Erklären in zwei(?) Wissenschaftskulturen

Wie soll man eigentlich was erklären: Der deutlichste Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften liegt im Schreib- und Erklärstil. Während Geisteswissenschaftler in Vorträgen und Papers sich nicht kurz fassen können, weil sie das Bedürfnis haben, alles doppelt und dreifach auf immer schönere oder einfach nur alternative Art zu sagen und dabei noch tausendundein Exkurs unterzubringen (und solche Schachtelsätze mit drölfzig Füllworten zu bauen wie diesen hier), ist die Situation bei Naturwissenschaftlern anders: Man bringt es auf den Punkt. Man verfasst klareweiter

Akademie Online

Ich möchte gern über Lehrvideos sprechen. Sie sind mein absoluter Favorit, wenn es um Fortbildung von zuhause aus geht. Radiologie hat einen großen Vorteil, gegenüber anderen Fachrichtungen – wir brauchen nicht unbedingt praktische Übungen, um besser zu werden. Alles was man braucht, … Weiterlesen

Jetzt wird es dunkel!

Ich habe das Glück und das Privileg, als Radiologe in einem Haus zu arbeiten, in dem die Ultraschaldiagnostik fast komplett in den Händen von Radiologen liegt. Man könnte es auch als Fluch für den Diensthabenden bezeichnen. Je nachdem wie sehr … Weiterlesen

Diazepam Kumulation

Sie behandeln einen Patienten mit einer Tablette Diazepam 10 mg pro Tag. Wie kommt es eigentlich, dass dieser Patient nach einer Behandlungsdauer von ungefähr fünf Tagen immer scheinbar plötzlich so müde wird? Die Antwort ist natürlich ganz einfach: Diazepam kumuliert aufgrund der langen Halbwertszeit von etwa 50 Stunden mit jeder Gabe immer mehr. Gehen wir […]

Kevin lässt einen fliegen

Heute ist endlich der große Tag gekommen. Kevin Gräff will seinen bis auf die Hülle selbst entwickelten Stratosphärenballon starten und ihn idealerweise bis auf rund 35 km Höhe aufsteigen lassen – so hoch, dass die Hülle platzt und die Nutzlastkapsel mit Kamera und Messinstrumenten am Fallschirm zu Boden fällt, wo sie hoffentlich aufgefunden und eingesammelt werden kann.

Gleich gehts los!

Dies ist nur ein kurzes Start-Update für den Stratosphärensondenstart (zum Artikel). So wie es aussieht, ist das Wetter ganz akzeptabel. Wir haben etwas Nebel, der sich aber hoffentlich bis um 10:00 Uhr verzogen haben wird. Falls nicht, wird trotzdem gestartet. Laut Prognosen erwarten wir, dass der Ballon zwischen Eppertshausen und Barbenhausen niedergehen wird. Dabei legt er eine Strecke von 33 bis 47 km zurück. In diesem Gebiet scheint es ein gutes Mobilfunknetz zu geben, was uns die Suche dann hoffentlichweiter

Ein Grabungstag mit Profil

Nach einem schließlich doch nicht vollendeten Vorhaben, die Profile in Sondage 4 (man erinnere sich, die bisher äußerst fundarme) wie gewohnt ASTrein abzustechen, zog sich Björn wieder in seine Knochengrube zurück. Er widmete sich dort den bisher aussichtsreichsten Funden, die in die Zeit der Nutzung des Hügels als Richtstätte weisen könnten. Dabei leistete Jan tatkräftige Unterstützung, wenn er nicht gerade seine zweiten Passion – das Kaffeekochen – auslebte. Dafür sei ihm an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt. In den nächstenweiter

Flipped Conference: Erste Erfahrungen

Das Wichtige an Tagungen sind nicht die Vorträge, sondern die Kaffeepausen. Diese Feststellung geistert durch die Wissenschaftswelt, und das auch nicht ohne Grund: Während oftmals lieblos gehaltene Vorträge “ertragen” werden müssen, dabei ca. 50% der Anwesenden ihre E-Mails beantworten und anschließend zu wenig Zeit für Diskussionen bleibt (weil aus den für den Vortrag vorgesehenen 20 Minuten dann doch 28 Minuten geworden sind), dann sind die Kaffeepause und der Gesellschaftsabend die einzigen Möglichkeiten, das zu tun, wofür man eigentlich den oft recht langen Weg zuweiter

Liebe auf den zweiten Blick – Einstein und die Religion von Markus Mühling

Als ich mich vor einigen Jahren mit vielen anderen für den (inzwischen erfolgten) Wiederaufbau der Ulmer Synagoge engagierte, zu der auch der kleine Albert Einstein und seine Familie gehört hatten, wuchs mein Interesse an der Haltung des bedeutendsten Physikers und Bürgerwissenschaftlers des 20. Jahrhunderts. Ich wollte wissen, was er mit Aussagen wie “Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind” oder “Gott würfelt nicht” denn nun “genau” gemeint hatte. Was genau meinte er mit “Religion” und “lahm”, mit “Gott”weiter

Eine Lanze für die Windmühlen brechen: Verlässliche Informationen im Internet

Ich bin ja nicht häufig krank, ich meine so richtig krank. Durch regelmäßigen Sport und gesunde Ernährung – als Vegetarier stehe ich auf Gemüse in allen Facetten – tropft höchstens mal bei dem Hamburger Schietwedder die Nase. Aber dann traf es mich doch: Hashimoto-Thyreoiditis. „Ist nicht so schlimm, regelmäßig ne Tablette und für Sie ändert sich nichts“, lautet die medizinische Fachmeinung. Das klingt zwar nicht dramatisch, beruhigt mich aber überhaupt nicht. Also setze ich mich mit einer Tasse Kaffee bewaffnet an meinen Laptop und befrage das allwissende Internet. 228.000 Treffer spuckt die Suchmaschine aus. Das ist schon ziemlich einschüchternd. Ich wage es dennoch und fange oben an:

Die Grenzen der Physik aus Sicht eines vergessenen Physiologen

Der Ignorabimus sollte auch unter dem Aspekt des Wandels der Physiologie des 19. Jahrhunderts und dessen politischen Kontext gehen werden. So schrieb ich vor vier Jahren hier. Diese Einschätzung mag ja meine persönliche Ignoranz gewesen sein. Umso mehr freute mich, als Ende letzten Jahres ein Buch erschien (MIT Press, 26,25€, Link zum Verlag), dass endlich in der gebührenden Tiefe Emil du Bois Reymond uns wieder ins Gedächtnis ruft. .. the long-awaited “Emil du Bois-Reymond—Neuroscience, Self, and Society in 19th-century Germany” by @gabridliweiter

In den Westsondagen nichts Neues…

…aber dafür tobte in den Ostsondagen eine wahre Fundschlacht. Georg und Mareike schnitten ihre Befunde, von denen einer möglicherweise ein Pfostenloch ist. Dabei brachten sie einige interessante Objekte ans Tageslicht: bronzezeitliche Scherben, Silex-Abschläge und bei Georg gab es sogar kleine Knochensplitter, seien sie von Mensch oder Tier. Währenddessen stach unser fleißiger Vormittags-Ausgräber Björn die saubersten Profile ab, die der Belziger Wald je gesehen hat. Diese Aufgabe übernahm dann unsere Nachmittags-Ausgräberin Katrin. Daniel in der Grube arbeitete sich langsam aber sicherweiter

Ist das mal dringend!

fMFA: “Herr Doktor, da ist ein Kollege am Telefon. Möchte Sie dringendst sprechen.” Ich: “Wer denn?” fMFA: “Ein Dr. Meissner aus Obersterzen, er würde sie kennen.” Nie gehört. Ich: “Nie gehört. Na, geben Sie mal her.” Ich: “Hallo, Kinderdok hier.” Meissner: “Grüß Gott, Herr Kollege, es gibt was Dringendes.” Ich: “Grüß Gott, ja, was denn?” […]

Der Mann mit dem staunenden Blick

„Naturgesetze in der Kaffeetasse“, Physikalische Überraschungen im Alltag, so lautet der Titel des gerade erschienen Spektrum Spezial mit Texten von Professor H. Joachim Schlichting. Hier geht es unter anderem um den Cappuccino-Effekt, das Heiz-Paradoxon und das Bermuda Dreieck. Der Schöpfer der Geschichten ist früherer Direktor des Instituts für Didaktik der Physik an der Universität und seit vielen Jahren Autor bei Spektrum der Wissenschaft. Studiert hat Schlichting Physik und Philosophie, zuletzt wurde er mit dem Archimedes-Preis für Physik ausgezeichnet. Wir habenweiter

Welcher-Weg-Abbildung

Spekrum.de berichtete Ende August über ein quantenoptisches Experiment an der Universität Wien zum Fotografieren mit verlorenem Licht. Die Originalveröffentlichung ist bei Nature unter dem Titel Quantum Imaging with undetected photons erschienen. Der Versuch ist bei Spektum bereits sehr gut beschrieben, so dass ich hier weitgehend darauf Verzichten kann, die experimentellen Details zu schildern. Vielmehr möchte ich auf zwei offene Fragen eingehen: Gibt dieser Versuch überraschende Erkenntnisse und lässt sich hiermit überlichtschnelle Kommunikation erreichen?

Die Bibliothek – Inbegriff der Schriftkultur

Die sicherlich am deutlichsten wahrnehmbare Infrastruktur, die um das Buch herum entstanden ist, ist die der Speicherung: die Bibliothek. Manche Bibliotheken wurden im 19. Jahrhundert als wahre Kathedralen der Schriftkultur errichtet. Ganz am Anfang waren Bibliotheken jedoch kaum mehr als Archive. Archive haben die Funktion, Texte zu registrieren, abzulegen und für eine bestimmte Nutzung zugänglich zu halten. Schon in der griechischen Antike wurden Schriftrollen in speziellen Räumen in Tempeln gelagert. Mit der Bibliothek von Alexandria und der ersten öffentlichen Bibliothek in Romweiter

Verschollen geglaubtes Manuskript des Nobelpreisträgers Alan Hodgkin

Es wird einwenig mühselig doch die Kopie einer Kopie reicht, um die Handschrift aus dem Jahr 1959 zu transkribieren.  Es ist eine digitale Kopie einer alten Fotokopie. Nun liegt sie auf meiner Festplatte. Das Original wird entweder irgendwo in den Archiven der amerikanischen Gesundheitsbehörde “National Institutes of Health” (NIH) Staub sammeln oder wo immer der Nachlass des Empfängers, Wade H. Marshall, verwaltet wird. Lange fürchtete ich jede Kopie und das Original des bis heute noch unveröffentlichten Manuskriptes seien für immer verschollen. Derweiter

Noch ein Insider

During the interview, Abbas admitted that there was no difference between the Egyptian initiative introduced at the beginning of the operation and the proposal accepted at its end, 50 days later. (wen die Hintergründe interessieren, einfach aufs Zitat klicken)

Perspektivenwechsel

Perspektivenwechsel   Der Blog heißt zwar „Pictures of the Sky“, aber ich habe mir gedacht, es sei doch einmal schön, einen kurzen Perspektivenwechsel durchzuführen. Dabei will ich ausnahmsweise mal nicht den Himmel fotografieren, sondern von hoch oben herunter auf die Erde. Dafür verwende ich eine Stratosphärensonde, welche an einem großen Wetterballon gehängt wird. Die Idee dafür hatte ich bereits vor einigen Jahren, doch wegen dem Lernen für das Abitur, dem Einstieg ins Studium und wegen anderen Projekten gab es beiweiter

Tag 2 – was sagen die Studenten?

Heute Morgen machten wir dort weiter, wo wir am Tag zuvor aufgehört hatten – auf dem kalten Waldboden des Galgenhügels in Bad Belzig. Das Wetter hieß uns zu Beginn zwar nicht so strahlend willkommen wie gestern, doch wir waren mit unserer Regenkleidung und unseren Planen ja auf alles bestens vorbereitet. Wie bereits erwähnt wurde, handelt es sich bei dieser Grabung um die erste Forschungsgrabung dieser Art im Land Brandenburg. Für manche Studenten ist sie allerdings gleichzeitig die allererste Grabung imweiter

Gelesen im August

Im Urlaub endlich kann ich lesen, wie und so oft ich mag, vor allem aber habe ich die Muße dazu. Wir waren viel unterwegs, die Kinder sind inzwischen beide im Lesefieber angekommen, bliebt auch mehr Zeit für meine Bücher, das Wetter tat sein übriges: Sterbenvon Karl Ove Knausgard (deutsch von Paul Berf) Ja, gut, nach […]

Steine, Gruben und viel Sand – Tag 1 der archäologischen Forschungsgrabung auf der Richtstätte von Belzig

Pilze, Ameisen und ein viel zu dicht bewachsener Wald empfing uns heute Morgen, als wir uns mit Grabungswerkzeug dem Ort näherten, der uns die nächsten vier Wochen beschäftigen wird. Leichter Herbstnebel ließ die Konturen verschwimmen, Geräusche waren hier oben kaum noch zu hören und so fiel es nicht schwer, sich eine andere Zeit vor zu stellen. Eine Zeit, in der Richtplätze und der Anblick von Gehenkten und Geräderten darauf zum normalen Alltag gehörten. Die Straße am Hügelfuß, deren Verlauf sichweiter

Dorothy Hodgkin: Königin der Kristallographie

2014 jährt sich die Vergabe des Chemienobelpreises an Dorothy Hodgkin zum fünfzigsten Mal – Erinnerung an eine Lindau-„Veteranin“, die schon zu Lebzeiten eine Legende war. Dorothy Hodgkin gelang es, den chemischen Aufbau eines Biomoleküls ausschließlich durch die Kristallstrukturanalyse mit Röntgenstrahlen zu bestimmen. Das war zuvor noch keinem Wissenschaftler gelungen. Doch wie kam es zu dieser […]

Die Mauer

Ich gestehe, dass ich mich mit der politischen Situation in Israel und mit den Palästinensern nicht gut auskenne. Lese ich mal einen Übersichts- oder Erklärartikel in Spiegel, Zeit oder der hiesigen Tageszeitung, habe ich eine gewisse Ahnung, die aber sofort wieder verpufft, wenn einige Zeit vergangen ist. Was ist die Westbank, wer kontrolliert den Gaza-Streifen, […]

Karriereausblick

Die alte Dame lag perfekt gestylt in ihrem Bett. Ich stand vor ihr in meinen Privatklamotten (dazu ein andermal) und quasi direkt vom Friseur kommend und halte einen Vortrag über irgendwas Patientenrelevantes. Plötzlich unterbricht sie mich mit einer ausladenden Handbewegung. “Warum sind Sie nicht zum Film gegangen?”, fragte sie mit theatralischer Miene und zeichnete dabei […]

Warum brauchen Kaninchen keine Religion, um sich erfolgreich fortzupflanzen? (n-tv 2)

Es ist nicht verboten, in der Wissenschaft manchmal zu schmunzeln – und hinter manch lustiger Frage verbirgt sich auch ein ernstes Thema. So erreichten mich nach dem n-tv-Interview zur Religionsdemografie per Mail und per Twitter auch öffentliche Anfragen, warum sich denn – bitte – Tiere ohne kulturelle Glaubenstraditionen fortpflanzen könnten.

Arbeitsgebiete II: Protokolle zur Neuromodulation bei Migräne

Das zweite übergeordnete Thema meiner Arbeitsgebiete ist die Entwicklung neuer Protokolle zur elektromagnetischen Stimulation des Gehirns bei Migräne. Das ist zunächst gar nicht so zukunftsorientiert wie es klingt. Solch ein Protokoll lautete z.B. im 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung so: man nehme einen Zitterrochen und lege ihn (lebendig) auf den eigenen Kopf. Der römische Arzt Scribonius Largus hat es sich ausgedacht. Und noch zu Zeiten der Erfindung der Leidener Flasche war die einzige praktische Anwendung der Elektrizität eine medizinische zurweiter

Arbeitsgebiete I: Vom Membranprotein zu Schmerz und Halluzinationen

In welche Fragestellungen meine Forschung eingebunden ist, zeigt anschaulich eine Abbildung, die ich für einen geplanten Buchartikel und für meine Webseite zusammengestellt habe. (A) Auf der molekularen Ebene betrachten wir Funktionsveränderungen der Zellmembran, die u.a. durch genetische Mutationen hervorgerufen werden können. (B) Darauf aufbauend wird auf der zellulären Ebene die Elektrophysiologie und deren Einfluss auf den Ionenhaushalt des Gehirns modelliert. (C) Gehirnzellen formen kortikale Netzwerke und definieren so nicht nur Schaltkreise sondern auch Gewebeeigenschaften in den verschiedenen Schichten der Hirnrinde (Kortex). (D) Nervenzellenweiter