Metawork – keiner kann’s, aber alle machen ärgerlich mit

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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Metawork ist das eigene Organisieren der Arbeit, nicht die eigentliche Arbeit selbst. Es geht darum, die eigene Arbeit in oft mehreren verschiedenen Projekten zu koordinieren, dazu eben auch Entscheidungen per Mail zu managen und mit allen Stakeholdern zu kommunizieren. Man kann zum Beispiel in fruchtbaren Meetings über die Art reden, die gemeinsame Arbeit bestmöglich zu gestalten und abzuleisten. Mit der Zeit bildet sich eine Unternehmenskultur, in der eine gute Metaarbeit aller auch eine effektive Ableistung der Arbeit selbst ermöglicht.

In der Praxis aber streiten sich die Leute in den Meetings, welche Arbeit wer machen soll. Konflikte brechen aus. Jeder sagt in Meetings, was ihm in den Kopf kommt. Es dauert mal wieder sehr lange. Die ärgerlichen und verärgerten Menschen gehen auseinander und haben das Gefühl, ihre Lebenszeit verschwendet zu haben. Ich habe im Web gesurft, was wohl Metawork wäre. Da schaue ich am liebsten im Urban Dictionary nach, in dem sich ganz normale Menschen an schwierigen Definitionen beteiligen und oft viele Vorschläge machen. Das Schönste sind die schrägen.
Hier wie auch aus anderen Quellen entsteht die Vermutung, dass Metawork alles ist, was nicht die direkte Arbeit ist. Die direkte Arbeit ist „produktiv“, der Rest wird als Metaarbeit und „unproduktiv“ empfunden.
Sie schimpfen im Netz, dass die meisten Leute mit unproduktiven Arbeitspflichten zugeballert werden, man komme kaum noch zur eigentlichen Arbeit. Leute berichten, dass ein Projekt mit acht Leuten eine Programmentwicklung betreiben soll – aber nur zwei der Leute würden programmieren! Der Rest sitze in Meetings herum und werde bei einem Erfolg des Projektes sicherlich zuerst befördert. Sinnlose Welt!

Aha, die eigene Arbeit ist produktiv, alles andere ist eine Ablenkung oder eine „distraction“. Kein Gedanke daran, was die anderen Mitarbeiter im Projekt als ihre „produktive Arbeit“ empfinden. Wenn die Programmierer zum Beispiel den Termin verziehen, haben die anderen eine ganz schön große Distraktion in ihrer eigentlichen Arbeit. „Alles wäre so schön, wenn die beiden anständig programmieren würden! Wir müssen das Programm doch ins SAP einbinden, alle warten! Ein Supergau.“ – Die beiden Programmierer brüllen zurück: „Ihr hättet doch mitprogrammieren können anstatt in Meetings zu labern, dann wären wir längst fertig.“
In dieser Weise sehe ich in allen Unternehmen, dass den verschiedenen Leuten in Projekten nicht klar ist, was die jeweils anderen für Aufgaben im Projekt haben. Wenn sie es doch wissen, zweifeln sie den Sinn dieser Arbeiten an. Ihre eigene Arbeit ist wichtig und alles andere ist für sie eine Ablenkung. Die anderen stören so oft! Und dann streiten sie in Meetings.

Warum nur? Alle sind in ihrer eigenen Arbeit gut ausgebildet und machen sie ganz gut. Aber so etwa keinem von ihnen hat man gesagt, was Metaarbeit ist: Wie man sich organisiert und zusammenarbeitet. Sie tun da etwas jeden Tag gefühlt sehr schlecht, ohne es je gelernt zu haben oder lernen zu wollen. Es war nie ein Thema. Sie schimpfen den ganzen Tag, dass die Metaarbeit schlecht ist, aber sie können das Übel nicht sehen oder mit Händen greifen, weil sie nicht einmal den Begriff der Metaarbeit kennen. Manager und Projektleiter folgen oft vorgeschriebenen Methoden und peitschen voran. Auch sie wissen meist nicht, was Metaarbeit ist, sie betreiben eben nur Management oder Projektleitung als eigene Arbeit. Sie denken aber nie grundsätzlich über die gesamte Arbeit nach.
Selbst wenn der Manager oder Projektleiter wüsste, wie man Arbeit gut koordiniert und alle Teile zusammenfügt, wie man auf Unvorhergesehenes reagiert und Konflikte vermeidet – was hilft das, wenn die Mitarbeiter keine Ahnung davon haben, was Metaarbeit ist?
Wenn Mitarbeiter nur die Hälfte der Zeit wirklich in ihrem Sinne arbeiten (z.B. programmieren) und die andere Hälfte innerlich wütend über die gestohlene Zeit in Meetings sitzen, dann haben sie die Arbeit an sich entweder überhaupt nicht begriffen – oder die Metaarbeit wird saumäßig schlecht geleistet.
Metaarbeit macht sich Gedanken, wie Arbeit grundsätzlich gut abgeleistet wird. Aber die, die sich damit noch nie einen Kopf gemacht haben, stümpern in jedem einzelnen Projekt wieder neu herum, wie es gehen könnte. Jeder Streit ist immer neu und einzigartig anders, alle Projekte haben ihre singulären Überraschungen. Ein Tollhaus, denken viele und lesen das auch so in Büchern.
Aber sie versenken sich nur in ihre eigene fruchtbare Arbeit – und lernen nie, den nicht unerheblichen Rest zu respektieren.

Ich habe in meinem eBook „Verständigung im Turm zu Babel“ und im Blog schon einmal die Gegenüberstellung von Metakommunikation und Mesakommunikation vorgeschlagen. „Mesa“ ist griechisch „drinnen“, „meta“ ist wie „darüber hinaus“. Dann wäre im diesem Kontext „Mesaarbeit“ die eigentliche eigene Arbeit und Metaarbeit all das über die eigene Arbeit hinaus. Und ich stelle wieder fest: Keiner kann gut Metakommunikation, jeder kommuniziert aus seinem Drinnen heraus. Und in derselben Weise sind wir zwar gut in Mesaarbeit, aber wir stöhnen über die Komplexität der Welt, weil wir mit Metaarbeit nichts anfangen können.

Lassen wir das so? Dass wir Fachgurus in der Hälfte der Zeit sind, und Unbedarfte in der zweiten? Wird das Verhältnis nicht immer schlimmer, weil das Unbedarftsein immer mehr Zeit vom Kuchen haben will? Und Sie? Ärgern Sie sich nur immer weiter?

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

5 Kommentare

  1. Unternehmen leben davon, dass sie billig ein- und teuer verkaufen, der Rest ist sozusagen Meta oder “Mesa”, wenn das Geschäftsmodell steht und i.p. Geschäftslogik, hier werden auch gerne sogenannte USPs genannt, am Markt bestehen kann, wenn, ganz grob geschrieben, der Cashflow positiv ist.
    Einen wirklichen USP gibt es meist nicht und streng genommen weiß kaum jemand, warum der Cashflow positiv ausfällt. Manchmal muss dieser auch nicht so ausfallen, wenn protzend verkauft werden soll.
    Hoch komplexe Entwicklung gibt es gelegentlich und dann müssen dann halt die Ingenieure ran, die u.a. auch davon profitieren, dass die Ingenieure auf der anderen Seite, bei den Konkurrenten, auch nicht besser sind.
    Ein Wunder, dass dies in (freiheitlichen Gesellschaftssystemen) funktioniert, oder vielleicht doch nicht, wenn anderswo gar nichts funktioniert.

    Eigener wirtschaftlicher Erfolg ergibt sich nur deshalb, weil die anderen noch schlechter sind und noch weniger gewagt haben.

    Wie im Unternehmen selbst, auch dessen Kultur meinend, diese Kultur ist schon wichtig, letztlich im Meta oder “Mesa” gearbeitet wird, ist dann nicht so wichtig, solange von einzelnen Mitarbeitern oder Mitarbeitergruppen keine besondere Abhängigkeit entsteht, aus Sicht des Managements und natürlich insbesondere aus Sicht der Inhaber.
    Der Schreiber dieser Zeilen hatte es bspw. mal mit einem CEO mit Horst-Eberhard Richter-Tick zu tun, die “Mediationen” fielen dann ein wenig länger aus, jo mei!

    MFG
    Dr. Webbaer

  2. Metametaarbeit: die richtigen Leute für die Metaarbeit aussuchen und ausbilden, statt den Erstbesten auf den Metaarbeiterposten zu setzen. Oder die richtigen Schablonen finden. Scrum (http://scrumguides.org/) zum Beispiel ist nichts weiter als eine Spezifikation für Metaarbeit.

    • Vgl. :
      -> https://de.wikipedia.org/wiki/Scrum
      -> https://de.wikipedia.org/wiki/Agile_Softwareentwicklung

      Das ‘Tollhaus’, besonders dynamische Anforderungslagen meinend, entsteht idR, wenn das Management unzureichend verständig ist ihr eigenes Produktwesen betreffend, seine Komplexität meinend, und eben fortlaufend ändernd anfordert.
      Hier ist dann im Meta oder Meta-Meta nicht viel zu machen, welchen Moden (“Scrum”) auch immer folgend, wenn die Entscheider tumb [1] sind.

      MFG
      Dr. Webbaer (der sozusagen mittendrin saß, längere Zeit, in etwa so wie der bekannte Pointy-haired Boss)

      [1]
      Der Schreiber dieser Zeilen unterscheidet hier fein zwischen dumm (“tumb”), was die Unfähigkeit meint sich sprachlich hinreichend auszudrücken, und doof (“harthörig”), was meist die Umsetzenden meinen soll.
      Hier wird dann aufeinander geprallt, das Management betrachtet die Software-Ingenieure quasi regelmäßig nicht als normale Menschen (hat schon mal ein anderer besser gesagt, der Name liegt hier abär gerade nicht auf der Zunge und die Software-Ingenieure singen ihr Lied von der Tumbheit des Managements.

      • Ein paar disziplinierende Elemente finden sichs chon in Scrum, etwa in den Rollendefinitionen und Zeremonien. Aber ja, eine gehörige Portion Selbstdisziplin im Management ist wohl nötig, um diese Mechanismen wirksam werden zu lassen.