Auf dem CSD lernt Lutz einen Mann kennen, der ihn über die HIV-Prophylaxe PrEP aufklärt. Es folgen eine Internetrecherche und ein Beratungsgespräch beim Arzt. Seitdem nimmt der 27-Jährige täglich eine Tablette, um sich vor HIV zu schützen. Hier erzählt er, warum

Aufgezeichnet von Hinnerk Werner

Die wichtigste Regel in Sachen Safer Sex? Ehrlich zu sich selbst sein! Es gibt viele Typen, die behaupten, es immer nur mit Gummi zu machen. Wenn du dann ein bisschen nachbohrst, kommt raus, dass sie das Ding ab und zu „vergessen“. Gleichzeitig werden die gleichen Leute hysterisch, wenn es um die PrEP geht. Das finde ich ziemlich unreif und scheinheilig.

Schon vor der PrEP Sex ohne Gummi gehabt

Manchmal ist es vor lauter Geilheit einfach passiert

Ich selbst nehme die PrEP seit Herbst 2017. Das heißt, ich schlucke jeden Tag eine Tablette, die mich zuverlässig vor einer HIV-Infektion schützt.

Ich zahle im Monat 50 Euro und halte das für verdammt gut angelegtes Geld. Denn ich hatte schon immer relativ oft Sex ohne Kondom. Manchmal war das so abgesprochen: Einige meiner Sexkumpel sind HIV-positiv und unter der Nachweisgrenze. Das hat mich vor einer Infektion geschützt. Manchmal ist es vor lauter Geilheit aber auch einfach passiert, und danach hatte ich jedes Mal Schiss, dass es mich erwischt haben könnte. Mit diesem Risiko ist jetzt Schluss.

Nachdenken und abwägen

Zu verdanken habe ich das einem Gespräch auf dem Kölner CSD im vergangenen Jahr. Ein sehr sympathischer Mann, mit dem ich inzwischen befreundet bin, erklärte mir, wie das so ist mit der PrEP. Ich hatte davon zwar vorher schon gehört, aber mir kam es seltsam vor, als gesunder Mensch HIV-Medikamente zu nehmen. Stichwort Nebenwirkungen.

Nach dem Gespräch kam ich aber ganz schön ins Grübeln: Soll Ficken ohne Gummi weiterhin ein gefährliches Spiel mit meiner Gesundheit bleiben? Oder gestehe ich mir ein, dass es besser ist, freiwillig eine Tablette einzunehmen, um mich vor HIV zu schützen, statt irgendwann mehrere schlucken zu müssen, weil ich mich angesteckt habe?

Gespräch beim Arzt

Ein paar Wochen vergingen, in denen ich intensiv nachdachte und im Internet alles las, was ich über die PrEP finden konnte. Im September stand dann mein HIV-Test an, den ich routinemäßig anonym bei einem Checkpoint in Köln mache. Dort habe ich dann gefragt, was sie von der PrEP halten. Die Mitarbeiterin war offen und freundlich und hat mir einen Schwerpunktarzt empfohlen.

Der Arzt hat mich zu meinem Sexualverhalten befragt und meinte dann, in meinem Fall sei diese Schutzmethode sinnvoll. Allerdings solle ich die Tabletten erst nehmen, wenn mein Blut untersucht worden sei. Hintergrund: Bevor ich die PrEP beginnen konnte, wollte mein Arzt ausschließen, dass ich HIV oder Hepatitis B habe. Außerdem hat er abgeklärt, dass ich keine Syphilis habe. Auch meine Nierenwerte hat er kontrolliert, da der Wirkstoff der PrEP-Tablette über die Nieren abgebaut wird.

Tabletten gehören zur Routine

An die Einnahme denke ich genauso selbstverständlich wie ans Zähneputzen

Bei mir war alles in Ordnung, und so konnte ich im Oktober 2017 anfangen. In der ersten Zeit habe ich eine App benutzt, die mich jeden Tag an die Tablette erinnert hat. Das ist mittlerweile nicht mehr nötig. An die Einnahme denke ich genauso selbstverständlich wie ans Zähneputzen. Nebenwirkungen lassen sich bisher keine feststellen. Ich vertrage das Medikament gut.

Vier Blutuntersuchungen im Jahr

Mit meinem Arzt habe ich eine Verabredung getroffen. Es ist ja so, dass man das Rezept nur bekommt, wenn man alle drei Monate einen Bluttest macht, vor allem wegen HIV, der Nierenwerte und wegen einer möglichen Syphilisinfektion. Das kostet aber nochmal Geld, also zusätzlich zu den 50 Euro für die Tabletten aus der Apotheke.

Mein Arzt erkennt deshalb einen Bluttest an, den ich auf der Arbeit einmal im Jahr sowieso machen muss. Da sind die Nierenwerte dabei. Einmal gehe ich in den Checkpoint wegen HIV und Syphilis und zwei Mal zu meinem Arzt. Macht insgesamt vier Untersuchungen im Jahr.

Tests auf Tripper und Co.

Es ist Quatsch, dass Menschen unter PrEP zu Keimschleudern werden

Außerdem lasse ich mich regelmäßig auf Tripper und andere Geschlechtskrankheiten untersuchen. Es ist Quatsch, dass Menschen unter PrEP zu Keimschleudern werden. Wir PrEP-Nutzer lassen uns viel häufiger untersuchen als andere. Wenn dann was nicht in Ordnung ist, wird sofort behandelt, was dann auch das Risiko für andere senkt. Außerdem habe ich vor der PrEP den einen oder anderen Tripper bekommen, obwohl ich Sex mit Kondom hatte. Das bisschen Latex schützt nicht vor jedem Mist.

Beschimpfungen auf Grindr

Oft schreiben mich Typen an, nur um mich zu beschimpfen

Seit ich die PrEP nutze, geht es mir mental besser. Ich weiß, dass sie mich genauso gut vor HIV schützt wie Kondome, und das ist schon sehr beruhigend. Beim Sex fühle ich mich befreit. Deshalb gehe ich auch offen mit der PrEP um. Bei mir steht sie zum Beispiel als Safer-Sex-Methode im Grindr-Profil.

Oft schreiben mich Typen an, nur um mich zu beschimpfen. Was die so von sich geben, wiederhole ich hier lieber nicht. Jedenfalls sind da Sprüche dabei, die sehr beleidigend sind. Mir können diese Leute den Buckel runterrutschen. Wer nur beleidigen will, soll einfach den Mund halten. Wer aber ernsthaftes Interesse an der PrEP hat, mit dem diskutiere ich gerne.“

Informationen zur PrEP auf aidshilfe.de: https://www.aidshilfe.de/hiv-prep.  

Auf aidshilfe.de finden sich auch Informationen zu den anderen Safer-Sex-Methoden zum Schutz vor HIV: Kondome und Schutz durch Therapie.

Infos zur PrEP speziell für Männer, die Sex mit Männern haben, gibt’s auf iwwit.de

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