Was ist der langfristige Nutzen der MS-Therapien? Was ist der langfristige Erfolg der MS-Medikamente? Welche Studien gibt es?
Multiple Sklerose ist eine chronische Krankheit. Die Krankheit ist lang und häufig langsam. Zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr treten meistens die ersten Symptome auf, was dann schliesslich zu MS-Diagnosen führt. Durch die verbesserte Diagnostik mit MRI-Geräten verschiebt sich der Diagnosezeitpunkt stetig nach vorne. Multiple Sklerose ist nicht heilbar. Die Betroffenen leben 30 bis 40 Jahre mit der (sich stetig verschlechternden) Krankheit.
Verschiedene Medikamente, die zwischen 20‘000 und 30‘000 Franken kosten, sind zugelassen. Zur Zulassung notwendig waren zwei positive ein- bis zweijährige Studien. In den Studien wurden die Anzahl Schübe und die MRI-Aktivität gemessen. Statistisch weniger Schübe und weniger MRI-Aktivität (weniger Läsionen/Entzündungen) wurden positiv gewertet.
Weniger Schübe, weniger Läsionen. Ein langfristiger Nutzen ist plausibel.
Doch bis heute ist nicht klar, ob die Entzündungen und Schübe die Haupttreiber der Multiple Sklerose sind. Oder ob, nicht doch die Nervenzellen (Neuronen) aus einem anderen, unbekannten Grund absterben und die Entzündungen einfach eine Folge davon sind.
Die Cochrane Collboration erstellt systematische Übersichtsarbeiten (sytematic reviews and meta analysis) zu medizinischen Behandlungen. Diese gelten als das beste vorhandene Wissen. Kürzlich wurde die Auswertung der MS-Medikamente1 überarbeitet.
It is important to consider that the efficacy and the risk-benefit of all these treatments beyond two years are uncertain, and this is a very relevant point for a lifetime disease such as MS.
Es ist wichtig einzubeziehen, dass die Wirksamkeit und Risiko/Nutzen aller Behandlungen über einen Zeitraum von über zwei Jahren unsicher ist und dass dies ein sehr relevanter Punkt für eine lebenslange Krankheit wie MS ist.
Es gibt also kein wissenschaftlich verlässliches Wissen über eine Zeitdauer von über zwei Jahren. Der langfristige Nutzen der MS-Medikamente ist unbekannt.
Schematische Darstellung der Zulassungsstudien im Vergleich zur weiteren Lebensdauer.
Ein früher Behandlungsbeginn wird dennoch empfohlen.
Deshalb starten die MS Behandlungen früh. Häufig wenn die Betroffenen noch wenig Symptome und eine gute bis ausgezeichnete Gesundheit haben. Die MS-Medikamente sind nicht nebenwirkungsfrei.
Sollen Betroffene wirklich „heute“ ein Medikament nehmen, damit es womöglich/hoffentlich „morgen“ weniger schlimm wird?
Die Frage kann nicht beantwortet werden. Verlässliche Daten fehlen. Alle tappen im Dunkeln. Deshalb fordert Cochrane langfristige Studien:
Thus, studies on the long-term efficacy and safety of immunotherapies for MS are urgently needed.
Also, Studien über den langfristigen Nutzen und die Sicherheit von Immuntherapien für MS werden dringend benötigt.
Die ersten der heutigen MS-Medikamente gibt es seit den frühen Neunziger-Jahren. Es eine Schande, dass praktisch kaum langfristige wissenschaftlich verwertbare Daten erhoben wurden. Mich erstaunt, dass sich die Neurologen bisher mit den kurzfristigen Daten zufrieden gegeben haben und dass es keinen grossen Aufschrei gegeben hat.
Ist einmal ein Medikament zugelassen, hat ein Pharmaunternehmen wenig Interesse an weiteren Studien, ausser der Ausweitung auf weitere Patientengruppen. Sie dürfen das Medikament verkaufen. Wirtschaftlich macht es wenig Sinn den Verkauf durch weitere Studien zu gefährden.
Patienten und Ärzte brauchen langfristigen Daten dringend. MS-Gesellschaften oder Staaten müssen selbst handeln. Einerseits können die Staaten die Regulation für Pharmaunternehmen verändern und beispielsweise langfristige Studien verlangen und MS-Gesellschaften können selbst solche Studien durchführen lassen. Gesetze ändern ist ein aufwändiger und langwieriger Prozess.
Erfreulicherweise ergreifen die MS-Gesellschaften neuerdings selbst die Initiative und starten langfristige Studien. Beispielsweise wurden
- die Schweizerische Kohortenstudie Swiss MS Cohort Study (SMSC) von der MS-Gesellschaft und
- die European Register for Multiple Sclerosis (EUReMS) – A tool to assess, compare and enhance the status of people with MS throughout the EU von der European Multiple Sclerosis Platform (EMSP).
gestartet.
Die beste Zeit um einen Baum zu pflanzen wäre vor zwanzig Jahren gewesen, die zweitbeste Zeit ist heute. Afrikanisches Sprichwort
Diese Studien sind sehr begrüssenswert.
Auf die Studien werde ich in kommenden Artikeln weiter eingehen.
Kanada
Kanada ist eine löbliche Ausnahme. Dort wurde vor dreissig Jahren, noch vor den heutigen Medikamenten, mit dem systematischen Erfassen von Krankheitsdaten begonnen. Diese Daten stehen heute zur Verfügung und können ausgewertet werden.
Volkswirtschaftlicher Nutzen
MS wird früh diagnostiziert und die Krankheit dauert lange. Mit über 8‘000 MS Betroffenen ist über ein Promille der Bevölkerung (1 auf 1000 Personen) von der Krankheit betroffen. MS Betroffene scheiden früher aus dem Erwerbsleben aus.
MS-Medikamente sind mit Jahreskosten von über 20‘000 Franken teuer. Die Krankheit verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten. Wegen den Medikamenten und wegen den Invaliditätskosten.
Die Gesellschaft muss ein Interesse an Daten über den langfristigen Nutzen von MS-Behandlungen haben.
Fazit
Verlässliche langfristige Daten sind für MS-Betroffene von grösster Wichtigkeit. Doch langfristige Studien wurden bislang vernachlässigt. Das ist ein enormes Versäumnis. Und dies bei einer Krankheit mit über dreissig Jahren Krankheitsdauer.
Wegen der frühen und langen Krankheit und den hohen Kosten der Medikamente von über 20‘000 Franken bei über 8‘000 Betroffenen sind Daten über den langfristigen Nutzen volkswirtschaftlich von Interesse.
Es braucht mehr langfristige Studien zu Multiple Sklerose.
[Aktualisierung 15.08.2013: Langfristige Studien sind ebenfalls in der Psychiatrie eine Notwendigkeit, siehe Forum Gesundheitspolitik-Artikel Weniger ist mehr, was man aber erst nach einiger Zeit bemerkt: Ein Beispiel aus der Behandlung von psychisch Kranken , 13.08.2013.]
[Aktualisierung 17.08.2013: „Das Fehlen von Langzeitstudien bedeute aber, dass wir nie genau wissen werden, was solche Medikamente später in Erwachsenen bewirken.“ Psychopillen für Zappelkinder, Tages-Anzeiger. 17. Aug. 2013. Für viele Krankheiten reichen kurzfristige Studien einfach nicht. Langfristig könnten die Folgen der Medikamente schlimmer als der Behandlungsgrund sein. «Wir führen ein unkontrolliertes Experiment mit der Gesundheit unserer Kinder durch», sagt Allen Frances.]
[Aktualisierung 27.02.2014: Brief an das Deutsche Ärzteblatt Multiple Sklerose: Therapeutische Unsicherheit von Dr. med. Jutta Scheiderbauer, welche selbst an MS erkrankt ist. Der Brief drückt den ungewissen, langfristigen Nutzen von MS-Medikamenten gut aus.]
[Aktualisierung 06.04.2014: TK-Report: Kaum ein neues Medikament bringt medizinischen Fortschritt, Spiegel Online, 02.04.2014]
[Aktualisierung 06.04.2014: Die MS-Gesellschaft baut ein nationales MS-Register auf. Die langfristige Erhebung von Daten ist für das bessere Verständnis der Betroffenen und der Krankheit sehr wichtig. Siehe Magazin Forte 2014/1, Februar 2014, Seite 20]

Zunächst freuen wir uns über die Aufmerksamkeit gegenüber dem innovativen Ansatz unseres Modells. Leider erliegt der Autor dem einen oder anderen Missverständnis bzw. rechtlicher Fehleinschätzungen:
Der FSA – Code bindet “die Arzneimittelindustrie”. Dieser gehört die CAUSALO GmbH nicht an und müsste theoretisch den Selbstanspruch nicht berücksichtigen. Der genannte Pkt. 7 aus §18 ist daher im Artikel populistisch interessant, jedoch sachlich falsch angewandt.
Nichtsdestrotz legen wir gerade grossen Wert darauf, nicht nur FSA, sondern auch andere relevanten Bestimmungen zu berücksichtigen: Z. B. §§ 30 der Berufsordnung der Ärzte, der die Entlastung der Praxisorganisation durch unsere Leistungen nur kostenpflichtig zulässt. Im Unterschied zum anderen Anbieter berücksichtigen wir diese Reglung im Sinne der Ärzte und auch im eigenen Interesse.
Es wird im Artikel leider irreführend dargestellt, der Arzt verdiene “an jedem Besuch”. richtig ist, dass der Arzt seit 01.01.10 zur Qualitätssicherung verpflichtet ist. Mit der (anonymen) Dokumentation der Gesprächsinhalte wahrt er seine Interessen, indem er dokumentiert, was besprochen wurde und was nicht. Umfang und Honorierung wurden von einer renommierten Fachkanzlei für Medizinrecht geprüft. Das Angebot der Dokumentation ist eine Option, die der Arzt annehmen kann oder auch nicht. Die Honorierung entspricht dem Aufwand für die Dokumentation sowie den adäquaten Honorarsätzen aus dem EBM. Insofern ist mit keinerlei “Fehlmotivation” zu rechnen, anstatt Patienten zu behandeln Pharmagespräche zu dokumentieren.
Auswertungen der Erhebungen geben guten Aufschluss über die Qualität im Pharmavertrieb. Pharmavertreter und Pharmahersteller mit Eigenanspruch auf Qualität und Ethik den Ärzten gegenüber begrüssen die Möglichkeit, sich anonymisiert den Spiegel von den Ärzten vorhalten zu lassen.
Die vermutete Kostensteigerung für den Pharmavertrieb ist einseitig dargestellt, da die Kosten durch geplante, weitgehend sichere Arztbesuche sinken werden. Durch unser Modell werden nämlich die ca. 20 % Fehlbesuche vermieden, in denen der Pharmareferent den Arzt überhaupt nicht sprechen kann. Und die ca. 40 % der “Besuche”, bei denen der Pharmareferent lediglich Unterlagen oder Ärztemuster hinterlässt, den Arzt aber gar nicht spricht, gehören ebenfalls der kostenträchtigen Vergangenheit an.
Auch die mitunter sehr langen Wartezimmerzeiten werden durch eine geplante Besuchstätigkeit minimiert. Daher werden die Vertriebskosten stark ökonomisiert anstatt erhöht. Gerade diese Seite unseres Modells führt zu grossem Interesse auf Seiten der Pharmazentralen für unser Modell.
Entgegen der pointierten, kritischen Sichtweise des Artikels wird die voraussichtliche Trendwende im Kontakt zwischen Ärzten und Pharmareferenten zeigen, dass beide Seiten und auch die Patienten von unserem Ansatz einen Nutzen haben werden. Es kommen bessere Zeiten auf alle zu. Dafür ist jedoch eine sachliche Diskussion nötig.