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Mit Schmerz-Apps Schmerzen vorbeugen und bewältigen: Geht das?
Schmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, gehören zu den volkswirtschaftlich teuersten Gesundheitsproblemen der westlichen Industrienationen (1). Vielfältige, auch lebensstilbedingte und berufliche Belastungen spielen bei der Entwicklung von chronischen Schmerzen eine Rolle. Häufig sind komplexe Therapieansätze erforderlich, um den Teufelkreis des chronischen Schmerzes zu durchbrechen. In jüngster Zeit wächst das Interesse an Smartphone-Apps und die Frage wird lauter, ob und wenn ja wie Schmerz-Apps die Situation von Menschen mit chronischen Schmerzen verbessern können.
Welche Unterstützungsansätze bieten Schmerz-Apps derzeit?
- Digitales Schmerztagebuch: Betroffene können mit Hilfe von Schmerz-Apps die Qualität ihres Schmerzen dokumentieren. Das kann helfen, Zusammenhänge zu erkennen zwischen Schmerzstärke und den individuellen Belastungssitutationen bzw. schmerzlindernden oder schmerzverstärkenden Faktoren. Der Austausch darüber mit dem Arzt kann vereinfacht werden, wenn die Tagebucheinträge, z. B. geteilt werden können.
- Videogestütze Anleitungen: Betroffene können mit Schmerz-Apps Hilfestellungen bekommen, wie sie Bewegungs- oder Entspannungsübungen richtig durchführen können.
- Wissensvermittlung: Schmerz-Apps können aufklären z. B. über Schmerzursachen, die richtige Schmerzmessung, Therapien zu Schmerzbewältigung etc. Damit dies gelingen kann, sollten die gesundheitsbezogenen Informationen fundiert, vertrauenswürdig und unabhängig sein.
- Unterstützung durch andere Betroffene: Schmerz-Apps können den Zugang zu Selbsthilfeforen erleichtern und helfen, Kontakte zu knüpfen und den Erfahrungsaustausch zu fördern.
Was wissen wir über die Wirksamkeit von Schmerz-Apps?
Ob die Nutzung von Schmerz-Apps zum erhofften Ergebnis führt, d. h. Patienten dabei hilft, den Alltag mit ihrer Schmerzerkrankung besser zu bewältigen, dazu gibt es bisher wenig Evidenz auf Basis kontrollierter Studien (2).
Aus der Perspektive von Schmerzpatienten betrachtet, liegt die Erwartunge auch auf Zerstreuung, positiver Motivation, Ablenkung vom Schmerz und Arbeitserleichterung bei der Therapie bzw. der Dokumentation des Schmerzes, z. B. durch ein einfach zu führendes Schmerztagebuch, durch Erinnerungshilfen etc.. Der chronische Schmerz selbst ist bereits eine große Belastung und kostet viel Kraft. Die Schmerz-App, die schwer zu bedienen ist, die den Aufwand in der Schmerzdokumentation noch erhöht, wird daher kaum auf Akzeptanz stoßen und dauerhaft genutzt werden (3).
FAZIT: Die “ideale Schmerz-App” baut auf Schmerzpatienten und ein interdisziplinäres Entwicklerteam
- Werden von Anfang Schmerzpatienten einbezogen, können deren Erwartungen und Möglichkeiten berücksichtigt werden. Der Fokus kann auf Unterstützungsfunktionen gelegt werden, die Schmerzpatienten brauchen und die ihr Leben erleichtern können.
- Wird die Schnittstelle zur Versorgung, d. h. die Einbindung von und der Informationsaustauch zu Therapeuten frühzeitig eingeplant, können Schmerz-Apps – als ein Baustein in einem Therapiekonzept – den Weg in die Regelversorgung finden. In der Vergangenheit sind viele Apps ohne jede Einbindung von Schmerztherapeuten entwickelt worden, auch die Evaluation dieser Apps wurde nicht eingeplant (4).
- Wenn interdisizplinäre Teams aus Usability-Profis, Programmierern, Schmerzexperten, Psychologen zusammenarbeiten, lassen sich auf der Basis evidenzbasierte Unterstützungskonzepte bedienbare (gute Usability) und ansprechende (gute User Experience) Schmerz-Apps entwickeln, die Schmerzpatienten gerne und dauerhaft anwenden, weil sie aus dieser Anwendung einen – auch wissenschaftlich überprüfbaren – Nutzen für sich ziehen können.
Das derzeitige Angebot an Schmerz-Apps in Deutschland, das betroffenen Patienten in Google Play kostenlos zur Verfügung steht, hat die Initiative Präventionspartner im November 2015 untersucht. Was diese Schmerz-Apps können, wie sie im Hinblick auf die Qualität und Transparenz der gesundheitsbezogenen Informationen abschneiden, darüber informiert dieser Blog in Kürze.
Quellen:
(1) Raspe H. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2012. Raspe H. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2012. Heft 53: Rückenschmerzen. Berlin: Robert Koch-Institut; 2012
(2) Wallace LS, et al. J Opioid Manag. 2014 Jan-Feb. A systematic review of smartphone applications for chronic pain available for download in the United States.
(3) Ancker JS, et al. J Med Internet Res. 2015.You Get Reminded You’re a Sick Person”: Personal Data Tracking and Patients With Multiple Chronic Conditions
(4) Lalloo C, et al. Clin J Pain. 2015. There’s a Pain App for That”: Review of Patient-targeted Smartphone Applications for Pain Management
Chatroulette, oder: Warum die Lust am Zufall nur durch vermeintliche Kontrolle funktioniert

Zugegeben – die folgenden Verbindungen und Übergänge sind vielleicht ein bisschen weit hergeholt…aber ich erlaube sie mir/ genau deswegen erlaube ich sie mir/, an dieser Stelle /trotzdem/ – ermutigt durch die aktuelle Lektüre des Romans Völker dieser Welt, relaxt! in dem es unter anderem um die merkwürdige und beachtliche menschliche Fähigkeit des Assoziierens – also des vom Hölzchen-aufs-Stöckchen-Kommes des Bewusstseins – geht. Zum anderen deshalb, weil ich gerade /zufällig/ mit dem Thema Aleatorik und écriture automatique (wir erinnern uns- das Prinzip des Zufalls in der Kunst…#Mallarmé #Surrealismus #Dadaismus …ismus) in Berührung gekommen bin – und zwar in einem sehr inspirierendem Gespräch mit unserem Chefentwickler Jens (O Hai), der sich mit der Thematik vor einiger Zeit unter anderem in seinem Vortrag Ghost in the machine auf der Roboexotica auseinandergesetzt hat.
Zufall als Gestaltungs-und Unterhaltungs-Prinzip – das ist also nicht neu und wird bestenfalls immer wieder in neuen Gewändern aufgeführt… In neuer-alter Robe präsentiert es sich nun im Netz unter dem Namen chatroulette.com. (Folgt man der Behauptung, dass chatroulette eine "Rückkehr in die Anfangszeiten des Internets ist, als Chats noch anonyme Abenteuer in einer sich gerade erst elektronisch vernetzenden Welt bedeuteten, ist es eher alt.)
Wie der Name schon sagt, handelt es sich hierbei um ein Videochatsystem, das per Zufallsgenerator zwei Chatpartner miteinander verbindet. Spätestens seit gestern ein Interview mit dem 17jährigen Erfinder Andrej Ternowskij auf spiegel-online erschienen ist- muss ich das wohl niemandem mehr erklären.
Trotz vielfältiger Warnungen besorgter KollegInnen habe ich es zu Recherchezwecken (…) jetzt auch mal ausprobiert. Irgendwie will man ja dann doch wissen, worüber man da schreibt und redet – zumal chatroulette – wie die Online-Sprechstunde auch – auf der Flash/Flex-Technologie basiert (darüber hinaus hielten wir randomisierte Arztwahl á la doc-roulette-allerdings nicht für sinnvoll!). Gruselig fand ich, dass ich innerhalb von 5 Minuten und 25 mal "nexten" zufällig… hauptsächlich Männer Anfang 30 (5 davon sehr! leicht bekleidet, 2 davon in Uniform, die anderen hatten meist ein Unterhemd an) zugeschaltet bekam. Zugegeben – der "Next"-Button gab mir bei all dem Schrecken ein gewisses Gefühl von Kontrolle und Sicherheit. Andernfalls hätte ich die randomisierte Freakshow wohl keine 5 Minuten durchgehalten.
Hätte ich mir diesen Film von Casey Neistat vorher angesehen, hätte ich gewusst, was mich erwartet:
chat roulette from Casey Neistat on Vimeo.
Um den Kreis zu schließen: Zum Teil lässt sich die Faszination am Zufallschat sicherlich mit der merkwürdigen Mischung aus Zufall und Kontrolle, Ungewissheit (was kommt) und Gewissheit (wenns mir nicht gefällt, klicke ich weiter) erklären. Das heißt: der Zufall waltet – der Nutzer schaltet – einfach, anonymisiert und so oft, so lange und so leicht bekleidet, wie er will… . Keinesfalls erklärt das aber den Hype und schon gar nicht die Sucht, die mache Nutzer befällt… .
Um zum Schluss noch einmal auf die Verbindung von Zufall und Literatur zu kommen – so entwarf ein Professor für Popkultur von der Syracuse University, Robert Thompson, das folgende Szenario: „Da trifft jemand eine Person, und beide scheinen füreinander bestimmt. Wenn da einer aus Versehen auf ´Next´ klickt, werden sie sich niemals wiederfinden. Das ist der Stoff für eine großartige Kurzgeschichte." (focus.de)
Quellen:
www.spiegel.de 17-jähriger Chatroulette-Erfinder: "Mama, Papa, ich expandiere"
Casey Neistat: chat roulette
www.focus.de Chatroulette Video-Chat mit Zufallsgenerator