Unlogisches Gesundheitssystem (Edition Schweiz)

Die Krankenkasse ist keine Kasse, in die man einzahlt, um etwas zurück zu bekommen, sondern eine Versicherung. Versicherungen sollten für einen da sein, wenn man in Nöte gerät und etwas nicht selber bezahlen kann – was zugegeben mit den heutigen teils teuren Behandlungsmethoden (Operationen) und Medikamenten (Virenmedikamente, Krebstherapien) bald mal möglich ist. Aber heute sieht die man die (obligatorische) Versicherung anders. Man muss monatlich Prämien zahlen – und erwartet Gegenleistungen! Viele Sachen können direkt der Krankenkasse in Rechnung gestellt werden (durch die Ärzte, Spitäler, Apotheke) und werden übernommen – wenn die Franchise erreicht ist. Eigentlich sehr viel, aber dann gibt es Ausnahmen: Sachen, die nicht bezahlt werden. Und Sachen, die übernommen werden, bei denen das … vielleicht nicht so viel Sinn macht.

Damit etwas von der Grundversicherung übernommen wird, muss „Wirtschaftlichkeit und Wirkung“ gegeben sein … Ausser es handelt sich um homöopathische oder anthroposophische Produkte, dann nicht. Es wird trotzdem weiter übernommen von der Krankenkasse, auch wenn es 2009 nach der Abstimmung zur Übernahme der Komplementärmedizin geheissen hat, da müssen Studien nachgeliefert werden. Bisher ist da nix passiert.

Der Zahnarzt, seine Behandlungen und Vorsorgen, sowie durch den Zahnarzt verschriebene Medikamente werden nicht übernommen, auch wenn man heute weiss, dass schlechte Zähne üble Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Das gilt auch für Antibiotika, die man bei Herzproblemen verschrieben bekommt, um Sepsis (ausgehend von der Zahnbehandlung) zu vermeiden.

Wenn du eine Brille oder Kontaktlinsen zum Sehen brauchst, ist das der Kasse auch grösstenteils egal. Sehen zu können ist nicht so wichtig. Alle 2 Jahre zahlen sie ein bisschen was dran. An eventuellen Operationen zur Verbesserung der Sehkraft vielleicht anteilsweise etwas, oder nach Kostenübernahmegesuch des Arztes.

Wenn Du als Frau nicht grad Kinder möchtest, bist du auch auf dich alleine gestellt. Die Pille oder die Pille danach zum Verhüten ist finanziell deine Verantwortung … wie das Kind danach ja auch. Schwangerschaftsuntersuchungen werden bezahlt, die meisten Vitamine dafür und in der Stillzeit aber höchstens aus der Zusatzversicherung – die du früh genug abschliessen solltest.

Wenn du als Mann ein Potenzmittel brauchen solltest, ist das auch ein Lifestyle-Medi, das du selber berappen darfst. Die Kondome auch, aber wenn du eine PrEP eine „Prä-Expositions-Prophylaxe“ gegen die sexuell übertragbare Krankheit HIV verschrieben bekommen kannst (im Wert von ein paar hundert Franken): das wird übernommen! Kann ich daraus Schlussfolgern, dass die Krankenkassen jeglichen ungeschützten Geschlechtsverkehr unterstützen?

Dazu passend die Kinderwunschbehandlungen: die werden zum Teil übernommen. Das heisst Untersuchungen und Hormonhehandlungen während 12 Monaten (wenn unter 40 Jahre alt), Inseminationsversuche bis 3 Zyklen … wenn es dann nicht geklappt hat, berappt man in Zukunft selber dafür. Künstliche Befruchtungen werden gar nicht übernommen.

Malariamittel für die Reise werden nicht übernommen: das ist Prophylaxe. Prophylaxe wird hier nicht übernommen (wieso?), die Kasse würde aber eine Behandlung bezahlen – obwohl auch hier eine gefährliche Krankheit günstiger vorher verhindert werden könnte.

Neue, teure, gehypte und rezeptpflichtige Mittel zum Abnehmen werden übernommen. Vorher war die Anwendung off-label und viele Diabetiker mussten darum bangen, ihr Medikament das so miss-braucht wurde überhaupt zu bekommen. Jetzt wurde extra eine Spritze mit demselben Inhaltsstoff zum Abnehmen zugelassen … die Liefersituation hat sich allerdings immer noch nicht beruhigt. Wo wohl der Wirkstoff jetzt hingeht? Könnte es sein, dass die Firma halt mehr dran verdient?

Einlagen und Pants (Windeln) für Erwachsene werden bezahlt (unter Voraussetzungen), Windeln für Babies gar nicht.

Damit wären wir bei den Limitationen – Mittel, bei denen die Krankenkasse nur unter bestimmten Voraussetzungen bezahlt. Darüber habe ich hier geschrieben.

NaCl Lösung für Babies: die isotonischen Lösungen zum reinigen von Nase, Haut und Wunden werden von der Grundversicherung nicht übernommen, die Zusatzversicherung übernimmt ein Teil. Ich sehe immer wieder Kinderarztrezepte mit dem Wunsch und Zusatz: „etwas, das übernommen wird“. Tut mir leid: gibt es nicht.

Impfen in der Apotheke (gegen was auch immer) wird von der Krankenkasse nicht übernommen – das steht immer noch nicht im Leistungskatalog, nur bei den Ärzten. Die Wirkung ist bei beiden gleich gut … und die Apotheken sind eigentlich besser erreichbar dafür.

Die Medikamentenpauschalen (eigentlich die Entlöhnung unserer Arbeit in der Apotheke) sind für alle Medikamente gleich hoch – sie werden sowieso nur draufgeschlagen, wenn das Mittel rezeptpflichtig (Liste B) und von der Grundversicherung übernommen wird. Total egal ist, wie teuer das Medikament ist, egal wie gefährlich das Mittel sein kann und egal wie hoch der Aufwand beim Beschaffen oder der Abgabe ist. Gut – das wird mit dem neuen Vertrag zwischen Krankenkassen und Apotheken demnächst ändern …. auf die Erklärungen dazu freue ich mich allerdings gar nicht.

Man sieht – wirkliche Logik steht da nicht dahinter. Das waren (und sind) Entscheidungen, die getroffen wurden und so umgesetzt werden müssen.

2 Kommentare zu „Unlogisches Gesundheitssystem (Edition Schweiz)

  1. Darüber kann man noch sehr lange reden und schreiben. :-(

    Das mit den Zahnbehandlungen ist, nach einigen Stimmen, politisch so gewollt. Damit festigt man die sozialen Schichten. Gute und gesunde Zähne sollen ein Statussymbol bleiben, ungeachtet der Folgekosten, die bei schlechter Zahngesundheit entstehen können.

    Jobchancen? Soziale Integration?

    Das etwa drei mal höhere Demenz-Risiko nach Zahnverlust?

    Ich hatte mal ein Gespräch mit einer Versicherungsberaterin. Die sagte mir tatsächlich, als Gutverdienerin habe sie die Franchise auf 2500 Franken gesetzt, mit einer Zusatzversicherung für Alternativ- und Komplementärmedizin. „Da habe ich keinen Selbstbehalt. Bei jedem Problem gehe ich also zuerst zum Komplementärmediziner. Wenn der nicht helfen kann, gehe ich dann zum Hausarzt.“

    Und immer wieder die Rufe danach, die Versicherten sollten doch endlich mal Verantwortung tragen für ihre Gesundheit und damit ihre Gesundheitskosten.

    Natürlich ist das weder gerecht noch machbar, jedem Lungenkrebs-Patienten die gesamten Behandlungskosten aufzubürden – auch wenn Lungenkrebs oft durch das Rauchen entsteht.

    Aber dann ist es doch irgendwie wieder zuviel Selbstverantwortung, wenn man jedem Nichtraucher 5% Rabatt gibt bei der Grundversicherung. Und jedem, der aus vermeidbaren Gründen übergewichtig ist, 10% mehr Prämie verrechnet.

    Mit Spannung blicken alle auf den 9. Juni…

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  2. Die neue Kostenübernahme auch für Wegovy macht aber angesichts der langfristigen Folgekosten von Adipositas durchaus Sinn.

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