Erinnern Sie sich noch an den Contergan-Skandal? Nun ist das Medikament in aufgehübschter Form als Krebsmedikament wieder auferstanden. Schauen Sie sich mal dieses Video an und urteilen Sie selbst:
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Pfizer hält gegenüber dem IQWiG Studien zu dem Antidpressivum Edronax® (Wirkstoff Reboxetin). zurück, berichtet Spiegel Online. Nachfragen des Spiegel-Journalisten Markus Grill wollte das Unternehmen nicht beantworten.
Neuer Rückschlag für Inegy®/Ezetrol®
Eine gestern veröffentlichte Studie versetzt die medizinische Fachwelt in den USA ebenso in Aufruhr wie die Finanzpresse. Die englischsprachige Version von “Google News” findet Hunderte von Artikeln zum Thema. In Deutschland herrscht bislang absolute Funkstille.
Der Cholesterinsenker Ezetimib (Inegy®/Ezetrol®, in den USA Vytorin®/Zetia®), wegen seines nicht nachgewiesenen Nutzens und Bedenken bezüglich einer möglichen krebserzeugenden Wirkung ohnehin
umstritten wie kaum ein anderes Medikament, hat in einer weiteren Studie verheerend schlecht abgeschnitten, dieses Mal gegen ein Nicotinsäurepräparat von Abbott namens Niaspan®.
Zur Einordnung der Ergebnisse muss man wissen, dass die im Vergleichspräparat Niaspan® als Wirkstoff enthaltene Nicotinsäure (Niacin) keinesfalls ein neues oder gar besonders wirkungsvolles Medikament ist. Ob Niaspan® überhaupt eine positive Nutzen-Schadensbilanz hat, ist unklar. Der unabhängige Arzneimittel-Informationsdienst “arznei-telegramm” bewertet Niaspan® wegen seines nicht nachgewiesenen lebensverlängernden Effekts und seiner unangenehmen und zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen als ein “Mittel der ferneren Reserve”.
Die Frage, ob Niaspan® einen Nutzen gegenüber Placebo hat, wird mangels Placebogruppe auch in der vorliegenden Studie nicht beantwortet. Niaspan®-Hersteller Abbott als Auftraggeber der Studie hat anscheinend wenig Interesse daran.
Statt dessen schickt er sein Medikament – jeweils in Kombination mit einem Statin – gegen das schwer angeschlagene Ezetimib ins Rennen, bei dem schon die Ergebnisse vergangener Studien eher für eine negative Nutzen-Schadensbilanz sprechen.
Kein dummer Schachzug. Die Ergebnisse fallen denn auch positiv aus für Niaspan® oder, besser gesagt, erneut verheerend für Inegy®/Ezetrol®.
In der Ezetimib-Gruppe werden – trotz der geringen Probandenzahl – statistisch signifikant mehr “kardiovaskuläre Ereignisse” beobachtet, also insbesondere Herzinfarkte, zu deren Vermeidung das Medikament eigentlich vermarktet wird:
Beim Surrogatparameter “carotid intima–media thickness”, mit dem Ablagerungen an den Gefäßwänden gemessen werden sollen, schneidet Ezetimib hochsignifikant schlechter ab als Niaspan®.
Und schließlich führt die Senkung des “bösen” LDL-Cholesterins mit Ezetimib statistisch hochsignifikant zum Gegenteil des Gewünschten. Je stärker das LDL in der Ezetimib-Gruppe abgesenkt wurde, desto stärker nahmen die arteriosklerotischen Ablagerungen zu:
[…]
The use of ezetimibe led to a paradoxical increase in the degree of atherosclerosis in association with greater reduction in LDL cholesterol, an effect we hypothesize may stem from unintended biologic effects of this agent.
—
Weil es so schön passt, an dieser Stelle noch der Verweis auf ein Interview mit Peter Sawicki in der “Welt”: “Viele Medikamente sind völlig nutzlos“
Zwang zur Transparenz bei Selbsthilfe
Selbsthilfeverbände und Pharmaunternehmen sind
ungleiche Partner. Der Einfluss der Pharmaindustrie auf Selbsthilfegruppen durch Spenden, Fördermitgliedschaften und anderen Zuwendungen wurde in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. Der Selbsthilfe fällt es jedoch erkennbar schwer, Unabhängigkeit und Transparenz zu gewährleisten.
Diese Schwäche wird nun von den Pharmaunternehmen genutzt, um sich zu profilieren. Sowohl der Verein “Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie” (FS-Arzneimittelindustrie), dem Unternehmen des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller angehören, als auch der Verein “Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen” (AKG), dem Mitglieder des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie beitreten können, haben in den letzten Monaten Leitlinien im Umgang mit Selbsthilfegruppen verabschiedet. (FSA-Kodex
zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen & AKG-Kodex zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen). Diese Selbstverpflichtungen gehen weiter als das, was in der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe) als Minimalkonsens durchgesetzt werden konnte (Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen).
Damit tritt ein, was hier im Blog schon
vermutet worden ist. Der schwarze Peter liegt nun bei den Selbsthilfeverbänden, die in Sachen Transparenz von den Pharmaunternehmen und ihren PR-Profis getrieben werden. Wenn die Beschränkungen, die bisher die direkte Werbung und Information der Arzneimittelhersteller an die Patienten verhindern, wie von der EU-Kommission geplant gelockert werden, spielen die Selbsthilfegruppen eine wichtige Rolle in der Kommunikationstrategie der Unternehmen. Klare Spielregeln sind nötig, um nicht den Vertrauensverlust der Pharmakonzerne in den USA nach Freigabe der Konsumentenwerbung zu erleiden.
Im einzelnen sind es drei Punkte, die insbesondere die Selbsthilfeverbände in Zugzwang bringen. Zum einen die Transparenz bei den Zuwendungen. Die FS-Arzneimittelindustrie sieht vor, dass Mitgliedsunternehmen jeweils der Öffentlichkeit eine Liste derjenigen Organisationen der Patientenselbsthilfe zur Verfügung stellen müssen, die sie national oder auch europaweit finanziell unterstützen oder denen sie erhebliche indirekte oder nicht-finanzielle Zuwendungen gewähren. Die Liste ist mindestens einmal jährlich (spätestens jeweils bis zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr) zu aktualisieren und soll Geld- und Sachzuwendungen enthalten. Beim AKG sind es nur die geldwerten Leistungen. Eine solche umfangreiche Veröffentlichungspflicht sieht die BAG Selbsthilfe bisher nicht vor. Dies wird die viele Selbsthilfegruppen vor Probleme stellen. Um einen falschen Eindruck bei Mitgliedern und Öffentlichkeit zu vermeiden, müssten die Listen der Pharmaunternehmen von der Selbsthilfe durch die Darlegung der Details, was mit dem Geld finanziert worden ist, ergänzt werden. Da Selbsthilfegruppen durchaus auch in Konkurrenz miteinander stehen, ist dies für die Funktionäre ein harter Schlag.
Ein eleganter Weg, den Einfluss von Pharmaunternehmen gegenüber Mitgliedern und Patienten zu verschleiern, war die Beauftragung von Dienstleistern, wie PR- oder Veranstaltungsagenturen. Dem schiebt die Pharmaindustrie einen Riegel vor. Die Verpflichtungen nach dem Kodex treffen Unternehmen auch dann, wenn sie Andere damit beauftragen, die von diesem Kodex erfassten Aktivitäten für sie zu gestalten und durchzuführen. Damit fällt ein Anreiz für die Pharmaunternehmen weg, selber die Abwicklung von Projekten zu beauftragen. Das könnte für die Selbsthilfeverbände organisatorische Mehrarbeit bedeuten.
Zur Transparenz gehört auch die Trennung zwischen Mitarbeitern der Pharmaunternehmen und Verantwortlichen in der Selbsthilfe. Dazu legen die Kodizes fest, dass Vertreter oder Mitarbeiter von Unternehmen keine Funktionen in Organisationen der Patientenselbsthilfe, insbesondere deren Organe ausüben dürfen. Eine Ausnahme sind wissenschaftliche Beiräte. Die Leitsätze der BAG Selbsthilfe verlangen bisher lediglich, dass die Selbsthilfeorganisation in geeigneter Weise über Organvertreter, die ausserhalb ihrer Rolle als Mitglied der Mitgliederversammlung von Wirtschaftsunternehmen Leistungen erhalten, informiert. Damit verlieren einige Selbsthilfegruppen den guten direkten Draht zu einem Unternehmen.
Die Pharmaunternehmen wollen die Umsetzung der Kodizes über Spruchkörper bzw. eine Mediationsinstanz begleiten, was das zahnlose Monitoring-Verfahren der Selbsthilfe obsolet machen könnte.
Grund genug für den BAG Selbsthilfe und das “Forum im Paritätischen” zu einem Workshop “Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie zur Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe” einzuladen, der am 30.01.2009 im Bonner Gustav-Heinemann-Haus stattfinden soll. In der Tagesordnung wird von “Inkompatibilitäten der Leitsätze und der Kodizes der Arzneimittelhersteller” gesprochen. Die Pharmaunternehmen haben ihre Kommunikationshoheit klar abgesteckt. Den Selbsthilfegruppen bleibt es nur noch vorbehalten, auf die “Inkompabilitäten” zu reagieren.