Ein Kollege fragt nach dem Sinn einer routinemäßigen Gastroskopie vor einer laparoskopischen Cholezystektomie. Nach seiner Erfahrung würde sich dadurch an der OP-Indikation selten etwas ändern. Mehrere Kollegen bestätigen diese Routine mehr…
Related Posts
Zweifelhafte Pharmawerbung
Gestern im 3. Programm des SWR: Zweifelhafte Pharmawerbung als Schwerpunkt der Sendung “Odysso”. In vier Beiträgen wurden Beispiele dokumentiert, wie die Pharmaindustrie mit Marketing manipuliert. Die ausgewählten Themen Zeckenimpfung, Anwendungsbeobachtungen, HPV-Impfung und pharmafinanzierte Fortbildung sind für Leser dieses Blogs und aufmerksame Medienkonsumenten nicht neu.
Wie sagt man so schön, steter Tropfen, und dicke Bretter usw. Wobei bei den Videos auffällt, dass der Tropfen schon dicker sein könnte oder der Bohrer mehr Umdrehungen haben dürfte. Die Diktion des SWR erscheint an manchen Stellen übervorsichtig. Dazu gehört auch, die Sendung um 22:00 Uhr auszustrahlen, nicht zu wiederholen, und nur zwei Videos online zu stellen.
—
Übrigens werden die EU-Minister am 8. und 9. Juni beim EU-Ministertreffen des “Employment, Social Affairs, Health and Consumer Affairs Council (EPSCO)” in Luxemburg die von den Pharmaunternehmen gewünschte Lockerung der Werbebeschränkungen für Arzneimittel gegenüber dem Verbraucher vorläufig wohl beerdigen.
—
Update: Der Zeckenbeitrag ist wohl aus der Sendung “report” von 4.5.2009. Könnte trotzdem darauf verlinkt werden.
Der Gesundheits-Bookshop ist wieder online!
Der http://www.Gesundheits-Bookshop.de ist wieder online, nachdem er für fast eine Woche außer Betrieb gesetzt werden musste. Ein Hackerangriff auf meine Seite veranlaßte Google meine Seite als attackierende Webseite zu bezeichnen. Inzwischen ist die Seite bereinigt, die Malware entfernt und alles getan, was getan werden mußte. Google bezeichnet die Seite endlich wieder als “sauber”. Ich freue […]
Patientenverbände als Ziel neoliberaler Netzwerke
Es geht weiter auf der Entdeckungstour durch die Untiefen der EU-Lobbyisten und Think Tanks. Wir starten wieder bei dem Beratungsunternehmen
PatientView, das, wie schon beschrieben, besonders um gute Beziehung zu Patientenverbänden und Patientenvertreter bemüht ist.
Ende 2005 verschickte PatientView eine E-mail mit einer Befragung zum Thema “Healthcare in 2020: a vision of the future”. Anschreiben und Fragebogen: survey_health_consumer_powerhouse (pdf, 59 KB). Den Inhalt und Sinn der Befragung übergehen wir mal fürs Erste, da Fragen nach dem Gesundheitssystem im Jahr 2020 eher ein Fall für die Kristallkugel sind.
Als Sponsor wird Baxter World Trade Corporation, eine Tochtergesellschaft des Pharmakonzerns Baxter International Inc. genannt. In Auftrag gegeben hat die Sudie Health Consumer Powerhouse. Auf der Internetseite beschreibt die Organisation ihre Aufgabe so:
Klingt gut und nach Verbraucherverband, oder? Health Consumer Powerhouse ist jedoch Teil eines neoliberalen Netzwerks von Lobbygruppen und Think Tanks, die marktradikale Positionen vertreten. Da findet sich auch das Centre for the New Europe (CNE) wieder. Deutsches Mitglied im Stockholm Network ist die Stiftung Marktwirtschaft. Dem Vorstand der Stiftung gehören Prof. Bernd Raffelhüschen und der ehemalige Leiter des Bundestagsbüros von Friedrich Merz, Michael Eilfort, an. Bernd Raffelhüschen und zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung sind auch „Botschafter“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Der ehemalige Vorstand Lüder Gerken ist heute Vorstand der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung, auch und wie Eilfort INSM-Botschafter. Auch die Professoren Eekhoff und Donges aus dem Kronberger Kreis, dem wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Marktwirtschaft, sind Botschafter der INSM. Zum Thema INSM hat Don Dahlmann gerade einen Beitrag in seinem blog veröffentlicht. Laut wikipedia sind beim CNE und dem Stockholm Network
Pfizer und die Pharmaindustrie bedeutende Geldgeber.
Es verwundert nicht, dass die Ergebnisse der Befragung “Healthcare in 2020” auf einer Pfizer-Presseveranstaltung in Brüssel vorgestellt worden sind. Damit werden auch die Ziele deutlich, die mit dieser Befragung von Patientenverbänden erreicht werden sollen: Munition im Lobbykampf für ein dereguliertes Gesundheitswesen.
Vorgestellt wurde die Studie von Johan Hjertqvist, dem Gründer und Präsident von Health Consumer Powerhouse, den wir schon aus dem Anschreiben zu der Befragung kennen. Johan Hjertqvist, früherer Berater der PR-Agentur Burson-Marsteller und international erfahrener Lobbyist, ist immer dabei, wenn die Interessen des freien Marktes im Gesundheitswesen verteidigt werden müssen.
Wo der Weg hinführen soll, konnte man auf einer Veranstaltung der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung – Screenshot hss (pdf, 161 KB) – in Brüssel sehen, an dem Johan Hjertqvist und andere ausgesuchte Marktbefürworter teilgenommen haben. Wieder ging es um Gesundheit im Jahr 2020, diesmal auf Basis einer Studie, die Siemens in Auftrag gegeben hatte. Ein paar Statements: “das heutige Gesundheitssystem ist als Wirtschafts- und Industriezweig zu betrachten”, “einen Wandel vom schwachen Patienten zum starken Verbraucher”, “die Bürger müssten dazu erzogen werden, Gesundheit als ein Produkt zu sehen, für das ein bestimmter Betrag gezahlt werden müsse”, “ideal sei es, die größten Investitionen in die Prävention zu stecken und nicht nur in Diagnose, Therapie und Nachbehandlung”.
Was erwarten diese neoliberalen Denkfabriken von Patientenverbänden? Das ist Stoff für ein weiteres Kapitel. Verkürzt: Die Industrie hat schon vor einigen Jahren die wachsende Macht der NGOs erkannt und versucht diese für ihre Zwecke einzuspannen. Im Gesundheitsbereich läuft das unter den Schlagworten: Eigenverantwortung, Patientensouveränität oder Patientenautonomie. Der Wille des Patienten löst das Wohl des Kranken als oberstes Prinzip ab. Die Autonomie des Patienten gewinnt dabei Vorrang vor der der Fürsorge. Bis hin zum Ideal des “mündigen Patienten”, der aufgeklärt, eigenverantwortlich und selbstbestimmt die Richtlinien seiner Behandlung vorgibt und zum Partner des Arztes wird. Traum der neoliberalen industrienahen Lobbygruppen: Kunde statt Patient, Leistungen statt Engagement, Verträge statt Vertrauen.
Dabei sehe ich drei Gruppen, die diese Eigenverantwortung verlangen: Aus dem Bereich der Naturheilkunde, die eine gleichbrechtigtes Nebeneinander und Wahlfreiheit zwischen naturheilkundlicher Behandlung und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhender Medizin fordern, aus dem Lager der Patientenverbände, die das ideal des aufgeklärten Patienten propagieren und aus der Pharmaindustrie, die sich von mehr Verbrauchermacht z.B. die Abschaffung von Werbeeinschränkungen und ein marktnäheres Gesundheistwesen mit mehr Eigenleistungen und Eigenentscheidung des Patienten erhofft. Da es zwischen Naturheilkundlern und Pharmaindustrie verständlicherweise kaum Gemeinsamkeiten gibt, werden die eher dem Prinzip des Verbraucherschutzes verpflichteten Patientenverbände von zwei Seiten in die Zange genommen. Sowohl die naturheilkundlichen Gegner der “Schulmedizin” als auch die Pharmaindustrie versucht diese als Bündnispartner zu gewinnen. Ein echtes Minenfeld. Wenn man sich die Berichte von Anhörungen und Konferenzen durchliest, auf denen Vertreter aller drei Lager anzutreffen sind, hat man das Gefühl, dass die Teilnehmer erschreckend wenig von den Interessen und Netzwerken der mit am Tisch Sitzenden wissen.