6. September 2023

Der Umgang mit der Krankschreibung nach erfolgter oder beabsichtigter Kündigung des Arbeitsverhältnisses sorgt immer wieder für Diskussionen. Gerade ärztliche Arbeitgeber wissen um die allzu häufige Abgabe von Gefälligkeitsattesten und haben oft nicht grundlos Zweifel am Beweiswert der von Kollegen ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Kündigt ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin auch noch an, sich zukünftig krankschreiben zu lassen oder trifft die Krankschreibung genau den Zeitraum bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, scheint der Fall eindeutig zu sein. Ganz so einfach ist es dann allerdings doch nicht. 

Ankündigung einer Krankschreibung – Kein Kündigungsgrund

Nach Ansicht des LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 26.04.2022, 2 Sa 279/21) stellt die reine Ankündigung, sich krankzumelden und zukünftig nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen, noch keine Arbeitsverweigerung und damit auch keinen Kündigungsgrund dar. Der soll erst dann vorliegen, wenn dem oder der Arbeitgebenden mit Krankschreibung gedroht wird, um sich damit einen Vorteil zu verschaffen, wenn also Druck ausgeübt wird. 

Wird Druck durch eine entsprechende Krankheitsandrohung ausgeübt für einen persönlichen Vorteil, verletzt der oder die Arbeitnehmende die Rücksichtspflichten aus dem Arbeitsvertrag.  Der wichtige Grund zur Kündigung besteht dann in der ausdrücklich oder konkludent erklärten Bereitschaft, sich die begehrte Freistellung oder einen anderen verweigerten Vorteil notfalls durch eine in Wahrheit nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit zu verschaffen. Ob der oder die Arbeitnehmende später tatsächlich erkrankt oder nicht, ist danach irrelevant – der Kündigungsgrund dürfte gegeben sein. 

Anders wertet die Rechtsprechung die bloße Ankündigung einer Krankschreibung, ohne dass damit ein bestimmtes Verhalten der Arbeitgeberseite erzwungen werden soll, solange es sich dabei auch um den Hinweis auf ein rechtmäßiges Verhalten handeln kann. Erst wenn der oder die Arbeitnehmende nach erfolgter Abmahnung auf der Ankündigung beharrt, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung tatsächlich erschleicht oder der Arbeit unentschuldigt fernbleibt, wird das Vorliegen eines Kündigungsgrundes angenommen. 

Krankschreibung im Kündigungszeitraum – glaubwürdig?

Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt trotz entgegenstehender Erfahrungswerte immer noch ein hoher Beweiswert zu. Zweifel entstehen aber dann, wenn die fehlende Arbeitsfähigkeit in zeitlichem Zusammenhang mit einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz steht, insbesondere wenn sie auf den Zeitraum zwischen Kündigung und Ende des Arbeitsverhältnisses trifft. 

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 8.9.2021 – 5 AZR 149/21) ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung jedenfalls dann erschüttert, wenn diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Kündigung des Arbeitnehmers abdeckt. Der oder dem Arbeitnehmenden obliegt es dann, weitere geeignete Beweise zum Nachweis einer tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit beizubringen.

Erfolgt die Krankschreibung auch nur einen Tag vor Zugang der Kündigung und wird dann exakt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verlängert, findet das LAG Niedersachsen dies wiederum glaubwürdig (Urt. v. 08.03.2023, Az.: 8 Sa 859/22).

Auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 13.7.2023 – 5 Sa 1/23) sieht den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die nach einer (eigenen) Kündigung ergeht, nicht von vorneherein erschüttert. Auch eine 10 Stunden andauernde Bahnfahrt, die der in diesem Fall gekündigte Chefarzt unternahm, wertete das Gericht nicht als Indiz für das Vortäuschen einer Erkrankung, da die Bahnfahrt immer noch weniger anstrengend als die Chefarzttätigkeit sei. 

Praxistipp

Ob eine Krankmeldung als glaubhaft zu werten ist, kann wie so oft klar beantwortet werden: Es kommt darauf an! Und zwar kommt es auf die konkreten Umstände, die genauen Zeiträume und den exakten Wortlaut der Krankmeldung an. 

Allgemein gilt: Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist hoch. Möchten Arbeitgebende im Verdacht, dass es sich um ein Gefälligkeitsattest handelt, daran arbeitsrechtliche Sanktionen knüpfen, sollte dies am besten mit anwaltlicher Hilfe anhand der aktuellen und differenzierenden Rechtsprechung abgestimmt werden. Ich berate Sie gerne.

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