Es wird gestreikt. Irgendwie. Es sieht nach wie vor so aus, dass die Hälfte von uns in der Klinik bleibt (und damit wesentlich mehr stellt als die Notbesetzung), weil sie nicht streiken wollen und die andere Hälfte streikt. Es sind immer dieselben Streiker und dieselben Nicht-Streiker. Nur langsam wird es unschön: die Nicht-Streiker machen Druck auf die Streiker, dass sie (jetzt schon, nach drei Tagen Streik) keine Lust haben die liegengebliebene Arbeit auf Station zu kompensieren. Da wir in diesem Beruf ja unglücklicherweise (!?) sozial tickende Wesen sind, führt das natürlich zu einem schlechten Gewissen der Streiker. Das wiederum wird dazu führen, dass heute der letzte Streiktag in unserer Klinik sein wird. Ist meine persönliche Prognose. Ich sehe uns schon wieder in den Fängen von ver.di mit einem lauschigen TVÖD-Vertrag, der uns wieder zurück ins frühe Jahr 2006 befördert. Dann können wir uns in unserer Klinik auf die Schultern klopfen und sagen: wenigstens sind wir Freunde geblieben. Ärztestreik 2010 – es lebe die Demokratie.
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Relativ-Einfach-Blogartikel zu BICEP2 (Übersicht)
Da ich morgen abend einen Vortrag zu den BICEP2-Kosmologieresultaten (Gravitationswellen, Inflation, wie sicher ist das ganze?) in Berlin und am Samstag in Hannover halte, möchte ich meine Blogbeiträge dazu hier noch einmal auflisten – die Liste wird erweitert, sobald etwas dazukommt: BICEP2 und die ersten Sekundenbruchteile nach dem Urknall – zu den Grundlagen: Urknallmodelle, Inflation, Gravitationswellen, was wurde gemessen und warum finden die Astronomen das so spannend (17.3.2014) BICEP2-Update: Wie steht’s mit Inflation und Gravitationswellen? – Anfänge der wissenschaftlichen Online-Diskussion,… weiter
kleines essay in sachen gästebuch
ein nichts namens none hat seine duftmarke in meinem gästebuch hinterlassen, und wie es oft mit diesen gerüchen ist: man versucht sie zu ignorieren, und trotzdem gewöhnt man sich nicht an sie. sie drängen sich einem immer wieder in die nase, bis man mal das fenster öffnet.
also fange ich doch an zu grübeln über meine attestierte arroganz gegenüber den eltern, meine sorge um die kinder und mein eingebildetes medizinstudium.
ja, doch, meine sorge um die kinder steht an vorderster front, das sind primär meine patienten, um die muss ich mich kümmern, nicht unbedingt um die anhänglichenhängenden eltern. ich denke, da mache ich meinen job auch ganz gut. noch leben sie alle, zumindest trotz meines dazutuns, die paar fehler, die jedem arzt halbgöttlich unterlaufen dürfen, hatten keine gravierenden folgen und wurden stets verziehen.
patienten habe ich nur durch arztwechsel verloren, wobei hier die natürliche fluktuation durch hin- und herzug den bärenanteil hat. und glücklicherweise wechseln bei mir in der regel ja die eltern den arzt und nicht meine patienten.
bin ich arrogant zu den eltern? vielleicht hie und da. wie es der wald so hergibt. ich darf den eltern vermitteln, dass ich medizinisch der fachmann bin, sonst kämen sie nicht zu mir. wer so arrogant ist, dies nicht zu akzeptieren, sucht sich meist das entsprechende arztpendant in einer anderen praxis. insofern darf ich mir auf mein medizinstudium auch etwas einbilden. ich bin weder sekretär, noch rezepteverteiler, noch die nachbarin am gartenzaun, die man mal so um meinung fragt.
zu manchen themen habe ich meine eigene persönliche meinung, ich bin kein pädagoge, auch kein psychologe, kein sportlehrer oder ernährungsfachmann, und trotzdem werden wir ärzte oft dazu gemacht. hier versuche ich, meinen gesunden menschenverstand sprechen zu lassen. aber man kann manche nur an die weggabelung begleiten, den weg gehen, müssen sie alle selbst. ein altes aber stets richtiges bild.
es gibt menschen, die ihre eigene ignoranz mit der arroganz des gegenüber verwechseln. der psychologe in mir sagt: klarer fall von projektion. in bezug auf ärzte: klarer fall von kittelphobie.
so. genug gelüftet. raus in die sonne.
Ezidisch aufwachsen in der hiesigen deutschen Gesellschaft – Gastbeitrag einer (y)ezidischen Studentin
Vorbemerkung M.B.: Seitdem ich am 9.8.2014 einen Auszug aus meinem sciebook “Engelkunde” zum Jesidentum veröffentlichte, haben mich sehr viele Ezidinnen und Eziden (diese Schreibweise setzt sich zunehmend gegen die Varianten mit J und Y durch) kontaktiert, gedankt und eigene Gedanken eingebracht. Dadurch ist mir aufgefallen, dass insbesondere die junge Generation dieser Religionsgemeinschaft das Internet – v.a. Facebook, aber auch zunehmend Twitter und Blogs – nutzt, um sich auszutauschen und die eigene Identität zu finden. Eine solche Online-Aktivistin bat mich nun – wie auch schon zuvor ein junger Pir – hier anonym einen Gastbeitrag veröffentlichen zu dürfen. Ihre Identität ist mir bekannt, wird aber ebenso vertraulich behandelt wie jene des Pirs im August – ich kann die Situation dieser Generation sehr gut verstehen. In diesem lesenswerten Gastbeitrag werden Themen der Identitätsfindung, der Auseinandersetzung mit den überkommenen Traditionen der Eltern ebenso sichtbar wie der Wert von Bildung – und die Möglichkeit, auf dieser Basis auch religiöse Traditionen neu für das eigene Selbstverständnis zu interpretieren. Und nicht nur bei dieser religiösen Minderheit unseres Landes sind dabei oft die Mädchen und Frauen besonders aktiv. Hier also der Gastbeitrag: