Glauben führt zu Wissen

In meinem letzten Artikel, in dem es um Falsifizierbarkeit als überragendes Kriterium für Wissenschaft ging, habe ich recht abstrakt über wissenschaftliche Theorien als ganzes geschrieben und die Relativitätstheorie als Beispiel hergenommen. Heute möchte ich die Perspektive wechseln und die Sicht der einzelnen Forscherin, des einzelnen Forschers einnehmen. Wenn wir wissenschaftlich arbeiten, schadet es gar nicht, unüberprüfbare Glaubenssätze als Prämisse zu nehmen. Glauben kann recht nützlich sein.

Neurotechnologie im Kinderzimmer

Ungefähr 150 Jahre hat es gedauert. Nun ist die Neurotechnologie im Kinderzimmer ankommen. Vergleichen muss man die EEG-gesteuerten Katzenohren mit Technik, die personenbezogene Daten aufzeichnet, mit Technik zur erweiterten Realität und mit Medizintechnik. Fachkompetent eine wissenschaftliche Risikobewertungen vorzunehmen ist daher eine echte Querschnittsaufgabe.  Musik, die an die Augsburger Puppenkiste erinnert, unterlegt das Werbevideo. Es zeigt, wie moderne Neurotechnologie künstliche Katzenohren auf Mädchenköpfen montiert wackeln lässt. Das passt, es hat wirklich das Antlitz der schaurig-schönen Welt eines Marionettentheaters. Dies wird kein Strohfeuer, das kurz auflodertweiter

Tag 4 bei Fabiola: Vielfalt statt Einfalt

Auch für den gestrigen Tag bei #LindauEcon14 liefert Fabiola Gerpott wieder einen ausführlichen Bericht. Freitag, 22.08.2014: Mein Wecker klingelt heute zur Abwechslung noch eine halbe Stunde früher als die letzten beiden Tage – um 6.00 Uhr ist die Nacht beendet und ich mache mich auf den Weg zum „Science Breakfast “ im Forum am See […]

Sonntagsfahrer

Mühsam kommen wir an einem schönen Sonntagnachmittag im Stadtverkehr vorwärts. Das Meldebild drückt schon mal die Stimmung. Nachforderung wegen irgendwas mit Herz. Der Kunde sitzt schon im RTW, die nächste Uniklinik ist gerade fünf Minuten weit weg –  zu Fuß. “Guten Tach, was los?”, murmele ich begeistert zur Begrüßung, als ich in das Auto steige. […]

Fabiolas dritter Tag: Bilden – Inspirieren – Verbinden

Nachwuchsökonomin Fabiola Gerpott über ihren dritten Tag bei #LindauEcon14. Donnerstag, 21.08.2014: Der dritte Meeting-Tag erwies den Leitmotiven der Lindauer Nobelpreistagungen alle Ehre: Bilden – Inspirieren – Verbinden (Educate – Inspire – Connect), dazu boten sich heute ausreichend Möglichkeiten! Sechs Lectures am Vormittag, dann eine 1,5-stündige Podiumsdiskussion und sechs parallele Diskussionsrunden am Nachmittag, gefolgt von einer […]

Wissenschaft, plakativ

Im öffentlichen Raum stößt man immer wieder auf Plakate, die Wissenschaft oder Forschende zum Gegenstand erheben. Nein, ich rede nicht von Reklame für Science Festivals oder ähnliches, also von Wissenschafts-PR, sondern im Gegenteil: von Werbung, die sich auf Kosten von Wissenschaft als System bzw. ihrer Protagonisten als Personen aufschwingt, dieses oder jenes zu promoten. Wissenschaft erscheint dann als Chiffre für etwas Negatives, Fremdes, Hermetisches, bisweilen auch Subversives oder Aggressives. Das BASE-Plakat, das mir 2011 unterkam, ist meiner Meinung nach ein besonders dämliches Beispiel, weil das Produkt, das hier beworben wurde, ohneweiter

Es gibt keine kulturellen Ökosystemdienstleistungen

Die Notwendigkeit des Natur- und Umweltschutzes begründet man heute mehr und mehr mit „Ökosystemdienstleistungen“. Unter diesen „Dienstleistungen“ werden im allgemeinen auch „kulturelle“ genannt. Kulturelle Ökosystemdienstleistungen kann es aber nicht geben.   In der Umweltpolitik und in den ihr unmittelbar zuarbeitenden Teilen der Wissenschaft ist seit einigen Jahren viel von „Ökosystemdienstleistungen“ die Rede. Unter diesem Begriff versucht man so gut wie alles zu fassen, was eine Begründung für den Umwelt- und Naturschutz abgeben könnte, sofern man nicht einen „Eigenwert der Natur“ geltendweiter

Wie ein Jeside bzw. Ezidi seinen Glauben versteht – Ein Gastbeitrag mit Fragemöglichkeit

Auf meinen Buchauszug zur fälschlich behaupteten “Teufelsanbetung” von Jesiden habe ich eine Vielzahl überwiegend positiver Rückmeldungen bekommen. Ein Jeside wandte sich an mich und bot an, einmal aus der “religiösen Innensicht” selbst zu beschreiben, wie er seinen Glauben versteht, außerdem auf sachliche Fragen von Leserinnen und Lesern von “Natur des Glaubens” zu antworten. Das ermögliche ich gerne, hier ist also sein Gastbeitrag:

Zeitverträge in der Wissenschaft

Irgendwie ist beim Thema Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie bzw. Gleichstellung in der Wissenschaft dieser Tage ein bisschen der Wurm drin. Erst der peinliche Schnitzer von Report Mainz (siehe meinen Blogbeitrag hier),und jetzt dieser Artikel hier in der FAZ: “Befristete Jobs wirken wie die Anti-Baby-Pille”. Der Hintergrund: Familienministerin Manuela Schwesig hatte dem Focus ein Interview gegeben, in dem sie beklagt, befristete Jobs seien ein Grund für die niedrige Geburtenrate in Deutschland. Eltern, die aufgrund von Befristungen unsicher in die Zukunftweiter

Rosetta, der Komet und die sozialen Medien – sechs Fragen an „Sterne und Weltraum“-Chefredakteur Uwe Reichert

1.) Du konntest mit einem weitergeleiteten bildnerischen Größenvergleich des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko und Los Angeles einen großen Aufmerksamkeitserfolg in den sozialen Medien verbuchen (https://twitter.com/quark1972/status/501429546101784576/photo/1). Erzähle uns die Geschichte hinter der Geschichte? Uwe Reichert: Das fing damit an, dass ich dieses Bild auf Twitter entdeckte, den Tweet auf Deutsch übersetzte und über den Twitter-Account von „Sterne und Weltraum“ herumschickte. Ich war sehr überrascht, welche enorme Aufmerksamkeit das auslöste. Auf dem Bild selbst ist eine Aufnahme des kartoffelförmigen Kometen zu sehen, welche dieweiter

Was wird nun aus den Verlagen?

Im akademischen Bereich schimpfen ja viele auf die Verlage. Sie würden überteuerte Produkte anbieten, die sie zudem noch nicht einmal selbst herstellen. Die komplette Umstellung auf Open Access, in welcher Variante auch immer, sei der richtige Weg. So gut ich mir das bei wissenschaftlichen Zeitschriften, Dissertationen und Proceedings vorstellen kann, glaube ich doch, dass etwa die Herstellung eines guten Lehrbuchs eines Verlags bedarf. Und erst recht gilt dies für den klassischen Buchverlag, der Sachbücher und Belletristik verlegt. Hier werden Bücher als Produkte entwickelt und amweiter

Fabiola Gerpotts zweiter Tag

Von intellektuellem Vergnügen, interdisziplinärem Generationendialog und intelligentem Schlange stehen Mittwoch, 20.08.2014: 06.30 Uhr, der Wecker klingelt. Viel zu früh in Anbetracht des gestrigen (bzw. gefühlt gerade erst beendeten) Kennenlern-Abends für die Tagungs-Stipendiaten. Das Klischee vom langschlafenden Wissenschaftler wollten die Programmplaner bei diesem Meeting wohl nicht bestätigen, also raus aus den Federn. Zufrieden mit meiner Selbstdisziplin […]

Meteoriten gestohlen

In der Nacht von Montag auf Dienstag (18./19. August) wurde in das Museum der Sternwarte Sonnenborgh in Utrecht (Niederlande) eingebrochen. Die Einbrecher stahlen dabei unter anderem mehrere Meteorite, darunter einen Stein namens Serooskerke. Der stammt vermutlich vom Asteroiden Vesta und gehört damit zu einer seltenen und kostbaren Meteoritengruppe. Der Meteorit fiel im Jahr 1925 nahe des Orts Serooskerke (Zeeland) und ist einer von nur fünf Meteoriten, die in den Niederlanden gefunden wurden.

Epidot – Mineralogisches Alphabet E

Manche Gesteine, zum Beispiel wie der Unakit, heben sich durch ihre hübsche grüne Farbe ab. Das Mineral, welches für die Farbe verantwortlich ist, ist sehr oft das Mineral Epidot. Bekannt ist das Mineral bereits seit 1782, als es im französischen Le Bourg-d’Oisans entdeckt wurde. Zunächst aber hielt man es für einen Turmalin. Erst der französische Mineraloge René-Just Haüy erkannte es als eigenständiges Mineral. Er gab ihm seinen Namen, in Anlehnung an das griechische epidosis für Zugabe, Steigerung oder Ausdehnung. Grundlage für die Namensgebung war die typische Kristallform, bei der eine Seite des Prismas länger als die andere ist.

Zeig mir mal, was ist denn das?

Zur Orientierung der Sprachentwicklung (z.B. mit drei (U7plus) oder vier Jahren (U8)) benutzen viele Kinderarztpraxen einen Bilderbogen, der die wichtigsten Konsonanten der deutschen Sprache erfragt, um mögliche Sprachbildungsstörungen zu erkennen. Er wurde eine zeitlang über eine Pharmafirma vertrieben und eignet sich für einen kurzen Überblick. Wen´s interessiert, ich habe ihn hier eingescannt: . Eine kleine […]

Zwischen Small Talk und Smart Talk: Die Nobelpreistagungen beginnen!

Tagungsteilnehmerin Fabiola Gerpott resümiert den ersten Tag von #LindauEcon14. Dienstag, 19.08.2014: Heute geht es endlich los! Im Süden Deutschlands auf der Insel Lindau beginnen für 18 Nobelpreisträger und etwa 470 Nachwuchsforscher (einschließlich mir) die „Lindau Nobel Laureate Meetings“. Zunächst bedeutet dies: Ankommen und Registrierungsunterlagen abholen. Leichter gesagt als getan für manch einen ausländischen Wissenschaftler, der […]

Von Wettervorhersagen und Klimawandel

Bei Diskussionen um und über den Klimawandel bekommt man ja sehr häufig die Frage gestellt, wie denn die Wissenschaft einen langfristigen Trend, also den Wandel des Klimas vorhersagen kann, wo sie doch ( häufig) bereits bei kurzfristigen Vorhersagen des Wetters, beispielsweise der nächsten Woche so grandios scheitert. In diesem kurzen Video erklärt Neil deGrasse Tyson auf einfache und sehr anschauliche Art, was der Unterschied zwischen Klima und Wetter ist.  

Mehr Zivilisation durch weniger Testosteron?

Eine Gruppe von Anthropologen um Robert Cieri von der Utah University in Salt Lake City haben Anfang August eine interessante Hypothese zur Entstehung der menschlichen Zivilisation vorgelegt1. Sie vermuten, dass vor etwa 50 000 Jahren ein verringerter Testosteronspiegel bei Männern zu einer besseren sozialen Verträglichkeit führten. Irgendwann hörten unsere entfernten Vorfahren damit auf, sich wie hirnlose Muskelprotze aufzuführen und bei jeder Gelegenheit den Schädel einzuschlagen. Stattdessen begannen sie zu lernen und ihre Erfahrungen weiterzugeben. Dadurch konnte sich eine immer komplexereweiter

Frank Findeiß: Psychoterrorpie

Ein Kollege von mir hat in einer Buchhandlung das folgende Gedicht zur Psychotherapie gefunden.Hoffentlich machen wir es besser… 🙂 Frank Findeiß: Psychoterrorpie Sektiererisch impfst DuKlischee- ParolenIns NervenkostümAus Samt und SeideRedmir ins Gewissen<br />Schaltmich ausMein schwindender WilleFügt sich dem TaktAus bohrenden FragenFragenden BlickenUnd verdeckten NotizenGeheimnisvollMit salbenden WortenHakst Du mich abVom KatalogDer DiagnosenDem Spiel Deiner MineVon kruder […]

Über diplomatische Auffassungen und historische Erkenntnisse

Der letzte Text über die jüdischen Siedlungen bzw. die Reaktionen darauf haben mir verdeutlicht, dass eine Auseinandersetzung mit der Frage Not tut, wie man etwa als Historiker mit unterschiedlichen, ja widersprüchlichen Auffassungen umgeht. Der Streit über die Rechtsstellung der (je nach Auffassung) »befreiten« oder »besetzten« Gebiete in Israel ist gemeinhin bekannt. Mir geht es jetzt gar nicht darum, wer Recht hat (meine persönliche Meinung dürfte ebenso gut bekannt sein). Vielmehr geht es nun um ein Grundprinzip solcher Streite, nämlich dieweiter

Cost recovery for “water services” / Critical review of the EU Court of Justice conclusions of Advocate General Jääskinen in case C-525/12

The conclusions of Advocate General Jääskinen in the matter of the infringement proceedings against Germany, regarding the scope of the term “water services” in Article 9 of the Water Framework Directive, are now available. In these he considers that the action brought by the Commission against the narrow interpretation in Germany, which is restricted to water supply and waste water disposal, is inadmissible due to the fact that there is no complaint in respect of any clearly defined conduct thatweiter

Beo-Tipps 8/14

Hallo liebe Leser, dank der “Sterne und Weltraum”-Redaktion werden die Beobachtungstipps jetzt alle zwei Wochen, Anfang und Mitte des Monats, auf der SuW-Homepage veröffentlicht. In der zweiten Augusthälfte geht es unter Anderem um die Andromeda Galaxie M31 und interessante planetarische Nebel. Hier gehts zum Artikel

Fundamentalismus & Extremismus – Die gefährlichen Seiten des Glaubens

Schon vor über 5 Jahren schrieb ich im Fazit meiner ersten Titelgeschichte “Homo religiosus”, dass das enorme Potential von Religiosität auch gefährliche Seiten habe. Zu beobachten sei eben auch, “dass in besonders engen Gemeinschaften nicht nur Vertrauen und Kooperation zunehmen, son­dern genauso die Abgrenzung gegenüber An­dersgläubigen und Atheisten, die Ablehnung von Toleranz und Humor und teilweise sogar die Bereitschaft, eigene Interessen gewaltsam durchzusetzen. Auch extremistische und kriminelle Gemein­schaften nutzen religiöse Lehren und Rituale, um den inneren Zusammenhalt gegen die Au­ßenweltweiter

Dual Career und Gleichberechtigung in der Wissenschaft

Ich will hier nicht im Detail auf den ziemlich unsäglichen Fernsehbeitrag von “Report Mainz” über die Max-Planck-Gesellschaft eingehen (hier der Beitrag, hier die MPG-Stellungnahme; Offenlegung: ich bin bei der MPG angestellt, schreibe mein Blog aber als Privatperson). Aber einer der Vorwürfe dort betrifft ein allgemeineres Thema, zu dem offenbar Erklärungsbedarf besteht. Wer Wissenschaftler in seinem Freundeskreis hat oder z.B. hier bei SciLogs die entsprechenden Beiträge von Markus Dahlem liest, weiß, dass wissenschaftliche Karrieren alles andere als Selbstläufer sind: Nach derweiter

“Dann geh doch zu den Siedlungen!”

Es passiert oft. Ob bei Privatgesprächen oder auf einem Podium – wenn ich es wage, für die israelische Siedlungspolitik zu sprechen, findet sich irgendwann doch derjenige, der sich für ganz klug hält und mir mit triumphierender Stimme zuruft: “Warum bleibst du dann hier? Wenn du denen so sehr helfen willst, dann geh doch zu den Siedlungen!” Diese Art von Argumentation finde ich umso irriger, je häufiger sie vorkommt – Tendenz aufsteigend. Es sind vor allem zwei Aspekte, die mich schmunzelnweiter

Wie wir schreiben werden – eine Vision

„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, hat Helmut Schmidt einmal als Antwort auf die Frage nach seiner politischen Vision gesagt. Ich begebe mich also auf dünnes Eis, wenn ich hier eine Vision des digitalen Schreibens beschreiben möchte. Allerdings handelt es sich nicht um frei zusammenfantasierte Science Fiction, sondern um technologische Entwicklungen, an denen gegenwärtig tatsächlich gearbeitet wird und mit denen in den nächsten Jahren in Gestalt von Produkten gerechnet werden kann. In meinem Buch „Engelbarts Traum“, das im September erscheinenweiter

Anderssein als Auffälligkeit

Das gilt aber (…) auch für die forensische Psychiatrie, die mit einer omnipotenten Weltsicht jede Regung des Andersseins als Auffälligkeit registriert und zu jeder Einflüsterung von Krankheitsbildern in die Ohren vorurteilsstarker Richter gut und bereit ist. Das Landgericht Regensburg hat mit seinem Urteil vom 14.8.2014 eine Selbstkorrektur der Strafjustiz ins Werk gesetzt. In der Psychiatrie wird […]