Ein Vorteil, den Ärzte in Bezug auf Kooperationen (z. B. in Form von Praxisgemeinschaften oder Gemeinschaftspraxen) sehen, liegt in der Möglichkeit einer flexibleren Zeit- und Arbeitsgestaltung durch abwechselnde Behandlungen der Patienten. So kann ein Arzt in Urlaub gehen oder an einer Fortbildung teilnehmen und weiß, dass die Betreuung seiner Patienten in guten Händen liegt. Arbeiten jedoch in einem Praxisbetrieb Ärzte zusammen, die sehr unterschiedliche Verhaltensweisen bei der Patientenbetreuung haben, so muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Stammpatienten, die von den jeweiligen Medizinern betreut werden, immer streng getrennt bleiben. Wird diese Vorkehrung nicht getroffen und werden Patienten nicht explizit darauf hingewiesen, dass an dem vereinbarten Termin „ihr“ Arzt vertreten wird, kommt es häufig zu einem Absinken der Patienten-Gesamtzufriedenheit. Sie entsteht durch die Enttäuschung der Patienten, nicht von ihrem bekannten Arzt behandelt zu werden, verbunden mit dem Zwang, sich auf eine neue Situation einstellen zu müssen. Ist ein Arzt z. B. sehr empathisch, sein Kollege jedoch eher sachlich orientiert (oder auch umgekehrt), führt ein Austausch – und sei er auch nur Urlaubs-bedingt – zu einer „Disruption of patient satisfaction“. Viele Ärzte sehen leider diese Gefahr nicht, da sie ihre Kollegen nach fachlichen Aspekten, nicht nach der Art ihres Patientenumgangs beurteilen. Das Disruption-Phänomen tritt auch bei einem nur einmaligen Behandler-Wechsel auf. Zwar bringen Patienten nach wie ihrem “alten” Arzt das gleiche Vertrauen entgegen, die Einstellung zur Praxis gesamt hat sich jedoch bereits tendenziell negativ verändert.
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Selbstdarstellung im Netz
Die Anzahl der Patienten, die sich über Internetquellen Informationen zur Auswahl eines Krankenhauses suchen, nimmt stetig zu. Neben Bewertungs-Plattformen spielen hierbei auch die Webseiten der Krankenhäuser selbst eine große Rolle. Ein bislang viel zu wenig genutztes Instrument, Interessenten und Klinik-Suchenden Einblicke in Angebote, Leistungen und vor allem in Versorgungsqualität und Patientenorientierung zu […]
Der Arzt als Negotiator: Mit Fragen Herr der Lage bleiben
Von der Akzeptanz zur Anforderung Ärzte werden durch den sich zukünftig immer häufiger vollziehenden Wechsel der Patienten vom ihrem bisherigen Akzeptanz- in einen neuen Anforderungsmodus gezwungen, als Verhandlungsführer (Negotiators) ihrer Therapie-Konzepte zu agieren. Das bedeutet, dass sie sich mit den Patienten besprechen und abgleichen müssen, um zu einer gemeinsamen Übereinkunft bezüglich der aus ihrer Sicht […]
Infoveranstaltung "Fokus Forschung" in Zürich 2013
Am 20. April 2013 führte die Schweizerische MS-Gesellschaft eine Informationsveranstaltung für MS-Betroffene und Interessierte in Zürich durch.
Die Veranstaltung wurde in den Räumlichkeiten der Pädagogischen Hochschule, die direkt neben dem Hauptbahnhof liegen, durchgeführt.
Themen:
- Vorstellen der MS-Gesellschaft, Dr. Christoph Lotter, MS-Gesellschaft
- MS-Forschung: Neue Medikamente, PD Dr. Michael Linnebank, Uni Spital ZH
- Wie Verkehrsschilder aus Zucker und Eiweiss den Immunzellen im Körper den Weg weisen, Prof. Dr. Britta Engelhardt, Theodor-Kocher-Institut, Uni Bern
- Gene und Umweltfaktoren als Ursachen der MS, Prof. Dr. Roland Martin, Uni Spital ZH
Vorstellen der MS-Gesellschaft
Der Verantwortliche für die Dienstleistungen der MS-Gesellschaft, Christoph Lotter, stellte kurz die verschiedenen Angebote der MS-Gesellschaft und die erbrachten Dienstleistungen der MS-Gesellschaft vor. Die verschiedenen Angebote lassen sich auf der Webseite der MS-Gesellschaft finden.
Am 29. Mai ist Welt MS-Tag. Weltweit führen die MS-Gesellschaften eine koordinierte Kampagne mit dem Namen «Was ist ihr Lebensmotto?» durch. Zu diesem Zweck wird die Webseite kraftspende.ch in der Schweiz aufgeschaltet werden. Die Kampagne wird vom internationalen MS-Zusammenschluss MSIF koordiniert und vom Pharmaunternehmen Genzyme unterstützt. Die MS-Gesellschaft wird zu diesem Anlass ihren neuen Facebook-Auftritt aufschalten.
Die MS-Gesellschaft ist neben der amerikanischen MS-Gesellschaft, eine der Gesellschaften, die die Forschung prozentual am stärksten fördern. In den letzten 15 Jahren wurden 350 Forschungsprojekte finanziert, mit einer Gesamtsumme von 14.7 Mio. Franken.
MS-Forschung: Neue Medikamente
Michael Linnebank gab eine Übersicht die aktuellen und die kommenden MS-Medikamente. Die Auswahlmöglichkeit macht die Entscheidung für Arzt und Patienten schwieriger. Jeder Betroffene wird mit diesen Medikamenten konfrontiert werden.
Über die Medikamente habe ich bereits in den früheren Artikeln MS Informationstag «Aus der Forschung für die Praxis» 2013 und Bericht zur Informationsveranstaltung «Medikamentenentwicklung und MS» der MS-Gesellschaft geschrieben.
Neu:
- BG-12 hat in der EU einen positiven Entscheid zur Zulassung erhalten. Markenname des Medikamentes: Tecfidera™.
- Novartis arbeitet an einer Weiterentwicklung von Gilenya mit Namen BAF312. Das Medikament soll spezifischer werden. Studien für sekundär progrediente Patienten sind geplant (oder werden bereits durchgeführt?).
- Der Nutzen der frühen Therapie sei weiter bestätigt worden. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
- Der Langzeitnutzen sei weiter bestätigt worden. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
- Interferone während der Schwangerschaft haben keinen negativen Einfluss auf das Neugeborene. (Nachprüfbare Referenzen wurden keine angegeben.1)
- Es sind immer mehr MS-Register (Datenbanken zu Verläufen mit Rohdaten) verfügbar.
Wie Verkehrsschilder aus Zucker und Eiweiss den Immunzellen im Körper den Weg weisen
Britta Engelhardt führte in einen Teilaspekt des Immunsystems ein. Das Immunsystem ist am Ablauf der MS beteiligt. Wenn das Immunsystem besser verstanden wird, könnte die MS vielleicht besser verstanden werden. Das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) liegt normalerweise ausserhalb des Immunsystems. Trotzdem wird das Immunsystem bei Läsionen aktiv. Warum wandern Immunzellen ins Gehirn? Warum ist die Blut-Hirn-Schranke bei MS durchlässig?
Das Immunsystem ist im Körper verteilt. Verschiedene Organe sind beteiligt. Das Rückenmark zur Herstellung der Immunzellen, dann die Lymphknoten, die Blutbahnen, die Lymphgefässe, die Milz, …
Die Immunzellen (Lymphozyten) bewegen sich mit 1mm/s durch unsere Blutbahnen und durch die Lymphgefässe. Die Immunzellen müssen am richtigen Ort die Blutbahnen verlassen um ihre Funktion wahrnehmen zu können. Doch wie finden die Immunzellen den Ausgang aus den Blutbahnen?
Britta Engelhardt stellte den Mechanismus der «Verkehrsschilder» vor und zeigte verschiedene Experimente an Versuchstieren. Die Immunzellen wurden in den Experimenten sichtbar gemacht. Teilmechanismen des Immunsystems wurden zum Studium ausgeschaltet.
Stichworte: Selektine, Chemokine, Integrine, Glykoproteine, Adhäsionsmoleküle, Endothelzellen
Sie zeigte verschiedene kurze Videos.
Stellvertretend ein ähnliches Video von Youtube:
Gene und Umweltfaktoren als Ursachen der MS
Roland Martin besprach in seinem Vortrag den aktuellen Stand der Ursachenforschung von Multiple Sklerose.
MS ist keine vererbbare Krankheit. Gewisse Gene scheinen aber das Risiko für den Ausbruch von MS zu begünstigen. Die MS wird als komplex genetische Krankheit bezeichnet. Der Einfluss der Gene wird mit drei Methoden erforscht:
- Epidemiologisch (statistisch),
- Mit Untersuchungen bei Geschwistern, Eltern und Zwillingen, und
- Mit Migrationsstudien.
Migrationsstudien untersuchen, wie sich das Risiko von MS von Leuten aus Gebieten mit grosser MS Verbreitung in Tiefrisikogebiete, und umgekehrt, verhält.
Weiter scheint die Umwelt einen Einfluss auf den Ausbruch von MS zu haben. Ein solcher Umweltfaktor könnte zum Beispiel ein Virus sein oder eine Verhaltensweise.
Aktuell steht der Ebstein-Barr Virus (EBV) im Verdacht am Ausbruch von MS mitverantwortlich zu sein. Etwa 90% der Bevölkerung tragen den Virus in sich.
Ein zu tiefer Vitamin D3-Spiegel scheint ebenfalls das Risiko von MS zu erhöhen und den Verlauf negativ zu beeinflussen. Vitamin D3 kann über die Nahrung aufgenommen, wie auch über die Haut mit Sonnenlicht durch den Körper selbst erzeugt werden. Regelmässige Aufenthalte in der Sonne, gerade im Winter, scheinen empfehlenswert zu sein. Sonnenbrände sollten jedoch vermieden werden. Bei zusätzlicher Einnahme von Vitamin D sollte ebenfalls nicht übertrieben werden. Die zu tiefen Vitamin D3-Spiegel der Kindheits- und Jugendjahre, wie sogar während der Schwangerschaft könnten einen Einfluss auf den Ausbruch von MS haben.
Rauchen ist ein weiterer Umweltfaktor mit negativem Einfluss. Er kann den Ausbruch begünstigen und den Verlauf verschlechtern.
Die Verschiedenheit der MS Verläufe ist riesig. Es gibt Leute mit einem Schub, die im ganzen weiteren Leben nie ernsthaft behindert werden und schwere Verläufe, die schnell schwerst behindert werden.
Er berichtete von einer Studie, bei der bei einem Patienten über einen längeren Zeitraum alle vier Monate MRIs erstellt und die neurologischen Funktionen überprüft wurden. Im MRI waren häufig Entzündungsaktivitäten zu sehen, klinisch wurden aber nur drei Schübe festgestellt. (Die Angaben zur konkreten Studie fehlen mir.)
Deklarierte Interessenkonflikte: Merck Serono, Biogen, Teva, Genzyme, Sanofi, Bionomics
Fragen aus dem Publikum
-
Werden die neu zugelassenen Medikamente in der Schweiz von der Krankenkasse bezahlt?
Ziemlich sicher ja. -
Wurden am Universitätsspital Zürich bereits Leute von Tysabri® (Natalizumab) auf Gilenya® (Fingolimod) umgestellt?
Ja. Es gibt eine Studie mit 50 Teilnehmern, die die Umstellung untersucht. -
Kann ein Virus die Ursache der MS sein?
Ja, dies könnte es. In der Forschung wird nach Viren gesucht. -
Kann ich die Tochter durch Abgabe von Vitamin D3 vor MS schützen?
Der Vitamin D3-Spiegel während der Schwangerschaft scheint sehr wichtig zu sein. Vitamin D3 kann eingenommen werden. Zu hohe Dosen sollten vermieden werden. -
Warum ist Rauchen schädlich für die MS?
Es scheint, dass der Rauch die Immunzellen während dem Aufenthalt in der Lunge verändert.
Bemerkungen
Therese Lüscher aus dem Vorstand der MS-Gesellschaft, welche ebenfalls von MS betroffen ist, war anwesend.
Leider versäumte es PD. Dr. Michael Linnebank auf seine vorhandenen Interessenkonflikte, wie es von in der Schweiz tätigen Ärzten verlangt wird, hinzuweisen. Gerade bei einem Vortrag, der von teuren bis sehr teuren Medikamenten handelt, wäre es für das Publikum von grosser Bedeutung vorhandene Interessenkonflikte zu kennen. Ein solcher Vortrag könnte die Umstellung auf neue teurere Medikamente begünstigen oder fördern. Von der Humanbiologin Prof. Dr. Britta Engelhardt, wäre es ebenfalls schön gewesen über allfällige Interessenkonflikte informiert zu werden.
Auffallend war, dass bei den Medikamenten fast ausnahmslos der Handelsname verwendet wurde, auch bei Medikamenten, die erst seit kurzem einen Handelsnahmen haben. Gemäss der guten medizinische Praxis, sollte hauptsächlich die wissenschaftliche bzw. generische Bezeichnung verwendet werden, beispielsweise BG-12 anstatt Tecfidera™.
Die Veranstaltung wurde im neuen Gebäude der Pädagogischen Hochschule Zürich durchgeführt. Das Gebäude liegt direkt neben dem Hauptbahnhof (HB) Zürich. Die Nähe zum HB Zürich war sehr praktisch.
Die immer wiederkehrenden Themen an diesen Veranstaltungen sind Informationen zu Medikamenten, insbesondere neue Entwicklungen und die multifaktoriellen Ursachen der MS-Erkankung. Persönlich sehr interessant finde ich, wenn auf anschauliche Weise Hintergrundwissen vermittelt wird, so wie dies Britta Engelhardt bei den Immunzellen gemacht hat.