Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Hausarzt vernachlässigt seine Pflicht

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Also, der alte Dr. Pömpel, der liegt jetzt im Krankenhaus.
Er hatte nämlich einen Herzinfarkt. Immerhin, er hat’s überlebt. Wie sagt man bei uns im Dorf? Unkraut vergeht nicht, jawoll, nä? Hahaha!
Also, das mit dem Herzinfarkt vom Dr. Pömpel, die Leute sagen ja, das wäre alles nur psychisch. Also weil er ja letztens zum Gericht musste, weil der Schwiegersohn von der alten Strunzbichler, der hat ihn ja angezeigt. Also, die alte Strunzbichler, die ist doch damals gestorben, weil der Dr. Pömpel nicht rechtzeitig gekommen ist. Wisst ihr das nicht?
Ja, also das war doch so: Dr. Pömpel hatte Mittagspause. Also die Sprechstunde war zu Ende und da ist da in der Praxis nur noch der Anrufbeantworter gelaufen. Mit so einer ellenlangen Ansage: „Sie rufen außerhalb unserer Sprechstundenzeiten an. Unsere Sprechstunden sind… blablabla…“ Und am Ende, also ganz am Ende, da kam dann die Handy-Nummer vom Dr. Pömpel. Und die alte Strunzbichler, die ist doch hingefallen zu Hause. Einfach so hingefallen, hat sich nicht mehr gerührt und gar nichts mehr gemacht. Die Tochter ist natürlich gleich los und hat den Doktor gerufen. Aber der Doktor ist ja nicht ans Telefon gegangen. Weil er nämlich im Funkloch war. Hat er zumindest behauptet, aber behaupten kann man ja viel.
Also, der Dr. Pömpel, der hat gesagt, er sei gerade auf dem Weg zu einem Hausbesuch gewesen, irgendwo in der Pampa, wo es keinen Handy-Emfpfang gibt, aber in Wirklichkeit war er wohl schon fertig mit dem Hausbesuch und war auf dem Weg zurück in die Praxis. Möglicherweise war er aber auch beim Metzger, und hat sich ein Leberkäsbrötchen gekauft, also mit Senf und Gürkchen, es gibt jedenfalls Leute, die ihn da gesehen haben wollen, und das kann auch stimmen, denn da beim Metzger in der Ecke, da ist der Handy-Empfang wirklich nicht sonderlich gut. Also, das hätte der Dr. Pömpel ja wissen müssen, wenn er Dienst hat, nicht wahr? Die Tochter von der alten Strunzbichler jedenfalls, die hat es drei Mal versucht und dann, nach fünf Minuten hat sie entnervt aufgegeben und den Rettungsdienst angerufen. Also die Eins-Eins-Zwo.
Hat aber alles nichts genützt. Die alte Strunzbichler ist zwar noch lebend ins Krankenhaus gekommen, dann aber nach zwei Tagen verstorben. Ja. Und der Schwiegersohn von ihr, der ist ja Rechtsanwalt, und der hat dann den Doktor Pömpel verklagt, weil der nicht ans Handy gegangen ist, weil das hätte er ja wissen müssen, das mit dem Funkloch, und wenn er gleich hergekommen wäre, dann wäre die alte Frau Strunzbichler vielleicht heute noch am Leben.
Also ehrlich gesagt, da ist ja schon was dran, an der Sache. Also, der Dr. Pömpel, der hatte in der letzten Zeit verdächtig oft den Anrufbeantworter laufen.
Obwohl der doch Dienst hatte! Also, so ein Hausarzt, der muss doch erreichbar sein, zumindest tagsüber, da kann man doch nicht einfach ins Funkloch gehen, oder?
Naja, das hat er sich wohl auch gedacht, der alte Dr. Pömpel und hat sich schwere Vorwürfe gemacht, aber die nutzen der alten Strunzbichler jetzt auch nicht mehr, möge sie in Frieden ruhen, nach ihren fünfundneunzig Jahren…..

Written by medizynicus

19. Februar 2015 um 08:24

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

5 Antworten

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  1. Diese Strunzbichlers können einem das Hausarztdasein schon vermiesen…

    Old_Surehand

    19. Februar 2015 at 09:04

  2. 95? Da hätte sie locker noch…ja, locker…also, wenn der Doktor denn nicht im Funkloch…

    squirrel1976

    19. Februar 2015 at 11:41

  3. So, wie ich meine Mitmenschen kenne, könnte die Geschichte tatsächlich wahr sein…

    andrneumann

    19. Februar 2015 at 13:44

  4. Als das Verklagen die alte oder irgendwen glücklich macht .. sind ja schon fast amerikanische Zustände. Da fragt man sich: wenn die Tochter gleich den Notruf gewählt hätte, wenn es doch so akut war, was dann wäre. Naja. Wundert mich trotzdem, sind nicht die meisten zwar traurig, aber wenigstens ein bisschen erleichtert, wenn asbach-uralt-schwiegermama endlich ihren Frieden findet? Muss man die Sache künstlich so lang hinziehen? Ist Vergeben und Akzeptanz nicht der Weg zur Verarbeitung?

    Leute gibt’s …

    annischi

    24. Februar 2015 at 16:54

  5. Wozu gibt es den Rettungsdienst? Die sind doch schneller als ein Hausarzt auf Hausbesuchsrunde. Gibt immer welche, die Kapital aus allem schlagen wollen.

    Assistenzarzt

    7. März 2015 at 02:36


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