Chirurgie und die Stellung einer Operationsindikation sind nicht so einfach, wie man es sich manchmal vorstellt. Klar, es gibt eindeutige Fälle wie eine Appendicitis acuta. Klarer Fall von Bauch auf, Blinddarm raus, Bauch wieder zu. Doch das Fach des Menschenhandwerkes ist gottseidank nicht immer so einfach. Gut, ab und zu ist eine einfache 20-Minuten-Appendektomie was Schönes, so zum gelegentlichen Drüberstreuen. Doch manchmal gibt es auch PatientInnen mit Krankheitsbildern, wo sich in der Sprechstunde schon die Frage stellt: Operiert man diesen Mensch überhaupt? Oder endet die Operation letztendlich in einem Fiasko mit Re-re-re-re-Revisionen und am Ende in einem mehrwöchigem Aufenthalt auf der Intensivstation? Während den letzten Jahren habe ich es nicht nur erlebt, dass manche ChirurgInnen die Situation unterschätzen (oder es ihnen einfach egal ist) und der Patient die letzten Wochen seines Lebens mit einem offenen Bauch auf der Station dahinsiecht und dann stirbt. Es gibt Charaktere, die operieren (fast) alles, was es zu operieren gibt. Einfach weil man es kann. Aber es gibt genau so viele PatientInnen, die genau so sind. Die auf einen Eingriff drängen und dann beleidgt die Sprechstunde verlassen, weil man – als ChirurgIn – eine Operation ablehnt. Für zu riskant oder nicht sinnvoll hält. Ich frage mich dann manchmal, ob sich die Privatkrankenhäuser dann die Hände reiben und Dollarzeichen in den Augen haben. Ein früherer Chef hat mich in dem Punkt sehr beeindruckt. Er ist ein guter Chirurg und würde in einem Privatspital mit offenen Armen empfangen werden. Doch er bleibt im öffentlichen Betrieb und lehrt die Meinung, dass ein guter Chirurg dann ein guter Arzt ist, wenn er auch Operationen ablehnen kann. Ich bin ihm sehr dankbar für diesen Satz. Und genau aus diesem Grund werde ich auch weiterhin PatientInnen vergraulen, die (teilweise) verständlicherweise auf eine Stomarückverlagerung drängen, die allerdings absolut riskant und nicht sinnvoll ist. Ja, ein Stoma ist für viele eine unbefriedigende Situation. Aber bei einem auch nicht nur ansatzweise akzeptablem Allgemeinzustand ist es noch beschissener in eine Sepsis aufgrund einer Anastomoseninsuffizienz zu schlittern oder nach der Wiederherstellung der Darmkontinuität bis zu 20-30 Mal pro Tag auf die Toilette laufen zu müssen, aufgrund schlecht in den Griff zu bekommender Diarrhoe. Nein, ich werde Sie mit einem Serumalbumin von minus 100 g/l und einer Kachexie nicht operieren, und schon gar nicht wenn sie zusätzlich noch rauchen. Punkt.
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Ruhe bitte
Während einer langen OP, die der Chef und die Menschenhandwerkerin durchführen, beginnen im Saal immer wieder immer lauter werdende Gespräche. Neben dem Tür-auf-Tür-zu, Telefonklingeln und sonstigen Nebengeräuschen ist das sehr nervend, vor allem wenn man mit insgesamt vier Händen tief in den Weiten des Bauchraumes steckt und sich bemüht ein wichtiges Blutgefäß zu verschonen.
Nachdem wir also schon zuvor um Ruhe gebeten haben, beginnt hinter dem Vorhang (=Anästhesieseite) der Anästhesiearzt zu quatschen, zuerst noch ein Flüstern, dann immer lauter.
Menschenhandwerkerin beschwert sich natürlich nicht, wie soll ich dem Anästhesie-Oberarzt sagen dass er bitte endlich seine Klappe halten soll weil ich sonst abgelenkt werde? Gottseidank stört es den Chefchirurgen auch.
Chef: “Könnten wir bitte etwas mehr Ruhe im Saal haben?”
Da der Anästhesist am Plaudern war und nicht genau alles verstanden hat beugt er sich über den Vorhang zu uns:
Anästhesist: “Wie bitte? Soll ich die Patientin mehr relaxieren?”
Chef: “Nein! Sie sollen sich selbst bitte etwas Antiplauder i.v. verabreichen!”
LOL.
Hey! Ich wollte dich mal Fragen, welche Operation deine Lieblingsoperation ist (ich weiß man kann das nicht so pauschalisieren, weil eine Operation nie gleich verläuft). Zugleich wollte ich dich fragen wie lang deine längste Operation ging
Hmmm. Da ich erst Anfängerin, also im zweiten Ausbildungsjahr bin, kann ich da noch nicht auf ein großes Repertoir zurückgreifen.
An Operationen, die ich selbst als Operateurin durchführe, gefallen mir am besten Hernienoperationen (Brüche im Bereich der Bauchwand, also in der Leistengegend, Nabelbrüche, Narbenbrüche, usw…), und davon am besten die laparoskopische IPOM-Operation. Dabei wird über 3 kleine Schnitte ein Netz von innen an die Bauchwand genäht. Skizze folgt später.
An großen Operationen mag ich am liebsten lange, große Darmoperationen, z. B. bei Dickdarmkrebs.
Die längste Operation bei der ich als Assistenzärztin dabei war dauerte ca. 10 Stunden. Der Patient hatte Speiseröhrenkrebs und wir entfernten die gesamte Speiseröhre über einen Zugang vom Bauch aus. Das war einer der beeindruckendsten Eingriffe ever. Wenn man mit den Händen vom Bauch aus beginnt, immer weiter nach oben in den Brustkorb gelangt, direkt neben der Aorta, neben der Hohlvene, dem Herz… und oben dann durch einen Schnitt beim Hals quasi wieder rauskommt. Einfach Hammer. Der Patient erholte sich sehr schnell von dem Eingriff und war wenige Tage nach dem Eingriff wieder auf der Normalstation und spazierte auf dem Gang herum. Sehr beeindruckend.