In den letzten Beiträgen hatte ich mich damit beschäftigt, welche Störeinflüsse den direkten Nachweis von Gravitationswellen erschweren: Erschütterungen des Erdbodens zum Beispiel, bestimmte Quanteneigenschaften des Lichts und der Umstand, dass alle Bauteile eines Gravitationswellendetektors thermische Schwingungen ausführen.
Dabei hatte ich wiederholt darauf hingewiesen, dass eine bestimmte Störquelle bei niedrigen Frequenzen besonders wichtig werde (Seismik!), eine andere bei höheren Frequenzen (Quanteneigenschaften!), während die dritte in dem Frequenzbereich dazwischen die Empfindlichkeit des Detektors einschränke (thermische Schwingungen!).
Aber was heißt das eigentlich? Wo spielen da Frequenzen und Frequenzbereiche eine Rolle?
Alles als Welle
Auftritt: Joseph Fourier (1768–1830), französischer Mathematiker und Physiker. Fourier war nicht nur bei Napoleons Ägypten-Expedition vorbei (und gab Hilfestellung bei der Entzifferung der Hieroglyphen, indem er dem jungen Jean-François Champollion eine Abschrift der Inschrift auf dem Stein von Rosette übergab). Er war auch der erste, der zeigte, wie sich jedes Signal als Überlagerung der einfachstmögilchen Wellen darstellen lässt – diese Erkenntnis ist Grundlage von weiten Teilen der modernen Signaltechnik.
Hier sehen wir Fourier im Schattenriss:
Nehmen wir einmal nur die vordere Seite des Profils und legen sie auf die x-Achse, so wie in dieser Abbildung hier:
Das definiert eine mathematische Funktion, wenn auch eine recht ungewöhnliche. Allgemein betrachten wir solch eine Funktion als ein „Signal“ – als einen Funktionsverlauf einer Größe, die Informationen darüber liefert, was da zu jedem Zeitpunkt passiert. Ein Radio-Funksignal wäre beispielsweise ein elektrisches Feld, das sich mit der Zeit ändert; geeignet dekodiert kann man das Radioprogramm hörbar machen. Bei einem Gravitationswellendetektor bekämen wir das Signal aus dem Detektor-Output und müssten dann schauen, wie sich daraus Rückschlüsse auf eine Gravitationswelle ziehen lassen, die den Detektor durchquert hat.
Einfache Kosinuswellen
Egal wie ein Signal aussieht – das Beispiel oben leitete sich, wie gesagt, aus dem Profil von Joseph Fourier ab –, das Signal lässt sich immer zumindest näherungsweise als Summe einfacher Kosinuswellen darstellen. Bei einem Abschnitt der Länge T reichen uns dabei Kosinuswellen, deren Schwingungszeiten die Form T/N mit N einer ganzen Zahl haben. Hier sind einige dieser Kosinuswellen dargestellt; zur besseren Sichtbarkeit habe ich sie alle in senkrechter Richtung gegeneinander verschoben:
Die dunkel hinterlegte Fläche liegt genau zwischen zwei aufeinanderfolgenden Wellenbergen der untersten, blauen Welle. Man kann im Vergleich mit den senkrechten Begrenzungen dieser Fläche direkt ablesen, dass in denselben Zwischenraum zwei Wellenlängen der grünen Welle passen, drei der roten, vier der türkisen Welle und so weiter. Das zeigt direkt die verschiedenen Wellenlängen der hier dargestellten Kosinuswellen, sprich: die unterschiedlichen Abstände von einem Wellenberg zum nächsten.
Auch in der Wellenhöhe, also dem senkrechten Abstand von Wellenberg und Wellental, können sich Kosinuswellen unterscheiden. Die maximale Wellenhöhe während eines Schwingungszyklus heißt Amplitude; hier sind Kosinuswellen derselben Wellenlänge, aber unterschiedlicher Amplitude zu sehen:
Außerdem können sich Kosinuswellen noch in der Phase unterscheiden, also an der Lage ihrer Wellenberge und -täler. Hier sind einige Kosinuswellen mit gleicher Wellenlänge und Amplitude, aber unterschiedlicher Phase:
Auch der Unterschied zwischen Sinus und Kosinus ist ein einfacher Phasenunterschied: eine Sinuswelle erhält man aus einer Kosinuswelle, indem man die Kosinuswelle um ein Viertel der Wellenlänge nach rechts verschiebt.
Wellenkombinationen
Wie andere mathematische Funktionen kann man auch Kosinusfunktionen punktweise addieren. Um den Wert der Summenfunktion zweier Kosinusfunktionen an einem Ort x zu berechnen, bestimmt man den Wert der ersten Kosinusfunktion am Ort x, dann den Wert der zweiten Kosinusfunktion am Ort x, und addiert diese beiden Einzelwerte. Das ergibt den Wert, den die Summenfunktion an dem betreffenden Ort x hat.
Fourier fand heraus, dass sich jedes Signal als Summe von Kosinusfunktionen (oder, äquivalent: von Sinusfunktionen) mit geeigneter Wellenlänge, Amplitude und Phase schreiben lässt. Im Falle eines zeitlich begrenzten Signals treten nur ganz bestimmte Wellenlängen auf, nämlich solche der Form „Signallänge T durch N“, mit N einer ganzen Zahl. Eine gute Näherung erhält man bereits, wenn man nur die Wellenlängen T/N für die ersten ganzen Zahlen N bis zu einer gewissen Obergrenze mitnimmt. Die blaue Kurve hier zeigt die Summe einer konstanten Funktion (grün) und der ersten vier Sinuswellen; die einzelnen Kosinuswellen sind unten eingezeichnet:
Die blaue Kurve sieht dabei dem liegenden Profil von Herrn Fourier zugegebenermaßen noch nicht sehr ähnlich. Hier dasselbe mit den ersten neun Kosinusfunktionen plus konstanter Funktion:
Hier sieht man immerhin bereits die Nase des liegenden Herrn Fourier, eine noch etwas gewellte Hemdbrust und Stirn/Haare. Hat man die ersten 49 Kosinuswellen aufsummiert, ist das Profil dagegen kaum noch vom Original zu unterscheiden:
Allenfalls die Wellenstrukturen links oben an der scharfen Kante der Büste weisen darauf hin, dass wir hier eine Fourier-Näherung vorgenommen haben.
Variationen über das Profil des Herrn Fourier
Hier ist als animiertes Gif dargestellt, was passiert, wenn wir mit der konstanten Funktion und einer einzigen Kosinuswelle beginnen und nach und nach alle Kosinuswellen bis einschliesslich der ersten 59 dazuzählen: 
Dabei gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Wellenlänge der hinzukommenden Kosinuswellen und der Feinheit der Details, die man darstellen kann. Rechts sind einige der Näherungen noch einmal (künstlich vertikal versetzt, damit man die Details erkennt) direkt untereinander hingemalt.
Der Fall n=0 zeigt den Mittelwert der Kurve und enthält keinerlei Strukturinformation. n=1, mit der ersten Kosinuswelle dazugezählt, deutet an, dass die Kurve in der linken Hälfte (dort, wo Herrn Fouriers Rumpf emporragt, bevor er büstenartig abgeschnitten wird) höher ist als rechts.
Mit n=2 wird klar, dass rechts zwar nicht das Maximum, aber immerhin eine weitere Struktur ist, nämlich der Kopf des Herrn Fourier. Ab n=4 bildet sich nach und nach das Maximum heraus, das letztlich zu Fouriers Nase wird.
Die feinsten Details, wie der Einschnitt zwischen Kinn und Hemdkragen oder die Lippen, bilden sich erst heraus, wenn Kosinuswellen mit entsprechend kleinen Wellenlängen dazugekommen sind. Bei n=30 sind sie noch einigermaßen unscharf; erst die hinzukommenden Wellen bis n=40 reichen aus, um sie deutlich sichtbar zu machen.
Gut sichtbar ist das schon erwähnte Phänomen bei der Darstellung scharfer Ecken, links oben in der Kurve. Diese markante Ecke ist bereits ab n=2 als zunächst weiches Maximum angelegt. Mit jeder hinzukommenden Kosinusfunktion wird die Ecke schärfer.
Zunächst zeigt der gerade Abschnitt rechts von der Ecke dabei noch wellenartige Schwingungen; diese werden aber zunehmend kleiner, sind bei n=20 schon einigermaßen unauffällig, bei n=30 muss man schon sehr genau hinschauen und bei n=40 sehe zumindest ich nur noch einen möglichen kleinen Schlenker direkt an der Ecke.
Wer möchte: Ich habe auch noch ein paar senkrechte Versionen gemacht, ausgefüllt und nicht ausgefüllt, mit bzw. ohne Original im Hintergrund.
Fouriers Wellenbaukasten
Besonders gut geeignet ist diese Fourier-Zerlegung, also die Darstellung als Summe von Kosinusfunktionen, für Kurven, die von vornherein Wellencharakter haben. Dazu gehören zum Beispiel Schallwellen, die direkt als Überlagerung von Schwingungszuständen z.B. unserer Stimmbänder, von Saiten wie bei Klavier oder Gitarre und der Resonanzkörper von Musikinstrumenten erzeugt werden.
Wichtig ist, dass die Informationen des ursprünglichen Signals vollständig in der Kombination von unendlich vielen Kosinuswellen steckt, die man aus dem Signal nach Fouriers Anleitung ableiten kann. In einer Kombination der ersten N Kosinuswellen steckt zumindest die wichtigste Information über das Signal.
Anders ausgedrückt: es gibt zwei äquivalente Darstellungen für solch ein Signal. Bei der ersten wird das Signal so als Kurve hingemalt, wie wir es oben bei Fouriers Profil getan haben. Bei Schallsignalen, elektrischen Signalen aber auch bei den Gravitationswellen, auf die ich letztlich hinaus möchte, sind auf der x-Achse die jeweiligen Zeitpunkte aufgetragen. Diese Darstellung heißt daher auch Zeitdarstellung.
Äquivalent könnte ich aber auch auflisten, wie groß die Amplituden und welches die waagerechten Verschiebungen (Phasen) der beteiligten Kosinuswellen sind. Meist charakterisiert man jede einzelne Kosinuswelle dabei nicht über ihre Wellenlänge, sondern ihre Frequenz; geht man von einer Zeitdarstellung aus, dann ist die Frequenz schlicht der Kehrwert dessen, was ich bislang Wellenlänge genannt habe. Eine Welle, bei der die Signallänge T genau dem Abstand von einem Wellenberg zum nächsten entsprach, besitzt die Frequenz 1/T, eine, wo es zwei Abstände zwischen Wellenbergen sind, die Frequenz 2/T, und so weiter. Ist auf der waagerechten Achse die Zeit aufgetragen, hat Frequenz die Einheit „eins durch Zeiteinheit“. Zerlegt man ein räumliches Signal, hat räumliche Frequenz die Einheit „eins durch Länge“.
Die Diagramme, die sich dabei ergeben, sind gewöhnungsbedürftig, enthalten aber im Prinzip die gleiche Information wie das Signal in Zeitdarstellung. Hier ist das Amplitudenspektrum für das Fourier-Profil, also die Information darüber, wie groß die Amplituden der vielen verschiedenen beteiligten Kosinuswellen in Abhängigkeit von ihrer Frequenz sind:
Wie gesagt, eine ungewohnte Darstellung, aber immerhin kann man dem Diagramm direkt ansehen: Der überwiegende Teil der Form wird durch größere Strukturen bestimmt (hohe Amplituden bei niedrigen Frequenzen entsprechend großen Wellenlängen), während die kleineren Strukturen (höhere Frequenzen) nur wenig beitragen.
Das Phasenspektrum (welche Phase hat eine Kosinuswelle bestimmter Frequenz?) sagt mir persönlich vom bloßen Anblick her gar nichts:
Aber das muss es ja auch nicht, solange ich weiß, wie ich am Rechner aus diesen Daten, nämlich aus Amplituden und Phasen das ursprüngliche Signal rekonstruieren kann.
Phasenspektrum und Amplitudenspektrum bilden zusammen die Frequenzdarstellung des Signals. Für viele Anwendungen reicht es bereits aus, das Amplitudenspektrum zu kennen, um bestimmte Aussagen über das betreffende Signal zu treffen.
Günstigerweise ist die Bedeutung insbesondere des Amplitudenspektrums im einfachsten Fall, nämlich bei einer einzigen Kosinuswelle, sehr einfach. Das spielt eine Rolle, wenn wir zu einer der wichtigsten Anwendungen dieser Art von Fourier-Analyse von Signalen kommen, die auch für die Gravitationswellen entscheidend ist: Der Umgang mit Rauschen, also mit Störungen, die sich dem Signal überlagern.
Signal, Rauschen und Frequenzdarstellung
Aus direkter Erfahrung kennen wir störendes Rauschen vom Radio, insbesondere vom analogen Radio: Der schönen Musik oder der menschlichen Sprache überlagert sich dabei ein hörbares Rauschen und Knistern, das den Hörgenuss schmälern und das Radioprogramm im schlimmsten Fall unverständlich und ungenießbar machen kann.
Solche Störeffekte gibt es im allgemeinen auch bei Signalen anderer Art. In der wirklichen Welt gilt: Kein Signal ohne Rauschen. Hier ein einfaches Beispiel. Unser Signal, also das, was wir übertragen, empfangen, nachweisen möchten, sei eine einfache Kosinuswelle:
In das dargestellte Zeitintervall von einer Sekunde passen gerade sechs Abstände von einem Wellenberg zum nächsten, mit anderen Worten: sechs Wellenberge pro Sekunde, entsprechend einer Frequenz von 6 Hertz (6 Hz). Das Hertz, benannt nach dem Physiker Heinrich Hertz, ist gerade so definiert, dass ein sich wiederholender Vorgang bzw. eine Schwingung pro Sekunde 1 Hz entspricht. Sechs Schwingungen pro Sekunde – sechs Wellenberge hintereinander in unserem Diagramm, bis die ein-Sekunden-Marke erreicht ist) sind daher 6 Hz.
Hier habe ich für dasselbe Zeitintervall ein bisschen sogenanntes weißes Rauschen (für Insider: mit Normalverteilung der Breite 1) vorbereitet. Das hat per Definition die Eigenschaft, dass es keine charakteristischen Frequenzen hat – zerlegt man es in Sinuswellen, erhalten alle diese Sinuswellen dasselbe Gewicht. Hier ist das Rauschen erst einmal in der Zeitdarstellung:
Da die Kurve auch auf kürzesten Zeitskalen wild hin- und herspringt, erkennt man vor lauter blau keinen rechten Kurvenverlauf. Ich habe die Funktion dargestellt, in dem ich den Wert für jede Zehntausendstelsekunde ermittelt und geplottet habe („Abtastfrequenz 10 kHz“). Zoomt man auf der x-Achse weit genug hinein, dass man die einzelnen Zehntausendstelsekundenschritte unterscheiden kann, dann bekommt man einen besseren Eindruck vom hin- und herspringen:
Haben wir es sowohl mit diesem Rauschen als auch mit dem Sinussignal zu tun, dann summieren sich Signal und Rauschen auf, und was wir messen können ist so etwas wie das hier:
Das Kosinussignal ist auch hier noch mit dem bloßen Auge deutlich zu erkennen; das Rauschen verdickt bzw. verschmiert den Kosinus zwar, aber ohne ihn unkenntlich zu machen. Dazu ist die Amplitude des Kosinussignals zu groß, die der Rauschens im Vergleich dazu zu klein.
[In der Signalverarbeitung scheint der Sprachgebrauch übrigens etwas zweideutig sein. Einerseits wird dem Signal, also der gesuchten/gewollten Funktion, die Informationen überträgt, das Rauschen gegenübergestellt. Andererseits ist das Rauschen selbst und ist die Kombination des gesuchten Signals mit dem Rauschen seinerseits wieder eine zeitabhängige Funktion, die man nachweist, also wiederum im Signal. Aus dem Zusammenhang sollte aber klar werden, ob gerade ein Signal im weiteren Sinne (was da ankommt, ob Rauschen oder nicht) oder im engeren Sinne (Signal ungleich Rauschen) gemeint ist.]
Zurück zu gewolltem Signal plus Rauschen. Im letzten Bild konnte man das Signal noch deutlich erkennen. Anders sieht das aus, wenn die Rauschamplitude größer ist als das Signal. Im nächsten Bild ist die Amplitude des Rauschens sechs Mal größer als die eines darin befindlichen Signals, nämlich einer kleinen Kosinuswelle, der sich das Rauschen überlagert hat:
Mit dem bloßen Auge ist da nicht mehr zu sehen, was für eine Kosinuswelle sich im Rauschen versteckt. Was tun?
Jetzt wechseln wir zur Fourier-Darstellung. Auch die Kombination von Signal und Rauschen ist eine Kurve, eine zeitabhängige Kenngröße, die wir durch Überlagerung einfacher Kosinuswellen schreiben können. Welche Kosinuswellen-Frequenzen darin wie stark vertreten sind, sagt uns das Amplitudenspektrum, das wir oben bereits kennengelernt hatten. Hier ist es zunächste einmal für den vollen Frequenzbereich dargestellt, der sich aus den gegebenen Daten bestimmen lässt, von 1 bis 5000 Hertz (vereinfacht: kleinere Details als die Auflösung der Kurve mit bei mir 10.000 Punkten zwischen 0 und 1 können nämlich auch die Kosinuskurven nicht beschreiben):
Da ist jetzt erstmal nichts, das sich deutlich vom Rest abheben würde. Das ist in diesem Falle aber ein Darstellungsproblem – zoomen wir mal in den Bereich kleinerer Frequenzen hinein, hier zunächst von 0 bis 500 Hz:
Da ganz links ist ein Teil der Kurve, der deutlich über den Rest herausragt. Also: Noch weiter Zoomen, Frequenzbereich von 0 bis 20 Hertz:
Da sticht aus dem bei Amplituden um 0,01 herumkrebsenden Rauschen deutlich eine einzelne Frequenz hervor, nämlich 6 Hz. Tatsächlich hatte ich dem Rauschen eine kleine Sinuswelle mit Frequenz 6 Hz und einer Amplitude von 0,05 überlagert. In der Zeitdarstellung geht die Sinuswelle im Rauschen unter. In der Frequenzdarstellung, genauer: im Amplitudenspektrum sticht sie im wahrsten Sinne des Wortes heraus.
Rauschen unterdrücken: Filter
An der einfachen Kosinuswelle im Rauschen kann man noch einen weiteren Vorteil der Frequenzdarstellung demonstrieren. Angenommen, ich weiß bereits vorab, dass ich mein Signal in einem ganz bestimmten Frequenzbereich erwarte, sagen wir: im Bereich von 0 bis 30 Hertz. Dann weiss ich auch: Was auch immer in meinem Amplitudenspektrum außerhalb dieses Frequenzbereichs auftritt, muss vom Rauschen herrühren. Alleine dadurch, dass ich alle Frequenzen außerhalb des mich interessierenden Frequenzbereiches beiseite lasse, kann ich das Rauschen also bereits gehörig unterdrücken.
In der Signalverarbeitung gibt es zur Auswahl bestimmter Frequenzbereiche verschiedene Arten von Fensterfunktionen. Ich mach’s hier mal ganz primitiv und setze einfach alle Amplituden für die Frequenzen oberhalb von 30 Hertz zu Null. Im Bereich von 0 bis 50 Hertz sieht das Amplitudenspektrum dann für unser vorangehendes Beispielsignal (kleine Sinuswelle plus dreimal stärkeres Rauschen) so aus:
Auch bei den höheren Frequenzen ist die Amplituden-Spektrumskurve dann identisch Null. Wenn wir jetzt diese neue Kurvenbeschreibung in Frequenzdarstellung zurücktransformieren in die Zeitdarstellung, dann ist das Ergebnis dieses hier:
Und hier ist das Signal im Vergleich zum Original:
Zur Erinnerung: Bevor wir uns auf einen kleinen Frequenzbereich beschränkt hatten, sah das ganze noch so aus:
Man kann für den Unterschied dank des Filterns auch eine Kennzahl angeben. Bei elektromagnetischen Wellen, Schallwellen, aber auch Gravitationswellen ist die Energie, die eine Welle pro Zeiteinheit transportiert, also momentanedie Leistung des Signals, typischerweise proportional zum Quadrat der Kenngröße. Für ein Signal, das an einem Detektor ankommt, ist das Quadrat der Kenngröße, gemittelt über einen bestimmten Empfangszeitraum, proportional zu der durchschnittlichen Leistung, die den Detektor in jenem Zeitraum erreicht. Auch denjenigen Änderungen der Kenngröße, die durch das Rauschen verursacht werden, kann man eine solche durchschnittliche Leistung zuordnen.
Das sogenannte Signal-Rausch-Verhältnis (englisch Signal to Noise Ratio, abgekürzt SNR) ist im einfachsten Falle das Verhältnis der durchschnittlichen Leistung des Signals zum durchschnittlichen Leistung des Rauschens. In unserem Beispiel ist das Signal-Rausch-Verhältnis zunächst 0,01, sprich: das Rauschen trägt rund 100 Mal mehr zur Leistung bei als das Signal. Nachdem wir alle Frequenzen oberhalb von 30 Hz herausgefiltert hatten, war dagegen vom Rauschen deutlich weniger übrig (das vorletzte Bild). Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis ist SNR = 2,7, in Worten: das Signal ist rund dreimal stärker als das Rauschen.
Ein Beispiel für tieflastiges Rauschen
Noch größer kann der Effekt einfacher Frequenzfilter sein, wenn das Rauschen ungleich über die verschiedenen Frequenzen verteilt ist. Als Beispiel wähle ich ein Rauschen, das seinen allergrößten Anteil im niedrigen Frequenzbereich hat, unterhalb von sagen wir: 35 Hertz. In dem Rauschen ist wieder ein reines, kleines Kosinussignal versteckt. Hier ist die Summe von Signal und Rauschen:
Und, schon etwas gesehen? Das ist mit dem bloßen Auge in diesem Falle gar nicht möglich. Das Signal-Rausch-Verhältnis beträgt SNR = 0,05. Das Rauschen ist nach diesem Kriterium 20 Mal stärker als das Signal.
Jetzt schauen wir uns wieder das Amplitudenspektrum an:
Das Spektrum sieht auf der rechten Seite geradezu verdächtig flach und regelmäßig aus. Das liegt daran, dass ich das Amplitudenspektrum in diesem Falle genutzt habe, um das Rauschen überhaupt erst einmal zu erzeugen: ich habe ein sehr einfaches Amplitudenspektrum vorgegeben, den Computer zufällige Phasen erzeugen lassen und daraus mein Rauschen in Zeitdarstellung konstruiert. Für jedes wirkliche Rauschen wird auch das Amplitudenspektrum unregelmäßiger aussehen. Aber vernachlässigen wir diesen Aspekt; hier geht es stattdessen ums Prinzip.
Wieder ist da im Amplitudendiagramm eine Auffälligkeit ganz links. Zoomen wir einmal näher heran:
Jep, da sieht man zum einen den Anstieg des Rauschens links, bei den niedrigen Frequenzen – einen ganz deutlichen Anstieg, denn die senkrechte Achse ist hier logarithmisch. Die niedrigsten im Rauschen vorkommenden Frequenzen entsprechen Wellen mit rund 20 Mal größerer Amplitude als für jede der Wellen mit Frequenzen höher als knapp 40. Außerdem sehen wir ganz klar, und wieder ungleich deutlicher als in der Zeitdarstellung, das Signal – eine Sinuswelle mit einer Frequenz von 40 Hertz.
Nehmen wir an, wir hätten aufgrund physikalischer oder anderer Überlegungen Grund zu der Annahme, dass unsere Signale nur im Frequenzbereich zwischen 30 und 100 Hertz auftreten. Dann gilt einmal mehr: Was an Teilwellen außerhalb dieses Frequenzbereichs auftritt, gehört zum Rauschen. Wir filtern daher wieder alle höheren und tieferen Frequenzen aus, denn bei diesen wird es sich um Rauschen handeln. Mit anderen Worten beschneiden wir das Amplitudenspektrum wie in dem folgenden Diagramm dargestellt:
Übersetzen wir dieses gefilterte Etwas zurück in die Zeitdarstellung, dann erhalten wir den folgenden Output:
…und solchermaßen gefiltert ist die kleine Kosinuswelle dann auch in der Zeitdarstellung mit bloßem Auge sichtbar, wenn auch etwas unregelmäßig aufgrund von Rauschbeiträgen.
Die entsprechenden Diagramme lassen sich auch nutzen, um zu beurteilen, ob und wie gut man ein bestimmtes Signal bei gegebenem Rauschen überhaupt nachweisen kann. Nehmen wir an, in dem gerade behandelten Beispiel sei das Rauschen stationär, sprich: im Mittel immer gleich, mit der gleichen Frequenzabhängigkeit der Amplituden egal welchen Zeitabschnitt wir betrachten. Dann können wir das Rauschspektrum auch vorab messen, in einem Zeitraum, in dem noch gar kein Signal präsent ist: 
Mit der Information, die in diesem Rauschspektrum steckt, lässt sich vorhersagen, ob man ein bestimmtes Signal nachweisen könnte, wenn es in diesem Rauschen verborgen wäre. Im einfachsten Falle zeichne ich dazu einfach das Amplitudenspektrum des betreffenden Signals in dasselbe Diagramm ein, wie hier zu sehen ist. Das Amplitudenspektrum ist für eine reine Kosinuswelle ein einzelner Punkt, hier als lilaner Kreis dargestellt. Der Punkt liegt deutlich über dem Level des Rauschens im entsprechenden Frqeuenzbereich:
Will man eine genauere, nämlich quantitative Antwort, muss man dann noch für den gewählten Nachweisbereich das Signal-zu-Rausch-Verhältnis ausrechnen; für die praktische Suche nach Signalen kommt außerdem hinzu, dass man in der Regel nach komplexeren Signalen sucht und dafür andere Suchmasken anwendet als nur nach einer einzigen Frequenz-Amplituden-Kombination zu schauen. Aber die Grundidee ist auch bei genauerer Betrachtung belastbar: Wenn ich weiß, mit welchem Rauschen ich rechnen muss, dann kann ich auch abschätzen, welche Art von Signal ich in diesem Rauschen nachweisen könnte. Die Frequenzdarstellung ist dabei ein sehr wichtiges Werkzeug.
Zurück zu den Gravitationswellendetektoren
Das war ein langer Ausflug in die Grundlagen der Signalverarbeitung, und wie erwähnt: dieselben Prinzipien lassen sich auf allgemeine elektronische Signale anwenden, oder auf Schallwellen, oder auf andere Arten von Signalen. Eine Stereoanlage, bei der man Höhen und Tiefen getrennt regeln kann, nutzt die Fourier-Zerlegung in Elementarwellen ebenso wie der Radioapparat, der aus den elektromagnetischen Feldern, die an der Antenne ankommen, im richtigen Frequenzbereich das gewünschte Programm herausfiltert. Bildbearbeitungsprogramme benutzen ähnliche Methoden für räumliche Muster zur gezielten Veränderung digitaler Bilder.
Bei den Gravitationswellendetektoren geben uns diese und ähnliche Überlegungen zu Signal und Rauschen die Möglichkeit, die in den vorangehenden Teilen (Erschütterungen, Quanteneffekte, Schwingungen) getroffenen Aussagen dazu, ein bestimmter Störeinfluss sei bei niedrigen Frequenzen besonders stark, ein anderer bei höheren Frequenzen, zu präzisieren: Wir zeigen für den entsprechenden Störeinfluss ein Amplitudenspektrum (oder ein damit verwandtes Diagramm; es gibt verschiedene Variationen solcher Spektren) und sehen dann direkt, wie groß der Störeinfluss im jeweiligen Frequenzbereich ist. Wie im vorigen Abschnitt gezeigt, können wir mithilfe solcher Rausch-Amplitudendiagramme dann auch die Frage angehen, wie stark ein Signal sein muss, damit es in einem der Gravitationswellendetektoren nachgewiesen werden kann.
Die Frequenzzerlegung erlaubt es, bei der Analyse besonders günstige Verfahren zur Suche nach konkreten Signalen anzuwenden. Man arbeitet dabei mit „Signalmustern“, die es zu erkennen gilt. So gewichtet, dass Übereinstimmungen in denjenigen Frequenzbereichen einen stärkeren Einfluss haben, in denen das Rauschen am niedrigsten ist, sind diese Signalmuster eine sehr effektive Art und Weise, nach Signalen im Rauschen zu suchen.
Die Anwendung solcher Verfahren zur Beschreibung des Rauschens ebenso wie zur Suche nach Gravitationswellensignalen stellt an Gravitationswellendetektoren aber auch eine ganz bestimmte Anforderung, nämlich dass solche Detektoren linear arbeiten müssen. Das heißt vereinfacht: Wenn eine von der Amplitude her doppelt (dreifach, vierfach…) so starke Gravitationswelle auf meinen Detektor trifft, dann muss auch das entsprechende Nachweissignal, das ich zum Nachweis an meinem Detektor abgreife, doppelt (dreifach, vierfach…) so stark sein. Wenn zwei Gravitationswellen gleichzeitig eintreffen und ihre Wirkungen auf meinen Detektor sich daher aufsummieren, dann muss auch das entsprechende Signal die Summe derjenigen Teilsignale sein, die jede der beiden Gravitationswellen für sich genommen erzeugt hätte.
Nur unter diesen Umständen summieren sich die unterschiedlichen Elementarwellen, in die man einerseits die Gravitationswellen, andererseits die Störeinflüsse zerlegen kann, so auf, dass man am Ende bei der Analyse wieder alles ganz einfach auseinandernehmen, Rauscheinflüsse herausrechnen und Amplitudenspektren betrachten kann.


