Ein Gynäkologe fragt, wie man sich bei einem mammographischen Mikrokalknachweis (BIRADS III) bei einer Patientin verhalten soll, die vor mehr als zehn Jahren brusterhaltend an einem Mammakarzinom operiert und bestrahlt mehr…
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Die Cochrane Collaboration als Gehilfe der Pharmaindustrie
Die Cochrane Collaboration ist eine Organisation, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, Ärzte mittels systematischer Übersichtsarbeiten zu medizinischen Fragestellungen den Weg durch den Dschungel der medizinischen Fachliteratur zu ersparen. Gerne sieht sie sich dabei in einer unabhängigen und kritischen Rolle, wachsam und gefeit gegen die Manipulationen der Pharmaindustrie:
Bei den Veröffentlichungen der Cochrane Collaboration handelt es sich üblicherweise um
systematische Reviews, in denen der Versuch unternommen wird, den aktuellen Wissensstand zu einer bestimmten Fragestellung zusammenzutragen und zu interpretieren, häufig kombiniert mit einer
Meta-Analyse, einer Zusammenfassung der Einzelstudien mit statistischen Methoden.
Eine positive Bewertung eines Medikaments durch ein Cochrane-Review führt zu Jubelstürmen in den Marketingabteilungen der Pharmaindustrie. Selbst die BILD-Zeitung kommt dann nicht umhin, Cochrane-Bewertungen zu zitieren:
[…]
Nach ersten Studien kamen Forscher der Cochrane Library für Medizin zu dem Ergebnis, dass Raucher ihre Erfolgsaussichten bei einem Entzug mit Vareniclin verdreifachen. Als Nebenwirkung sind bisher nur Übelkeit und Kopfschmerzen bekannt.
Nun gibt es jedoch eine Reihe von Gründen, die Ergebnisse solcher Metaanalysen skeptisch zu betrachten. Das bekannteste Problem ist der
Publication Bias: Unveröffentlichte (negative) Resultate klinischer Studien zu einem Medikament können keinen Eingang in eine von unabhängiger Seite durchgeführte Metaanalyse finden. Das Ergebnis von Metaanalysen ist deshalb häufig zugunsten des Medikaments und im Sinne der Hersteller verzerrt.
Hier im Blog habe ich im Zusammenhang mit dem von der BILD-Zeitung angeführten Cochrane-Review auf ein weiteres Problem
hingewiesen: Sind die Ergebnisse der meist herstellerfinanzierten Studien systematisch verzerrt – im Fall Champix® (in den USA Chantix®) u.a. durch die unvollständige Verblindung der klinischen Studien – dann findet sich das Ergebnis dieser Verzerrung auch im Ergebnis der Metaanalyse. Garbage in, garbage out.
Der Mehrwert für das Marketing durch die Zusammenfassung von methodisch fragwürdigen Studien zu einem “Paket” mit einem unabhängigen Bewertungssiegel liegt auf der Hand. Fast erinnert das Verfahren an ein in jüngster Zeit ins Gerede gekommenes aber höchst erfolgreiches Geschäftsmodell: Aus eine Reihe von windigen Hypothekenkrediten ließ sich durch Zusammenfassung zu einem “Zertifikat”, welches durch eine namhafte Ratingagentur wohlwollend bewertet wurde, ein erfolgreiches Finanzprodukt zusammenzimmern.
Dieses Potential hat die Pharmaindustrie natürlich erkannt und tut ihr bestes, auf das Erscheinen möglichst positiv ausfallender Cochrane-Reviews hinzuwirken. Ein Beispiel hierfür findet sich in der Dezember-Ausgabe des arznei-telegramms: Auch hier geht es um ein Pfizer-Medikament, und zwar das Präparat Neurontin®:
Die Bemühungen von Pfizer haben sich offenbar gelohnt:
Evidence-biased medicine.
Marathon nach Bursektomie?
Ein Kollege (selbst Chirurg) fragt in eigener Sache, ob er kurze Zeit nach einer Bursektomie (Wasserski-Unfall, Wunde am Ellenbogen, Exzision, Redon, Antibiose) schon wieder an einem Rennradmarathon teilnehmen kann. Wann mehr…
Neuer Rückschlag für Inegy®/Ezetrol®
Eine gestern veröffentlichte Studie versetzt die medizinische Fachwelt in den USA ebenso in Aufruhr wie die Finanzpresse. Die englischsprachige Version von “Google News” findet Hunderte von Artikeln zum Thema. In Deutschland herrscht bislang absolute Funkstille.
Der Cholesterinsenker Ezetimib (Inegy®/Ezetrol®, in den USA Vytorin®/Zetia®), wegen seines nicht nachgewiesenen Nutzens und Bedenken bezüglich einer möglichen krebserzeugenden Wirkung ohnehin
umstritten wie kaum ein anderes Medikament, hat in einer weiteren Studie verheerend schlecht abgeschnitten, dieses Mal gegen ein Nicotinsäurepräparat von Abbott namens Niaspan®.
Zur Einordnung der Ergebnisse muss man wissen, dass die im Vergleichspräparat Niaspan® als Wirkstoff enthaltene Nicotinsäure (Niacin) keinesfalls ein neues oder gar besonders wirkungsvolles Medikament ist. Ob Niaspan® überhaupt eine positive Nutzen-Schadensbilanz hat, ist unklar. Der unabhängige Arzneimittel-Informationsdienst “arznei-telegramm” bewertet Niaspan® wegen seines nicht nachgewiesenen lebensverlängernden Effekts und seiner unangenehmen und zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen als ein “Mittel der ferneren Reserve”.
Die Frage, ob Niaspan® einen Nutzen gegenüber Placebo hat, wird mangels Placebogruppe auch in der vorliegenden Studie nicht beantwortet. Niaspan®-Hersteller Abbott als Auftraggeber der Studie hat anscheinend wenig Interesse daran.
Statt dessen schickt er sein Medikament – jeweils in Kombination mit einem Statin – gegen das schwer angeschlagene Ezetimib ins Rennen, bei dem schon die Ergebnisse vergangener Studien eher für eine negative Nutzen-Schadensbilanz sprechen.
Kein dummer Schachzug. Die Ergebnisse fallen denn auch positiv aus für Niaspan® oder, besser gesagt, erneut verheerend für Inegy®/Ezetrol®.
In der Ezetimib-Gruppe werden – trotz der geringen Probandenzahl – statistisch signifikant mehr “kardiovaskuläre Ereignisse” beobachtet, also insbesondere Herzinfarkte, zu deren Vermeidung das Medikament eigentlich vermarktet wird:
Beim Surrogatparameter “carotid intima–media thickness”, mit dem Ablagerungen an den Gefäßwänden gemessen werden sollen, schneidet Ezetimib hochsignifikant schlechter ab als Niaspan®.
Und schließlich führt die Senkung des “bösen” LDL-Cholesterins mit Ezetimib statistisch hochsignifikant zum Gegenteil des Gewünschten. Je stärker das LDL in der Ezetimib-Gruppe abgesenkt wurde, desto stärker nahmen die arteriosklerotischen Ablagerungen zu:
[…]
The use of ezetimibe led to a paradoxical increase in the degree of atherosclerosis in association with greater reduction in LDL cholesterol, an effect we hypothesize may stem from unintended biologic effects of this agent.
—
Weil es so schön passt, an dieser Stelle noch der Verweis auf ein Interview mit Peter Sawicki in der “Welt”: “Viele Medikamente sind völlig nutzlos“