Die erste Schicht als „inoffizielle“ RA-Praktikantin


Nachdem ich mein Ergebnis der Rettungsassistentenprüfung bekommen habe, bin ich bald wieder eine Schicht auf dem Rettungswagen gefahren. An diesem Samstag Nacht sollte ich mit einem erfahrenem Lehrrettungsassistenten eingeteilt sein. Zu Schichtbeginn unterhalten wir uns kurz und er meint, dass ich ja die Prüfung bestanden habe und somit heute dann auch begleiten dürfte, wenn es der Einsatz zulässt. Somit wollte er mich wie eine Rettungsassistentin im Praktikum behandeln, mir fehlt ja nur der offizielle Akt meines Rettungsdienstleiters.

Ich übernahm also bei der Schichtübergabe den Schlüsselbund und die Checkliste sowie Piepser und das Tablett zur Datenübergabe als Begleiterin. Wir checkten unseren RTW und ich machte heute eben alles, was der Begleiter sonst so macht. Also die Anmeldung, das Checken der MPG-Geräte und den ganzen Schreibkram.

Danach blieb auch keine Zeit sich noch ein wenig zu unterhalten, denn unser Melder ging sofort. es sollte sich um einen Transport in eine Uniklinik handeln, also eine Fernfahrt. Dies nahm mir auf jeden Fall gerade ein wenig die Nervosität, denn es war ja kein Notfall, sondern ein Krankentransport.  Die Leitstelle fragte uns auch noch, ob wir mit dem RTW fahren wollen oder einen Krankenwagen nehmen. Wir entschieden uns für den Rettungswagen, denn die Patientin sollte wohl nicht ganz so stabil sein.

Mein Kollege fuhr mit dem RTW zur Einsatzstelle, also der Wohnung der Patientin. Diese sollte mit einer Zustandsverschlechterung bei bekannter Lebererkrankung nun in eine Uniklinik transportiert werden müssen. An der Wohnung angekommen, wartete bereits fast die gesamte Familie auf uns. Der erfahrene Rettungsassistent hielt sich zurück und ich versuchte die Führung zu übernehmen. Wir stellten uns vor und die ca. 40 Jahre alte Patientin wartete bereits mit gepackten Koffern auf uns. Sie war sichtlich erschöpft, doch konnte sich noch laufen und schien stabil zu sein. Sie erzählte uns ein wenig über den Grund der Fahrt und wir gingen zusammen mit ihr zum RTW. Dort wollte sie lieber sitzen als liegen. Gleichzeitig habe ich gleich einmal den Blutdruck und Puls gemessen, denn es war eine Kreislaufschwäche bekannt, besonders bei langen Fahrten.

Aktuell war unsere Patientin jedoch stabil. Ich setzte mich hinten zu der sehr netten Dame und mein Kollege fuhr den RTW. Der Transport in die nächstgelegene Uniklinik verlief ohne Probleme. Weiterhin habe ich den Kreislauf überwacht und mich mit der Patientin gut unterhalten. Nach einer guten Stunde Fahrt sind wir schließlich an der Klinik. Der Transport verlief echt total unproblematisch. Allerdings müssen wir in der Uniklinik mit der Patientin einen recht weiten Weg laufen (die Dame möchte unbedingt laufen und nicht in einen Rollstuhl gefahren werden) und hier macht sich der schlechte Allgemeinzustand dennoch wieder bemerkbar. Schließlich können wir die Patientin in der Zentralen Notaufnahme dem Pflegepersonal sowie dem diensthabenden Internisten übergeben und verabschieden uns.

Auf der Rückfahrt können sich mein Kollege und ich endlich etwas unterhalten, ein bisschen Pause machen und uns beim goldenen M stärken. Man weiß ja nicht, was die Nacht noch so mit sich bringen würde.

Als wir uns wieder im eigenen Leitstellenbereich zurück melden, kommt wirklich sehr bald der nächste Notfalleinsatz. Es sollte hierbei einmal quer durch den Landkreis über einen Umweg wegen einer Baustelle gehen. Gemeldet ist uns zunächst eine Verschlechterung des Allgemeinzustands einer Dame, wo die Kollegen bereits vor kurzem vor Ort gewesen waren und die Patientin zuhause gelassen hatten. Vielmehr wussten wir jedoch nicht.

Mein Kollege fuhr also mit einigen baustellenbedingten Umwegen zum nächsten Einsatzort. Irgendwie hatte ich auf der Anfahrt schon ein komisches Gefühl, es klang einfach alles etwas seltsam und ich ziehe schwierige Situationen auch immer an.

An der Einsatzstelle angekommen, erwartete uns bereits am Hauseingang der Ehemann der Patientin. Dieser war sichtlich aufgeregt und meinte, dass seine Frau nun gar nicht mehr reagiere und bewusstlos wäre. Wir nahmen nun unser gesamtes Equipment mit nach oben in die Wohnung. Dort fanden wir auf dem Sofa liegend die nicht mehr wirklich ansprechbare Patientin, die anscheinend leichte Beugekrämpfe hatte. Der erfahrene Kollege alarmierte sofort einen Notarzt per Handy nach. Ich versuchte die Dame aufzuwecken bzw. zu mindestens eine leichte Reaktion auf Schmerzreiz zu erhalten. Die Augen konnte die ca. 40 Jahre alte Dame nicht öffnen. Ich überprüfte gleichzeitig den Puls und die Atmung. Beides war zunächst ausreichend. Danach machte ich ein vollständig Monitoring mit EKG, Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung. Die Werte waren alle noch im Normalbereich. Der Rettungsassistent legte der Patientin währenddessen schon einmal einen Zugang. Ich habe aus der Nadel noch schnell einen Blutzuckerwert bestimmt, doch dieser war auch normal.

Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir sehr wenig gesprochen, vielmehr hat jeder gewusst, was er  und der Teampartner tut. Dies verlief echt sehr angenehm. Gleichzeitig hat der erfahrene Lehrrettungsassistent gemerkt, dass es gut ist, wenn er nun die Führung übernimmt. So fragte er hauptsächlich den Ehemann, was denn alles vorgefallen war. Die Patientin hatte wohl keine Vorerkrankungen und war bisher selten beim Arzt. An diesem Tag seien die beiden sehr aktiv gewesen und  lange sportlich Cabrio gefahren, danach hat die Ehefrau am Abend plötzlich heftige Kopfschmerzen bekommen. Ansonsten hatte sie aber auch Rückenschmerzen bzw. Schmerzen im Nackenbereich angegeben. Beim ersten Rettungsdiensteinsatz ist die Dame auf eigene Verantwortung zuhause geblieben und war bis vor einigen Minuten noch ansprechbar gewesen.

Mein Kollege schickte mich nun nach unten, um bereits alles für den Transport vorzubereiten. Wir wollten uns beeilen und möglichst zügig in den RTW kommen. Der Notarzt würde sicherlich noch einige Zeit für die umständliche Anfahrt benötigen. Wir vermuteten beide eine neurologische Ursache, besser gesagt wahrscheinlich eine ICB, also eine intrakranielle Blutung. Der Zerreißungskopfschmerz deutete sehr darauf hin, allerdings hatte die Patientin keinen Herdblick, auch ohne Pupillendifferenz war nicht zu erkennen.  Aufgrund der Neurologischen Situation lies der Rettungsassistent über die Leitstelle die nächstgelegene Klinik mit neurochirurgischer Abteilung klären. Diese lag zudem fahrtechnisch gut zu erreichen.

Ich stellte am Hauseingang die Trage bereit und brachte das Tragetuch und die Decke mit in die Wohnung. Wir lagerten die Patientin zusammen auf das Tragetuch.  Zusammen mit dem Ehemann wollten wir die Dame gerade über die recht enge Treppen nach unten tragen, als die Patientin erbrach. Wir drehten sie schnell zur Seite, damit das Erbrochene bzw. eher die klare Flüssigkeit ablaufen konnte. Danach ging der Transport zügig nach unten. Als wir die Patientin gerade auf die Trage legten, traf auch der Notarzt ein. Er kannte die Situation ja bereits zum Teil vom vorherigen Einsatz. Der Rettungsassistent machte noch eine kurze Übergabe und informierte den Notarzt auch über die Klinikabklärung.

Währenddessen hat der Notarzt-Fahrer versucht, den recht aufgebrachten Ehemann zu beruhigen. Doch dies gelang nicht wirklich. Wir luden die Patientin in den RTW und legten sie auf der Trage in die stabile Seitenlage und überwachten sie ständig. So konnte eine Intubation bei der spontan atmenden Dame zunächst verhindert werden. Die Patientin zeigte jedoch immer wieder Beugekrämpfe.

Der Notarzt wollte nicht wirklich Initiative ergreifen, er ist eher einer von der Sorte, der die Rettungsdienstler arbeiten und denken lässt. Doch eine kurze Untersuchung der Patientin machte er dennoch. danach mussten wir noch auf OK der Klinik warten. Die Leitstelle musste hier erst eine Aufnahmezusage abwarten. Dies dauerte gefühlte Stunden, es waren nur einige lange Minuten.

Gleichzeitig sprachen wir, also der Rettungsassistent und ich uns kurz ab, ich bekam den Schlüssel und sollte fahren. Darüber war ich gerade etwas froh, denn die Situation war einfach sehr instabil und der Notarzt nicht der sicherste. Nach der Klinikzusage ging es jetzt in die ca. 25 km entfernte Klinik mit Neurochirurgie. Der Notarzt begleitete im RTW und das NEF blieb zuhause, denn es sollte als zusätzlicher Notarztzubringer dienen.

Zügig ging es über Autobahn und Landstraße in die Stadt mit der Klinik. Auch hier gab es auf dem Weg einige Baustellen, bereits auf der Autobahn und dann später noch in der Stadt kurz vor dem Krankenhaus. Hier entschied ich mich durch die eigentlich für den normalen Verkehr gesperrte Straße zu fahren, da der Busverkehr auch freigegeben war. Wir erreichten schließlich mit der bewusstlosen Patientin die zentrale Patientenaufnahme. Dort wurden wir bereits erwartet und es ging sofort zum CT. Im CT lagerten wir die Patientin um und es wurde sofort eine Computertomografie gefahren.

Nachdem wir unser Fahrzeug wieder einsatzklar gemacht hatten, konnten wir noch kurz die Bilder ansehen. Die Vermutung mit der Hirnblutung bestätigte sich leider. es war eine sehr große zentrale Raumforderung zu sehen. Die Dame sollte noch in der Nacht operiert werden müssen.

Danach ging es mit dem Notarzt zusammen wieder Richtung Heimat. Dort setzten wir schnell noch den Notarzt an seiner Wohnung ab. Auf der Rückfahrt haben wir auch kurz den Einsatz nachbesprochen, was ich echt gut fand. Mittlerweile war es schon Mitten in der Nacht. Es ging nun zum ersten Mal kurz auf die Wache. Doch dort konnten wir nicht wirklich zur Ruhe kommen, bevor es wieder piepste.

Der nächste Einsatz sollte auf uns warten. Gemeldet war ein Notfall, der sich jedoch bereits beim Ausrücken und nach der Einsatzaufnahme wieder erledigt haben sollte. Somit ging es kurz zum Ruhen aufs Sofa.

Nach einer halben Stunde folgte der nächste Einsatzalarm. Gemeldet war dieses mal eine Bewusstlose Person auf der Straße bzw. auf einer Bank, also ein Notarzteinsatz. Ich war auf der einen Seite sehr müde und zum anderen wieder nervös, da das Begleiten eben doch etwas anderes ist.

Mein Kollege fuhr zum gemeldeten Einsatzort. Dort sahen wir zunächst niemanden. Das Notarztfahrzeug kam von der anderen Richtung und fand zunächst auch niemanden. So suchten wir die Straßen ab und fanden schließlich die Mitteiler, eine Gruppe junger Menschen. Diese konnten uns sagen, dass der Mann wohl stark alkoholisiert sei und nun doch erweckt werden konnte, er ist weiter Richtung Innenstadt gelaufen. So fuhren wir hier auch noch einmal die Straßen ab, doch finden konnten wir keinen Patienten. Dies meldeten wir noch der Leitstelle und damit hatte sich dieser Einsatz für uns erledigt.

Nun ging es wirklich einmal für fast eine Stunde ins Bett. Wecken sollte uns der Melder kurz vor Dienstschluss. es war ein Notfalleinsatz: eine Patientin mit abdominellen Schmerzen. Noch etwas verschlafen versuchte ich meine Gedanken auf der Anfahrt zu sammeln und mich zu konzentrieren. An der Wohnung öffnete uns eine ältere Dame, die wohl schon seit gestern Abend Bauchschmerzen hat. Ich habe hier wirklich die Initiative ergriffen, während sich der Rettungsassistent total im Hintergrund hielt. Ich ließ die Dame sich auf das Sofa hinlegen. Dann habe ich Blutdruck und Puls sowie Sauerstoffsättigung gemessen. Der Blutdruck war aufgrund der Schmerzen erhöht. Danach untersuchte ich das Abdomen, alles abtasten, nach Schmerzen fragen und auch Differenzialdiagnosen bedenken. Der Bauch war weich, die Schmerzen eher diffus im Mittelbauch, keine Koliken, normaler Stuhlgang, kein Erbrechen, keine Atembeschwerden, Schmerzmittel hatte sie bereits genommen. Mein Rettungsassistent gab mir noch das Stethoskop zum Abhören vom Darmgeräuschen, das hätte ich fast vergessen. Ich hörte Darmgeräusche (war froh so müde etwas zu hören). Danach bekam ich noch den Tipp ein EKG zum machen, dies machte ich dann auch. Es war ein Sinusrhythmus zu erkennen.

Eine klare Diagnose gab es hier nicht, Arbeitsdiagnose war ein akutes Abdomen, machen konnte man hier nicht mehr, als in die Klinik zur Abklärung zu fahren. So gingen wir mit der Patientin zum RTW und fuhren mit ihr in die Klinik. Auf dem Weg dorthin galt es für mich neben der Patientenbetreuung auch ein Notfallprotokoll zu schreiben und den Einsatz für die Krankenkasse zu dokumentieren. In der Klinik angekommen lagerten wir die Dame in ein Bett um und übergaben sie an das Pflegepersonal sowie den diensthabenden Arzt.

Danach ging es zurück auf die Rettungswache. Dort wartete bereits unsere Ablösung auf uns. ich machte also als Begleiterin meine Übergabe an die Tagschicht. Nun war meine erste Schicht als RA-Praktikantin (naja noch inoffiziell) auch vorbei und ich freute mich nur noch auf mein Bett.

 

 

 

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