Probleme beim Förderprojekt “Online Abrechnung mit HBA”, Teil 2

Über Probleme beim Förderprojekt “eGesamtaufstellung” hatte ich bereits berichtet.
Bei diesem Projekt geht es um die Onlineabrechnung, speziell die elektronische Signatur der Gesamtaufstellung mit dem HBA (Heilberufeausweis).
Heute nun errreichte mich ein Schreiben, aus dem hervorgeht, dass weitere Verzögerungen zu erwarten sind. Offenbar sind die PVS Hersteller mit den Softwareupdates im Verzug, die überwiegende Mehrheit wird erst […]

Psychologie im Krankenhaus

Das kooperative Verhalten des Patienten ist im Rahmen einer Therapie unerlässlich. Ohne korrektes Befolgen der Vorschriften bleibt eine Behandlung in den meisten Fällen wirkungslos. Etwa ein Viertel aller verordneten Medikamente wird nicht oder anders als vorgesehen eingenommen. Das Nichtbefolgen ärztlicher Anweisungen wird als Non-Compliance bezeichnet und verursacht geschätzte Kosten in Höhe von 10 bis 15 Milliarden Euro im Jahr. ... weiter


Rezension zu „Emotionspsychologie im Krankenhaus“ von Wolfgang Seidel (2009), Heidelberg: Spektrum akademischer Verlag, 289 Seiten 

Arzneimittelrichtlinien oder der Turmbau zu Babel


Turmbau zu Babel

Zweiundsiebzig verschiedene Sprachen, das war die göttliche Strafe für die Überheblichkeit der Menschen, die sich im Turmbau zu Babel zeigte. Das Pfingstwunder soll diese babylonische Sprachverwirrung überwunden haben. Kein Wunder zeigte sich in diesem Jahr zu Pfingsten bei einem der Dokumente, mit der der Vertragsarzt (früher: Kassenarzt) schon seit über 15 Jahren leben muss und das wahrlich mehr Verwirrung als Klarheit schafft. Die Rede ist von den Arzneimittelrichtlinien, die zum 1.4.2009 weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit eine neue Fassung erhalten haben.

Was regeln die Arzneimittelrichtlinien?

Die Arzneimittelrichtlinien werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassen und regeln verbindlich, was der Arzt seinen Patienten, die in den gesetzlichen Krankenkassen versichert sind, an Medikamenten verschreiben darf.

Dagegen kann man erst mal gar nichts einwenden – völlig klar, das nicht jeder alles verschreiben kann, was und wie viel er will. Wo ist also das Problem? Das Problem liegt in der absoluten unklaren, sprachlich schwammig und unnötig komplizierten, verzettelten Form.

Kommt die Krankenkasse zu der Ansicht, ein Arzt habe sich mit seiner Verordnung von Medikamenten nicht an die Arzneimittelrichtlinie gehalten, so stellt sie einen Regressantrag gegen den Arzt. Der Arzt kann dem widersprechen, kommt die zuständige Prüfungsstelle zu der Meinung, die Krankenkasse habe Recht, dann muss der Arzt die Medikamente, die er seinem Patienten verschrieben hat, aus eigener Tasche bezahlen.

Die Krankenkassen stellen die Anträge oft Jahre später, das gibt dann eine größere Ausbeute – so kann man dem Arzt Verordnungen mehrer Jahre von seinem Honorar abziehen.

Natürlich hat der Arzt die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht zu klagen. Das kostet Geld und Zeit. Im Zweifelsfall wird er bei einer Summe von einigen hundert Euro zähneknirschend bezahlen, das nächste Mal wird er bei der Verordnung eben ein bisschen vorsichtiger sein als bisher – und genau das wollte die Krankenkasse ja auch erreichen.

Verwirrende Sprache in 12 Anlagen

Sie können hier den ganzen Text der Richtlinie herunterladen und werden sich zunächst wundern: Was will der denn? Na klar, die ganze Richtlinie hat nur 38 Seiten – der Teufel steckt im Detail und hier heißt das Detail “Anlagen”. Davon gibt es 12, elf offizielle und auch die sogenannte “Negativliste” ist noch als zwölfte Anlage beigefügt.

Interessant für die tägliche Arbeit sind für mich vier: Die Anlage 1 mit dem Titel “OTC-Übersicht”, die Anlage 3 – “Übersicht über Verordnungseinschränkungen und – ausschlüsse” – , die Anlage 4: ” Therapiehinweise” und die “Negativliste”.

Die Anlage 1 mit dem harmlosen Titel ist gar nicht das, was sie vorgibt zu sein. Sie ist eben keine OTC-Übersicht. “OTC”, das ist Englisch und heißt “Over the Counter”, “über den Ladentisch”. Es bezieht sich auf Medikamente, die zwar apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind, sie können diese Medikamente also ohne Rezept in der Apotheke kaufen.

Medikamente, die nicht verschreibungspflichtig sind, können nicht mehr auf Kassenrezept verordnet werden. Aber es gibt Ausnahmen und die sind in der “OTC – Übersicht” auf 5 Seiten in 46 Punkten zusammengefasst. Da steht dann also z.B. drin, dass Abführmittel, die ja in der Regel rezeptfrei in der Apotheke zu kaufen sind, bei Therapie mit Morphinpräparaten auch zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden dürfen. Oder Eisenpräparate bei gesicherter Blutarmut durch Eisenmangel und vieles anderes mehr.

Die sogenannte “OTC-Übersicht” gibt also die Ausnahmen vor, bei denen ich als Vertragsarzt meinen Patienten Medikamente auf Kassenrezept verschreiben darf, die nicht verschreibungspflichtig sind.

Weiter geht’s zum nächsten Anhang, sprich zur nächsten Liste, ich darf den Titel ausnahmsweise mal in ganzer Länge zitieren:

Anlage III – Übersicht über Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung durch die Arzneimittel-Richtlinie und aufgrund anderer Vorschriften (§ 34 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 3 SGB V) sowie Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr

(Und das ist nur der Titel… :-) )

Auch hier finden sich eine ganze Reihe von Vorschriften, die sinnvoll, manchmal selbstverständlich erscheinen. Andere sind recht unverständlich und allgemein gehalten. Andere Regeln wiederum stellen geradezu eine Unverschämtheit dar. So fordert die Arzneimittelrichtlinie bei der Verordnung von alkoholhaltigen Arzneimitteln an Kinder vom Arzt das Studium der Fachinformation und der Gebrauchsinformation (des sogenannten Beipackzettels). Sollte sich hier ein Warnhinweis finden, dann darf dieses Mittel nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden.

“Warum denn nicht? Alkohol in Arzneimitteln für Kinder, das ist doch schädlich, oder etwa nicht ?”, werden Sie jetzt vielleicht fragen. Und ich möchte Ihnen darin völlig zustimmen!

Pflanzliche Arzneimittel wieder besonders betroffen

Bloß: Warum werden diese Arzneimittel dann nicht generell für Kinder verboten? Beipackzettel und Fachinformationen ändern sich. Wie soll ich als Arzt in fünf Jahren, wenn der Regressantrag der Krankenkasse eintrifft, nachweisen, wie der Beipackzettel und die Fachinformation vor fünf Jahren ausgesehen hat? Völlig aussichtslos, besser ist es da wohl auf alle Arzneimittel zu verzichten, die auch nur die geringste Menge Alkohol enthalten. Schade nur, dass davon in erster Linie pflanzliche Arzneimittel betroffen sind, also solche, die man gerne bei Kindern als ersten Versuch bei der Behandlung von Husten und Schnupfen einsetzt. Pflanzliche Arzneien benötigen oft Alkohol, um den Wirkstoff aus der Pflanze zu lösen. Der Alkohol ist also nicht im Hustensaft, um die Kinder besoffen zu machen.

Keine Mittel gegen Durchfall mehr

Durchfallmittel dürfen generell nicht mehr auf Kassenrezept verordnet werden, auch nicht für Säuglinge und Kleinkinder. Ausnahmen sind Präparate mit dem Hefepilz Saccharomyces boulardii oder Elektrolytmischungen, beides aber nur bis zum Alter von 12 Jahren. Alle anderen Patienten werden sich in Zukunft ihre Durchfallmittel selber kaufen müssen. Das gleiche gilt für Rheumamittel zum Einreiben, aber auch für Salben gegen Prellungen und Schwellungen.

Lustig finde ich die Tatsache, dass der Hefepilz Saccharomyces boulardii nun extra als Ausnahme für Kinder aufgenommen wurde. Noch bis vor kurzem machten große Krankenkassen Jagd auf Hausärzte, die solche Präparate (z.B. Perenterol®, Perocur ®, Santax®, Floratil® oder Yomogi®) ihren kleinen Patienten verschrieben haben. Eingeleitet wurden Arzneimittelregresse wegen des vermeintlichen Verstoßes gegen die Arzneimittelrichlinien.

Beruhigungsmittel (die Richtlinie spricht von “Tranquilantien”) dürfen nur noch für vier Wochen auf Kassenrezept verordnet werden. Durchblutungsfördernde Mittel sind mit wenigen Ausnahmen ebenfalls ausgeschlossen. Auch Mittel gegen niedrigen Blutdruck gibt es ab 1.4.2009 nicht mehr auf Kassenrezept.

Homöopathie hatte die bessere Lobby

Homöopathische Mittel dürfen übrigens auch nach dieser neuen Arzneimittelrichtlinie eingesetzt werden. Auch dann, wenn nicht nachgewiesen wurde, dass die wirksam sind. Auch dann, wenn sie, nicht verschreibungspflichtig sind. Für pflanzliche Arzneimittel gilt dies nicht: Nur Johanniskraut hochdosiert bei Depressionen und Ginko-Extrakt bei Durchblutungsstörungen haben es geschafft, alles andere muss der Patient selbst bezahlen.

Weiter geht’s zur nächsten Anlage. Die Therapiehinweise nach Nummer IV umfassen 138 Seiten und ich muss gestehen, ich habe sie noch nicht komplett gelesen. Aber alles, was ich gelesen habe, kommt mir bekannt und vernünftig vor. Die letzte Anlage, die ich tagtäglich brauche, ist die Negativliste. Die Negativliste ist in meinem Praxiscomputersystem eingearbeitet. Sofort poppt ein Fenster auf, wenn ich ein Präparat aus dieser Liste verordnen möchte. Ganz überwiegend landen in der Negativliste nur Präparate, die offensichtlich keine Wirksamkeit entfalten. (Wenn man von einem von mir, vielen meiner Patienten und Kollegen hochgeschätzten Präparat gegen Wadenkrämpfe absieht.)

Warum keine Positivliste ?

38 Seiten Vorschriften, dazu mehrere Hundert Seiten Anlagen, muss das sein? Wird die Arbeit in der Praxis wirklich besser, wenn der Arzt mehrmals täglich nacheinander mehrere Dokumente mit teilweise unverständlichen Formulierungen durchsehen muss, bevor er entscheiden kann, welches Medikament er auf Kassenrezept verordnen darf?

Sollte sich nicht jeder Arzt besser mit seinen Patienten oder sinnvoller Fortbildung in seinem Fachgebiet beschäftigen, anstatt dicke Packen Papier voller Paragrafen vor jeder Verordnung zu wälzen ?

Die Lösung ist ganz einfach: Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt eine Positivliste. Dort sind alle Medikamente versammelt, die der Vertragsarzt seinen Kassenpatienten verschreiben darf. Diese Positvliste wird ganz einfach in die Praxisprogramme eingefügt. Alle Ärzte können sofort entscheiden, was sie aufschreiben dürfen und was nicht.

Bürokratie abbauen? Nein danke!

Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen, die zur Zeit eine Unmenge von Anfragen bearbeiten müssen, wären erheblich entlastet. Das gleiche gilt für Prüfungsausschüsse und Sozialgerichte.

Bürokratie abbauen – das fordern alle Politiker in ihren Sonntagsreden. Die Wirklichkeit sieht anders aus, der bürokratische Aufwand auch in der Arztpraxis wird leider täglich grösser, die neue Arzneimittelrichtlinie ist ein weiterer Schritt in die falsche Richtung.

Quellen

Bild: “Der Turmbau zu Babel” von Pieter Brueghel dem Älteren, 1563

Gemeinsamer Bundesauschuss – Arzneimittelrichtlinien und Anlagen

Will die katholische Kirche nicht mehr taufen?

Will die katholische Kirche eigentlich nicht mehr taufen?

Ein Ausflug zur schönen Gemeindekirche. Ein schöner Ort für den besonderen Tag, für die Taufe des Neugeborenen. Man schaut sich um, freut sich, und betritt dann bedächtig das Gotteshaus. Tatsächlich war es nicht abgeschlossen.

Der Pfarrer lief auch durch die Kirchenhalle und wurde vorsichtig angesprochen. Der aber winkte ab, sah sich nicht um und lief rasch weiter, weg von den Fragenden.

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Hajo der Stationsarzt – Date im Zoo

Michelle und Hajo hatten sich zu einem Date im Zoo verabredet. Die hübsche Schwesternschülerin schwebt also auf unseren Stationshelden zu und kann es wohl kaum erwarten mit ihm einen Tag im Zoo zu verbringen.“Ich freue mich, Michelle …” stottert Hajo.
“Ich mich auch …” haucht sie zurück, ” … Deine Stirn, was ist …?”
“Nur ein Kratzer […]

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Was man für eine Ärztesoap braucht

Zum neuen Blog Dieser Beitrag im neuen Blog Assistenzarzt hat mich hierzu inspiriert: Wenn wir unsere eigene Ärztesoap schreiben dürften – was für Charaktere müssten wir casten? Also: Ort der Handlung ist natürlich das Kreiskrankenhaus Bad Dingenskirchen, was sonst. Und die Akteure sind: 1.) Der Chef. Der Chef ist der Chef und heißt auch so. Natürlich hat er auch einen Namen, aber der steht nur vorn auf dem Schild in der Eingangshalle, sonst wagt es...

Medizinpartei – das Programm

Die MPD kommt langsam aber sicher ins Rollen. In meiner Abwesenheit der vergangenen Woche haben sich zahlreiche neue Parteimitglieder gefunden. Hier nun das Programm und die bisherigen Vorstandsmitglieder mit Angabe ihrer Funktion. Die Revolution beginnt heute.
Bundesvorsitzender: Chefarzt
Politisch korrekt und allzeit medizinisch interessiert, fordert unter anderem die Abschaffung aller Krankenkassenbeiträge und eine Reform der Gesundheitsreform. Sportwagen […]

Post from: Monsterdoc

Schlechte Nachrichten (Teil 4): Vorsicht! Der ist ziemlich…

Kommt 'n Mann zum Arzt. Mann: Herr Doktor, was ist los mir mir? Arzt: Sie haben Krebs und werden sterben! Mann: Ich muss wirklich sterben? Arzt: Ja Mann: Und es gibt keine Hoffnung mehr? Arzt: Nein. Mann: Und Sie können gar nichts machen? Arzt: Doch. Mann: Ich wusste, Sie sind ein Held. Was denn? Arzt: Ich könnte Ihnen ein paar Fangopackungen verschreiben... Mann: Und die helfen? Arzt: nicht direkt, aber.... Mann: ...aber? Arzt: Sie gewöhnen sich schon einmal an den Geruch von feuchter...

rotas

da gibts schon wieder eine neue impfung? nein. die gibts schon länger. genauer gesagt, über 2 jahre. aber sie ist noch keine offizielle impfempfehlung der stiko und daher in der regel noch unbekannt: die  impfung gegen die rotaviren .

rotaviren sind die häufigsten erreger von durchfallserkrankungen im kindesalter, sie sind recht ansteckend und führen häufiger als andere enteritiserregern zu einem krankenhausaufenthalt — und sie sind übrigens die häufigsten erreger, die man sich dort auf der kinderstation einfängt, wenn man wegen etwas laboriert.

die impfung besteht aus zwei bzw. drei schluckimpfungen im abstand von jeweils vier wochen, beginnend ab der 6. lebenswoche, nach der 12. lebenswoche sollte wegen erhöhten nebenwirkungsrisiken nicht mehr begonnen werden. eigentlich wird die impfung problemlos vertragen, wenn man berücksichtigt, dass der impfling für ca. 1 woche roatviren auch ausscheidet (was meist zu keinem durchfall führt – infektionen daher sehr selten sind). befürchtet werden invaginationen , die bei einem früheren rotaimpfstoff häufig vorkamen. in der momentanen sachlage scheint es aber keine vermehrten invaginationen bei den neuen impfstoffen zu geben.

die ständige impfkommission stiko hat sich noch nicht zu einer generellen empfehlung hinreissen lassen. dies liegt zum einen daran, dass man die ersten “erfolge” abwarten möchte, zum anderen gab es in letzter zeit vielfach unpopuläre impfempfehlungen (stichwort hpv-impfung), und experten befürchten eine impfmüdigkeit durch noch mehr und damit noch unübersichtlichere impfempfehlungen. aber achtung: dies bezieht sich nicht auf mögliche medizinische risiken durch die menge an impfungen. 

diese fehlende stiko-empfehlung bedeutet allerdings auch, dass die impfung generell von den krankenkassen nicht übernommen wird, d.h. zunächst mal privat zu zahlen ist mit evtl. anschließender kostenübernahme.

ich persönlich empfehle die rotavirusimpfung noch nicht generell. impfungen sind immer schwer vermittelbar, wenn sie aus der tasche der eltern zu zahlen sind. dann kommt dazu, dass man die impfung recht früh beginnen sollte. impfungen sind ein reizthema, und einen guten monat bereits nach geburt ein überreizthema. dazu kommt, dass man ein kind mit rotavirus-erkrankung in der regel bei wiederholten vorstellungen in der praxis auch gut “handlen” kann. meine letzte einweisung eines kindes mit durchfall liegt bestimmt schon ein jahr zurück – und da warens salmonellen.

andererseits ist es eine schluckimpfung – interessanterweise nehmen die eltern das besser an als das gepiekse bei den anderen impfungen. und: jede erkrankung, die man einem kind ersparen kann, ist ein gewinn. wobei eben rotaviren eben nicht die einzigen durchfallserreger sind.

ich wäge ab. bei mir gibt es flyer zur rota-impfung, ich bespreche all das mit mit den eltern, und impfe auch, wenn es die eltern wünschen. aber es gibt sicher wichtigere impfungen. zu denen ich auch eine eher kompromißlose einstellung habe.

stellungnahme der deutschen akademie für kinder- und jugendmedizin

das robert-koch-institut zu rotaviren

aktuelle who-empfehlung

schöne grüsse an lisbeth, die mir hierzu eine email geschickt hat. 

rotas

da gibts schon wieder eine neue impfung? nein. die gibts schon länger. genauer gesagt, über 2 jahre. aber sie ist noch keine offizielle impfempfehlung der stiko und daher in der regel noch unbekannt: die  impfung gegen die rotaviren .

rotaviren sind die häufigsten erreger von durchfallserkrankungen im kindesalter, sie sind recht ansteckend und führen häufiger als andere enteritiserregern zu einem krankenhausaufenthalt — und sie sind übrigens die häufigsten erreger, die man sich dort auf der kinderstation einfängt, wenn man wegen etwas laboriert.

die impfung besteht aus zwei bzw. drei schluckimpfungen im abstand von jeweils vier wochen, beginnend ab der 6. lebenswoche, nach der 12. lebenswoche sollte wegen erhöhten nebenwirkungsrisiken nicht mehr begonnen werden. eigentlich wird die impfung problemlos vertragen, wenn man berücksichtigt, dass der impfling für ca. 1 woche roatviren auch ausscheidet (was meist zu keinem durchfall führt – infektionen daher sehr selten sind). befürchtet werden invaginationen , die bei einem früheren rotaimpfstoff häufig vorkamen. in der momentanen sachlage scheint es aber keine vermehrten invaginationen bei den neuen impfstoffen zu geben.

die ständige impfkommission stiko hat sich noch nicht zu einer generellen empfehlung hinreissen lassen. dies liegt zum einen daran, dass man die ersten “erfolge” abwarten möchte, zum anderen gab es in letzter zeit vielfach unpopuläre impfempfehlungen (stichwort hpv-impfung), und experten befürchten eine impfmüdigkeit durch noch mehr und damit noch unübersichtlichere impfempfehlungen. aber achtung: dies bezieht sich nicht auf mögliche medizinische risiken durch die menge an impfungen. 

diese fehlende stiko-empfehlung bedeutet allerdings auch, dass die impfung generell von den krankenkassen nicht übernommen wird, d.h. zunächst mal privat zu zahlen ist mit evtl. anschließender kostenübernahme.

ich persönlich empfehle die rotavirusimpfung noch nicht generell. impfungen sind immer schwer vermittelbar, wenn sie aus der tasche der eltern zu zahlen sind. dann kommt dazu, dass man die impfung recht früh beginnen sollte. impfungen sind ein reizthema, und einen guten monat bereits nach geburt ein überreizthema. dazu kommt, dass man ein kind mit rotavirus-erkrankung in der regel bei wiederholten vorstellungen in der praxis auch gut “handlen” kann. meine letzte einweisung eines kindes mit durchfall liegt bestimmt schon ein jahr zurück – und da warens salmonellen.

andererseits ist es eine schluckimpfung – interessanterweise nehmen die eltern das besser an als das gepiekse bei den anderen impfungen. und: jede erkrankung, die man einem kind ersparen kann, ist ein gewinn. wobei eben rotaviren eben nicht die einzigen durchfallserreger sind.

ich wäge ab. bei mir gibt es flyer zur rota-impfung, ich bespreche all das mit mit den eltern, und impfe auch, wenn es die eltern wünschen. aber es gibt sicher wichtigere impfungen. zu denen ich auch eine eher kompromißlose einstellung habe.

stellungnahme der deutschen akademie für kinder- und jugendmedizin

das robert-koch-institut zu rotaviren

aktuelle who-empfehlung

schöne grüsse an lisbeth, die mir hierzu eine email geschickt hat. 

Und dennoch: Ärzte sprechen über Fehler

Die Auswertung von Studien kann schon spannend sein. Manchmal können dabei selbst erfahrene Hasen noch überrascht werden. Die Erhebung “Qualitätsmanagement in der ärztlichen Praxis” haben wir nach 2007 und 2008 nun zum dritten Mal durchgeführt. Sie wird von Jahr zu Jahr aufregender.
Einen Schwerpunkt setzten wir in diesem Jahr auf einen wesentlichen Ausläufer von QM: das […]

Wie man schlechte Nachrichten überbringen sollte…

Es ist nun einmal so: Ab und zu müssen wir Ärzte unseren Patienten schlechte Nachrichten überbringen. Das tun wir nicht gern. Und manche von uns drücken sich gerne davor. Früher glaubte man einmal, es sei “schonender” für die meisten Patienten, schlechte Nachrichten nicht zu erfahren und in einigen Ländern hat sich bis heute eine Kultur des “nicht wissen Wollens” erhalten. Patienten werden über ihre Diagnosen im Unklaren gelassen. Gut...

Für Nante… with love!

Meine Mitbewohnerin berichtete mir gestern, dass sie dieses Blog liest, um zu erfahren wie es mir so geht und was so in meinem Leben passiert. Gegebenenfalls sehen wir uns echt wenig in letzter Zeit und wohnen ein bisschen aneinander vorbei und begegnen uns nur noch zufällig. Also sei an dieser Stelle gesagt:
es geht mir gut, […]

BMG: Die Gesundheitskarte kommt

Die elektronische Gesundheitskarte wird kommen. Das sagte der Pressesprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Klaus Vater, der Redaktion. Das Projekt werde sich wegen eines Streits über die Fotos der Versicherten nicht weiter verzögern, erklärte das Ministerium auch gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe keineswegs unterschiedliche Auffassungen zwischen Ministerium, Krankenkassen und dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar über die Erstellung der […]

Dr. Kunze hört (nicht) auf 12

Juni 2009
Herr Gabriel
Herr Gabriel saß auf dem Patientenstuhl als Dr. med. Anselm Kunze sein Sprechzimmer betrat. Noch vor Jahren wäre der Hausarzt in diesem Moment verzagt. Herr Gabriel wäre der Grund für eine kleine morgendliche Krise gewesen. Jetzt war dieser spezielle Patient zu Dr. Kunzes mentaler Übung geworden. Diese Wandlung hatte der Arzt einer Selbsterfahrungsgruppe für Therapeuten zu verdanken.
Nachdem in jüngeren Jahren Dr. Kunze der Gruppe mehrfach sein Leid über bestimmte Patienten geklagt hatte, hatten andere Teilnehmer ihm geraten, jene Patienten, unter denen er zu stark litt, um einen Hausarztwechsel zu bitten. Entweder löste man sich von einem Patienten, der einem über Jahre die Nerven raubte oder man ließ ihn zu einer mentalen Übung werden, hatte der Gruppenleiter ergänzt. Eine Übung für Selbstbeherrschung und Gelassenheit, so der leitende Psychologe. Nur wenige Tage später bat Dr. Kunze zum ersten Mal nach zehn Jahren Praxistätigkeit zwei Patienten, sich einen anderen Hausarzt zu suchen. Nummer drei auf seiner speziellen Liste war Herr Gabriel gewesen. Aber der durfte bleiben und wurde von diesem Tage an zur psychologischen Übung für Dr. med. Anselm Kunze.
Herr Gabriel war etwas jünger als der Hausarzt und ein Patient der ersten Stunde, in des Wortes ursprünglicher Bedeutung. Dr. Kunze hatte noch keine Stunde in dem frisch tapezierten Sprechzimmer seiner nagelneuen Praxis behandelt, als Herr Gabriel auftauchte und sein siebter Patient wurde – Karteinummer 007. Das war ein Witz, denn Herr Gabriel war nichts weniger als ein durchtrainierter Superagent mit stahlharten Fäusten und ebensolchem Gemüt. Herr Gabriel war krank und brauchte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – einen gelben Schein. Gleich an diesem ersten Tag.
An diesem ersten Tag wusste der frischgebackene Hausarzt allerdings noch nicht, dass dies achtundzwanzig Jahre so bleiben würde. Der Patient ging jetzt auf die Sechzig zu, der Arzt hatte sie überschritten und von dieser ersten Stunde an bis zu diesem Morgen hatte Herr Gabriel keinen vollständigen Tag gearbeitet. Anfang der Neunziger hatte es zwar einen Arbeitsversuch gegeben, in einer Fabrik, als Bote, aber das war nur dreieinhalb Stunden gut gegangen. Herr Gabriels Körper ließ Arbeit einfach nicht zu und kein Arzt fand je eine schlüssige Erklärung dafür.
Im Laufe dieser achtundzwanzig Jahre hatte ihn Dr. Kunze gebeten, ihn überredet, ihm gedroht oder einfach angeordnet, aber nichts hatte gefruchtet. Herr Gabriel konnte nicht arbeiten. Unter der Mithilfe diverser Fachärzte wurde er hier und da operiert, an Bandscheiben, Schultern, Leisten und Kniegelenken. Nichts half auf Dauer. Herr Gabriel wurde nicht arbeitsfähig. Allerdings, und das hielt sich Dr. Kunze zu Gute, der sich manchmal schämte, Hausarzt eines solchen Patienten zu sein, allerdings reichte es für Herrn Gabriel nie für einen positiven Rentenbescheid trotz diverser Anträge. Da leistete der Hausarzt äußersten Widerstand.
Dieser Teilerfolg und der Ratschlag des Seminarleiters aus der Selbsterfahrungsgruppe ließen Herrn Gabriel über all die Jahre Dr. Kunzes Patient bleiben.
Als der Hausarzt an diesem Morgen den Patienten vor sich auf dem Stuhl sitzen sah, fragte er sich, welches Zipperlein, welche Überweisung, welche Einweisung zur Operation heute fällig war. Letztere lehnte Dr. Kunze übrigens seit nunmehr elf Jahren erfolgreich ab. Er wollte nicht Schuld sein an Körperverletzungen, die scheinbar medizinisch legitimiert waren.
Nach achtundzwanzig gemeinsamen Jahren entspann sich folgendes Gespräch, an dessen Ende sich Dr. Kunze fragte, ob er nicht doch noch ein paar Jahre in seiner Praxis weitermachen sollte. Nicht, weil er noch nicht reif für den Ruhestand wäre, sondern weil er doch noch nicht alles in seinem Berufsleben erlebt hatte, wie er gern in leutseligen Gesprächsrunden behauptete. An diesem Tag geschah etwas sensationell Neues.
„Nun, Herr Gabriel, was kann ich heute für Sie tun?“
Das klang nicht genervt, sondern vollkommen neutral, geradezu entspannt und nicht nur das, Dr. Kunze empfand auch so. Er war stolz auf sich.
„Ja, ich weiß auch nicht so genau.“
„Hhm.“
„Ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll, es…“
Das war in den letzten Jahren gern der Auftakt zu einer ganz neuen Krankheit. Sehr wahrscheinlich war ein ganz neuer Abschnitt des Körpers betroffen. Wie damals, als nach vier Jahren Kniebeschwerden plötzlich ein Leistenbruch aufgetreten war, der sich zweieinhalb Jahre als Ursache der Arbeitsunfähigkeit hielt, um wieder vom Knie abgelöst zu werden, allerdings diesmal vom rechten.
„Hhm.“
„…es ist so anders, so neu…“
Dr. Kunze hatte es gewusst, eine neue Krankheit.
„Hhm.“
„Ich dachte…“
„Hhm.“
„Ich dachte, ich versuche es mal…“
…mit dem Herzen oder der Leber, ergänzte Dr. Kunze in Gedanken. Dies waren nämlich zwei Organe, die in den ganzen Jahren unberührt geblieben waren. In den Nieren waren angeblich Steine gewesen, seine Lungen von Asbest verseucht, im Kopf war wiederholt ein Tumor gewachsen. Arzt und Patient hatten sich phasenweise auf psychische Ursachen geeinigt, dann wieder war der Bewegungsapparat marode oder die Haut von allergischen Symptomen geplagt. Also versucht er es diesmal mit dem Herzen oder der Leber, dachte Dr. med. Anselm Kunze. Nur dass Patient Gabriel das so offensichtlich ankündigte, das war neu. Er hielt sonst gern auf Etikette, was seine Krankheiten und seine Arbeitsunfähigkeit betraf und hätte nie zugegeben, sich mit einer Krankheit vorm Arbeiten zu drücken.
„Ich habe mir halt gedacht, ich versuche es mal…Ich versuche es mal…“
Seit wann hatte Herr Gabriel solche Schwierigkeiten.
„Hhm.“
Dr. Kunze wartete weiter ab. Da platzte es aus dem Patienten heraus.
„Ich wollte es halt mal mit Arbeit versuchen.“
Im Sprechzimmer herrschte die Stille nach dem Schuss. Dr. Kunze ließ sich mit all seinem Gewicht in die Rückenlehne seines Schreibtischstuhls fallen.
„Nein!“ entfuhr es ihm.
Er hatte schon viel erlebt. Eigentlich hatte er angenommen, er hatte alles erlebt, alles, was einem Hausarzt in seiner Praxis widerfahren konnte. Er war perplex. Angezählt wie ein Boxer im Ring, den ein unerwarteter Kinnhaken getroffen hatte.
„Nein!“ wiederholte er.
Der Patient erhob sich, während Dr. Kunze noch durch den Ring taumelte. Patient Gabriel stand in der offenen Tür und sprach:
„Nun, gut, wenn Sie meinen. Dann sage ich das dem Herrn von der Arbeitsvermittlung. Sie bleiben also bei Ihrem Nein, Herr Doktor?“
Der Arzt schwieg und Herr Gabriel zögerte. Schließlich schloss er die Tür hinter sich. Er schüttelte den Kopf. Dr. Kunze erschien ihm nicht vollkommen gesund, er wirkte blass.