verantwortung für die eigene Gesundheit stärken, Ärzte, Unternehmen und Patienten auf Augenhöhe kommunizieren lassen – das sind so die Träume der Social Media Berater für das Gesundheitswesen. Unterstützt wurde dies durch die Zurückhaltung der Unternehmen, die lange Zeit sich vor Aktivitäten in sozialen Netzwerken gefürchtet haben, aus rechtlichen wie auch kommunikativen Gründen.
Mittlerweile twittern Pharmaunternehmen, haben YouTube-Kanäle oder scharen “Fans” bei Facebook um sich. Der Traum ist aus. Die “Healthcare Social Media” Welt verwandelt sich zum Marktplatz der Industrieinteressen.