Medikamentenraklamation hoch drei

Es häuft sich in den letzten Wochen: Leute, die Medikamente und anderes zurückbringen und reklamieren, respektive umtauschen möchten. Wir sollen da möglichst grosszügig sein. Wenn es von uns verkauft und unser Fehler oder ein Produktefehler war, machen wir das anstandslos. Aber manchmal ….

Ende Juni: Die Kollegin sucht sich durchs Backoffice und fragt mich: „Ist eine Packung Ibuprofen Tabletten liegengeblieben? Die Kundin sagt, sie hätte es bezahlt und dann vergessen.“
Pharmama: „Nein, ich habe nichts gesehen. Wann war das denn?“
„Am 6. Mai.“
„…“
Das war über einen Monat vorher. Ein Medikament, das täglich mehrmals verkauft wird als normales Schmerzmittel. Ich meine … wenn etwas liegenbleibt, merken wir das relativ schnell und die Kundin kann meist zugeordnet werden. Dann wird das für sie auf die Seite gelegt und sie informiert. Und eigentlich sollte man das als Kundin doch auch selber recht schnell merken … und vielleicht in ein paar Tagen zurückkommen. Nicht fast 2 Monate später.
Sie fragte dann, ob sie eine Packung gratis haben kann … ich habe ihr angeboten, auf die nächste Packung 10% zu geben.

„Die hat die Kundin vor einer Woche bei uns gekauft und die ist abgelaufen!“ sagt die Kollegin und legt mir eine Packung DiclofenacGel hin.
Das nehme ich sehr ernst – unser QMS sollte das eigentlich verhindern, wir kontrollieren die Verfalldaten aller eingehenden Produkte und führen regelmässige Verfalldatenkontrollen per Computer und visuell durch. Ausserdem ist auch das ein ziemlicher Schnelldreher, von dem monatlich mehrere Dutzend Packungen verkauft werden. Also wundert mich das etwas. Aber wenn das so ist, bekommt sie von uns natürlich eine neue und eine Entschuldigung.
Ich schaue die Packung an: Ja, abgelaufen 2020 (!) … und die Preisetikette einer anderen Apo drauf.
„…“
Die Kundin darauf hingewiesen, reagiert sie überrascht und mit: „Vielleicht habe ich zu Hause die falsche Packung erwischt.“
Ich habe ihr angeboten, dass sie nachschauen gehen soll und sich sonst wieder meldet.
Wir haben nichts mehr zurück gehört.

Und dann diese Reklamation: Die Patientin kommt mit ihrem Mann, der für sie übersetzt und bringt eine Packung Ozempic. Das wurde einem Monat vorher von ihr bei uns auf Rezept bezogen (und selbst bezahlt). Es sei kaputt! Das ist die Packung:

Da der Pen für mich sehr gebraucht aussieht (Stempel weit oben) frage ich nach: Sie behauptet steif und fest: „Es war die erste Anwendung heute und der Pen geht nicht!“
Ich nehme ihn aus der Packung und versuche selber, ihn einzustellen. Es stimmt, er geht nicht. Währenddem redet der Mann ziemlich aggressiv auf mich ein, wie unmöglich das doch sei, dass wir so ein teures Produkt verkaufen, dass dann nicht mal funktioniert!
Ich erkläre ihm, dass der Pen für mich leer aussieht, ich aber das zur Sicherheit der Firma einschicken muss – von der bekomme ich wohl Ersatz, wenn das Produkt wirklich defekt ist. Dafür brauche ich die ganze Packung, da dort die Chargennummer drauf steht. Ich nehme also die Packung und öffne auch das Seitenfach mit den Nadeln – und sehe, dass von den 6 enthaltenen Nadeln 4 fehlen. Gut, eine steckt oben auf dem Pen, aber es wurden 4 Nadeln entnommen – und gebraucht? Ich zeige das den beiden und frage noch einmal nach:
„War das heute wirklich der erste Gebrauch? Denn in der Packung fehlen 4 Nadeln. Und wenn man die Anwendung bedenkt, dass pro Mal 0.5mg gespritzt werden sollen und der Pen insgesamt 2mg enthält – ist der nach 4 mal brauchen oder nach 4 Wochen leer.“
Es folgt eine Diskussion in einer mir nicht bekannten Sprache in deren Verlauf der Mann noch aggressiver wird als mir gegenüber … das Ergebnis ist, dass nun aus der „ersten Anwendung“ die „erste Anwendung, bei der der PEN nicht ging“ wird.
Sie braucht weiterhin das Ozempic – und sie hat auch noch ein Rezept dafür hinterlegt, aber ich kann ihr den leeren Pen nicht gegen einen neuen gratis austauschen, sie muss den auch bezahlen. Die Krankenkasse übernimmt das in ihrem Fall nicht, da „Off label use“ zum abnehmen gebraucht und nicht gegen Diabetes.
Die beiden mussten sich das noch überlegen und sind gegangen (natürlich ohne Entschuldigung) – haben ihn dann später aber doch noch weiter bezogen.

Ich weiss nicht, ob sich das jetzt so häuft, weil die Leute Geldprobleme haben. Aber als Apotheke bin ich auch Detailhändler und davon abhängig, Sachen zu verkaufen. Reklamationen werden immer ernst genommen und möglichst grosszügig behandelt – dennoch, muss das Grenzen haben. Die bei den Sachen oben wirklich erreicht waren. Sorry.

Ein Kommentar zu „Medikamentenraklamation hoch drei

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