Hubert Dreßler, Präsident des österreichischen Pharmaindustrieverbandes (Pharmig) in einem Interview.
Related Posts
Linktipps der Woche: Mängel in der digitalen Vernetzung und der neue Diabetes-Atlas zum Weltdiabetestag
In den Linktipps der Woche suchen wir euch jede Woche spannende Links rund um die Themen Gesundheitswirtschaft, -politik und -management.
Buchbesprechung "La piqûre de trop?"
Um was geht es im Buch? Ist es ein gutes Buch?
Die Journalistin Catherine Riva und der Gynäkologe Jean-Pierre Spinosa haben 2010 das Buch „La piqûre de trop?“ (Eine Spritze zuviel?) [books.ch, amazon.de] veröffentlicht. Das Buch beschreibt die Hintergründe und die Zusammenhänge rund um die „Impfung gegen den Gebärmutterhalskrebs“. Das Buch ist nur auf französisch erhältlich (Deutsche Beschreibung).
Buchdeckel „La piqûre de trop“
Harald zur Hausen entdeckte mit anderen, dass Humane Papillomviren (HPV, auch Humane Papillomviren) für den Gebärmutterhalskrebs mitverantwortlich sind. Bis dann war es unvorstellbar, dass Viren Krebs auslösen können. Harald zur Hausen bekam 2008 für seine Entdeckung den Nobelpreis für Medizin.
Immer wenn es um Viren geht, ist der Gedanken an eine schützende Impfung nicht weit. Beim Impfen wird der Körper „quasi vorbereitet und gewarnt“. Einige Impfungen gehören zu den wichtigsten Errungenschaften der westlichen Medizin und haben wesentlich zu unseren hohen Lebenserwartungen beigetragen.
Die Pharmaindustrie, namentlich MSD (Merck in den USA) und GlaxoSmithKline (GSK) haben die Impfungen Gardasil® und Cervarix® gegen die Papillomaviren entwickelt. Die Impfungen wurden 2006 zugelassen. Rasch darauf erfolgten Impfempfehlungen und Impfkampagnen für 13-jährige Mädchen. Die Impfprodukte Gardasil® und Cervarix® erreichten eine hohe Medienpräsenz.
Stellt Gebärmutterhalskrebs wirklich eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in den Industriestaaten dar? Welche klinischen Daten liegen tatsächlich vor? Und vor allem: wie konnte sich dieser Impfstoff trotz Rekordpreis in geradezu blitzartig kurzer Zeit durchsetzen?
Die Entdeckung des Krebsmitverursachung durch Papillomaviren war einen Nobelpreis wert. Bei den Impfungen Gardasil® und Cervarix® hingegen liegt die Meisterleistung weniger in der Medizin als im Marketing. Bewundernswert was MSD und GlaxoSimthKline (GSK) zu leisten vermochten.
Der Gebärmutterhalskrebs ist nämlich, dank Abstrichen, in westlichen Ländern kein drängendes medizinisches Problem. Vor den Medikamenten war Gebärmutterhalskrebs in der Öffentlichkeit kaum bekannt.
Das Buch beschreibt, die Zusammenhänge und Hintergründe hinter dem Erfolg von Gardasil® und Cervarix®. Welche Akteure mit dabei sind. Öffentliche Aussagen von Ärzten, Journalisten und Gesundheitsbehörden werden mit den Aussagen der Studien und dem wissenschaftlichen Stand verglichen. Der Nähe von Professoren und Ärzten zur Pharmaindustrie wird nachgegangen.
Insbesondere wird auch die Medienberichterstattung in der Schweiz, Frankreich und Deutschland analysiert. Welcher Blickwinkel wurde eingenommen? Welche Zahlen wurden präsentiert? Was sind deren Quellen? Was waren die Themen in den Artikel?
Es wird gezeigt, wie sich Leute – Ärzte, Professoren und Journalisten – „vor den Karren spannen“ liessen. Welche Interessenkonflikte bestehen.
Das Buch arbeitet mit Fakten, nicht mit Emotionen. Das Buch ist gut dokumentiert. Es ist in einem sachlichen Stil geschrieben. Die Aussagen sind gut belegt. Das ist auch nötig, da die Industrie an diesem Buch nicht unbedingt gefallen finden wird. Einzelne können, auch wenn es völlig ungerechtfertigt ist, durch ein Team von Anwälten eingeschüchtert und jahrelang durch erzwungene Verteidigung lahmgelegt werden. Man denke beispielsweise an die Anti-Baby-Pille Jasmin® (Fall des 16-jährigen Mädchen Céline). Das Nachrichtenmagazin „10vor10“ wurde von Bayer verklagt, bis vor Bundesgericht. Und verlor (Tagesanzeiger 2011). Der staatliche Fernsehsender konnte sich eine Verteidigung leisten.
Das Kapitel „Épilogue“ sticht durch seinen anderen Stil hervor. Dieses kurze, 3½-seitige Kapitel fasst das Buch zusammen und kommentiert den Inhalt.
Il est donc impératif que les citoyens apprennent à se méfier des annonces de „catastrophe méconnues“ et à s’informer sans s’en remetter benoîtement aux „experts“. Mais surtout, il est urgent de thématiser la question des conflits d’intérêts, aussi bien dans les rangs des médecins et des scientifiques que dans l’administration et parmi les journalistes qui traitent les sujets de santé.
Es ist also zwingend, dass die Bürger lernen den Ankündigungen von „unbekannten Katastrophen“ zu misstrauen und sich zu informieren ohne sich einfach auf die „Experten“ zu verlassen. Aber vor allem ist es dringend die Fragen der Interessenkonflikte zu thematisieren, bei den Medizinern und den Wissenschaftlern, aber auch bei der Verwaltung und den Journalisten, die Gesundheitsthemen bearbeiten. [Eigene Übersetzung]
Nach dem Buch hat das Interesse der Autoren nicht einfach aufgehört. Neue Erkenntnisse werden auf der Facebookseite „La piqûre de trop?“ veröffentlicht.
Autoren
Catherine Riva ist eine freie Journalisten aus der Westschweiz. Sie wohnt in der Deutschschweiz. Dr. Jean-Pierre Spinosa ist Gynäkologe in Lausanne.
Obwohl das Buch vom Impfen handelt, gehören sie nicht in den Kreis der „Impfgegner“, jener Gruppe die prinzipiell gegen jegliche Impfungen sind.
Medien über das Buch
In den welschen Medien wurde bei der Veröffentlichung über das Buch berichtet, beispielsweise der Beitrag des welschen Fernsehens RTS, 2010 mit den Autoren.
Fazit
Das Buch „La piqûre de trop?“ ist ein sehr gut recherchiertes Buch. Das Buch behandelt die Mechanismen des Gesundheitswesens und der Pharmaindustrie in einer selten gesehenen Tiefe. Investigativer Journalismus par excellence.
Mit der vorgelegten guten Datenlage kann dieses Buch als Lehrstück dienen. Es ist ein sehr gut dokumentierter Fall mit allen Akteuren und deren Schritten. Die im Buch beschriebenen Mechanismen gelten wahrscheinlich auch für andere medizinische Produkte.
Das Buch zeigt, dass es nicht nur im englischen Sprachraum kompetente und kenntnisreiche Medizinjournalisten gibt, sondern auch in der Schweiz. Medizinjournalisten, die selber denken. Journalisten und Ärzte, die den Mut haben Missstände zu benennen.
Weihnachten bei MedCom international und der Deutschen…
Die Weihnachtszeit ist eine Zeit der Besinnung und des Rückblicks.
Grund genug, noch einmal einen Blick auf die erstaunliche Bonner PR-Firma Medcom international medical&social communication GmbH zu werfen. Deren Geschäftsmodell scheint u.a. darauf zu beruhen, dass sie die PR-Botschaften ihrer Kunden verdeckt unter dem Label “Deutsche Seniorenliga (DSL)” in die Welt verbreitet. Überhaupt gibt es eine Nähe zwischen der PR-Firma Medcom international und der “gemeinnützigen” Seniorenliga, die mit dem Wort “erstaunlich” nur ungenügend charakterisiert ist. Darüber hatten wir im April
ausführlich berichtet.
Die Deutsche Seniorenliga (DSL) hat in den vergangenen Monaten ihre Aktivitäten etwas reduziert, jedenfalls scheint das Echo in den Medien nach mehreren Jahren einen Tiefststand erreicht zu haben. Inzwischen scheint im Pharmasektor gar eine plötzliche Zurückhaltung, zumindest jedoch eine Schüchternheit ausgebrochen zu sein, was die Zusammenarbeit mit der Firma Medcom angeht. Dafür spricht ein beunruhigender Rückgang der Pharma- und Medizintechnik-Kunden in der Referenzenliste der MedCom. Von den im April aufgeführten elf Kunden aus diesem Sektor sind mittlerweile acht Firmen spurlos aus der Referenzenliste verschwunden (Essex, Fumedica, Fujisawa, Merz, Novartis, Orthomol, Dr. Pfleger und Schering).
Mit den Referenzkunden verschwunden sind einige, aber nicht alle Broschüren der Deutschen Seniorenliga, von denen man annehmen konnte, dass sie von interessierten Pharmafirmen finanziert wurden, ohne dass dies in den Broschüren ausgewiesen war. Immer noch zu haben sind aber beispielsweise die Alzheimer-Broschüren der Seniorenliga, die man für getarntes PR-Material der Firma Merz halten könnte.
Die Firma Merz gehört dennoch zu den Pharmafirmen, die spurlos aus der MedCom-Referenzenliste verschwunden sind. Wenn es darum geht, mit einem kongenialen Auftritt des früheren ARD-Gesundheitsexperten Hademar Bankhofer und des Seniorenliga-Vorsitzenden Erhard Hackler in der mutmaßlichen Dauerschleichwerbesendung “Spektrum Gesundheit” auf der hauseigenen Internetseite www.alzheimerinfo.de Werbung zu machen (www.alzheimerinfo.de/metadata/vodcast200706/), zeigt sich die Firma Merz bislang weniger zurückhaltend.
—
Beim Betrachten des Videos wird es mehr als deutlich, trotzdem noch der Hinweis: Natürlich ist das höchst umstrittene verschreibungspflichtige Medikament “Memantine” das Merz-Produkt, das der Seniorenliga seit vielen Jahren – und Bankhofer für die Dauer der Aufzeichnung dieser Sendung – am Herzen liegt.