Archäologie versus Forensik Teil 1 – Mark Benecke und Marita Genesis diskutieren über den Nachweis der Todesstrafe des Erhängens

BLOG: Abenteuer Geschichte – Archäologie unterm Galgen

Geköpft und mit Steinen beschwert – archäologische Spuren von Hinrichtungen und Abwehrzauber in Mittelalter und Neuzeit
Abenteuer Geschichte – Archäologie unterm Galgen

In einigen Tagen öffnen wir den Richtplatz in Fürstenwalde. Erfahrungsgemäß ist die häufigste Todesstrafe, die wir archäologisch nachweisen können, das Erhängen. In den Kriminalstatistiken rangiert diese Form der Strafvollstreckung ebenfalls an erster Stelle. Begleitend zur Grabung erscheinen 3 Filmbeiträge, die den archäologischen und anthropologischen Nachweis von ausgewählten Todesarten beschreiben. Der Diskurs fand zwischen mir und Dr. Mark Benecke, Kriminalbiologe, statt.

 

Das Erhängen ist normalerweise ein Prozess, der wenig Spuren am Skelett hinterlässt.

Aus diesem Grund fällt es auch schwer, den Tod durch Erhängen auf einer Richtstätte sicher zu bestimmen. Zum Teil wird in der Literatur aufgeführt, dass eine verlängerte Halswirbelsäule oder ein verlagerter Schädel eine lange Hängezeit am Galgen anzeigt, man also Skelette mit dieser Auffindungssituation dem Tod durch den Strick zuordnen kann.

Dagegen sprechen allerdings die häufigen Fundsituationen auf Friedhöfen und Gräberfeldern, bei denen ebenfalls verlagerte Halswirbel und Schädel angetroffen wurden. Hier wird der Befund durch Bewegungen im Erdreich, Tiergänge und Verwesungsprozesse – z.B. das Absinken des Kopfes in Hohlräume – erklärt.

Demzufolge müssen mehrere Indizien vorliegen, um den Tod durch Erhängen auf Richtstätten erklären zu können. In Frage käme z.B. die Lage der Arme. Sind sie hinter dem Rücken oder Becken, möglicherweise sogar gekreuzt? Dies läßt auf eine Fesselung schließen und zeigt dadurch einen justiziablen Vorgang an. Vergleicht man nun historische Darstellungen des Erhängens, so sind die Delinquenten überwiegend mit hinter dem Rücken gefesselten Händen abgebildet.

Ein weiterer Umstand ergibt sich in seltenen Fällen durch einen Genickbruch. Weshalb sich dieser Fall archäologisch und anthropologisch nur selten nachweisen lässt und welche Prozesse zum Erscheinungsbild der sogenannten “Hangmans fracture ” führt, erläutert  Mark Benecke in einem gemeinsamen Gespräch unter :

 

Diese Reihe entstand aus der Idee heraus, archäologische Ergebnisse und medizinische Vorgänge im Hinblick auf historische Todesstrafen miteinander in Bezug zu setzen. Die Werkstattgespräche waren ursprünglich für die Studenten meiner Lehrveranstaltungen gedacht, um ihnen die Funde und Fundsituationen auf Richtstätten zu erklären.

Wir haben uns entschlossen, die Videos freizustellen, da ihr Inhalt eine einmalige Gelegenheit bietet, die Gemeinsamkeiten von Forensik und Archäologie sowie den Nutzen interdisziplinärer Zusammenarbeit aufzuzeigen.

 

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Zu meiner Person: Dr. phil., Historikerin/Archäologin M.A. Schwerpunkt: Rechtsarchäologie, archäologische und historische Richtstättenerfassung

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