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Frage (Update 8)
Bin ich der einzige, der die gestrige ARD-Dokumentation über die von der bösen Pharmaindustrie seit 20 Jahren verhinderte rosafarbene Vitamin-B12-Salbe namens “Regividerm”, die Neurodermitis zu “heilen” in der Lage ist, spontan für einen aberwitzigen PR-Stunt erster Güte hält?
Hier der Link zur Sendung.
Die Süddeutsche Zeitung glaubt die Geschichte.
Fefe, unumstrittener Experte für Verschwörungen jeglicher Art, glaubt sie auch.
Die Home-Page des Herstellers: www.regividerm.de
Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm® Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!
Update: Mehr über die Hintergründe gibt es in einem gut 5 Jahre alten Artikel der Boocompany.
Update 2: Vielleicht fehlt ja dem Autor auch ein wenig Abstand zu seiner Geschichte:
Update 3: Martens’ Rezeptbuch zur Doku erreicht Platz 5 der Amazon-Bestsellerliste.
Update 4, 14:30: Platz 3. Herta Müller ist gepackt. Da geht noch was.
Update 5, 17:45: Wer das Rezeptbuch noch nicht bestellt hat, kann sich auch gleich die fertig zusammengerührte Wundersalbe holen. Das ging ja dann doch erstaunlich fix, wenn man das resignierte Gejammer im Film noch vor Augen hat.
Update 6. 18:05: Die Süddeutsche Zeitung bringt einen weiteren Artikel und hat noch nicht Lunte gerochen:
So lange wird er jedenfalls nicht mehr auf Regividerm warten müssen, dem Mann kann geholfen werden. Siehe Update 5.
Update 7: Ich habe ja schon so manche Markteinführung von fragwürdigen Medikamenten und Medizinprodukten verfolgt. Aber diese Geschichte hier hätte man nicht besser inszenieren können. Allein das Timing ist schon ein Meisterstück.
Update 8: Meine absolute Lieblingsstelle im Film ist übrigens ein Zitat von Professor Peter Altmeyer, einem der verantwortlichen Wissenschaftler der beiden bislang bekanntgewordenen Regividerm-Studien (bei ca. 11:25):
Im Test: Die Patientenkommunikations-Fähigkeiten Medizinischer Fachangestellter in neurologischen Arztpraxen
Die Art, wie Medizinische Fachangestellte mit ihren Patienten kommunizieren, bestimmt nicht nur deren Zufriedenheit, sondern wirkt sich auch auf die Produktivität eines Praxisbetriebes aus. Eine präzise und gleichzeitig patientenorientierte Sprache spart Zeit und unterstützt die organisatorischen Abläufe. Patientenorientierte Kommunikation basiert auf knapp dreihundert Kommunikationsbausteinen, doch nur die wenigsten Praxismitarbeiterinnen nutzen – wie eine zweijährige Exploration […]
Medikalisierung
Am 01.07.2011 wurde zum Thema Medikalisierung von der Nationalen Ethikkomission und der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) eine Tagung in Bern durchgeführt.
Was heisst „Medikalisierung“?
Medikalisierung ist ein Fachbegriff. Er meint, dass Alltägliches, ursprünglich ausserhalb der Medizin liegendes, in den Fokus der Medizin gerät – also dort erforscht, untersucht, diagnostiziert und behandelt wird.
Es gibt diffuse Probleme und Symptome. Die Abgrenzung zwischen normal und krankhaft ist fliessend. Fühlen Sie sich häufig müde und abgespannt? Sind Sie leicht reizbar? Sind Sie schüchtern? Haben Sie Stimmungsschwankungen? Hatten Sie depressive Verstimmungen? Leiden Sie an Konzentrationsschwierigkeiten?
Das könnten Fragen eines Arztes sein. Ich denke, jeder kennt diese Probleme. Sind wir deshalb krank? Müssen wir behandelt werden? Sicher ist sicher?! Erwarten wir wir, dass das Leben ist dauerwährendes Fest ist?
Alltagsverantwortung wird durch Medikalisierung an Dritte delegiert, an Mediziner. Dies führt zu mehr Medizin.
Wo es Wirkung gibt, ist die Nebenwirkung häufig nicht fern. Doch auch gegen deren Symptome gibt es etwas …
Mehr Medizin führt zwangsläufig zu mehr Kosten. Sind diese Gelder dort sinnvoll eingesetzt?
Der englische Fachbegriffe ist: Medicalization.
Anlässlich der Schweizerischen Fachtagung zur Medikalisierung erschien am 02.07.2011 ein kurzer Radiobeitrag im „Echo der Zeit“: Problem Medikalisierung: Wenn Pillen und Pulver zu rasch zur Hand sind. Die Ankündigung und das Programm der Fachtagung aus der Schweizerischen Ärztezeitung.
Es stellen sich auch einige weiterführende Frage: Welche Gremien definieren die Krankheiten und legen die Grenzen fest? Aus welchen Gründen machen sie dies?