Related Posts
48 Stunden, Teil II
Der Tag beginnt mit der Visite auf der Intensivstation, gefolgt von der Visite auf der normalen Bettenstation. Die Visite ist logischerweise etwas verkürzt am Wochenende, es gibt weniger Personal, nicht notfallmässige oder total wichtige Abklärungen werden auf Montag verschoben. Das vereinfacht einerseits das Ganze, andererseits darf man bei einer abgespeckten Visite natürlich auch nichts übersehen. Die Station ist voll, gottseidank keine Katastrophen. Alle stabil, schmerzarm bis schmerzfrei, und soweit versorgt. Währenddessen türmen sich die PatientInnen auf der Notaufnahme. Eine Magen-Darm-Grippewelle scheint die Stadt zu überfallen. Jede zweite Person mit Bauchweh scheint davon betroffen zu sein. Aber was hab ich denn nun? Waaaas, nur eine Magen-Darm-Grippe? Nichts zu operieren? – Ja, seien Sie froh darüber! Naja, ein bisschen anders habe ich es formuliert. Die Zeit vergeht wie im Flug, es ist Mittag, ein paar Patienten müssen noch visitiert werden. Frau Menschenhandwerkerin, am Freitag kam noch ein Herr Doktor und hat mir erklärt, dass ich nächste Woche ZWEIMAL operiert werden müsse! Einmal bei der Schulter, und zwei Tage später an der Hüfte! Ich lese in der Kurve nach, hm, es ist nur von einem Eingriff die rede, zwei Operationen so kurz hintereinander machen keinen Sinn. Vor allem handelt es sich bei einer der beiden Operationen um einen elektiven Eingriff. Das erkläre ich dem Patienten und er fügt am Ende des Gesprächs noch an, dass nicht er, sondern die am Freitag anwesende Schwiegermutter das so verstanden habe. Seine Frau fällt uns ins Gespräch: Habe ich dir doch gesagt, dass die nur Blödsinn redet! Wäre das also auch geklärt. Nachmittags setze ich mich kurz ins Kaffeezimmer und schlinge mein Essen in maximal 10 Minuten runter, bevor es wieder auf die Notaufnahme geht. Während ich hastig esse, denke ich mir, dass ich genau das Gegenteil mache, was ich sonst den PatientInnen rate. Ausgewogen ernähren, in Ruhe essen, Stress reduzieren. Aber ich bin ja jung und halte das aus. Der Job macht ja Freude. Nach 12 Stunden Dienst kehrt Ruhe ein, die Verwandten und Bekannten machen sich auf den Nachhauseweg, die Notaufnahme ist leer. Zuhause angekommen werden noch ein paar Telefonate geführt, anschliessend bleibt es ruhig und ich kann die Nacht durchschlafen. Bis am nächsten Morgen der Wecker wieder klingelt.
Blaubärenkacke?


Hab grad meine alten SMS und Handy-Fotos auf den PC geschoben, um Platz zu schaffen, und habe mich dabei an meinen letzten IKEA-Besuch erinnert. Wüsste ja echt mal gern, ob sich der Kuchen hier gut verkauft.
Operationsindikationen
Chirurgie und die Stellung einer Operationsindikation sind nicht so einfach, wie man es sich manchmal vorstellt. Klar, es gibt eindeutige Fälle wie eine Appendicitis acuta. Klarer Fall von Bauch auf, Blinddarm raus, Bauch wieder zu. Doch das Fach des Menschenhandwerkes ist gottseidank nicht immer so einfach. Gut, ab und zu ist eine einfache 20-Minuten-Appendektomie was Schönes, so zum gelegentlichen Drüberstreuen. Doch manchmal gibt es auch PatientInnen mit Krankheitsbildern, wo sich in der Sprechstunde schon die Frage stellt: Operiert man diesen Mensch überhaupt? Oder endet die Operation letztendlich in einem Fiasko mit Re-re-re-re-Revisionen und am Ende in einem mehrwöchigem Aufenthalt auf der Intensivstation? Während den letzten Jahren habe ich es nicht nur erlebt, dass manche ChirurgInnen die Situation unterschätzen (oder es ihnen einfach egal ist) und der Patient die letzten Wochen seines Lebens mit einem offenen Bauch auf der Station dahinsiecht und dann stirbt. Es gibt Charaktere, die operieren (fast) alles, was es zu operieren gibt. Einfach weil man es kann. Aber es gibt genau so viele PatientInnen, die genau so sind. Die auf einen Eingriff drängen und dann beleidgt die Sprechstunde verlassen, weil man – als ChirurgIn – eine Operation ablehnt. Für zu riskant oder nicht sinnvoll hält. Ich frage mich dann manchmal, ob sich die Privatkrankenhäuser dann die Hände reiben und Dollarzeichen in den Augen haben. Ein früherer Chef hat mich in dem Punkt sehr beeindruckt. Er ist ein guter Chirurg und würde in einem Privatspital mit offenen Armen empfangen werden. Doch er bleibt im öffentlichen Betrieb und lehrt die Meinung, dass ein guter Chirurg dann ein guter Arzt ist, wenn er auch Operationen ablehnen kann. Ich bin ihm sehr dankbar für diesen Satz. Und genau aus diesem Grund werde ich auch weiterhin PatientInnen vergraulen, die (teilweise) verständlicherweise auf eine Stomarückverlagerung drängen, die allerdings absolut riskant und nicht sinnvoll ist. Ja, ein Stoma ist für viele eine unbefriedigende Situation. Aber bei einem auch nicht nur ansatzweise akzeptablem Allgemeinzustand ist es noch beschissener in eine Sepsis aufgrund einer Anastomoseninsuffizienz zu schlittern oder nach der Wiederherstellung der Darmkontinuität bis zu 20-30 Mal pro Tag auf die Toilette laufen zu müssen, aufgrund schlecht in den Griff zu bekommender Diarrhoe. Nein, ich werde Sie mit einem Serumalbumin von minus 100 g/l und einer Kachexie nicht operieren, und schon gar nicht wenn sie zusätzlich noch rauchen. Punkt.