Uiih-Juiih-Juiih – mein Aggression Blocking System

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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Wie schon früher gesagt: ich war sehr, sehr schüchtern. Ich hatte insbesondere immer ein Prob-lem damit, offensichtlich unverschämte Ansprüche von anderen abzuwehren. Da kommen doch Leute ohne einen Schimmer von Legitimation und wollen etwas Freches von mir, als wäre ich ihr Diener! Ich kann in einer solchen Situation gar keine logischen Argumente auspacken, weil eigentlich keine nötig sind und auch nicht erwartet werden. Ich soll einfach „spuren“. Mir blieb meist nur die Spucke weg.

Ich könnte mich weigern, aber das würde einen schönen Zirkus geben – das fürchtete ich sehr. Lohnte sich das, wo ich doch offenen Streit so sehr mied? Ich spurte dann doch wieder einmal, war aber sehr finster gestimmt, zu einem guten Teil auch gegen mich selbst, weil ja bei of-fensichtlichem Versagen so etwas wie Selbsthass einsetzt… Es ist diese absolut starke Verblüffung, die mich das Unverschämte oder Unbescheidene gegen meinen eigentlichen Willen dulden lässt! Ich fühle mich so ohnmächtig wie andere bei guten Pointen, zu denen ihnen nicht so schnell etwas Geistreiches einfällt (erst im Fahrstuhl oder im Auto nach Hause). Ich weiß nicht, was ich der Waffe „unverschämt“ entgegensetzen soll, weil ich beim Wehren zu sehr die augenblickliche Gegengewalt fürchte.

Raymond Fein hat mir einen Tipp gegeben und mir bei einem Workshop das Zauberwort verraten. Es heißt: Uiih-Juiih-Juiih. Immer, wenn jemand etwas Ungehöriges tun würde, sollte ich „Uiih-Juiih-Juiih!“ sagen. Dann würde der andere stutzen oder vielleicht sogar lächeln. Denn die Unverschämten seien so eine Art verspielter Löwen, die ein bisschen raufen wollten. „Uiih-Juiih-Juiih!“ aber erkennt ihre Stärke an und unterbricht oder verschiebt das Raufen für eine kleine Weile. „Uiih-Juiih-Juiih!“ zwingt das geplante Raufen ganz explizit auf die Metaebene: „Wie stehen wir eigentlich zueinander?“

Ein Anwendungsbeispiel: Als ich als Mitarbeiter eines großen IT-Konzerns einen Kunden besuchte, eröffnete dieser mir zur Gesprächseröffnung ganz brutal und endgültig ausgedrückt, er würde mir erst dann Aufträge erteilen, wenn ich meinerseits einige Produkte seines Konzerns für den privaten Gebrauch beschaffen und nützen würde. „Sonst können Sie gleich wieder in Ihr Büro zurückfahren!“ In einer solchen Lage war ich immer ziemlich hilflos – wie lässt sich das Gespräch weiterführen, wenn es gleich mit offenem, unfairen Krieg beginnt? Weshalb sollten wir überhaupt anreisen? Ich nahm mein Herz in beide Hände und sagte mit glänzend be-wundernden Augen: „Uiih-Juiih-Juiih!“
Er stutzte – das hatte Raymond Fein genau vorausgesagt. Ich hatte jetzt eine Sekunde, um nachzudenken, wie ich reagieren sollte. Ich schaute ihn einfach cool an. Was würde er jetzt entgegnen? Er deutete auf den mit mir erschienenen und neben mir sitzenden Vertriebsbeauftragen meiner Company und sagte etwas herablassend: „Der da hat das genau nach meiner Aufforderung gemacht!“ Ich blickte zu meinem Kollegen hinüber und sagte: „Uiih-Juiih-Juiih!“ Und dann, verwundert schauend: „Echt? Warum?“ Eine Sekunde Schweigen – ich fing mich langsam wieder und meinte: „Kaufen Sie denn jetzt viel mehr bei uns, bloß weil er Ihnen gleich gehorcht hat?“ – „Nein, natürlich nicht.“ – „Aha“, sagte ich, „dann lohnt es sich also nicht. Also ein NEIN von mir.“ – Er sagte: „Dann wollen Sie riskieren, ohne Auftrag heimzufahren?“ Ich sagte: „Uiih-Juiih-Juiih!“ und fügte hinzu: „Ich bin sehr teuer als Berater – und Sie müssen doch schauen, dass Sie Ihr Geld nicht für irgendwen ausgeben. Für einen Knecht doch sicher nicht. Sie wollen doch einen, der Ihnen etwas beibringt, oder?“ So ging es eine Weile sehr verschärfend weiter… und dann sprachen wir normal über Aufträge. Das Raufen vorweg muss wohl bei manchen sein – sie wollen wahrscheinlich feststellen, wer sich wie sehr respektiert. Wer dabei kneift, wird nicht respektiert. „Uiih-Juiih-Juiih!“

Es wirkt! Probieren Sie es aus! Und wenn ein unartiges Kind brüllt, es will ein zweites Eis – dann sagen Sie mit leuchtend begeisternd wertschätzenden Augen „Uiih-Juiih-Juiih!“
Sie können es abwandeln und „Der Löwe hat gebrüllt und die Wüste zittert“ sagen, immer sehr begeistert, als würden Sie einer großartigen Darbietung Applaus spenden. Genau auf diese Respektsbezeugung kommt es an. Ich erinnere mich, als ich das erste Mal XY kennenlernte, eine echte Löwin. Sie präsentierte vor Fachkollegen. Einer unterbrach sie und gab einen – na ja – „Ratschlag“. Die Löwin fuhr die unsichtbaren Krallen aus, man fühlte es, dass die Löwin gekränkt war. Sie sagte ausgesprochen schneidend und stolz (gleich ist Krieg!): „Halte ich die Rede oder Sie?“ Ich saß im Publikum und sagte: „Uiih-Juiih-Juiih!“ Nein, ich glaube, ich sagte „Großes Kino!“ oder so etwas. Ich habe nur noch ihre Reaktion wie ein Video vor Augen: Sie lächelte mir zu! Sie hatte, so könnte es gewesen sein – oder war es so? – einen sehr roten Löwenschal um und schlug ihn wie ein Löwe seine Mähne nach hinten. Da lächelte sie mir noch einmal zu und redete ruhig weiter. Der Respekt war wieder da.

„Uiih-Juiih-Juiih!“ ist mein Aggression Blocking System (ABS) geworden.

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

10 Kommentare

  1. Interessant!
    Haben Sie noch mehr in dieser Richtung zu bieten? – Ich denke schon, denn der letzte Beitrag ging ja auch schon dahin.

  2. offensichtlich unverschämte Ansprüche von anderen abzuwehren

    Raymond Fein hat mir einen Tipp gegeben und mir bei einem Workshop das Zauberwort verraten. Es heißt: Uiih-Juiih-Juiih. Immer, wenn jemand etwas Ungehöriges tun würde, sollte ich „Uiih-Juiih-Juiih!“ sagen.

    Ich nahm mein Herz in beide Hände und sagte mit glänzend be-wundernden Augen: „Uiih-Juiih-Juiih!“

    Klingt alles vernünftig, vermutlich ist das mit den ‘glänzend bewundernden Augen’ auch sehr wichtig – und statt einem lang gezogenen ‘Uijuijui’ nie ‘Eijeijei’ sagen!

    MFG
    Dr. W (der den Artikel mit dem Prädikat ‘wertvoll’ versieht)

  3. Vielen Dank für Ihre Beispiele.

    Meistens, wenn ich irgendwo Tips lese, die Angeben, wie man mit unangenehmen Situationen oder Menschen umgehen muss, dann sind diese oft sehr Wirklichkeitsfremd. Man kann sich mit den Beispielen nicht identifizieren und daher ist der ganze Tip sinnlos.

    Hier ist das genau umgekehrt. Der im ersten Moment scheinbar unsinnige Tip wird durch das nachvollziehbare Beispiel einsichtig.

  4. Das ist mir zu kompliziert. Ich sage einfach “Püh” und wende mich mit einer abwertenden Handbewegung ab. Das müßte auch funktionieren.

    • Es ging wohl im Artikel darum eine sich anbahnende Kooperation mit sozusagen höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit zur Umsetzung gelangen zu lassen, Wirtschaft meint ja das Anstreben des “Win-Win”, wobei es die eigene Person zurückzustellen gilt. – Ansonsten ist Ihr Vorschlag natürlich oft perfekt, lol.
      MFG
      Dr. W

  5. Affe A checkt Affe B ab , quatscht ihn blöd an , wenn der nix sagt , glaubt Affe A , er hätte gewonnen und wäre der Stärkere.
    Ist unheimlich bescheuert , aber mehr steckt nicht dahinter.

    Intelligentere Zeitgenossen denken oft , sie müßten auf solche Ansprachen etwas Schlagfertiges erwidern , tatsächlich kommt es darauf an , überhaupt etwas zu sagen , so zumindest ein Tip , den ich an anderer Stelle gelesen habe.
    Ob das jetzt “Ui” , oder “Püh” oder sonstwas ist , sei nicht so wichtig , daher ist die Idee mit dem eingeübten Standardsatz ziemlich gut , da muß man nicht lange überlegen.
    Wers ein bißchen fies bringen will , kann ja sowas sagen wie , “Wohl Streit mit der werten Gattin” , oder ” Zuviel Alkohol hemmt die Kommunikationsfähigkeit” , hab ich noch nie probiert , dürfte aber häufig sehr zutreffend sein.

    • Affe A checkt Affe B ab , quatscht ihn blöd an , wenn der nix sagt , glaubt Affe A , er hätte gewonnen und wäre der Stärkere.
      Ist unheimlich bescheuert , aber mehr steckt nicht dahinter.

      Uijuijui. – Es geht hier um “Affen”, die zusammen in einem Boot sitzen und potentiell gemeinsame Ziele haben.

      Ob das jetzt “Ui” , oder “Püh” oder sonstwas ist , sei nicht so wichtig (…)

      Der Duden weiß Näheres:
      -> http://www.duden.de/rechtschreibung/ui (‘Ausruf staunender Bewunderung’)
      -> http://www.duden.de/rechtschreibung/puh (‘Ausdruck, mit dem jemand kundtut, dass etwas sehr anstrengend, nur schwer zu ertragen ist’)
      -> http://www.duden.de/rechtschreibung/ei (‘Ausdruck der Verwunderung’)

      MFG
      Dr. W

  6. Genial einfach – einfach genial!

    Das “Uiuiuihhh” wirkt wohl deshalb so gut, weil die “Feedback-reaktion” die Interpretationshoheit darüber worum es wirklich geht, beim Sender lässt. (Vorausgesetzt, die nonverbalen Signale – z.B.: “glänzend-bewundernde Augen” – bestätigen es).

    Es geht den “Unverschämten” wohl um so banales wie ihre “Anerkennung” – als Person (weniger des unverschämten Verhaltens an sich). Also ist es ein Test: “Wie stehst Du zu mir? Stehst Du drüber und kannst differenzieren, wenn ich Dich blöd anquatsche?”. Es geht wohl auch darum den Mut, die Souveränität und Schmerzgrenze des anderen zu testen.

    Das Erwachsenen-Ich kann unverschämtes Verhalten auch gleich überhören und nur zurückspiegeln, dass man sein Gegenüber nicht auf sein unverschämtes Verhalten reduziert. Aber mit dem “Uiuiuihh” ist es irgendwie pfiffiger Zeit zu gewinnen um die eigene Ruhe aufzubauen und die eigene Souveränität, sowie die Anerkennung des anderen als Person, authentisch rüberzubringen.

    Zudem wirkt ein “Uiuiuihhh” nicht eskalierend, sondern wie eine entlarvende Einladung, entweder noch eins drauf zu legen oder (wenn es dem anderen langweilig wurde) ein anderes “Spiel” zu spielen. 🙂

    • Was ist, wenn der andere zuerst „Uiih-Juiih-Juiih!“ sagt? Gibt es einen Plan B-Uiihh?

      Das geschilderte Szenario sieht vor, dass der andere (‘offensichtlich unverschämte Ansprüche von anderen’ – Artikeltext) vorlegt.

      Ansonsten, in einer schwierigen Verhandlung, in der beide oder n Seiten sich derart exponieren könnten, müsste eine Verteidigungslinie bereits vorab bereit stehen, wenn mal über den Stränge geschlagen worden ist, korrekt.
      Abgefeimte Kräfte könnten also eine Standard-Reaktion auf das gefürchtete “Uiih-Juiih-Juiih!” des Verhandlungspartner bereits vorgeplant haben.

      Gerade nach diesem bemerkenswerten Artikel.

      MFG
      Dr. W