Stellen Sie sich folgende Situation vor. Ein Autounfall und ein schwerverletzter Autofahrer, der höllische Schmerzen leidet. Ein zu Hilfe eilender Sanitäter leistet Unfallversorgung, darf aber das notwendige Schmerzmittel nicht verabreichen. Da der Arzt erst eine halbe Stunde später eintrifft, muss der Verletzte Qualen leiden. Das ist ein realistisches Szenario, denn nur der Arzt ist berechtigt, schmerzlindernde Medikamente zu verabreichen. Wäre der Sanitäter dagegen ein Physician Assistant, dürfte auch er das.
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Gute Vorsätze 2015: Helfen Gesundheits-Apps?
Die Zeit der guten Vorsätze ist gekommen: Die Fitness-Studios erleben jetzt den großen Ansturm. Wer sich für 2015 vorgenommen hat, gesünder zu leben und dazu gerne auch nach smarter App-Unterstützung in den Stores Ausschau hält, kann leicht den Mut verlieren angesichts der Fülle des Angebots von weltweit ca. 100.000 Gesundheits-Apps.
Die Initiative Präventionspartner hat deutschsprachige, kostenlose Gesundheits-Apps im Google Play Store für Verbraucher beleuchtet, die mit dem Rauchen aufhören, sich weniger stressen lassen oder sich verstärkt um ihre Gesundheitsvorsorge kümmern wollen.
- Wie schneiden sie in Punkto Qualitäts- und Transparenzkriterien (HealthonApp-Ehrenkodex) ab? Wie offen geben sie Auskunft über die Fachleute, die die gesundheitsbezogenen Tipps geben, und über die Quellen, auf denen diese Empfehlungen beruhen? Gerade bei Gesundheits-Apps schwingt immer die Gefahr mit, dass Informationen interessengeleitet sind (“Schleichwerbung”) und der Nutzer einer kostenlose App z. B. mit seinen Nutzerdaten bezahlt, die an Dritte weitergeleitet werden. Ein Blick auf die im Test der Initiative Präventionspartner beleuchteten neuralgischen Punkte zeigt, ob ein Verbraucher einer App vertrauen kann.
- Welche Unterstützungsfunktionen bieten sie (Tagebuchfunktion, Erinnerung, Aufklärung, Anleitung zu Übungen etc.)?
- Wie datenhungrig sind sie, d. h. welche Berechtigungen fordern sie von ihrem Nutzer?
Die getesten Apps lassen sich einfach miteinander vergleichen, was die gezielte Suche in den Stores erleichtert. Die Apps sind nach der Anzahl ihrer Downloads sortiert, d. h. die am häufigsten genutzten Apps sind in der Übersicht weit vorne. Die Anzahl der Kommentare und Bewertungen gibt Aufschluss darüber, wie andere Nutzer die Apps bewerten:
- Testübersicht mit 29 Apps zur Raucherentwöhnung
- Testübersicht mit 26 Antistress- und Entspannungs-Apps
- Testübersicht mit 20 Impf- und Vorsorge-Apps (z. B. Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen, Risikotests)
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Wir freuen uns über Kommentare mit Erfahrungen, ob und wenn ja welche App tatsächlich geholfen hat, den persönlichen Gesundheitszielen näher zu kommen.
Was die Wissenschaft derzeit gesichert über die Wirksamkeit von Gesundheits-Apps weiß? Lesen Sie dazu die folgenden Blog-Posts zu Raucher- und Abnehm-Apps:
Weiter zur Healthon-Datenbank mit Testberichten von über 240 Gesundheits-Apps (Stand 30.12.2014)
Endlich rauchfrei dank App: Was sagt die Evidenzlage?
Apps bieten aufgrund ihrer technischen Möglichkeiten grundsätzlich optimale Voraussetzungen, um Raucher bei der Tabakentwöhnung wirksam zu unterstützen. Informationen und Hilfeangebote können jederzeit, rundum die Uhr und angepasst an die individuelle Bedürfnislage abgerufen werden. Der Raucher-Coach in der Hosentasche ist ideal: Bei Gefahr eines Rückfalls genügt ein Griff in die Hosentasche und Hilfe naht.
Klingt gut, doch ein genauerer Blick offenbart, dass zwischen den theoretischen Potentialen und dem tatsächlichen Hilfeangebot noch eine große Lücke klafft (1).
- Die meisten Apps zur Raucherentwöhnung bieten größtenteils lediglich Rechnerfunktionen (32 %), um Kosten der eingesparten Zigaretten zu kalkulieren, Kalenderfunktionen (28%), um aufzuzeigen, welche Wegstrecke bereits zurückgelegt ist seit dem Raucherausstieg, oder Rationierungshilfen (11 %), um die Zahl der Zigaretten langsam zu reduzieren. Auch Hypnose (6 %) als Unterstützung zählt zum derzeitigen Angebot, obwohl diese Methode bisher nicht nachweisen konnte, dass sie den Raucherausstieg erfolgreich unterstützen kann.
- Die fünf beliebtesten “Raucher-Apps”, die 70 Prozent der gesamten Downloads repräsentieren, ignorieren allesamt die medizinischen Leitlinien und arbeiten nicht mit den nachgewiesenermaßen wirksamen Methoden zur Raucherentwöhnung.
Und dabei zeigen vielversprechende Ergebnisse aus kontrollierten Studien mit über 9.000 Teilnehmern, welches Potential theoretisch in den smarten Alleskönnern schlummert.
- Der Raucher-Ausstieg, begleitet durch individuelle Textnachrichten, die über Mobiltelefone vermittelt wurden, hat eine doppelt so hohe Erfolgsquote als in der Kontrollgruppe, ohne mobile Unterstützung. Insgesamt sind die Erfolgsraten allerdings bescheiden. Nur ca. 4 bis 5 Prozent der Raucher schaffen den dauerhaften Ausstieg, mobil unterstützt sind es doppelt so viele, ca. 6 bis 10 Prozent (2).
Das lässt darauf hoffen, dass Apps in kontrollierten Studien zukünftig den von Krankenkassen oder betrieblichen Gesundheitsprogrammen geforderten Nachweis der Wirksamkeit und Kosteneffektivität erbringen können. Voraussetzung ist allerdings die Nutzung von Methoden, deren Wirksamkeit über Leitlinien belegt ist. Nachhaltige Erfolge in der Raucherentwöhnung brauchen demnach individualisierte Begleitung, die Bestätigung und Verstetigung des geänderten Verhaltens durch einen hohen Grad an Interaktivität und Motivation.
Die Konzeption von evidenzbasierten Apps und deren Evaluation in klinischen Studien ist kostenintensiv und stellt komplexe Herausforderungen an die Anbieter. Ohne Partner aus der Wirtschaft oder Wissenschaft werden App-Entwickler dazu nicht in der Lage sein.
Weil bisher noch wenige Apps evidenzbasiert sind, hat das National Cancer Institute (NCI) in USA reagiert und selbst eine Raucher-App entwickelt. Die App QuitPal ist seit Oktober 2013 kostenfrei erhältlich. Sie berücksichtigt evidenzbasierte, multifaktorielle Ansätze in der Raucherentwöhnung und bietet insgesamt zehn verschiedene Unterstützungsfunktionen an, u. a. den Versand von Videobotschaften aus dem eigenen sozialen Netzwerk, den Erhalt von Motivationsbotschaften beim Erreichen wichtiger persönlicher Ziele und Meilensteine etc. Ein andere App, Text2Quit, die in Zusammenarbeit mit der George Washington Universität entwickelt wurde, setzt ebenfalls auf Evidenz und die intensive Nutzung von Textbotschaften. Die Botschaften hilfesuchender Raucher werden dort auch von psychologisch geschulten Coaches gelesen, so dass diese bei Bedarf auch das Angebot zum persönlichen Telefongespräch machen können. Wie der Schutz der persönlichen Nutzerdaten dabei optimal gestaltet werden kann, bleibt eine große Herausforderung.
In den USA werden von Regierungsseite auf www.smokefree.gov kostenfreie Apps z. B. QuitStartApp bereit gestellt. Durch Hinweise auf die wissenschaftlich überprüften, kostenfreien App-Angebote können Therapeuten ihre Patienten dabei helfen, Kosten für zweifelhafte Apps ohne methodisch überprüften Ansatz einzusparen.
Quellen
(1) Abroms L, Padmanabhan N, Thaweethal L, Phillips T. iPhone apps for smoking cessation: a content analysis. Am J Prev Med. 2011;40(3):279-285.
(2) Whittaker R, McRobbie H, Bullen C, Borland R, Rodgers A, Gu Y. Mobile phone-based interventions for smoking cessation. The Cochrane Library. http://onlinelibrary.wiley.com/
doi/10.1002/14651858.CD006611.pub3/abstract. Published 2012. Accessed November 6, 2013.