Gibt es das Leib-Seele-Problem gar nicht? Oder: Eine Hommage an mein Studium bei Thomas Metzinger

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Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
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Frank Rösler, Vorreiter der Neurokognitionsforschung, hält das ›Leib-Seele-Problem‹ für eine »irrige Idee«. Jagen Philosophinnen und Philosophen nur einem Gespenst hinterher? Nicht so schnell, Herr Rösler!

In meinem Studium habe ich hunderte Seiten darüber gelesen. Danach habe ich in meiner Magisterarbeit rund zweihundert Seiten darüber geschrieben. Heute behandele ich es in Vorlesungen selbst: Die Rede ist vom ›Leib-Seele-Problem‹, bei dem es um die Frage geht, was Körper und Geist sind und wie sie miteinander in Beziehung stehen.

Eine »irrige Idee«

Zugegeben, das wissenschaftliche Porträt des für sein Lebenswerk mit vielen Preisen ausgezeichneten Psychologieprofessors Frank Rösler in Gehirn&Geist ist schon eine Weile her. Die Juli-Ausgabe vom Jahr 2015 ist irgendwie immer wieder ans untere Ende meines Zeitschriftenstapels gerutscht. Daher las ich erst heute, was Rösler als seinen »wissenschaftlichen Traum« bezeichnet:

Dass man die irrige Idee vom ›Leib-Seele-Problem‹ aufgibt. Es existieren lediglich unterschiedliche methodische Zugänge zum Gehirn-Geist-System, aber keine zwei unterschiedlichen Entitäten, die auf obskure Weise miteinander kommunizieren. Psychische Phänomene sind ohne biologisches Substrat nicht denkbar, und umgekehrt erzeugt auch das einfachste Nervensystem bereits psychische Phänomene wie ›Lernen‹. (Gehirn&Geist, 7/2015, S. 53)

Die Rechnung ohne Popper und Eccles gemacht

Jagen Philosophinnen und Philosophen also seit Unzeiten einem Scheinproblem hinterher? Ist die Rede von Körper und Geist –– ›Leib‹ und ›Seele‹ hören sich heute ja schon etwas angestaubt an –– nichts als eine Phantomdebatte? Interessanterweise äußerte sich Cornelia Exner, Professorin für Klinische Psychologie, in ihrem Porträt in der Folgeausgabe von Gehirn&Geist wie folgt auf die Frage nach ihrer Leseempfehlung:

Natürlich Poppers und Eccles’ ›Das Ich und sein Gehirn‹, das mich ja schon als Studentin für die Neurowissenschaften begeistert hat! Als Neuropsychologe kommt man am Leib-Seele-Problem nicht vorbei. (Gehirn&Geist, 8/2015, S. 53).

Die beiden Psychologieprofessoren könnten einander augenscheinlich kaum mehr widersprechen. Was der eine als »irrige Idee« ansieht, würde die andere wohl am liebsten ins Pflichtenheft von aller Psychologiestudierenden schreiben. Nehmen wir uns daher Röslers Aussage mit dem sprachanalytischen Seziermesser vor.

Das sprachanalytische Seziermesser

Die Schlüsselwörter sind hierbei: »unterschiedliche methodische Zugänge« (mit denen man Gehirn-Geist erforscht), »unterschiedliche Entitäten« (die es nicht gebe) und schließlich »psychische Phänomene« sowie ihre »biologischen Substrate«. Zusammengefasst: Es gebe also biologische Substrate, psychische Phänomene und unterschiedliche Wege, diese zu erforschen; ferner setze die Existenz psychischer Phänomene notwendigerweise biologische Substrate voraus.

Die Äußerungen über methodische Zugänge würde ich eher in den epistemologischen (von altgr. ›episteme‹ = Wissen) Bereich einordnen. Das heißt, es sind Aussagen darüber, wie wir Wissen von der Welt erlangen können. Wo von ›Phänomenen‹ und ›Substraten‹ die Rede ist, handelt es sich nach meinem Verständnis um metaphysische Aussagen: Hier wird etwas darüber gesagt, was es in der Welt gibt.

Was gibt es in der Welt?

Ohne zu weit auszuschweifen, können wir uns vielleicht auf folgende Ausgangsideen einigen: Dass es ›biologische Substrate‹ gibt, das wissen wir durch die Beobachtung lebender Organismen. Wie wir auf die ›psychischen Phänomene‹ kommen, ist wahrscheinlich komplizierter. Gehen wir davon aus, dass wir diese zum einen selbst erleben, zum anderen aber auch im Verhalten sehen.

Rösler nennt selbst das Beispiel Lernen: Ein Mensch, der Autofahren gelernt hat, verhält sich im Auto anders als ein Mensch, der dies nicht gelernt hat. Wir können auf unterschiedliche Wiese beschreiben, wie dieses Lernen geschieht (zum Beispiel in der Fahrschule) und auch, wie wir seinen Zielzustand feststellen (etwa die Führerscheinprüfung).

Psychologie, Biologie und Körper

Die Frage, ob nun das psychische Phänomen ›Lernen‹ ohne biologisches Substrat möglich ist, beantwortet sich jedenfalls für das Beispiel ›Autofahren‹ von selbst: Dafür braucht man nämlich nicht nur ein Auto, sondern auch eine Fahrerin beziehungsweise einen Fahrer.

»Was aber, wenn ein Roboter aus Silizium das Auto steuert?«, wendet der Funktionalist ein. »Oder gar, wenn es sich selbst steuert?« Und von Vertretern der Extended-Mind-Hypothese hören wir: »Wird das Auto nicht selbst Teil des psychischen Phänomens ›Autofahren lernen‹?«

Beides ist für unsere Diskussion kein Problem: Einer Funktionalistin können wir entgegenkommen, indem wir statt vom ›biologischen‹, vom ›körperlichen‹, ›materiellen‹ oder ›physikalischen Substrat‹ sprechen. Oder wir widerlegen den Funktionalismus mit einem Bio-Essenzialismus, also der Position, dass nur Lebewesen psychische Phänomene haben (können). Die Extended-Mind-Vertreterin stellt auch keine Gefahr dar: Sie bestreitet ja nicht, dass es ein Substrat gibt, sondern wirft nur die Frage auf, ob es sich über den Organismus hinaus ausdehnt.

Phänomen und Methode

Zurück zu Rösler: Wir können also festhalten, dass wir gute Gründe für die Annahme haben, dass es die Dinge, von denen der Psychologieprofessor spricht, auch wirklich gibt. Psychische Phänomene und biologische Substrate gehören nicht ins Reich der Fabelwesen.

Was machen wir jetzt mit den ›methodischen Zugängen‹, von denen Rösler sprach? Er hat selbst jahrzehntelang mit der Elektroenzephalographie (EEG) gearbeitet. (Nebenbei: Kein Wunder, dass er sich 2011 in Gehirn&Geist kritisch zum ›Gedankenlesen‹ mit der Kernspintomographie äußerte.)

Das heißt, er beobachtete Muster der Hirnströme, während Versuchspersonen beispielsweise etwas lernten. Die Änderung der Muster würde er dann vielleicht einen Hinweis auf das biologische Substrat des psychischen Phänomens ›Lernen‹ nennen, jedenfalls für den untersuchten Fall. (Nebenbei: So naiv, das gleich als ›neuronales Korrelat‹ zu bezeichnen, wie es leider immer noch in der fMRT-Forschung gang und gäbe ist, wird Rösler nicht sein.)

Auch Biologie ist phänomenal vermittelt

Jetzt kommt aber die Krux der ganzen Diskussion: Wir müssen uns die Aussagen des vorherigen Absatzes nämlich noch einmal auf der sprachanalytischen Zunge zergehen lassen. Denn auch das Wissen vom biologischen Substrat ist uns immer nur indirekt über die Sinne gegeben: Wir können es mit den Händen fühlen, mit den Augen sehen oder auch ein Messresultat am Forschungsinstrument ablesen. Das heißt, nicht nur das Psychische erscheint uns als Phänomen, sondern auch das Biologische.

»Aber halt!«, mag ein metaphysischer Realist jetzt einwerfen. »Das Biologische können wir doch fühlen. Es hat Temperatur. Besser noch: Wir können es mit Gummibällen bewerfen (sprich: mit Teilchen darauf schießen) und die kommen zurück. Es hat also Substanz! Das ist beim Psychischen nicht so. Das können wir nicht fühlen, jedenfalls nicht mit den Händen, es hat keine Temperatur und Werfen bringt auch nichts.«

Substanz oder nicht, das ist keine Frage

Man könnte jetzt mit den berühmten Tischen des Astrophysikers Arthur Eddington (1882-1944) erwidern, dass auch die Substanz des Biologischen bei näherer wissenschaftlicher Untersuchung verschwindet (anders formuliert: Wie materiell ist Materie überhaupt?). Doch darauf will ich jetzt nicht hinaus.

Nein, der Punkt ist, dass das mit Händen Gefühlte, die Temperatur und sogar auch die Gummibälle uns wiederum nur als Phänomene gegeben sind. Zu sagen, dass diese in irgendeiner Weise ›realer‹ sind als das Lernen bringt uns in schwieriges metaphysisches Gewässer. Oder um sich eines Wortes Röslers zu bedienen: Es ist schlichtweg obskur.

Willkommen in Platons Höhle!

Tja –– und so sind wir schließlich doch nicht viel schlauer als nach dem Lesen von Herbert Feigls berühmtem Aufsatz »The ›Mental‹ and the ›Physical‹« aus dem Jahr 1958. Das heißt, sowohl das psychische Phänomen als auch das biologische Substrat könnten, metaphysisch gesprochen, zwei verschiedene Seiten einer uns unbekannten Substanz sein. Oder um es mit Kant zu sagen: Das ›Ding an sich‹ können wir nicht erkennen.

Setzen wir uns zum Schluss also mit allen, mit Rösler, Exner, Feigl, Eddington und Kant, in Platons Höhle. Setzen wir uns dort vors Feuer, studieren wir die Schatten an den Wänden und zerbrechen wir uns den Kopf darüber, wie die Welt ›wirklich‹ ist. Welche ein herrliches Symposion (altgr. wörtlich ›zusammen trinken‹).

Aber der letzte macht das Licht aus! Also das Feuer. Und zum Schluss wird eine Stimme flüstern, dass wir Röslers Aussage, das ›Leib-Seele-Problem‹ sei eine irrige Idee, soeben performativ widerlegt haben.

Aber als Alliteration war sie schlicht schön.

Literatur

  • Feigls Aufsatz erschien ursprünglich in Band 2 der Minnesota Studies in the Philosophy of Science: Concepts, Theories, and the Mind-Body Problem, Herausgegeben von Herbert Feigl, Michael Scriven und Grover Maxwell (University of Minnesota Press, 1958). Für die Korrektheit der Online-Kopie des Wiederabdrucks von 1967 gebe ich keine Gewähr.
  • Warum die Redeweise von den ›neuronalen Korrelaten‹ meistens Unsinn ist, habe ich mit einem Kollegen hier diskutiert: Schleim, S. & Roiser, J. (2009). fMRI in translation. the challenges facing real-world applications. Frontiers in Human Neuroscience. 3: 63.

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138 Kommentare

  1. Das Leib-Seele-Problem ist in meinen Augen DAS Problem der theoretischen Philosophie, oder des Denkens über die Wirklichkeit, und es taucht allerorten auf.

    Versuche, es einfach per Dekret abzuschaffen, sind müßig. Die Überwindung müsste auf dem Weg der theoretischen Auflösung geschehen, welche das scheinbar Unvereinbare vereinbart.

    Die Natur selbst hat natürlich kein Leib-Seele-Problem, sondern nur das menschliche Denken. Aber solange dies der Fall ist, ist zum Beispiel der Materialismus als Metaphysik der Naturwissenschaft falsch, denn ihm wohnt eine Behauptung über dieses Thema inne.

    Das Leib-Seele-Problem taucht auch nicht erst auf bei der Betrachtung von Lebewesen, denen die Tradition eine Seele zugesteht, wie etwa Descartes es tat, sondern betrifft das Phänomen des Lebendigen in allen seinen Erscheinungsformen. Streben, Wahrnehmen, Selbstsein sind Ausprägungen dieses „Seelischen“ im Sinne des philosophischen Problems bereits im primitivsten Einzeller.

    Die Versuche, Lebewesen so weit wie möglich auf der Leiter des Lebens hinauf für bloße chemische Apparate auszugeben, um dann irgendwann „ein Wunder“ zu benötigen, durch das Bewusstsein und echtes Handeln (im Menschen) auftaucht, sind wenig überzeugend. Noch viel weniger überzeugend, weil selbstwidersprüchlich sind Theorien, welche selbst dem Menschen auch das „Seelische“, also echtes Wollen, Wahrnehmen, Erkennen etc. bestreiten. Aus einer solchen Position heraus lässt sich nicht einmal der Wahrheitsanspruch (!) der eigenen Theorie ohne Selbstwiderspruch behaupten.

    Das Leib-Seele-Problem bleibt bestehen und ungelöst als ein Prüfstein für unsere Bereitschaft, die Grenzen der menschlichen Erkenntnis anzuerkennen, sowie eine permanente Erinnerung daran, dass es uns Menschen nicht gegeben ist, unserer eigenen Existenz unter den Rock zu gucken.

  2. Es gibt den Hylemorphismus als Dualismus von Materie und Form.
    Es gibt den Dualismus von Hardware und Software.
    Es gibt den Dualismus von Nervenzellen und Nervensignalen.

  3. Nicht so schnell, Herr Dr. Schleim, 😉

    Herr Rösler hat nicht Unrecht, wenn er den Leib-Seele-Dualismus eine irrige Idee nennt. Deshalb braucht es aber kein neuronales Korrelat des Bewusstseins, dies ist ebenfalls eine irrige Idee. Thomas Metzinger war bzw. ist da mit seinem Selbstmodell der Subjektivität schon auf einem recht guten Weg, wenn er von der funktionalen Zentrierung des phänomenalen Raums durch leibliche Verankerung spricht.
    Was bisher nicht erwähnt wurde, zumindest nicht hier, ist die Repräsentationsebene, ohne die sich die Frage, welche Sicht denn nun die richtige ist, die dualistische oder die monistische, nicht beantworten lässt. Denn die Lösung des Problems (das keines ist) kann nur die Kognitionspsychologie liefern. Das wird allerdings noch dauern …

  4. Die Reinkarnation des Leib-Seele-Problems in der Technologie bezeichnet man als Embodiment, ein Begriff der vor allem in der Welt der künstlichen Intelligenz und Robotik Karriere gemacht hat. Dazu gehört die Überzeugung, dass ein intelligentes System, ein intelligenter Roboter über einen Körper verfügen muss, damit so etwas wie Intelligenz oder gar Bewusstsein überhaupt einen Sinn bekommt.

    Das ist eine Überlegung, die uns durchaus vertraut ist. Zugespitzt könnte man sagen: Was nützt oder bedeutet Denken überhaupt, wenn man nicht handeln kann. Denn wer keinen Körper hat, kann ja nichts bewirken, kann nicht handeln. In der Robotik würde man sagen, der Aktuator/Effektor fehlt. Umgekehrt beeinflusst auch der Körper das Denken, wenn wir das Denken als Vorbereitung und Reflektion des Handelns auffassen. Wozu der Körper nicht in der Lage ist, darüber nachzudenken lohnt sich quasi nicht. Oder allgemeiner formuliert: Was nicht getan werden kann, muss auch nicht bedacht werden.

    Inzwischen hat sich der Begriff Embodiment aber auch ganz unabhängig von Artificial Intelligence und Robotik auch in der Kognition und Psychologie eingenistet wie der Wikipedia-Eintrag Embodied cognition zeigt.

  5. @fegalo, dem kann ich größtenteils zustimmen.

    Mit der umgekehrten Annahme, der Mensch (als für-sich-selbst, anders als die Materie in-sich-selbst) sei durch und durch Selbstbewusstsein, wie sie etwa Sartre vertritt, habe ich aber auch meine Schwierigkeiten.

    Damit kommen wir zurück zu der großen Frage, was ‘Geist’ und ‘Bewusstsein’ nun eigentlich sind.

  6. @Trice, Frau Dr. Trice, sparen wir uns doch im Blog den akademischen Pomp.

    Zur Sache: Sie scheinen zu Übersehen, dass Rösler nicht den Dualismus, sondern das Problem als “irrige Idee” bezeichnete.

    Der Aufmerksamen Leserin ist sicher mein Trick aufgefallen, durch die Frage ganz am Anfang,

    …was Körper und Geist sind und wie sie miteinander in Beziehung stehen…

    die Pointe schon verraten zu haben: Denn durch die Verständigung darüber befassen wir uns nicht nur irgendwie, sondern gleich mit dem Kern des Leib-Seele-Problems.

  7. Es existieren lediglich unterschiedliche methodische Zugänge zum Gehirn-Geist-System, aber keine zwei unterschiedlichen Entitäten, die auf obskure Weise miteinander kommunizieren.

    Der Schreiber dieser Zeilen hat das Leib-Seele-Problem immer so verstanden, dass es dies gibt, im Sinne von Welten gebären Welten, Geist hat keine Entsprechung in der Natur, es kann hier bijektiv nicht zugeordnet werden, dass dies aber dann auch so schon wieder abgehandelt ist.
    Womöglich nagen hier einige an der Vorstellung, dass Welten Welten gebären könnten, dass zudem der Geist irgendwie in der Mutterwelt repräsentiert sein muss, als Hirn, physikalisch also, allerdings hat sich der SciFi-erfahrene Schreiber dieser Zeilen, der auch mit dem Höhlengleichnis sehr zufrieden ist, hier nie hinaufschwingen können besondere und vor allem sinnhafterweise bearbeitbare Problematik zu erkennen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  8. Der Körper scheint mir weniger dazu erforderlich sein, zu handeln, als zum Wahrnehmen. Ohne Wahrnehmung ist ein Geist komplett leer.

  9. Ja, auf die zentrale Rolle der Wahrnehmung macht auch der Wikipedia-Artikel Embodied cognition aufmerksam.
    Ich würde aber weitergehen und sagen: Die Wahrnehmung ist ein Prozess, der neuronale und sensorische Elemente beeinhaltet und sich nur über Rückkoppelungen richtig entwickeln kann. Um ihren Tastsinn zu entwickeln müssen sie etwas berühren und etwas berühren bedeutet bereits zu handeln. Auch bei der Entwicklung des Sehens ist es wohl so, dass ein Falke den Sehsinn nur dann voll entwickelt,wenn er Beute fängt.

  10. @Stephan Schleim

    Einfach nur “Trice” reicht aus, :-).

    Es scheint, als würden wir aneinander vorbei reden, was ich noch nicht beurteilen kann. Aber:

    “was Körper und Geist sind und wie sie miteinander in Beziehung stehen…
    die Pointe schon verraten zu haben: Denn durch die Verständigung darüber befassen wir uns nicht nur irgendwie, sondern gleich mit dem Kern des Leib-Seele-Problems.”

    Eben das halte ich für die falsche Ausgangsposition, es sei denn, es geht doch um rein akademisches Geplänkel.
    Denn da Sie Platons Höhle erwähnt haben und diskutieren wollen, wie die Welt “wirklich ” ist, ergibt sich damit nämlich irgendwann auch die Auseinandersetzung mit der harten KI, wenn man nämlich Hans Moravec folgt:
    ” Aus der platonischen Position lautet die Antwort (..)* daß die den Geist und seine eigene Selbstinterpretation konstituierenden Relationen unabhängig von ihm existieren, und daß ein Roboter, ein Simulator oder ein Buch, das die Vorgänge beschreibt, genauso wie ein menschliches Gehirn eine Weise darstellen, diese zu erkennen.”

    Die Verständigung darüber, was Körper und Geist “sind”, und wie sie zueinander in Beziehung stehen, wird daher auch einen möglichen “Geist” in der Maschine und dessen Wirklichkeit im Blick haben müssen. Denn

    “Für den Platonismus stehen mechanische Simulationen, die jedes Detail genau nachahmen, auf denselben Grundlagen wie grobe Annäherungen, kinematische Rekonstruktionen literarische Beschreibungen, leere Spekulationen, Träume oder gar zufälliges Stammeln: Alles kann als ein Bild von Wirklichkeiten interpretiert werden.” (ebd.)

    Quelle: Hans Moravec “Die Wirklichkeit ist ein Konstrukt des Bewußtseins”.

    *Gemeint ist, das eine Maschine keinen Geist enthalten könne, da die Funktion einer Maschine gänzlich von der Interpretation von außen abhängt, während der menschliche Geist seine eigene Bedeutung enthält.

  11. @Trice

    Scheinbar wollen Sie mir in Platons Höhle gleich auch Platons Metaphysik ans Bein binden. Damit bin ich aber nicht einverstanden.

    Die Position Moravecs (etwa: “…während der menschliche Geist seine eigene Bedeutung enthält…”) erinnert mich doch sehr an die Position Sartres, die ich gerade @fegalo erwähnt habe, nur dann eben für “Geist” statt “Bewusstsein”.

    Ich denke, das meine Metaphysik sparsamer ist: Es gibt* biologische Prozesse, weil wir sie so (und nicht anders) gut beschreiben können; es gibt psychische Prozesse, weil wir sie so (und nicht anders) gut beschreiben können; Grundlegend ist für ein Individuum ihre/seine Erfahrung von der Welt.

    Ob die Schatten, die wir sehen, die Wirklichkeit sind oder nicht, darüber kann ich keine Aussage treffen. Da halte ich es mit Moritz Schlick (Erkenntnis, 1932/33).

    Naja, nicht ganz: Ich würde es nicht unsinnig nennen; eher poetisch.

    * Anspruchsvolle Leserinnen und Leser dürfen sich eigene Gedanken darüber machen, wie dieses “es gibt” zu verstehen ist.

  12. “Damit kommen wir zurück zu der großen Frage, was ‘Geist’ und ‘Bewusstsein’ nun eigentlich sind.”

    Und das ist doch die eigentliche Frage hinter der alle Beteiligten her sind.

    Ob dieses Bewusstsein von der biologischen Substanz erzeugt wird oder nicht ist ziemlich irrelevant. Welche Relevanz messen sie dem Problem zu?
    Bzw. Welche Erkenntnisse erhoffen sie sich von der Beantwortung des Problems?

  13. Es gibt* biologische Prozesse, weil wir sie so (und nicht anders) gut beschreiben können; es gibt psychische Prozesse, weil wir sie so (und nicht anders) gut beschreiben können; Grundlegend ist für ein Individuum ihre/seine Erfahrung von der Welt.
    * Anspruchsvolle Leserinnen und Leser dürfen sich eigene Gedanken darüber machen, wie dieses “es gibt” zu verstehen ist.

    Der ‘anspruchsvolle’ Schreiber dieser Zeilen erkennt hier natürlich, dass Es-Gibt-Sätze Konstruktion der erkennenden Subjekte meinen müssen.
    Konstruktion, die Erkenntnis (vs. Wissen) meint, ist insofern in “n:m”-Beziehungen (das Fachwort) zwischen Erkenntnissubjekten und Sachen und dbzgl. Verhalt meinend zu verstehen oder jedenfalls: zu verwalten.

    Der Mond bspw. ist als Erdtrabant nicht da oder existent, wenn niemand hinguckt und niemand das Konzept der Existenz versteht und pflegt. man wäre hier auch schnell bei dieser Debatte und dieser Sache, jeweils wird in der d-sprachigen Variante der d-sprachigen bekannten Online-Enzyklopädie sparsam geblieben.

    ‘Wirklichkeit’, also das, was wirkt und so, Meister Eckhart und so, ist etwas für die anderen.
    Es lohnt sich nicht erkenntnistheoretisch diese Schicht einzuziehen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  14. *
    [,] man wäre hier auch schnell bei dieser Debatte und dieser Sache, jeweils wird in der d-sprachigen Variante der [] bekannten Online-Enzyklopädie sparsam geblieben

  15. @tobmat: biologisches Substrat

    Nunja, ganze Forschungszweige, wenn nicht gar ganze Disziplinen beruhen auf der Annahme, dass das Gehirn/das Nervensystem den Geist erzeugt (Kognitionswissenschaften, Neuropsychologie, Neurologie, Biopsychiatrie…).

    Wenn dem nicht so ist, dann verschwenden wir jedes Jahr nicht nur zig Milliarden, sondern auch sehr, sehr viele Lebensjahre harter Arbeit für einen Irrtum.

    Ist das genug Relevanz für Sie?

  16. “Nunja, ganze Forschungszweige, wenn nicht gar ganze Disziplinen beruhen auf der Annahme, dass das Gehirn/das Nervensystem den Geist erzeugt (Kognitionswissenschaften, Neuropsychologie, Neurologie, Biopsychiatrie…).”

    Da sind sie glaube ich im Irrtum. Die Disziplinen beschäftigen sich mit den Wechselwirkungen zwischen Leib und Seele. Die Grundannahme ist, dass sich beide gegenseitig beeinflussen können. Wer aber zu erst da war und den anderen erzeugt hat ist für die Fragestellungen dieser Disziplinen irrelevant.
    Denn alle Wechselwirkungen lassen sich auch vorstellen wenn der Geist den Leib erzeugt hat bzw. von einer externen Quelle in den Leib überführt wurde.

    Das ist der Grund warum diese Disziplinen erfolgreich arbeiten können, ohne das das Problem gelöst ist.

  17. @tobmat

    Also ich habe schon einmal dazulegen versucht, warum Descartes’ Substanzdualismus selbst mit einer Supervenienzthese vereinbar sein könnte (wegen einer naturgesetzlichen Kopplung zwischen Gehirnzustand und Seelenzustand, siehe Neurotheologie – über mögliche und unmögliche Schlüsse).

    Man muss aber schon sehr philosophisch eingestellt sein, um Ihre Sichtweise der Naturwissenschaften zu stützen. Für eine Darstellung der herrschenden Meinung, die der Ihren widerspricht, empfehle ich einen Blick ins Manifest der Hirnforschung von 2004.

    Am Rande: Wieso sollte man denn unbedingt im Gehirn psychopharmakologisch/neurologisch intervenieren, wenn ein Geist oder eine Seele das Gehirn erschafft?!

  18. „Damit kommen wir zurück zu der großen Frage, was ‘Geist’ und ‘Bewusstsein’ nun eigentlich sind.“

    Ich denke, dass diese Fragen immer im Raum stehen werden. Ich denke aber auch, dass jeder Versuch ihrer Beantwortung in Selbstwidersprüche führt. Zu erklären, was etwas ist, bedeutet ja, es auf etwas anderes zurückzuführen. Dieses Andere kann aber selbst im Erkenntnisprozess nur im Bewusstsein auftauchen, als einer seiner Inhalte. Aus dem Inhalt eines Bewusstseinsprozesses das Bewusstsein selbst rekonstruieren zu wollen, ist offensichtlich ein Widerspruch.

    Jemand könnte hier argumentieren, dass das Bewusstsein sich ja nicht aus dem Bewusstseinsinhalt „Materie“ ableiten würde, sondern aus der realen Materie. Das kann allerdings nur der naive Realist so sehen, der da glaubt, das Gedachte bilde das Wirkliche direkt ab, und wir könnten das eine durch das andere einfach austauschen. Tatsächlich wissen wir auch nicht, was Materie ist, und alle unsere Theorien beziehen sich auf den Bewusstseinsinhalt namens „Materie“, der wir einerseits mit Handwerkswissen und andererseits mit ein paar Gleichungen beizukommen versuchen, ohne zu wissen, womit wir es genau zu tun haben.

  19. @tobmat
    „Ob dieses Bewusstsein von der biologischen Substanz erzeugt wird oder nicht ist ziemlich irrelevant. Welche Relevanz messen sie dem Problem zu?
    Bzw. Welche Erkenntnisse erhoffen sie sich von der Beantwortung des Problems?“

    Es ist zunächst einfach ein philosophisches Problem.

    Wobei eine Lösung, wenn sie denn gefunden werden könnte, gerade in diesem Fall sogar höchste Relevanz hätte, nämlich in Hinsicht auf unsere Vorstellungen von Freiheit, Unsterblichkeit der Seele, Schöpfung, Gott etc. Insofern ist es durchaus relevant, dass man sich in dieser Sache nicht einfach einem Irrtum einer falschen Behauptung überlässt, weil in der Praxis Konsequenzen daraus gezogen werden. Wenn ein Hirnforscher die kausale Abhängigkeit des Bewusstseins von (kausal organisierten) materiellen Prozessen behauptet, und daraus folgert, dass strafrechtliche Verantwortlichkeit eine Illusion ist, um dann zu fordern, dass wir unser gesamtes Strafrechtssystem umzubauen hätten – dann ist es relevant, ob wir ihm zeigen können, dass seine Behauptungen nicht belegbar sind – und sie sind es nicht.

  20. @ tobmat

    Erstens: Arbeiten diese Disziplinen denn überhaupt erfolgreich?

    Zweitens: Ist das Standardmodell dort nicht eher das der „emergenten“ Daseinsweise des Bewusstseins, dem man noch die „downward causation“ hinzugefügt hat –womit Sie Ihre definitorische „Wechselwirkung“ hätten.

    Drittens: Mir ist kein Philosoph bekannt, der derzeit einen Substanzendualismus vertritt. In der Hirnforschung wird er jedoch immer als theoretischer Gegner angeführt. Das belegt nur eins: die philosophische Engstirnigkeit derjenigen, die den Dualismus überhaupt bekämpfen wollen.

  21. @Stephan Schleim

    “Scheinbar wollen Sie mir in Platons Höhle gleich auch Platons Metaphysik ans Bein binden. Damit bin ich aber nicht einverstanden.”

    Fein, dass Sie damit nicht einverstanden sind, denn darum ging es mir auch wirklich nicht. Sondern zum einen darum, dass beim Versuch, sich darüber zu verständigen “was” Körper und Geist sind, auch bedacht werden muss, dass Vertreter der harten KI diese Konzepte übernehmen könnten … Erinnert mich irgendwie an Hameroffs und Penroses “Quantenkohärenz in den Mikrotubuli”.

    Und andererseits geht es mir um die Frage, ob Röslers Aussagen nicht zu stark verkürzt und deshalb fehlinterpretiert werden, wenn man außer Acht lässt, womit er sich beschäftigt. Anders als bei Moravec ist es nicht die Robotik, sondern die Forschung im Rahmen Künstlicher Neuronaler Netze – und in diesem Zusammenhang muss man seine Aussage der “irrigen Idee” des Leib-Seele-Problems und der Positionen, die man dazu – genauer: zur Interaktion von Geist und Gehirn – einnehmen kann, sehen. Und mit Interaktion ist bereits die ‘Beziehung’ zwischen Körper und Geist angesprochen.

    Da ich die Juli- Ausgabe der G&G von 2015 nicht kenne, kann ich mich, was das Lernen betrifft, nicht auf seine Aussagen dort beziehen. Ich kenne nur seine Arbeiten mit den KNN, in denen Lernen als Lernen in neuronalen Netzen beschrieben wird, darunter klassisches und operantes Konditionieren – Verhalten, das auch bei Menschen eine Rolle spielt. Bewusstes Lernen ist es sicherlich nicht, ganz davon abgesehen, dass KNN inzwischen trainiert werden.

    Was nun die Metaphysik betrifft:
    “Es gibt* biologische Prozesse, weil wir sie so (und nicht anders) gut beschreiben können; es gibt psychische Prozesse, weil wir sie so (und nicht anders) gut beschreiben können”,

    dann besteht das Beschreibungsproblem u.a. darin, dass psychologische Begriffe ontologisch subjektiv, biologische Begriffe ontologisch objektiv sind, so dass die Aussage “es gibt” schon etwas voraussetzt, das noch nicht eingelöst worden ist, nämlich dass die Beschreibungen und Beschreibungsebenen identisch sind.

    Und grundlegend sind für das Individuum nicht nur seine* Erfahrung von der Welt, sondern auch sein Erleben der Welt (und Wirklichkeit).

    Womit wir allerdings immer noch keine allgemein akzeptierte Definition von “Körper” und von “Geist” haben. :-(.

    * Auf die politisch korrekte Schreibweise habe ich gern verzichtet, zumal das beim Individuum eh etwas schwierig ist.

  22. @ Stephan Schleim

    ” Wenn dem nicht so ist, dann verschwenden wir jedes Jahr nicht nur zig Milliarden, sondern auch sehr, sehr viele Lebensjahre harter Arbeit für einen Irrtum.”

    Das tun wir in der Tat! 🙁

    Und dass zumindest als Nebenprodukte ein paar Nutzen bringende Ergebnisse abfallen, ist nicht wirklich ein Trost.

  23. @fegalo: Dualisten

    Drittens: Mir ist kein Philosoph bekannt, der derzeit einen Substanzendualismus vertritt. In der Hirnforschung wird er jedoch immer als theoretischer Gegner angeführt. Das belegt nur eins: die philosophische Engstirnigkeit derjenigen, die den Dualismus überhaupt bekämpfen wollen.

    Da sind Sie nicht gut informiert. Man denke etwa an Uwe Meixners The Two Sides of Being: A Reassessment of Psycho-Physical Dualism (mentis, 2004). Auch wenn Meixner mich nicht von seinem Neocartesianismus überzeugt hat, habe ich von ihm viel über die angelsächsische Philosophie des Geistes gelernt, was ich in dutzenden oberflächlicher Journalpapers nicht gelernt habe. Das war am Ende meines Studiums ein echter Augenöffner; und Metzinger (s.o.) war damals so fair, diesen Gegner des Mainstreams zu uns einzuladen.

    Zu den Neurowissenschaftlern sage ich jetzt nur einmal: Die (verstorbenen) Eccles und Libet; der (meines Wissens noch operierende) führende Neurochirurg Volker Sturm, das waren/sind allemal Dualisten. Und mir sind manche mehr begegnet, die sich das aus Karrieregründen noch nicht trauen, öffentlich zu sagen.

  24. @fegalo: P.S.

    Und vergessen wir die schrägen Panpsychisten freilich nicht, etwa David Chalmers oder Christoph Koch… und es gibt sicher noch viele mehr!

  25. @ Schleim

    “Gibt es das Leib-Seele-Problem gar nicht?”

    Ach Herr Schleim. Wozu noch der Worte verlieren. Mephisto hat es doch schon gesagt:

    “Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
    Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
    Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,
    Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
    Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,
    Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.”

  26. Eine “irrige Idee” ist das Leib-Seele- oder Körper-Geist-Problem sicher nicht. Aber man kann es als Scheinproblem der Philosophie auffassen, das einer Therapie bedarf. Es gibt in der Natur hunderte Phänomene, die ähnlich gelagert sind, aber kein Problem darstellen, weil ihre Ursachen und Wirkungen wissenschaftlich erklärbar sind. Es gibt die Sonne, es gibt Wolken, Nebel, Wärme und andere Dinge, die nicht als Gegenstände wahrnehmbar, aber trotzdem unzweifelhaft und objektiv existent sind, sowie materialistisch oder physikalistisch erklärbar sind. Niemand käme auf die Idee, darin unlösbare oder metaphysische Probleme zu sehen. Die Lösung liegt in der sprachlichen Relation phänomenaler Begriffe mit physikalistischen Begriffen, gegeben aus der alltäglichen Erfahrung oder der Wissenschaft. Nebel und Wolken sind Erscheinungen von Wasserdampf, die Sonne ist eine glühende Gaskugel.

    Nur beim Körper-Geist-Problem macht man ein Problem daraus, weil die Relation der Begriffe für die geistigen Phänomene mit den Begriffen des biologischen Substrats noch nicht erkennbar ist. Man kann das lebende Gehirn nicht sezieren, man kann seine Funktion nicht wahrnehmen, sie bleibt im Dunkeln. Dasselbe galt lange Zeit auch für die natürlichen Phänomene, so dass sie vorwissenschaftlich Göttern, Geistern oder Dämonen zugesprochen wurden. In absehbarer Zeit wird auch die Funktion des Gehirns erklärbar, in weiten Teilen jedenfalls, dann entstehen Brückenbegriffe für Teilrelationen, wie z.B. die Nervensignale.

    Eine andere Analogie ergibt sich mit dem alltäglichen Begriff der Information. Jede Information benötigt ein materielles Substrat, auf dem ein Muster als Signal oder Zeichen generiert werden kann. Ein einzelnes Zeichen kann bereits eine Bedeutung und einen Sinn tragen, oder es kann zu Zeichenketten als Wörter, Sätze und Texte mit Bedeutung kombiniert werden. Die Relation vom materiellen Substrat zum geistigen Sinn, über Signal, Syntaktik und Semantik ist nichts anderes als die Relation vom biologischen Substrat des Gehirns zum Geist. Nervensignale bspw. sind meist bestimmte Ionen oder Moleküle in der Funktion als Transmitter, die chemische Reaktionen wiederum als Signale oder als biologische Wirkungen hervorrufen. Enzyme oder Transmitter sind hochspezifische Moleküle, die eine biologische Entscheidung treffen können, indem sie auf ein geeignetes Molekül als Substrat oder Rezeptor treffen.

    Das Körper-Geist-Scheinproblem enthält allerdings ein echtes Teilproblem. Das ist die Natur der phänomenalen Inhalte des Bewusstseins, also die Empfindungen von Farben, Tönen, Gerüchen, Gefühlen, Schmerzen und dergleichen. Dies ist meines Erachtens ein universales Problem der Physik, nicht der Biologie oder Psychologie. Selbstverständlich könnte man die Physik und Naturwissenschaft insgesamt, oder das Wesen von Materie prinzipiell, noch als echtes Problem hinzufügen. Das wäre dann reine Philosophie oder Metaphysik.

  27. Es gibt die Sonne, es gibt Wolken, Nebel, Wärme und andere Dinge, die nicht als Gegenstände wahrnehmbar, aber trotzdem unzweifelhaft und objektiv existent sind, sowie materialistisch oder physikalistisch erklärbar sind.

    ‘Materialistisch oder physikalistisch erklärbar’ vielleicht, in Teilen und sich dem oder einem Wesen annähernd, wobei dann Theorien (“Sichten”) von erkennenden Subjekten genutzt werden, um zu beschreiben, eben zu erklären in der Lage sind und sogar die Prädiktion zu versuchen.
    Bei diesem ‘unzweifelhaft und objektiv existent’, das ein wenig nach Frau Dr. Angela Dorothea Merkel klingt, wäre Ihr Kommentatorenfreund abär extra-vorsichtig, denn die genannten Dinge verdanken Ihre Ihre Existenz den o.g. Theoretisierungs-Versuchen erkennender Subjekte, sind Konzepte, wie auch das Konzept der Existenz eines ist, in der Regel anthropogen.
    Letztlich wird hier in unterschiedlichen Welten gearbeitet, Erkenntnissubjekte bilden eigene Welten, wodurch eben auch das sogenannte Leib-Seele-Problem womöglich zeitgenössisch angemessen aufgelöst werden könnte, wenn eben der Sprung gelingt, das Verständnis von Welten meinend.
    Die Analogie mit dem nicht-alltäglichen Begriff der Information klang nicht schlecht.
    MFG
    Dr. Webbaer

  28. Wie kann man nur in dieser Welt leben, wenn man nicht einmal solche grundlegenden Fragen beantwortet hat?
    Sind dann nicht alle Antworten auf nachrangige Fragen reine Poesie? Glaubensbekenntnisse?

    Und falls das Leib/Seele-Problem tatsächlich eines sei, sind wir dann nicht Maschinen? Determiniert bis ins letzte Detail unseres Organismusses?

    Ein wenig verächtlich schaue ich auf die Arbeiten aller beteiligten, weil ich weiß, woran die Beantwortung der Fragen scheitert. Nämlich am Wissen über die Funktion des Gehirns selbst. Wie funktioniert es? Das scheint noch immer keiner verlässlich zu wissen. Daher: Hört auf zu spielen und macht euch an die Entschlüsselung dieser Funktion, dann werdet ihr wissen, was die Antwort auf die Frage des Leib/Seele-Problems ist. Bis dahin scheint sich alles darum im Kreise zu drehen und sich auch noch “toll” dabei zu finden.

  29. @Dr.Webbaer;
    Da will ich in keiner Weise widersprechen. Alle naturwissenschaftlichen Erklärungen haben die anthropologische Sichtweise und Erfahrung (Empirismus) als Vorbedingung. Andernfalls käme man in grenzenlose metaphysische Spekulationen. Das ist nicht verboten und hat philosophisch eigene Reize (Rationalismus), wäre für sich aber wahrscheinlich aussichtslos und nutzlos. Eben deshalb schlägt man sich seit Jahrtausenden mit diesem Phänomen herum und betrachtet es als mystisches Problem. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist das Wissen um die Evolution, indem der Mensch aus der Materie hervorgegangen ist, mit der Materie interagiert und daher auf eine natürliche Weise die Welt wahrnimmt, erlebt und erkennt, in den Grenzen seiner biologischen Ausstattung und seiner Fähigkeiten.

    Eine grundsästzlich alternative Herangehensweise ist der Glaube oder die Vorstellung über die Welt auf der Grundlage von Fiktionen der Geistesgeschichte. Für die Bewältigung des Lebens können Fiktionen eine sinnvolle, aber auch gefährliche Ergänzung zum Wissen sein: Hans Vaihinger, Die Philosophie des Als-ob.

  30. @Reutlinger: ein guter Kommentar

    Das Körper-Geist-Problem ist nur dann ein Problem, wenn man den aktuellen Wissensstand der Gehirnforschung ignoriert:
    z.B. nehmen wir unsere Umgebung wahr, dann werden dabei bestimmte Gehirnareale aktiviert. Und wenn wir uns später an dieses Erlebnis wieder erinnern, dann sind wieder gleiche Gehirnareale aktiv, wie beim ursprünglichen Erlebnis. D.h. Erlebnis und Erinnern entsprechen gleichartigen Erregungszuständen des Gehirns – ein ´Geist´ ist dabei nicht erkennbar und auch nicht notwendig. (Dass sich Erleben und Erinnern in ihrer Gehirnaktivität entsprechen, ist die Grundlage von Messungen mit fMRT. Einer Standardmethode der Gehirnforschung.)

    Eine wesentliche Vorraussetzung für ein bewusstes Erleben, ist die Intensität von Gehirnaktivitäten – z.B. bestimmte EEG-Frequenzen >40 Hz betrachtet man als Anzeichen bewussten Erlebens. Auch hier ist die Idee fragwürdig, dass hierbei ab einer bestimmten Frequenz ein Bewusstsein und damit ein ´Geist´ im Spiel wäre – sondern es ist nur der Fokus der aktuellen Aufmerksamkeit, der bewusstes Erleben bestimmter Inhalte ermöglicht.

    (off topic: Im Rahmen der sogenannten ´Nahtod-Erfahrung´ (NTE) ist klar erkennbar, dass Denken und Kreativität nur das Ergebnis einer simplen Mustervergleichsaktivität sind – die sich mit 3 einfachen Regeln beschreiben läßt. Hierbei ist auch nicht erkennbar, dass für Denken / Kreativität ein ´Geist´ notwendig wäre.
    Ich habe diesen Hinweis ´off topic´ gesetzt, weil ich seit Jahren darauf hinweise. Weil die Gehirnforschung / Psychologie / Philosophie solche deutlichen Hinweise seit Jahren ignoriert – muss man daran zweifeln, dass von solchen Fachleuten über die Körper-Geist-Problematik plötzlich sinnvolle Aussagen erwartbar sind. )

  31. @ Herr Reutlinger :

    Was halten Sie denn von der MUH? [1]

    Wäre hier nicht schlicht der Sack zuzumachen, wenn angenommen wird, dass MUHs MUHs zu gebären in der Lage sind?

    Also Hypothesen, wenn sie betrieben [2] werden, nicht durchgehend indeterministisch, sozusagen unter-schichtig zu anderen betriebenen Hypothesen führen?
    Die Hypothese sozusagen selbst als Welt [3] und nicht als besser zu definieren?

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Mal so wiedergegeben und der bekannten Online-Enzyklopädie folgend:
    ‘Our external physical reality is a mathematical structure. That is, the physical universe is mathematics in a well-defined sense, and “in those [worlds] complex enough to contain self-aware substructures [they] will subjectively perceive themselves as existing in a physically ‘real’ world”‘
    (Wobei Ihr Kommentatorenfreund andere Sprachlichkeit bemühen würde, im Grund aber Tegmark zustimmt und zudem darauf hinweist, dass bereits ältere SciFi, als Texmark alt ist, ähnlich vorgeschlagen, aber keine Wissenschaftlichkeit versucht hat – was Tegmark ansonsten so verlautbart, soll an dieser Stelle nicht interessieren, es klingt zumindest für einige oft: grausig.)

    [2]
    Der Betrieb meint hier Änderung von Zustand (“Daten”), dieser kann nur bemerkt und weitere Welten entwickelnd genutzt werden, wenn er nicht indeterministisch ist.

    [3]
    Die Welt, als das was waltet oder ist sozusagen, ‘Etwas ist, es ist, weil es ist und es ist so, wie es ist, weil es so ist, Fichte, Dr. Webbaer hat unabhängig davon ähnlich entwickelt.
    Hier können sich auch Materie oder Mutterstoffe gespart werden.

  32. “Die (verstorbenen) Eccles und Libet”

    Akzeptiert. Deren (unsterbliche) Seelen vertreten auch derzeit noch einen Substanzdualismus.

  33. @ fegalo (8. Juni 2016 22:47)

    Noch viel weniger überzeugend, weil selbstwidersprüchlich sind Theorien, welche selbst dem Menschen auch das „Seelische“, also echtes Wollen, Wahrnehmen, Erkennen etc. bestreiten

    Ich nehme an, ‘echtes’ bezieht sich auch auf Wahrnehmen und Erkennen. Worin besteht denn der Unterschied zwischen echtem Wollen, echtem Wahrnehmen und echtem Erkennen und dem jeweils bloßen, bzw. dem unechten? Wäre das unechte Erkennen erklärbar?

    Jetzt habe ich nochmal Subjekt und Selbstmodell; Die Perspektivität phänomenalen Bewußtseins vor dem Hintergrund einer naturalistischen Theorie mentaler Repräsentation von Thomas Metzinger überflogen, konnte aber auf die Schnelle keinen Selbstwiderspruch entdecken. Kann es sein, dass Sie einige Begriffe anders verwenden? Um einen Selbstwiderspruch zu belegen, müssten Sie sich allerdings auf die Semantik des Autors einlassen.

  34. Erstens: Ja tun sie. Verwechseln sie dabei “erfolgreich” nicht mit “100% perfekt und Wunder vollbringend in kurzer Zeit”.

    Zweitens: Ja und?

    Drittens: Eine kurze Recherche ergab Thomas Nagel. Aber wie sie selber sagen. Offensichtlich ist das Problem irrelevant da sich kaum noch jemand damit beschäftigt. Die meistne habe nes für sich eh beantwortet.

  35. @ Joker :

    Die ‘Echtheit’ könnte die Authentizität oder Wahrhaftigkeit meinen oder die Wahrheit, wobei dieser Wahrheitbestimmung in diesem Sinne – ‘Wer Wahrheit sagt, will lügen!’ [Quelle unbekannt, zumindest nicht von Dr. W, hier darf gerne recherchiert und kommentarisch ergänzt werden] – aversiv entgegen getreten werden könnte.
    Wobei sich der Schreiber dieser Zeilen im Wesentlichen, auch diesen kleine Topic meinend, sicher ist, dass es keiner Traktate dieser Art bedarf.
    BTW, die dümmste philosophische Arbeit aller Zeilen, wenn auch grandios gescheitert, war diese hier:
    -> http://people.umass.edu/phil335-klement-2/tlp/tlp.pdf

    MFG + schönes Wochenende schon einmal,
    Dr. Webbaer

  36. @ Joker :

    Die ‘Echtheit’ könnte die Authentizität oder Wahrhaftigkeit meinen oder die Wahrheit, wobei dieser Wahrheitbestimmung in diesem Sinne – ‘Wer Wahrheit sagt, will lügen!’ [Quelle unbekannt, zumindest nicht von Dr. W, hier darf gerne recherchiert und kommentarisch ergänzt werden] – aversiv entgegen getreten werden könnte.
    Wobei sich der Schreiber dieser Zeilen im Wesentlichen, auch diesen kleine Topic meinend, sicher ist, dass es keiner Traktate dieser Art bedarf.
    BTW, die dümmste philosophische Arbeit aller Zeilen, wenn auch grandios gescheitert, war diese hier:
    -> http://people.umass.edu/phil335-klement-2/tlp/tlp.pdf

    MFG + schönes Wochenende schon einmal,
    Dr. Webbaer

  37. “Am Rande: Wieso sollte man denn unbedingt im Gehirn psychopharmakologisch/neurologisch intervenieren, wenn ein Geist oder eine Seele das Gehirn erschafft?!”

    Unter der Annahme das es a) möglich ist, b) der erschaffende Geist nicht perfekt ist und c) der Geist und die biologische Substanz veränderbar sind, kann eine psychopharmakologisch/neurologisch Intervention nützlich sein.

    “Für eine Darstellung der herrschenden Meinung,”
    Die herrschende Meinung enthält nicht umsonst das Wort Meinung. Sie drückt nur die Überzeugungen der Herrschenden aus. An der Relevanz für die tägliche Arbeit / Forschung ändert das auch nichts.

  38. Sie sind lustig. Stellen mir eine Rückfrage und verweisen auf einen 300-Seiten-Schmöker. Na gut, ich nehme die Herausforderung an.

    Also erst einmal danke für den link, den ich mir als ein Beispiel von hoher Qualität für eine theoretische Position abspeichere, die ich selbst allerdings für einen Irrweg halte.

    Ich habe jetzt erst ein paar dutzend Seiten gelesen, in der Hoffnung, dabei die zentralen Thesen angetroffen zu haben. Vielleicht und wahrscheinlich ist das der Fall. Mit Sicherheit habe ich allerdings die Position und die Argumentationsstruktur erkannt.

    Metzinger gibt übrigens zunächst zu, dass es sich bei der Theorie des Geistes in dem von ihm gemeinten Sinne um ein Projekt handelt, das erst ganz zart in undeutlichen Umrissen erkennbar sei. Diese Formulierung kommt mir bekannt vor, und ist eher Ausdruck eines selbstbewussten Optimismus als tatsächlicher Erkenntnis.

    Nachdem er zunächst die Schwierigkeiten des Reduktionismus recht klar formuliert hat, fängt er an, selbst Theoreme darzustellen und zu entwickeln, welche genau dieses Ziel verfolgen: Das Mentale zu reduzieren auf das Physische. Das ist der naturalistischen Position eingeschrieben, sie kann gar nicht anders.

    Um dies zu erreichen, bzw. um hierzu zu überzeugen, bemüht er zwei Verfahren.

    Erstens: Er versucht, das Bewusstsein und seine Inhalte zu einem empirischen (wissenschaftsfähigen) Datum umzumünzen, was es jedoch nicht ist. Dies geschieht suggestiv mittels der bekannten (nicht von Metzinger stammenden) Phrase von Gedanken und Gefühlen als „mentalen Zuständen“. Als wäre ein mentaler Zustand so etwas wie der Zustand eines Weichensystems in einem großen Bahnhof.

    Damit wird der irrige Eindruck erweckt, man könnte innere Zustände objektivieren, also zum Gegenstand der empirischen Wissenschaft machen. Vielleicht nicht jetzt, aber diese Perspektive wird aufgebaut, obwohl es prinzipiell unmöglich ist.

    Zweitens: Er versucht im gleichen Sinne, mit den Mitteln der analytischen Philosophie, das Subjekt aus der sprachlichen Beschreibung zu eliminieren. Dies dient dem gleichen Vorhaben, nämlich der Zurechtlegung des Bewusstseins als Gegenstand der Wissenschaft in Form von Theorien über empirische Objekte.

    Nun weiß ich nicht, wie das Buch weitergeht, aber ich würde eine Wette abschließen, dass seiner Definition von Bewusstsein eine Menge zum Opfer gebracht werden muss von dem, was für uns Alltagsmenschen dafür konstitutiv ist.

    Beispielsweise: Das eigene Wollen spielt für uns in der Erfahrung eine enorme Rolle bei der Erschaffung der inneren Wirklichkeit. Ein Modell bloßer Repräsentation berücksichtigt das nicht (aber das sage ich hier nur unter Vorbehalt, da ich nur einen Teil des Buches kenne).

    Jetzt zu Ihren Fragen:

    Echtes und unechtes Wollen etc. definiere ich ganz schlicht am Unterschied zwischen teleologisch und teleonomisch. Eine Lenkrakete will nichts, auch wenn es so aussieht, wenn sie ein Flugzeug ansteuert. Ein Falke, der sich auf eine Taube stürzt dagegen, verfolgt selbst und wirklich ein Ziel.

    Dann:

    Meinen Vorwurf des Selbstwiderspruches halte ich auch trotz bloß kurzer Lektüre des Buches gegenüber Metzinger aufrecht. Denn auch er – und es geht gar nicht anders – versucht, das menschliche Bewusstsein zu erklären/rekonstruieren mit den Mitteln theoretischer Konzepte, welche selbst nichts anderes sind als Ausgeburten eben dieses Bewusstseins selbst. Z.B: Naturalismus, analytische Philosophie, Empirismus etc.

  39. @ tobmat

    Drittens: Thomas Nagel vertritt keinen Dualismus (Dualismus meint Substanzendualismus), sondern argumentiert bloß dualistisch, weil er einen materialistischen Reduktionismus empirisch und logisch und lebensweltlich für absurd hält.

    Ähnlich ist es auch – @ Stephan Schleim – bei Popper und Eccles. Sie machen dualistische Argumente geltend, ohne metaphysisch dualistische Positionen einzunehmen.

    Erstens: Da habe ich einen ganz anderen Eindruck. Diese Disziplinen bringen nix. Sei aber geschenkt.

    Zweitens: Emergenz und „Downward causation“ sind halt Blödsinn, der hauptsächlich auf einem Wechsel von Betrachtungsebenen fußt, und in keiner Richtung etwas mit Kausalität, also mit Erklärung von Ursachen zu tun hat. Diese Konzepte dienen nur der Aufrechterhaltung der materialistischen Ideologie im Bereich des Lebendigen.

  40. Jeder kennt das ärgerliche Phänomen, dass man zu einer Person zwei verschiedene Telefonnummern hat und nicht weiß, welche davon gültig ist, weil man nur eine davon aktualisiert hat. Das Problem entsteht aus der Redundanz der Information, genauer aus der Redundanz der Bedeutung, d.h. verschiedene Schriftmuster tragen dieselbe Bedeutung.

    Das Gehirn kennt dieses Problem nicht, es wäre sonst nicht lange überlebensfähig. Das ist eine bemerkenswerte Eigenschaft des Gehirns. Offenbar gibt es zu jeder Information nur einen einzigen Gehirnzustand. Die logische Schlussfolgerung ist, dass wir uns nicht an Telefonnummern als Bedeutung erinnern, sondern an bestimmte Gehirnzustände als Schriftmuster, die wir wiederum als Telefonnummern deuten. Wenn die Telefonnummer im Kopf geändert wird, dann wird das Schriftmuster als der betreffende Gehirnzustand geändert. Einen zweiten Gehirnzustand zu genau derselben Bedeutung gibt es nicht. Noch deutlicher wird es bei der Erinnerung an bekannte Personen. Eine begrenzte Änderung der Kleidung oder Frisur ändert im Bewusstsein des Betrachters nur selten die vermeintliche Identität der Person, dann aber als Irrtum mit Konsequenzen für das Verhalten.

    Man könnte diese Eigenschaft des Gehirns als Bestätigung der Supervenienztheorie verstehen. Allerdings hat die Supervenienztheorie wiederum andere Probleme, weil physische Zustände des Gehirns nicht eindeutig bestimmt werden können. Dazu sind die biologischen Zustände viel zu komplex und zu dynamisch. Daran scheitert auch das Gedankenexperiment des Zombie oder des Sumpfmannes (Donald Davidson).
    https://de.wikipedia.org/wiki/Sumpfmann

  41. Wer gibt schon was auf das, was Mephistopheles sagt:

    Ich bin der Geist der stets verneint!
    Und das mit Recht; denn alles was entsteht
    Ist werth daß es zu Grunde geht;
    Drum besser wär’s daß nichts entstünde.
    So ist denn alles was ihr Sünde,
    Zerstörung, kurz das Böse nennt,
    Mein eigentliches Element.

  42. Mich dünkt, Sie sind ein Bruder im Geiste. Wir lieben wohl beide, den Advocatus Diaboli zu spielen. Dem Atheist bin ich ein Theist, dem Materialisten ein Idealist und umgekehrt. Für mich ist das alles nur ein Spiel. Ich weiß, daß wir über bestimmte Dinge nichts wissen können. Ich kann mich damit anfreunden.

  43. Hylemorphismus, zweiter Teil.
    Ein einfacher Kippschalter hat zwei Zustände.
    Wenn er waagrecht liegt und stromlos ist, dann haben diese
    beiden Zustände die gleiche Masse und die gleiche Energie.
    Der Unterschied liegt in der Form oder der Information.
    Diese Information besteht nicht aus Materie oder Energie,
    sondern aus dem Zustand von Materie oder Energie.

  44. @Dr.Webbaer;
    Die klassische Materie löst sich immer mehr auf in mysteriöse Gebilde wie das Higgsboson. Letztlich wissen wir nicht, was Materie wirklich ist. Noch bedeutender ist, dass wir es empirisch nie wissen können, dass die materielle, ultimative Realität (die Dinge-an-sich) unerkennbar bleibt. Da ist es naheliegend, die Mathematik zu bemühen, mit der die Natur schon sehr gut beschrieben werden kann. Mathematische Strukturen sind Idealisierungen physikalischer Objekte und Vorgänge. Somit könnte man der Mathematik als rationale Welterkenntnis denselben Realitätswert zuschreiben wie der empirischen Welterkenntnis. Beide Realitätswerte gehören zur spekulativen Metaphysik.

    Während die empirische Welterkenntnis auf der Interaktion der Materie mit sich selbst beruht, sind mathematische Gebilde idealisierte und abstrahierte Konstrukte aus eben dieser Interaktion als Geist des Menschen. Wäre die Welt nur Mathematik, dann müsste es eine Identität geben zwischen rationaler und empirischer Welterkenntnis.

    Im Internet habe ich einen Kommentar zur MUH zufällig ausgesucht:

    A very odd aspect of this whole story is that while Tegmark’s big claim is that Math=Physics, he seems to have little actual interest in mathematics and what it really is as an intellectual subject. There are no mathematicians among those thanked in the acknowledgements, and while “mathematical structures” are invoked in the book as the basis of everything, there’s little to no discussion of the mathematical structures that modern mathematicians find interesting (although the idea of “symmetries” gets a mention). A figure on page 320 gives a graph of mathematical structures which a commenter on mathoverflow calls “truly bizarre”. Perhaps the explanation of all this is somehow Freudian, since Tegmark’s father is the mathematician Harold Shapiro.

  45. “Ist die Rede von Körper und Geist –– ›Leib‹ und ›Seele‹ hören sich heute ja schon etwas angestaubt an –– nichts als eine Phantomdebatte?”

    Wir sind alle im SELBEN Maß durchströmt vom Geist der “Gott” ist, für Möglichkeiten der reinen Vernunft im geistig-heilendem Selbst- und Massenbewußtsein (“wie im Himmel all so auf Erden”).
    Doch stattdessen “bewegt” Mensch sich mit “Individualbewußtsein” in den rein materialistisch-wettbewerbsbedingten Kreisläufen des geistigen Stillstandes seit der “Vertreibung aus dem Paradies” (erster und bisher einzige GEISTIGE Evolutionssprung), und eine Seele ist aufgrund von Stumpf-, Blöd-, Wahn- und Schwachsinn nur sehr sehr sehr schwer für den “Einzelnen” zu … – “Phantomdebatte”, ist in der offensichtlichen Konfusion durch Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll treffend 😉

  46. @Alle

    Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

    ich hatte hier von 2008 bis 2013 einen gut funktionierenden Blog mit mehreren Hunderttausend Abrufen und rund 5000 Kommentaren, in Einzelfällen bis zu rund 500 Kommentare für einen einzigen Beitrag (Warum der Neurodeterminist irrt).

    Dann kam der Umstieg auf eine neue Technologie. Seitdem sind längere Diskussionen müßig, da Kommentare durch die Antworten-Funktion kreuz und quer durcheinander gehen. Am Computer ist es sehr schwierig, dann noch einen Überblick zu behalten, auf mobilen Geräten so gut wie unmöglich.

    Ich habe hier wiederholt darum gebeten, auf den Gebrauch dieser Funktion zu verzichten; auch der Administrator ist meinem wiederholten Wunsch nach einer Deaktivierung nicht nachgekommen.

    Daher kann ich mich hier nur aus der Diskussion ausklinken. Sie sind aber natürlich dazu eingeladen, hier weiter miteinander zu diskutieren.

    Falls Sie eine bessere Diskussionsstruktur wünschen, dann schreiben Sie bitte eine E-Mail an die SciLogs-Redaktion unter: redaktion@scilogs.de

    Mit freundlichen Grüßen

    Stephan Schleim

  47. Lieber Herr Schleim,
    ist dieses WebLog zufällig WordPress-basiert, gibt es dort (und nicht nur dort) die Möglichkeit die Anzahl der Kommentarebenen (für jedes Einzel-Blog) einzustellen, bspw. auf den Wert 1?
    MFG
    Dr. Webbaer

  48. @ Herr Reutlinger :

    Noch bedeutender ist, dass wir es empirisch nie wissen können, dass die materielle, ultimative Realität (die Dinge-an-sich) unerkennbar bleibt.

    Doch, dies lässt sich metaphysisch wissen und damit ’empirisch’ ableiten, das zugehörige Gedankenexperiment geht grob skizziert so:
    Der allmächtige Gott, der alles über die Welt weiß und kann, ihre Funktionsweise en dé­tail, auch deshalb, weil er sie betreibt, versteht, weiß z.B. auch, dass er keinen zweiten Allmächtigen schaffen kann und zudem seine Mächtigkeit nicht ablegen kann, weiß nur eines nicht:
    ob seine Welt nicht für ihn unerkannt zwiebelförmig von anderen Welten umgeben ist (denen bspw. ein koyotenköpfiger Gott vorsteht, der sich auf die Pflege allmächtiger Götter mit ihren Welten spezialisiert hat).

  49. Hallo Stephan,

    hast ja Recht, die Antwortfunktion führt in der Tat früher oder später meist dazu, dass man den Überblick verliert. Ich nutze sie hier bei Dir auch nur, wenn meine Anmerkung nichts zum Thema beiträgt, sondern bloß eine Replik auf einen bestimmten Kommentar sein soll (die Du gar nicht zu Gesicht zu kriegen brauchst).

    Was das Leib-Seele-Problem angeht, so sehe ich das im Grunde so wie Frank Rösler, also wenn er mit der „irrigen Idee“ meint, dass es aus (natur)wissenschaftlicher Sicht eben nichts weiter „gibt“ (oder: zu untersuchen gibt) als das Gehirn und dessen physiologischen Aktivitäten.

    Dass man das aus philosophischer Sicht ganz anders sehen kann, sieht man an den endlosen, jahrtausendalten Diskussionen zum sogenannten „Leib-Seele-Problem“. Daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern.

    Und ganz offenbar kann man auch als Substanzdualist erfolgreich am Gehirn arbeiten (siehe etwa Volker Sturm).

  50. @Balanus: Psychologie

    Wie kannst du es ähnlich wie Rösler sehen, wenn du in deinem Kommentar die ganze Psychologie unter den Tisch fallen lässt: “…dass es aus (natur)wissenschaftlicher Sicht eben nichts weiter „gibt“ (oder: zu untersuchen gibt) als das Gehirn und dessen physiologischen Aktivitäten.”

    Um einen Forschungsgegenstand untersuchen zu können, muss man ihn auch abgrenzen können. Das erfordert in der Psychologie einigen thepretischen Aufwand. Dazu haben Philosophen auch im zwanzigsten Jahrhundert wichtige Beiträge geliefert (man denke etwa an die Phänomenologie).

    Wer das alles ausklammert, der kann natürlich immer noch forschen. Doch eine umfassende Wissenschaft wird ihm/ihr nicht mehr gelingen.

  51. @Stephan Schleim

    “… muss man ihn auch abgrenzen können.”

    Wenn aber in der systemrationalen / bewußtseinsschwachen Abgrenzung (Mensch = “Individualbewußtsein” im geistigen Stillstand) der Fehler liegt, dann …!?

    Geistig-heilendes Selbst- und Massenbewußtsein und …, wenn Mensch erkennt das … – von 10 – 30% auf 100% und …!? 😉

  52. @Stephan Schleim: Psychologie vs. Philosophie?

    Mir ist nicht klar, warum man die ganze Psychologie unter den Tisch fallen lassen muss, wenn man es ähnlich wie Rösler sieht. In seinem Buch “Psychophysiologie der Kognition geht Rösler auf Wahrnehmungs- und Motivationspsychologie ein, auf Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Lernen, auf Handlungskontrolle und Sprache – alles Themen, mit denen sich die Psychologie befasst.

    Erst ganz zum Schluss spricht er das Leib-Seele-Problem an, wenn er schreibt, formal handele es sich bei der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Gehirn und Geist um ein Abbildungsproblem, womit die Übersetzung von Begriffen und Relationen der Welt der Psychologie in die Begriffe und Relationen der Welt der Neurophysiologie gemeint ist. Er bezieht Psychologen ausdrücklich mit ein, wenn er sagt, einige von ihnen wie einige der Philosophen seien der Ansicht, dass für eine Untersuchung psychischer Phanomene und das Verständnis ihrer Gesetzmäßigkeiten ein Blick in die Welt der Neurobiologie sinnlos sei usw. usf….

    Wie ich oben schon schrieb: es greift zu kurz, Röslers irrige Idee des Leib-Seele-Problems auf eine Negation philosophischer Fragestellungen zu reduzieren. Diese Trennung könne man, so Rösler, in letzter Konsequenz nur aufrecht erhalten, wenn man von einem ontologischen Unterschied ausgeht, also überzeugt sei, das Eine könne ohne das Andere existieren. Aber um religiöse Fragen geht es ja wohl nicht, oder?

    PS: Noch kurz zur Antwort- und Kommentarfunktion: Ein Blog ist für Diskussionen tatsächlich eher ungeeignet. Für diesen Zweck wäre ein Forum bzw. eine Gruppe besser vorteilhafter. Da diese Form Mobilgeräten aber nicht entgegenkommt, die Administration auf Ihre Bitte nicht reagiert und Sie keinen Zugriff auf das WP-Dash-Board haben, bleibt eigentlich nur, sich entweder mit anderen Blog-Betriebern kurz zu schließen (Sie sind nicht der einzige, der das Durcheinander beklagt) und gemeinsam der Administration eine Änderung vorzuschlagen, oder eben Blog-Regeln einzuführen …

  53. @Trice: Tische und Neurowissenschaften

    Wo hätte ich denn geschrieben, Rösler wolle die (ganze) Psychologie unter den Tisch fallen lassen? Ich habe @Balanus (12.6., 23:57) kritisiert, dass die balanesische Rezeption Röslers selbiges tut.

    …bei der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Gehirn und Geist um ein Abbildungsproblem, womit die Übersetzung von Begriffen und Relationen der Welt der Psychologie in die Begriffe und Relationen der Welt der Neurophysiologie gemeint ist.

    Na, dann haben wir damit doch eine röslerische Formulierung des Leib-Seele-Problems vorliegen, die mir ganz und gar nicht irrig erscheint.

    Allein die Frage nach der Art der “Abbildung” macht ein ganzes philosophisches Fass auf. Es geht wohl um die Abbildung von Ausdrücken der einen Sprache (psychologisch) auf die Abbildung von Ausdrücken der anderen Sprache (neurophysiologisch) und umgekehrt.

    Das sowie die Frage, worauf sich die Ausdrücke dieser Sprachen beziehen, nämlich Geist/Psyche und Nervensystem/Körper, sind alles Bestandteile des Leib-Seele-Problems.

  54. @Trice, Blogregeln

    Ein Blog ist für Diskussionen tatsächlich eher ungeeignet.

    Wie ich schrieb, hatten wir im alten Blog, ganz ohne “Antwortfunktion” und mit Titelpflicht Diskussionen mit bis zu 500 Kommentaren, die nicht unübersichtlich wurden.

    …bleibt eigentlich nur, sich entweder mit anderen Blog-Betriebern kurz zu schließen (Sie sind nicht der einzige, der das Durcheinander beklagt)…

    Oh, wer denn noch?

    …oder eben Blog-Regeln einzuführen…

    Das versuche ich ja seit Jahren mit sporadischen Appellen, die jedoch nicht fruchten.

  55. @Stephan — Unterm Tisch.

    Sorry, ich habe nicht die „ganze Psychologie“ unter den Tisch fallen lassen wollen, da habe ich bloß etwas arg knapp formuliert. Das Psychologische ist das Resultat der von mir erwähnten „physiologischen Aktivitäten“ (des Gehirns), wobei mit ‚Physiologie‘ insbesondere die elektrophysiologischen Phänomene gemeint sind. Ohne die kann es m. E. weder sprachliche noch verhaltensmäßige Äußerungen geben. Und etwas anderes (i.e, geistig-seelisches) ist eben nicht beobachtbar.

    Insoweit ist mir auch unverständlich, weshalb Rösler ‚Lernen‘ als ein „psychisches Phänomen“ bezeichnet, denn ich halte Lernen für einen rein physiologischen Vorgang.

  56. @ Stephan Schleim: Tische, Abbildungen und Rösler

    “Wo hätte ich denn geschrieben, Rösler wolle die (ganze) Psychologie unter den Tisch fallen lassen?”

    Haben Sie nicht – genauso wenig, wie ich geschrieben habe, Sie hätten geschrieben, Rösler wolle .. usw. Ich hatte nur gefragt, warum ‘man’ die ganze Psyvhologie unter unter den Tisch fallen lassen muss, wenn den Tisch fallen lassen muss – vielleicht hätte ich schreiben sollen “unter den Tisch fallen lässt”.

    Aber wir kommen voran, wenn die Frage nach der Abbildung beim Leib-Seele-Problem schon mal keine irrige Idee ist.Dass man damit ein Fass aufmacht, ist mir klar. Das sieht auch Rösler so.

    Da es Ihnen aber um die Frage geht, was Körper (Leib?) und Geist (Seele?) sind und in welcher Beziehung sie zueinander stehen, müssen wir uns nur auf die Begriffswelt einigen – psychologisch, neurophysiologisch oder philosophisch.

    @Balanus – Lernen
    “Insoweit ist mir auch unverständlich, weshalb Rösler ‚Lernen‘ als ein „psychisches Phänomen“ bezeichnet, ..”

    Hat er nicht. Von psychischen Phänomenen spricht er, wenn er sich auf das Leib-Seele-Problem bezieht.
    Er beschäftigt(e) sich allerdings nicht nur damit, sondern auch mit dem Lernen (in Neuronalen Netzen)

  57. @ Stephan Schleim – Blogregeln

    Wenn es zuvor eine Titelpflicht gab und diese Möglichkeit nicht mehr besteht, dann können Sie das doch schon mal als Regel setzen: Kommentar nur mit Angabe eines Titels im Kommentar (es sei denn, Sie haben die Möglichkeit, die Titelpflicht wieder einzuführen).

    Können Sie Beiträge löschen? Wenn ja, dann nehmen Sie das doch in die Blogregeln hinein: Kommentare ohne Titel werden gelöscht – Sie können ja vorher abmahnen; Kommentare per Antwortfunktion werden von Ihnen nicht beantwortet.

    Auf Ihre Frage “Wer noch” … z. B. Ludwig Trepl (bei Chronologs) beklagte sich mal über die Unübersichtlichkeit …
    Es gibt bestimmt noch mehr.

  58. @Balanus: Psychologie und Tische

    Soso, mal eben die ganze Psychologie “arg knapp [weg-]formuliert”. Welch ein Zufall!

    Wenn sich die Psyche für dich mit Sprachverhalten und anderem Verhalten erschöpft, dann kann ich daran auch nichts ändern; über genügend Lebenserfahrung verfügst du ja.

    Ich kaufe dir deine Position genau dann ab, wenn du all(!) diese Vorgänge vollständig(!) neurophysiologisch beschreiben kannst.

  59. @Balanus, Trice: Psyche und Lernen

    Nur um das klar zu stellen: Ganz am Anfang meines Beitrags sehen Sie das Zitat Röslers, in dem er als Beispiel für ein psychisches Phänomen (das bereits durch einfachste Nervensysteme erzeugt werde) das Lernen nennt.

    Vielleicht wollen Sie jetzt sagen, das sei eben nur so salopp in einem Interview dahingesagt… Naja…

  60. @Trice: Blogregeln

    Das würde auf Dauer wohl funktionieren; nach viel Zeit und Mühe.

    Ich trete hier aber aus prinzipiellen Gründen nicht als Moderator auf. Die Sache soll allen Spaß machen, auch mir.

    Ich brauche aber keinen hohen Kommentarzähler. Wenn die Leute lieber ihre eigenen Regeln anwenden, dann können sie das auch ohne mich machen.

  61. @Stephan – Psychologische Praxis.

    Wie gesagt, ich habe die Psychologie nicht „weg“-formuliert, sondern allenfalls auf Hirnaktivitäten reduziert (zurückgeführt).

    Ich glaube es war seinerzeit im Funkkolleg Psychologie, wo erklärt wurde, dass Neurowissenschaftler und Psychologen am gleichen Objekt forschen und arbeiten und dass ihre Ergebnisse am Ende zusammenpassen müssen. Wenn sie das nicht tun, dann hat irgendwer irgendwo einen Fehler gemacht.

    »Wenn sich die Psyche für dich mit Sprachverhalten und anderem Verhalten erschöpft,…«

    Sprache und Verhaltensäußerungen waren halt die beiden Dinge, die mir spontan in den Sinn kamen. Wobei sprachliche Äußerungen ja auch unter Verhalten bzw. Handlungen fallen. Doch auch wenn ich länger darüber nachdenke, habe ich keine Idee, was ein Psychologe sonst noch so beobachten könnte, um die Psyche eines Menschen zu beurteilen. Auch der Gesichtsausdruck und die Körperhaltung fallen nach meinem Verständnis unter die Rubrik Verhalten.

    Habe ich Dich richtig verstanden, dass Deiner Auffassung nach manche psychische Vorgänge unabhängig von neurophysiologischen Prozessen ablaufen können? Oder so: Solange man nicht zeigen kann, was z. B. bei einer bewussten Entscheidung neurophysiologisch vorgeht, solange gilt die These, dass solche Entscheidungen (auch) unabhängig vom neuronalen Substrat erfolgen (können)?

  62. @Stephan Schleim:

    “Ich kaufe dir deine Position genau dann ab, wenn du all(!) diese Vorgänge vollständig(!) neurophysiologisch beschreiben kannst.”

    Da machen sie es sich jetzt doch etwas einfach. Per Definition ist eine Vollständige Beschreibung ausgeschlossen. Perfekte Beschreibungen der Realität sind nicht möglich. Sie fordern von ihrem Diskussionspartner also etwas unmögliches.
    Können sie diesen Anspruch denn bei ihren eigenen Positionen erfüllen?

  63. @Balanus: Metaphysik

    Es geht mir nicht um Metaphysik, etwa der Form: psychische Vorgänge sind nichts anderes als Hirnvorgänge; es geht mir auch nicht um einen epistemischen Schuldschein (im Gedenken an Popper) der Form: psychische Vorgänge lassen sich vollständig als Hirnvorgänge beschreiben.

    Beide Aussagen sind, jedenfalls beim heutigen Kenntnisstand, nicht als wahr erwiesen, nicht einmal wissenschaftlich zwingend. Sie dennoch zu tätigen, gehört ins Reich der spekulativen Philosophie, nicht der Wissenschaft.

  64. @tobmat: Beweislastumkehr

    Da machen sie es sich jetzt doch etwas einfach.

    Interessant. Nicht derjenige, der, wie Balanus, behauptet, psychische Vorgänge seien nichts als Hirnvorgänge oder psychische Vorgänge ließen sich vollständig als Hirnvorgänge beschreiben, macht es sich zu einfach, sondern derjenige, der auf die Probleme dieser Aussage hinweist?

    Das ist ja schon komödienreif!

    Per Definition ist eine Vollständige Beschreibung ausgeschlossen.

    Wieso das denn nun? Es geht, begrifflich, um zwei Mengen: (1) die Menge aller psychischen Beschreibungen und (2) die Menge aller neurophysiologischen Beschreibungen.

    Selbst wenn eine oder beide Mengen unendlich groß sind, ließe sich (zumindest logisch) die eine immer noch auf die andere abbilden, etwa über Brückengesetze (i.d.R. meint man ja die Abbildung von (1) auf (2)). Das nennt man in der Fachsprache dann Reduktion.

    Wie wahrscheinlich dieses Projekt empirisch ist, darüber streiten sich die Geister, schon seit Jahrzehnten, ja selbst Jahrhunderten!

    Meiner Wahrnehmung nach bewegen sich die Wissenschaften eher auseinander. Alles wird immer komplexer. So gut wie gar nichts wird reduziert. Selbst die klassischen Fälle von Reduktionen entpuppen sich bei genauer Analyse in der Regel als Idealisierungen.

    Das Drama ist, dass so viele Reduktionisten, weil das eben eine Zeit lang dem Zeitgeist entsprach, ihre Hausaufgaben nicht machen. Werfen Sie mir also nun bitte nicht vor, ich würde es mir zu einfach machen!

  65. @Stephan Schleim:
    “Beide Aussagen sind, jedenfalls beim heutigen Kenntnisstand, nicht als wahr erwiesen, nicht einmal wissenschaftlich zwingend.”

    Nun Einsteins Relativitätstheorie hat sich bisher auch nicht als wahr erwiesen, sondern nur als höchstwahrscheinlich wahr. Mehr ist in der Wissenschaft eh nicht möglich. Diese Aussage ist für die Betrachtung und Diskussion also irrelevant.

    Die Frage ist daher, welche Theorie kann die beobachtbare Realität am genausten und widerspruchfreisten beschreiben?
    Die Kontrollmethode ist hierfür das Experiment (statistisch signifikante und reproduzierbare Resultate).

    Die “Beiden Aussagen” haben da eindeutig mehr Pluspunkte gesammelt als alle anderen Theorien.

  66. @Stephan Schleim:

    “Selbst wenn eine oder beide Mengen unendlich groß sind, ließe sich (zumindest logisch) die eine immer noch auf die andere abbilden, etwa über Brückengesetze (i.d.R. meint man ja die Abbildung von (1) auf (2)). Das nennt man in der Fachsprache dann Reduktion.”

    Reduktion also. Das Wort passt irgendwie so gar nicht zu ihrer Forderung:

    “Ich kaufe dir deine Position genau dann ab, wenn du all(!) diese Vorgänge vollständig(!) neurophysiologisch beschreiben kannst.”

    Die von ihnen gesetzten Ausrufezeichen scheinen auch nicht gerade für eine Reduktion zu sprechen.

    “Werfen Sie mir also nun bitte nicht vor, ich würde es mir zu einfach machen!”
    Das bezog sich nur auf die zitierte Forderung von ihnen.

  67. @Stephan Schleim, zur Metaphysik an @Balanus;
    Die Aussage “psychische Vorgänge lassen sich vollständig als Hirnvorgänge beschreiben” ist doppeldeutig. Das Adjektiv “vollständig” lässt sich auf die Menge der psychischen Vorgänge oder auf jeden einzelnen Vorgang beziehen. Beides lässt sich nicht bestimmen, insofern kann man die Aussage als metaphysisch und unwissenschaftlich auffassen. Man darf sie aber als wissenschaftliche Hypothese akzeptieren, denn für Alternativen oder Widerlegungen gibt es keine nachweisbaren Indizien. Der “Materialismus” (oder Naturalismus), im Sinne naturwissenschaftlicher, speziell hirnphysiologischer Erklärungen psychischer und mentaler Phänomene, hat daher eine begründbare Prämisse und Grundlage. Allein der Materialismus bietet die Möglichkeit, sowohl top-down- als auch bottom-up-Forschung zu betreiben und zu nutzbaren und sinnvollen Resultaten zu kommen, besonders für die neurologische Medizin.

    Dabei sind auch philosophische Überlegungen, insbesondere die semantische Analyse der historisch entstandenen und phänomenalen Begriffe, durchaus notwendig. “Geist” bezeichnet ein Bündel entsprechender, biologisch zusammenhängender Phänomene, keine eigenständige oder unabhängige Entität. Die spekulative Suche nach über- oder außernatürlichen Erklärungen bleibt erfolglos und führt ins Nichts. Andererseits ist es unnötig und unsinnig, die unzweifelhaft wahrnehmbaren und intersubjektiv mitteilbaren Phänomene begrifflich zu leugnen oder zu eliminieren.

  68. @tobmat: Philosophie und Wissenschaft

    Die Frage, ob die Teilsprache A auf die Teilsprache B reduziert wurde, lässt sich aber nicht im Experiment entscheiden; sie ist an bestimmte (Wahrheits-)Bedingungen gebunden und an ein bestimmtes Verständnis von Reduktion.

    Daher hinkt auch Ihr Vergleich mit (einer von) Einsteins Relativitätstheorien: Da geht es meinem Verständnis nach um Beziehungen in der Natur, nicht um Beziehungen zwischen Aussagen.

  69. @tobmat: P.S. Reduktion

    Reduktion also. Das Wort passt irgendwie so gar nicht zu ihrer Forderung:

    “Ich kaufe dir deine Position genau dann ab, wenn du all(!) diese Vorgänge vollständig(!) neurophysiologisch beschreiben kannst.”

    Die von ihnen gesetzten Ausrufezeichen scheinen auch nicht gerade für eine Reduktion zu sprechen.

    Ich kann Ihnen nicht folgen.

    Was soll denn Ihrer Meinung nach die (vollständige!) Reduktion der Psychologie auf die Neurophysiologie anderes bedeuten als die Aussage, (alle!) Sätze der Psychologie in Sätzen der Neurophysiologie ausdrücken zu können?

    Wenn Ihnen diese Formulierung nicht gefällt, dann bleiben wir meinetwegen bei der Idee einer (vollständigen) Abbildung psychologischer Sätze auf neurophysiologische Sätze.

  70. @ Stephan Schleim: Blog-Regeln

    Ich trete hier aber aus prinzipiellen Gründen nicht als Moderator auf.(…) Wenn die Leute lieber ihre eigenen Regeln anwenden, dann können sie das auch ohne mich machen.

    Tja, das klingt gut, und passt auch gut in unsere Zeit: Möglichst keine Hierarchien, keine Strukturen, sondern alle Elemente gleichberechtigt auf einer Ebene versammelt .

    Funktioniert ganz gut in der Kunst – blaue Pferde, aufgelöste und neu zusammengesetzte Gesichtskonturen, Pop-Art .. oder in der Musik: Zwölfton und atonal …
    Funktioniert sogar gut in den Naturwissenschaften, sofern es die Quantenmechanik betrifft oder die Gene …
    Sollte also doch auch beim Menschen funktionieren – alle auf einer Ebene gleichberechtigt versammelt.
    Wenn da nicht das Größenordnungsproblem wäre – und die Tatsache, dass auch Elementarteilchen und Gene zur Strukturbildung neigen, sie damit Regeln folgen und sich das Verhalten mit der Zunahme von Komplexität ändert.

    Das ist bei den Menschen nicht anders. Klar wollen alle Freiheit und Gleichheit und Rechte, wenn auch nicht unbedingt Verantwortung. Aber wenn alle gleich sind, dann braucht man Verantwortung auch nicht, denn dann sind alle Schuld oder keiner – oder der Sündenbock, der dagegen anstinkt.
    Andererseits wollen Menschen eben doch Struktur oder so etwas wie Orientierung, ansonsten ist es mit der Gleichheit und den Rechten ganz fix vorbei.

    Und dass es mit den Ordnungen und der Orientierung so funktioniert, da haben wir in Ihrem Blog ein Beispiel: Als ich hier zum ersten Mal mitgeschrieben habe, hatten Sie mich willkommen geheißen. Ich fand’s nett, dass mit ein Blog-Teilnehmer begrüßt, hatte mich auch noch bedanken wollen, es aber bis zum Ende meines Beitrages vergessen. Sorry, aber als Blog-Betreiber hatte ich Sie nicht wahrgenommen. Und deshalb war ich doch etwas perplex, als Herr Balanus meinen Lapsus beanstandete – bis ich merkte, warum.
    Vielleicht hätte er sich auch aufgeregt, wenn Sie tatsächlich “nur” ein Teilnehmer gewesen wären – aber hätten Sie mich dann auch begrüßt? Aber sehen Sie, er hat Sie eben auch nicht nur als Teilnehmer gesehen, sondern von “Ihrem” Blog gesprochen

    Heißt, es ist Ihre Entscheidung, nicht die der Kommentatoren: Entweder “Mein Blog – meine Regeln” oder “Anything goes and shit happens”. Wenn Sie Letzteres wollen, dürfen Sie sich nicht beklagen, wenn die Leute wild durcheinander schreiben. Denn dann haben Sie auch keinen Spaß mehr an der Sache.

  71. @ Stephan Schleim: Lernen und psychisches Phänomen

    “Vielleicht wollen Sie jetzt sagen, das sei eben nur so salopp in einem Interview dahingesagt…”

    Nein, will ich nicht, so etwas ist primitiv.
    Ich gebe zu, das Zitat hatte ich nicht mehr im Kopf – ich hatte das Interview auch nicht gelesen -, sondern mich auf sein Buch bezogen, das ich sehr wohl gelesen habe.
    In diesem Interview hat er das psychische Phänomen Lernen aber auch an einem Beispiel beschrieben, nämlich mit der Verhaltensänderung, die mit dem Lernprozess einhergeht.

    Im Buch hat er am Beispiel des assoziativen Netzes (Verknüpfung von Eingangsneuronen mit Ausgangsneuronen) gezeigt, wie klassisches Konditionieren funktioniert, nämlich indem man zwei diskrete Reize – einen neutralen und einen unbedingten – mehrfach zum gleichen Zeitpunkt in das Netz einleitet. Durch die Wiederholung wird die Verbindung zwichen den Neuronen enger, das Netz dichter, und wenn man dann den neutralen Reiz allein eingibt, verhält sich das Netz dennoch so, als sei auch der unbedingte Reiz mit eingeleitet worden. Das könnte man schon als psychisches Phänomen bezeichnen.
    Auch wenn ich Lernen als als menschliche Tätigkeit nicht gerade als psychisches Phänomen bezeichnen würde.

  72. “Die Frage, ob die Teilsprache A auf die Teilsprache B reduziert wurde, lässt sich aber nicht im Experiment entscheiden”

    Wenn die Reduzierung einer zu Grunde liegenden Logik folgt ist das experimentell aufzeigbar. Wenn man die Logik kennt, kann man damit Vorhersagen treffen welche Ergebnisse die Reduktion tatsächlich liefert und dann in der Realität schauen ob das auch so eingetreten ist.
    Zumindest gehen Sprachforscher so vor.
    So kann man experimentell ermitteln ob die angenommene Logik stimmt oder nicht.

    “Daher hinkt auch Ihr Vergleich mit (einer von) Einsteins Relativitätstheorien: Da geht es meinem Verständnis nach um Beziehungen in der Natur, nicht um Beziehungen zwischen Aussagen.”

    Der Vergleich hinkt nicht da die Bezugsgröße (Aussagen oder Natur) keine Rolle spielt in dem Beispiel. Es geht in dem Beispiel nur darum aufzuzeigen das es einen echten Beweis (Wahrheit) außerhalb der Mathematik nicht gibt.
    Hintergrund ist, das Menschen nicht in der Lage sind genügend Informationen zu sammeln um auch nur beurteilen zu können, ob sie denn alle notwendigen Informationen haben für die von ihnen geforderte Vollständigkeit.

    Wahrheit und Vollständigkeit können immer nur näherungsweise erreicht werden. Daher ist ihre Forderung unmöglich zu erfüllen.

    Für weitere Ausführungen zum Thema empfehle ich Karl Popper´s Arbeiten zur Wissenschaftstheorie.

    Nur als Hinweis: Ihre Forderung um die es hier geht bezog sich auf die Natur. Außer menschliches Verhalten ist für sie kein Teil der Natur mehr. 😉

  73. @ Stephan Schleim:

    “Was soll denn Ihrer Meinung nach die (vollständige!) Reduktion der Psychologie auf die Neurophysiologie anderes bedeuten als die Aussage, (alle!) Sätze der Psychologie in Sätzen der Neurophysiologie ausdrücken zu können?”

    Ich glaube wir reden aneinander vorbei.
    In ihrem Kommentar schreiben sie von “all diesen Verhaltensweisen” und nicht von Sätzen der Psychologie. Der Begriff Verhaltensweisen ist sehr viel weiter gefasst und damit erhält auch der Begriff “vollständig” eine ganz andere Größenordnung.

  74. @Stephan — Metaphysik?

    »Es geht mir nicht um Metaphysik, …«

    Mir auch nicht. Deshalb sage ich auch nicht, dass psychische Vorgänge „nichts anderes“ sind als Hirnvorgänge. Eine Formulierung wie „nichts anderes als“ erscheint mir wissenschaftlich ziemlich fragwürdig, zumindest im genannten Zusammenhang.

    »Ich kaufe dir deine Position genau dann ab, wenn du all(!) diese Vorgänge vollständig(!) neurophysiologisch beschreiben kannst.«

    Meine Position ist trivialerweise nach wie vor die, dass sämtliche psychologische Vorgänge eines Individuums auf dessen Hirnaktivitäten zurückzuführen sind (gewissermaßen als vernünftige Arbeitshypothese). Das heißt, bevor ein psychologischer Vorgang in Erscheinung treten kann, müssen im Gehirn diverse neurophysiologischen Aktivitäten stattgefunden haben.

    Niemals käme ich auf die absurde (irrige) Idee, psychologische Vorgänge mit neurophysiologischen Begriffen beschreiben zu wollen. Ich mag kaum glauben, dass derartiges tatsächlich von manchen Philosophen gefordert wird, etwa damit sie psychologische oder geistig-seelische Vorgänge* unabhängig von den zugrundeliegenden Hirnaktivitäten betrachten können.

    —-
    * Mit „geistig-seelischen Vorgängen“ sind solche gemeint, die sich in beobachtbaren Aussagen, Gesten, Handlungen usw. äußern (also keine subjektiven Sinneserlebnisse oder Empfindungen).

  75. @Balanus: Selbstwiderspruch

    Meine Position ist trivialerweise nach wie vor die, dass sämtliche psychologische Vorgänge eines Individuums auf dessen Hirnaktivitäten zurückzuführen sind (gewissermaßen als vernünftige Arbeitshypothese).

    Niemals käme ich auf die absurde (irrige) Idee, psychologische Vorgänge mit neurophysiologischen Begriffen beschreiben zu wollen.

    Wunderbarer Widerspruch! Du willst wissen, psychische Prozesse auf Hirnprozesse zurückführen zu können, ohne erstere als letztere beschreiben zu können? Das ist balanesische Zauberei!

    Wie willst du dich denn den Psy-Neuro-Prozessen nähern, ohne sie zu beschreiben? Vielleicht durch besinnliche Introspektion?

    Der Witz ist, dass du eben doch metaphysisch spekulierst, ohne dir dessen bewusst zu sein. Deshalb hält sich der Irrtum auch so hartnäckig.

  76. @tobmat: Hausaufgaben; Popper

    Ich glaube wir reden aneinander vorbei.
    In ihrem Kommentar schreiben sie von “all diesen Verhaltensweisen”…

    Wir reden wirklich aneinander vorbei. Sie sind nämlich der erste und bisher einzige, der hier von “Verhaltensweisen” spricht.

    Noch zu meiner Aussage: Die Frage, ob die Teilsprache A auf die Teilsprache B reduziert wurde, lässt sich aber nicht im Experiment entscheiden.

    Und Ihrer Reaktion:

    Wenn die Reduzierung einer zu Grunde liegenden Logik folgt ist das experimentell aufzeigbar. Wenn man die Logik kennt, kann man damit Vorhersagen treffen welche Ergebnisse die Reduktion tatsächlich liefert und dann in der Realität schauen ob das auch so eingetreten ist.
    Zumindest gehen Sprachforscher so vor.

    Dank der Kritik am Verifikationismus wissen wir – jetzt seit so rund 50 Jahren oder länger? –, dass sich Allaussagen nur widerlegen, nicht beweisen lassen. Das hat auch mit dem Popper so stark behaupteten Induktionsproblem zu tun.

    Sie können formal beweisen, ob A auf B reduziert ist. Experimentelle Beobachtungen fügen dann nichts zu, um diesen Beweis zu bestätigen. Sie können allerdings experimentell aufzeigen, dass die Reduktion nicht funktioniert (dass also ein Satz in A nicht auf einen Satz in B reduziert werden kann).

    Denken wir einmal weiter, was ein Reduktionist dann täte (wie es in der Praxis auch geschieht): Er würde wohl sagen, dass wir noch weiter forschen müssten oder eine bessere Methoden benötigen, anstatt einzuräumen, dass die Reduktion nicht funktioniert. Das Problem ist: Vielleicht hätte er damit sogar recht.

    Die Schlussfolgerung ist, dass die Wissenschafteben eben nicht so funktionieren, wie Popper sich das vorgestellt hat (mit Voraussagen und Falsifikationen). Theorien, die heute falsifiziert werden, können sich morgen als bestätigt erweisen.

    Ihr Verweis auf Popper ist aber auch deshalb problematisch, weil er eben 1) die Induktionslogik stark kritisiert hat und übrigens 2) auch den Materialismus kritisierte und (zusammen mit dem Neurowissenschaftler John Eccles) einen Substanzdualismus vertreten hat (eigentlich ein Trialismus––aber lassen wir das beiseite).

    Wir können vorerst nur festhalten, dass die Psychologie nicht auf die Neurophysiologie reduziert ist und all anderslautenden Aussagen daher spekulative Metaphysik sind.

  77. @Trice: Regeln

    Ich habe die Regeln hier doch wiederholt in einem Appell formuliert und bekannt gemacht, dass, wer sich an einer guten Diskussionskultur beteiligen will und mit mir diskutieren will, bitte daran halten möge.

    Darum muss ich aber doch nicht Polizei spielen und “Verstöße” ahnden. Gerade unter meiner Prämisse, dass Menschen (in bestimmten Grenzen) eigenverantwortliche Wesen sind, kann ich der Diskussion dann freien Lauf lassen.

    Davon abgesehen können Leute ja auch ohne mich miteinander diskutieren und dann meinetwegen so oft von der Antworten-Funktion gebrauch machen, wie sie wollen.

    Übrigens halten sich seit meiner Bemerkung einige an die Regel, auch ohne dass ich sie mit technischen Mitteln erzwinge.

  78. @Stephan Schleim:

    “Wir reden wirklich aneinander vorbei. Sie sind nämlich der erste und bisher einzige, der hier von “Verhaltensweisen” spricht.”

    Entschuldigen sie mein fehlerhaftes Zitat. Sie sprache natürlich von Vorgängen.
    Meinten sie mit “all (!) diesen Vorgängen” psychologische Sätze? Das kommt leider nicht rüber.

    “Experimentelle Beobachtungen fügen dann nichts zu, um diesen Beweis zu bestätigen.”

    Da liegen sie falsch. Zwar kann kein Experiment je den Beweis zu 100% bestätigen. Das ist ausgeschlossen. Aber experimentelle Beobachtungen können das wissenschaftliche Vertrauen in diesen “Beweis” oder besser Hypothese erhöhen. Und zwar soweit das man von einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis sprechen kann.
    Und so gilt eine Hypothese die viele Falsikfikationstests, am besten experimentelle, bestanden hat, als wahrscheinlicher wahr, als eine Hypothese die weniger Tests bestanden hat oder noch gar keinem Test unterzogen wurde.

    “Theorien, die heute falsifiziert werden, können sich morgen als bestätigt erweisen.”
    Das ist kein Widerspruch zu Popper und war Popper auch bewusst. Er unterschied daher die logische von der praktischen Falsifizierbarkeit. In ihrem Beispiel (bessere Methoden benötigt) scheitert es an letzterer und daher muss die Hypothese nicht zwingend verworfen werden.
    Man steckt sie aber sprichtwörtlich in die Schublade zu all den anderen bis die Methoden verbessert wurden.

    “Ihr Verweis auf Popper ist aber auch deshalb problematisch, weil er eben 1) die Induktionslogik stark kritisiert hat und übrigens 2) auch den Materialismus kritisierte ”

    1) sehe ich nicht als Problem an. Selbst wenn seine Extremposition Induktion ist eine Illusion) falsch wäre, so ändert das nichts daran das auch induktive Aussagen nicht beweisbar sind und für sie die gleichen Regeln (nach Popper) gelten wie für alle Hypothesen.

    2) ist auch kein Problem. Ich beziehe mich ja auf seine Arbeiten zur Falsifikation (Wissenschaftstheorie). Dem stehen sein Arbeiten zum Substanzdualismus nicht im Wege.

    “Wir können vorerst nur festhalten, dass die Psychologie nicht auf die Neurophysiologie reduziert ist und all anderslautenden Aussagen daher spekulative Metaphysik sind.”
    Das ist eine Nullaussage. Es gibt niemanden der eine solche Aussage gemacht hat.
    Es gibt nur die Aussage die vollständige Reduktion ist möglich.

  79. @Stephan Schleim Regeln

    Wäre es nicht besser jedem Blogeintrag die wichtigsten Blog-Regeln anzufügen?
    Da sie in jedem Blog anders gehandhabt werden und man sie nirgendwo findet, führt das natürlich bei neuen Kommentatoren zu einiger Verwirrung. Was sich dann in der Unüberscihtlichkeit zeigt.

  80. @Stephan Schleim: Regeln und Konsequenzen

    Ich habe nicht erwartet, dass es doch so schwierig sein könnte, den Unterschied zwischen Regeln und konsequentem und Regeln und autoritärem Verhalten deutlich zu machen. Selbstverständlich halten sich einige Kommentatoren an Ihre Bitte – eben weil sie Ihre Autorität anerkennen – und Ihre Bitte gelesen haben.
    Es ist aber nicht fair denen gegenüber, die sich diesmal an der Diskussion nicht beteiligt haben oder denen, die Neueinsteiger sind, wenn Sie keine Regeln aufstellen wollen, dann aber irgendwo zwischendrin schreiben, dass Sie auf das Antworten-Durcheinander nicht mehr eingehen und Sie ja schon mehrfach appelliert hätten. Woher sollten die es denn wissen?

    Und dann: Nur weil Sie Regeln aufstellen und darauf hinweisen, dass Sie dies auch konsequent durchziehen, spielen Sie noch nicht Polizist*. Sie könnten ja auch einen gesonderten Beitrag zu diesem Thema eröffnen, Vorschläge machen und um Vorschläge bitten und daz diskutieren lassen.

    Nur nebenbei: ich habe 17 Jahre lang eine Selbsthilfe-Gruppe geleitet, das geht nicht ohne Regeln. Und eine davon hieß: alles, was hier besprochen wird, bleibt hier und wird nicht nach außen getragen. In diesen 17 Jahren hat nur einmal jemand dagegen verstoßen, der von mir daraufhin ausgeschlossen wurde. Es waren alle einverstanden, auch weil die Regel sie schützte. Ich weiß also, wovon ich rede, ok?

    * Ich finde es auch nicht fair, eine Berufsgruppe abzuwerten, der die Aufgabe zukommt, die Bundesregierung bei der Um- und Durchsetzung der vom Bundestag und Bundesrat beschlossenen Gesetze zu unterstützen. Hätte der Begriff Polizist die negative Konnotation, die mit “Polizist spielen” unterstellt wird, er hätte als Beruf keinen Platz in unserer Demokratie.

  81. @Balanus, Stephan Schleim : psychologische Vorgänge??

    Entschuldigung, wenn ich dazwischengrätsche, aber was bitte sind psychologische Vorgänge?
    Psychische Vorgänge – ok; geistig-seelische Vorgänge, auch ok; psychologisch relevante ebenfalls – nur bei psychologischen Vorgängen – die Psychologie betreffende Vorgänge – stehe ich momentan auf dem Schlauch:
    Was ist gemeint?

    Und das:
    ” Das heißt, bevor ein psychologischer Vorgang in Erscheinung treten kann, müssen im Gehirn diverse neurophysiologischen Aktivitäten stattgefunden haben.”

    bitte nicht, auch nicht, wenn gemeint ist, einen psychischen Vorgang auf Hirnaktivitäten zurückzuführen. Damit würde ein kausaler Zusammenhang behauptet, der nicht gegeben ist.

  82. @Trice
    “bitte nicht, auch nicht, wenn gemeint ist, einen psychischen Vorgang auf Hirnaktivitäten zurückzuführen. Damit würde ein kausaler Zusammenhang behauptet, der nicht gegeben ist.”

    Können sie denn zeigen, das der kausale Zusammenhang nicht gegeben ist?
    Und wenn er nicht gegeben ist, was ist dann eigentlich Hirnaktivität?

  83. @Trice – psychische vs. psychologische Vorgänge

    Ich für meinen Teil meine mit „psychologische Vorgänge“ die intersubjektiv beobachtbaren Verhaltensäußerungen (die z. B. ein Psychologe begutachten kann).

    Demgegenüber werden „psychische Vorgänge“ subjektiv erlebt und können nicht (direkt) Gegenstand psychologischer Gutachten sein.

    So in etwa.

  84. @Stephan – Unbewusstes metaphysisches Spekulieren

    Also, ich denke nicht, dass ich das tue. Spekulieren schon, das gehört zum Geschäft, aber immer auf einer vernünftigen wissenschaftlichen Grundlage.

    Vielleicht wird meine Position klarer am Beispiel der Arbeit des oben (unten?) erwähnten Volker Sturm (Link zum Stern-Interview). Der behandelt (oder hat behandelt) u. a. Zwangskranke. Diese Art von Störungen beschreibt man sinnvollerweise mit den Begriffen der Psychologie oder Neurologie. Effektiv behandeln kann man sie, wenigstens zum Teil, mittels neurophysiologischer Methoden. Was bei der Behandlung vor sich geht, wie sie wirkt und warum sie überhaupt wirken kann, beschreibt man am besten mit den Begriffen der Neurophysiologie (das sage ich jetzt mal so, ich bin je weder Neuro-/Psychologe noch Neurowissenschaftler).

  85. @Balanus: psychische vs. psychologische Vorgänge

    Danke, :-).
    Aber auch dann findet, was als Vorgang beobachtbar ist, zeitgleich mit der neuronalen Aktivität statt. Subjektives Empfinden und affektives Verhalten lassen sich nicht auf bereits stattgefunden habende Aktivitäten zurückführen.

  86. @tobmat: Vorgänge und Kausalität

    Ein psychischer Vorgang ist – wie Balanus schrieb – etwas, das subjektiv erlebt wird. Dagegen ist Hirnaktivität ein neurophysiologischer Vorgang, der nicht erlebt werden kann. Beides ist also nicht dasselbe.

    Um zu zeigen, dass kein kausaler Zusammenhang besteht, müsste ich hier die Formeln für die beiden Vorgänge hinschreiben, was nichts bringt, und mir außerdem das Spezialgesetz fehlt, mit dem der Zusammenhang zwischen beiden beschrieben werden kann. Das logische UND reicht da nicht einmal annähernd aus.

  87. @Trice – Time lag

    »Aber auch dann findet, was als Vorgang beobachtbar ist, zeitgleich mit der neuronalen Aktivität statt.«

    Mir genügen wenige Millisekunden Differenz, um die These von der Zeitgleichheit zwischen Hirnaktivität und beobachtbarem Verhalten verwerfen zu können. Diese Zeitgleichheit wird allein schon die begrenzte elektrische Leitungsgeschwindigkeit der (efferenten) Nervenbahnen verhindert.

  88. @Trice – Nexus zwischen Hirnaktivität und Empfindung.

    Ob man diesen Nexus „kausal“ nennen kann, weiß ich nicht. Kausalität ist ohnehin ein etwas schwieriger Begriff, und wenn dann noch ein Wechsel von der physischen auf die psychische Ebene stattfindet, dann wird er vollends fragwürdig.

    Aber wie auch immer, der Zusammenhang zwischen psychischem Erleben und den neuronalen Prozessen ist evident. Hier könnte man vermutlich von Zeitgleichheit reden: manche neurophysiologischen Vorgänge gehen einher mit (oder werden begleitet von) psychischem Erleben. Das ist dann m. E. schon so, als ob die subjektiven Empfindungen von den neuronalen Aktivitäten verursacht würden.

  89. @Balanus;
    So schwierig ist es auch wieder nicht mit dem Nexus. Verhaltensvorgänge sind Muskelaktivitäten, psychische und mentale Vorgänge sind Nervenaktivitäten. Die Erregung der Muskeln braucht einige Millisekunden für die Übertragung der Nervensignale vom motorischen Zentrum (oder Sprachzentrum) zu den neuromuskulären Endplatten. Hier gibt es eindeutig physiologische Kausalitäten. Ein anderes Thema sind die subjektiven Gefühle, die Gedanken und die phänomenalen Inhalte des Bewusstseins. Hier ist die Zeitgleichheit gegeben und hier kommt der Monismus, bzw. die Identitätstheorie ins Spiel. Deshalb haben Dualisten hier das Problem mit der Kausalität, sowohl vom Mentalen zum Physischen als auch umgekehrt. Hier wäre der Eigenschaftsdualismus zu erwähnen. Das Problem für alle Dualisten ist das Prinzip von der kausalen Geschlossenheit der physikalischen Welt.

    Das Stichwort dafür ist das Bieri-Trilemma (Wiki):

    Als „Bieri-Trilemma“ wird gelegentlich eine Formulierung des Leib-Seele-Problems bezeichnet. Das Bieri-Trilemma wurde 1981 von dem Berner Philosophen und Schriftsteller Peter Bieri in dem Buch Analytische Philosophie des Geistes ausgearbeitet. Bieris Argument bezieht sich auf das Problem der mentalen Verursachung:

    1. Mentale Phänomene sind nichtphysikalische Phänomene.
    2. Mentale Phänomene sind im Bereich physikalischer Phänomene kausal wirksam.
    3. Der Bereich physikalischer Phänomene ist kausal geschlossen.

    Das Trilemma besteht darin, dass immer nur zwei der drei Sätze wahr sein können.

  90. @anton reutlinger – Kausale Geschlossenheit der physikalischen Welt.

    Das scheint für einen gestandenen Dualisten wie etwa Uwe Meixner kein größeres Problem zu sein.

    Ich zitiere aus einem Review seines Buches „The Two Sides of Being: A Reassessment of Psycho-Physical Dualism“ (Mentis, 2004):

    Meixner isolates one other central mistake that runs through a large number of anti-dualist arguments: it’s the thought that, given the causal closure of the physical, mentality—dualistically conceived—cannot play a causal role in the physical world. But, according to Meixner, this is a simple mistake. Causal overdetermination is unproblematic. He briefly presents his account of “nomologically psycho-physically coordinated causation.” The extended argument for this view is presented in his book on causation, Theorie der Kausalität, (Mentis: Paderborn 2001).

    (Quelle: http://ndpr.nd.edu/news/23839-the-two-sides-of-being-a-reassessment-of-psycho-physical-dualism/)

    Wenn ich das recht verstehe, dann sind mentale und physikalische Phänomene irgendwie gesetzmäßig miteinander verbunden.

    Vielleicht kann Stephan Schleim (oder sonst wer) etwas dazu sagen, denn ich kann mir unter einer „nomologisch psycho-physikalisch koordinierten Kausation“ rein gar nichts vorstellen.

  91. @ Herr Schleim :

    Davon abgesehen können Leute ja auch ohne mich miteinander diskutieren und dann meinetwegen so oft von der Antworten-Funktion [G]ebrauch machen, wie sie wollen.

    Übrigens halten sich seit meiner Bemerkung einige an die Regel, auch ohne dass ich sie mit technischen Mitteln erzwinge.

    Dieses ‘Erzwingen’ geht jetzt also doch mit ‘technischen Mitteln’?
    Falls ja, sollten Sie erzwingen.
    Folge-Nachrichten von Ihnen betreffend, Sie ahnen sicherlich warum. [1]

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Viele kennen diese Ihrige Bitte / Regel ja gar nicht.
    Außerdem:
    Im Web wird am besten selektiv konsumiert und kommuniziert, strukturierte Feedback-Einheiten sind sequentiellen deutlich vorzuziehen, denn nicht jeder will “jeden Mist” lesen.
    Sequenzialität zu fordern widerspricht insofern der Idee des Webs (“Netz”).
    Was natürlich nicht heißt, dass dies verwerflich ist, keineswegs.

  92. BTW und zur “Kausalität”:
    Kausalität kann wahlfrei festgestellt werden, wenn Korrelationen vorliegen.
    Es gibt hierzu zwar Ratschläge, aber keine festen Regeln.

  93. @ Balanus: Kausalität und Nexus zwischen Gehirnaktivität und bewusstem subjektiv Erlebten

    Was die Schwierigkeit des Begriffs Kausalität angeht, liegt die nur darin, was Thomas Fischbacher* einmal wie folgt beschrieben hat:
    ” Es gibt Beobachtungen, die so tief in unserer Alltagserfahrung verwurzelt sind, dass es als große Leistung angesehen werden muss, überhaupt erst den Gedanken formulieren zu können, dass es sich hierbei nicht um Selbstverständlichkeiten handelt und die Welt im Prinzip auch ganz anders funktionieren könnte.”

    Immerhin sind ja schon Philosophen wie David Lewis zu dieser Frage und auf diesen Gedanken gekommen. Seine “Mögliche-Welten”-Theorie liefert die Anwort auf die Frage, was Kausalität ist, allerdings auch nicht.

    Der Zusammenhang zwischen neuronaler Aktivität und subjektivem Empfinden ist zweifelsfrei gegeben, er ist nur (so noch) nicht kausal. Dazu fehlt noch etwas. Wenn Sie Mackies INUS-Bedingungen und sein Konzept der Multikausalität kennen, dann kennen Sie auch seine Aussage, dass zwei Arten von Bedingungen gegeben sein müssen, damit eine Wirkung erfolgen kann: eine nicht hinreichende, aber notwendige Bedingung in Verbindung mit zusätzlichen Komponenten. Hirnaktivität allein ist also nicht hinreichend, allerdings notwendig, um subjektives Empfinden zu bewirken.

    Was dann allerdings schwierig ist, auch wenn man die zusätzlichen Bedingungen kennt, ist der Nexus zwischen ihnen und der Hirnaktivität, und seine Formalisierung.

    Jedenfalls gilt, was Esfeld** beschrieb:
    “Kausalaussagen (…) sind letztlich wahr aufgrund von etwas, das selbst keine Ursache-Wirkungs-Beziehung ist.”
    Ohne dieses “etwas” bleibt Kausalität allerdings schwierig.

    * Thomas Fischbacher: Der Zeitpfeil. In: Seemüller, Baudson, Dresel (Hrsg. 2009): Zeit in Wissenschaft, Philosophie und Kultur. Publikation des MinD-Hochschul-Netzwerkes. Stuttgart Hirzel-Verlag, S. 23

    ** Michael Esfeld(2007): Kausalität. In: Bartels & Stöckler (Hrsg:) Wissenschaftstheorie. Ein Studienbuch. Paderborn: Mentis (S. 89-107)

  94. @ Trice :

    Lassen Sie sich gerne gesagt sein, von einem, der in der Wirtschaft hundert- bis tausendfach dbzgl. festzustellen hatte, dass Kausalität wahlfrei festgestellt wird von erkennenden Subjekten, die sich um ihr Fortkommen bemühen, gerne sich auch auf Korrelationen berufend, also Datenlagen bzw. Abfragen auf diese meinend.

    “Kausalität” meint Erkenntnis und diese obliegt in ihrer Feststellung sogenannten Erkenntnissubjekten.

    Wobei sich Ihr Kommentatorenfreund natürlich nur am Rande eingemischt hat.
    Letztlich geht es hier auch um die uralte Frage, ob der Stein, der in der sich nach unten öffnenden Hand fallen wird, oder auch nicht und warum genau.
    Ihr Kommentatorenfreund hat sich dbzgl. vor vielen Jahren mit einem auseinandergesetzt, der mittlerweile auch als renommiert die mathematische Logik vertritt, ohne jetzt i.p. Autoritätsargument irgendwie punkten zu wollen, die Antwort ist: “It depends.”

    MFG
    Dr. Webbaer

  95. Dr. Webbaer schrieb (16. Juni 2016 23:37):
    > dass Kausalität wahlfrei festgestellt wird von erkennenden Subjekten,

    Das korreliert jedenfalls gut mit dem Interesse, das sich gegenwärtig gerade auch in diesem SciLog äußert, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie denn solches Wählen (einschl. eventuell damit verbundener Freiheiten) insbesondere von menschlichen Hirnen bzw. Bäuchen implementiert ist.

    > die sich um ihr Fortkommen bemühen

    Ganz bestimmt; denn verschiedene Wahlen (Einsichten, Erwartungen) hinsichtlich Kausalität können wiederum verschiedene Verträge bzw. Wetten nahelegen, die schließlich wiederum zu verschiedenen Erträgen bzw. Einbußen verpflichten können.

    > gerne sich auch auf Korrelationen berufend

    Und unter ganz besonderer Berücksichtigung von: Reihenfolge.

    > Letztlich geht es hier auch um die uralte Frage, ob der Stein, der in der sich nach unten öffnenden Hand fallen wird, oder auch nicht und warum genau. […] “It depends.”

    Nicht zuletzt daher ja der (wahlweise?) Vorrang von Geometrie/Kinematik vor Dynamik/Euler-Lagrange-Heisenberg-Yang-Mills-(… Mannheim …)-scher Variationsrechnung.
    Und das Bemühen gewisser Zeitgenossen, nachvollziehbar-vertrausenswürdige Feststellungen hinsichtlich von Begriffen wie “nach unten” (oder: “nach oben”, oder ansonsten: “Potential-frei”) zu treffen; d.h. ohne sich dabei auf eventuell schon öfter unzuverlässige Steine (oder andere Vögel) verlassen zu müssen.

  96. Ja, der unzuverlässige, böse Stein, werter Herr Wappler, …
    Vielen Dank für diese verständliche Nachricht,
    MFG
    Dr. Webbaer

  97. @Dr. Webbaer: “Kausalität”

    “dass Kausalität wahlfrei festgestellt wird von erkennenden Subjekten, die sich um ihr Fortkommen bemühen,”

    Das bestreite ich nicht, es hat aber mit dem, was ich meine, nur peripher zu tun.

    “Letztlich geht es hier auch um die uralte Frage, ob der Stein, der in der sich nach unten öffnenden Hand fallen wird, oder auch nicht und warum genau.”

    Es geht AUCH um diese Frage, insofern, als sie auch die Physik* betrifft. Sofern es das Kausalitätsproblem, und nur dieses, betrifft, lautet die Frage:
    Wenn sich in der Hand ein Stein befindet (nennen wir es Bedingung X) und dann, wenn die Hand sich nach unten hin öffnet (nennen wir es Bedingung Y), was wird sich dann (in der Konsequenz) als Wirkung (nennen wir dies Bedingung Z) ergeben?

    Die Frage, die sich damit stellt ist: Wenn dieser Vorgang in dieser Reihenfolge abläuft und er offenbar in der Realität auch nicht anders** ablaufen kann, was ist dann der Grund dafür, dass die Abfolge der Bedingungen nicht beliebig erfolgen kann?

    * Womit wir wieder bei Lewis, seinen kontrafaktischen Konditionalsätzen und seiner Mögliche-Welten-Theorie wären: die Eigenschaft p ist notwendig wahr, wenn in allen denkmöglichen Welten “etwas” (s.a. Esfeld) bzw. ein Wahrmacher existiert, das/der sie wahr macht; p ist unmöglich, wenn ein Wahrmacher in keiner aller denkmöglichen Welten existiert; p ist möglich, wenn ein Wahrmacher in einer bzw. in der aktualen Welt existiert.
    Wenn in unserer, der aktualen, Welt Kausalität als Eigenschaft (fundamentaler Zug?) existiert, lautet die nächste Frage: Welches ist ihr Wahrmacher?

    **Gedanklich kann sie natürlich auch so ablaufen: Wenn sich in der Hand ein Stein befindet (Bedingung X) und dann, wenn sich als Wirkung ergeben soll oder wird, dass er nach unten fällt (Bedingung Y), dann muss sich die Hand nach unten hin öffnen.
    Aber letztlich ist das nur eine Variante desselben Vorgangs.

  98. Wir sind übrigens immer noch beim Thema:

    “Die Rede ist vom ›Leib-Seele-Problem‹, bei dem es um die Frage geht, was Körper und Geist sind und wie sie miteinander in Beziehung stehen.”

    Auch wenn, bis zu einem gewissen Grad jedenfalls, erst einmal geklärt werden sollte, was genau mit Körper (Leib, Gehirn, neuronale Aktivität, usw) und was genau mit Geist (Seele, psychisches Empfinden, phänomenales Bewusstsein, usw) gemeint ist, brauchen wir den o.g. Wahrmacher, wenn wir die Art der Beziehung erklären wollen.

  99. @ Trice :

    Wenn sich in der Hand ein Stein befindet (nennen wir es Bedingung X) und dann, wenn die Hand sich nach unten hin öffnet (nennen wir es Bedingung Y), was wird sich dann (in der Konsequenz) als Wirkung (nennen wir dies Bedingung Z) ergeben?

    Die Frage, die sich damit stellt ist: Wenn dieser Vorgang in dieser Reihenfolge abläuft und er offenbar in der Realität auch nicht anders ablaufen kann, was ist dann der Grund dafür, dass die Abfolge der Bedingungen nicht beliebig erfolgen kann?

    Offensichtlich die Fragestellung.
    >:->

    Sie sind ja vom Fach, von einem Fach, von dem der Schreiber dieser Zeilen nicht viel versteht, sondern nur interessierter Laie ist, jeder ist ja bekanntlich in etwa so überall (bestenfalls) interessierter Laie, wie er fast überall Ausländer ist, also lassen Sie sich bitte nicht stören.

    Das mit den Wahrheitszuweisungen scheint korrekt angemerkt, etwas ist blau, wenn ein “Blaumacher” existiert, haha, ja, so ist das, die Wahrheit ist eine Eigenschaft, die wahlfrei zugewiesen werden kann, in der Natur existiert (“ist aus sich heraus, stellt sich aus sich heraus”) Wahrheit nicht.
    Wahrheit findet insofern besondere Berücksichtigung in der Tautologie (“Mathematik”, “Philosophie”, “Formalwissenschaft” und was es da sonst noch gibt), meint in diesem Fall die Widerspruchsfreiheit (“Kohärenz”) innerhalb eines gedachten Systems.

    MFG + schönes Wochenende schon einmal,
    Dr. Webbaer

  100. @Dr, Webbaer

    “Offensichtlich die Fragestellung.”

    Schon. Zumindest ist es die Frage, die erst einmal mir gestellt wurde, woraufhin ich sie übernommen habe, um sie zu beantworten. Ich sehe das Problem nicht …

    ” Sie sind ja vom Fach, (…) also lassen Sie sich bitte nicht stören.”

    Nicht doch.
    Erst mal: Wobei soll ich mich denn nicht stören lassen?

    Und dann: Ob ich vom Fach bin … Vom Fach bin ich, wenn es um ADHS geht. Was Kausalität betrifft, je nun, wenn man sich 15 Jahre lang mit einer Sache beschäftigt, morgens mit ihr aufsteht, abends mit ihr ins Bett geht und sie nachts, wenn man aufwacht, der erste Gedanke ist, der einem durch den Kopf geht, dann muss man deshalb, auch wenn man die Lösung schließlich hat, noch nicht vom Fach sein. Sie fällt einem halt nicht in den Schoß. Und denen, die vom Fach sind, ist sie auch nicht in den Schoß gefallen, sie ist ihnen nicht einmal eingefallen – bisher.

    “Das mit den Wahrheitszuweisungen scheint korrekt angemerkt, etwas ist blau, wenn ein “Blaumacher” existiert”

    Nein, nicht so ganz – Den Wahrmacher brauchen Sie nur in der (Aussagen-)Logik. Mein Fehler, zugegeben. Aber ich habe gemeint, wenn ich meine Aussagen in Wenn, dann – Form hinschreibe, dann geht das auch daraus hervor.
    Einen Wahrmacher ist etwas, das eine Aussage wahr macht
    Wenn also die Aussage lautet: die Abfolge von Ursache und Wirkung ist nicht beliebig, dann brauche ich für meine Aussage einen Wahrmacher, eine – wie es so nett in Wiki heißt: konkrete Entität. Die kann ich aber nur finden, wenn ich frage, weshalb die Abfolge der Ereignisse, die Ursache und Wirkung bilden, nicht beliebig ist.

    Dass dies nicht dasselbe ist, was Sie geschrieben haben, ist klar. Aber es widerspricht sich nicht.

  101. Korrektur:
    Es muss heißen: “Ein” Wahrmacher ist etwas….

    Und die Grüße habe ich auch vergessen, :-(., reiche sie aber hiermit nach 🙂
    Ihnen ebenfalls ein schönes Wochenende

  102. @Trice — Subjektives Empfinden und Kausalität

    »Hirnaktivität allein ist also nicht hinreichend, allerdings notwendig, um subjektives Empfinden zu bewirken.«

    Dieser Satz klingt in meinen Ohren merkwürdig. Was außer den Hirnaktivitäten muss es denn noch geben, damit subjektives Empfinden möglich wird/ist?

    Im Begriff „Hirnaktivität“ ist nach meiner Meinung bereits alles enthalten, was für subjektive Erlebnisse notwendig und auch hinreichend ist (also die spezifische Struktur, der dazugehörige Körper, die Energiezufuhr, die Umwelt, …).

    » Jedenfalls gilt, was Esfeld** beschrieb:
    “Kausalaussagen (…) sind letztlich wahr aufgrund von etwas, das selbst keine Ursache-Wirkungs-Beziehung ist.”
    Ohne dieses “etwas” bleibt Kausalität allerdings schwierig.
    «

    Dieser Satz geht auf Bertrand Russell zurück, denn Michael Esfeld schreibt im zitierten Aufsatz:

    Russell behauptet, dass dann, wenn wir bis auf die Ebene der fundamentalen physikalischen Theorien hinuntergehen, Folgendes gilt: Kausalaussagen wie die genannten sind letztlich wahr aufgrund von etwas, das selbst keine Ursache-Wirkungs-Beziehung ist.

    (Quelle: http://www.unil.ch/files/live//sites/philo/files/shared/DocsPerso/EsfeldMichael/2007/Kausalitaet-Bartels07.pdf)

    Das verstehe ich nun so, dass hier auf die fundamentalen Eigenschaften (Kräfte, Relationen) der materiellen Welt angespielt wird. Das heißt, ohne dieses „etwas“ sähe unser Universum anders aus und es gäbe wohl niemanden, der nach der „Kausalität“ fragen könnte.

    Nein, warum der Begriff Kausalität beim subjektiven Empfinden nicht greift, hat m. E. ganz andere Gründe. Zum einen ist es die bereits erwähnte Zeitgleichheit der physischen und psychischen „Ereignisse“ (ohne eine zeitliche Abfolge der Ereignisse ist eine Kausalbeziehung kaum denkbar), und zum anderen ist es wohl so, dass es sich beim subjektiven Empfinden schlicht um eine Eigenschaft hinreichend komplexer neuronaler Netze handelt. Das ist in etwa vergleichbar mit den spezifischen Eigenschaften komplizierter Moleküle wie etwa der Chlorophylle. Deren Absorptionsspektren werden ebenfalls nicht verursacht, sondern sind aufgrund deren Struktur einfach gegeben.

  103. @ Balanus Subjekt Objekt Kausalität

    Russell macht hier den typischen Fehler, rein aus der Beschreibungsweise der Physik (Gleichungen), welche keine Kausalität beinhaltet, weil dies für ihre Zwecke gar nicht nötig ist, zu folgern, es gebe Kausalität gar nicht. Hingegen in der makroskopischen Welt wiederum sei es oft sinnvoll, von Kausalität zu sprechen, etwa wenn man fragt, was die Ursache für einen Zimmerbrand war.

    Möglicherweise hat Kant recht, welcher Kausalität als ein dem erkennenden Verstand eingeschriebenes Konzept betrachtet, bei dem wir gar nicht anders können, als es der Natur zuzuschreiben, ähnlich wie die Einheit der Gegenstände.

    Einige der Diskutanten versteifen sich vollkommen ohne argumentative Basis auf die Position, dass das Subjektive aus dem Materiellen hervorgeht. Seit Jahrhunderten bald wird dies behauptet, und kann nicht einmal logisch (!), geschweige denn empirisch dargelegt werden. Die Hirnforschung war für diese Position das große Versprechen, sie endlich empirisch zu verifizieren, und hat dabei kläglich versagt. Tatsächlich ist sie in dieser Sache keinen Millimeter in Richtung auf diese Behauptung vorangekommen.

    Vertretern dieser Position fehlt es nach meiner Einschätzung am Verständnis dafür, was Subjektivität im Unterschied zum Objekt, zum Materiellen überhaupt ist. Subjektivität ist etwas vom Objektiven kategorial komplett Verschiedenes und nicht darauf abbildbar. Deswegen sind es vollkommen nutzlose Versuche, das Subjektive zu einem Objekt, und damit einem Gegenstand der materiellen Wissenschaft umzumünzen, und diese scheitern zuverlässig. Vielmehr ist das Objekt als Objekt eine Hervorbringung des Subjektiven, es wird erst im Wahrnehmen und Erkennen zu einem solchen. Aus dieser Eigenschöpfung heraus die Entstehung des Subjekts wiederum abzuleiten, ist es, was ich weiter oben als Selbstwiderspruch bezeichnet habe, als den Versuch, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.

  104. @fegalo

    Sie schrieben an die Adresse von @Joker:

    »Meinen Vorwurf des Selbstwiderspruches halte ich auch trotz bloß kurzer Lektüre des Buches gegenüber Metzinger aufrecht. Denn auch er – und es geht gar nicht anders – versucht, das menschliche Bewusstsein zu erklären/rekonstruieren mit den Mitteln theoretischer Konzepte, welche selbst nichts anderes sind als Ausgeburten eben dieses Bewusstseins selbst.«

    Eigentlich müsste @Stephan Schleim hierauf etwas entgegnen, schließlich soll sein Beitrag auch eine Hommage an sein Studium bei Thomas Metzinger sein. Der Vorwurf eines Selbstwiderspruches gegenüber einem Philosophen ist schon ziemlich schwerwiegend, finde ich, denn damit wird ihm ja zugleich vorgeworfen, ihm sei ein „handwerklicher“ Fehler unterlaufen, also etwas, was einem Fachmann eigentlich nicht passieren sollte.

    Aber das nur nebenbei. Was mir bei Ihrem Einspruch in Sinn kam, war, ob es denn auch dann ein Selbstwiderspruch wäre, wenn es nicht um ein menschliches, sondern um ein primitives tierliches Bewusstsein ginge, etwa das eines Zwergschimpansen (Pan paniscus).

    Was man natürlich nicht untersuchen kann, ist das subjektive Empfinden als solches, das geht weder bei Mensch noch Tier. Es ist wohl so, wie Sie schreiben: »Subjektivität ist etwas vom Objektiven kategorial komplett Verschiedenes…«.

    Nicht recht nachvollziehen kann ich die Behauptung, das „Objekt als Objekt“ sei „eine Hervorbringung des Subjektiven“. Das „Bild“ eines Objekts (oder von einem Objekt) könnte man als eine Hervorbringung des Subjektiven bezeichnen, nicht aber das Objekt selber. Objekte oder Dinge oder Gegenstände finden wir vor, sie müssen lediglich wahrgenommen und erkannt werden. Ob eine Beschreibung eines Objekts annähernd zutreffend oder richtig ist, ist eine andere Frage, das Objekt selbst und dessen Eigenschaften bleiben davon unberührt.

    Und weil das so ist, können viele unterschiedliche Subjekte gemeinsam an einem Objekt arbeiten und forschen.

    »Einige der Diskutanten versteifen sich vollkommen ohne argumentative Basis auf die Position, dass das Subjektive aus dem Materiellen hervorgeht. Seit Jahrhunderten bald wird dies behauptet, und kann nicht einmal logisch (!), geschweige denn empirisch dargelegt werden.«

    In meinem Falle ist die argumentative Basis für die Position, dass das Subjektive aus dem Materiellen hervorgeht, z. B. meine eigene Existenz (bei anderen kann ich Subjektivität nur vermuten). Ich weiß zwar nichts von meinem kurzen Dasein als befruchtete Eizelle, aber dass auch ich einmal als ein solches materielles Objekt begonnen habe, scheint mir evident. Meine Subjektivität und mein Ich-Bewusstsein haben sich offensichtlich irgendwann im Zuge meiner und der Reifung meines Gehirns herausgebildet (alle anderen Erklärungen erscheinen mir zu abenteuerlich, um wahr zu sein).

    (Man beachte meine dualistische Sprache, die im krassen Gegensatz zu meiner monistischen Auffassung steht.)

  105. @Balanus: Hirnaktivität, subjektives Empfinden, Kausalität

    “Was außer den Hirnaktivitäten muss es denn noch geben, damit subjektives Empfinden möglich wird/ist?
    Im Begriff „Hirnaktivität“ ist nach meiner Meinung bereits alles enthalten, was für subjektive Erlebnisse notwendig und auch hinreichend ist (also die spezifische Struktur, der dazugehörige Körper, die Energiezufuhr, die Umwelt, …).”

    Bei “Umwelt” bin ich mir jetzt nicht sicher, ob Sie externe Reize meinen, aber ich gehe einmal davon aus.
    Dann ist aber immer noch nicht geklärt, wie aus Hirnaktivitäten – also physicochemischen Signalen – die Welt entsteht, die wir erleben, wie wir das eben tun: wir sehen Farben, Formen, in sich geschlossene Gegenstände, hören Töne, Klänge, fühlen Schmerz, Hitze und Kälte, empfinden Leid und Freude, haben ein Empfinden von Zeit und Dauer …
    Wie also wird das alles aus Hirnaktivität, also Abläufen und Prozessen auf neuronaler Ebene? Es muss etwas hinzukommen, das die Signale auf Hirnebene “transformiert”, damit wir sie erleben können.
    Was m. E. ebenfalls hinzukommen muss, ist die Repräsentationsebene. Was wir erleben, muss irgendwie repräsentiert sein, um im Gedächtnis vorgehalten werden zu können. Ob in Form von Propositionen oder in welcher anderen möglichen Form, darüber lässt sich wacker streiten.

    Und dann, um den Bogen zur Kausalität zu ziehen: Piaget ging davon aus, dass wir über kognitive Strukturen verfügen, die uns ermöglichen, die Welt zu erleben, wie sie ist. Zu ihnen zählte er eine ordinale, eine raumzeitliche und eben auch eine kausale Struktur.
    Kognitive Strukturen, bzw. Schemata, Kategorien gehören zur Repäsentationsebene, wie Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Wir können Objektklassen bilden, schon in der präverbalen Phase – wie soll das gelingen, wenn Hirnaktivität alles sein soll, was sowohl notwendig als auch hinreichend ist? Notwendig:ja; aber hinreichend: nein.

    “Das verstehe ich nun so, dass hier auf die fundamentalen Eigenschaften (Kräfte, Relationen) der materiellen Welt angespielt wird. Das heißt, ohne dieses „etwas“ sähe unser Universum anders aus und es gäbe wohl niemanden, der nach der „Kausalität“ fragen könnte.”

    Fein, Sie kennen den Artikel von Esfeld auch. Er fragt ja nach dem von mir zitierten Satz, ob dieses etwas von anderen, fundamentaleren Merkmalen der Welt abgeleitet ist. Das kann man dahingehend interpretieren, dass er Kräfte oder Relationen gemeint hat (und ich vermute, er hat etwas in dieser Art gemeint).
    Ich sehe nur nicht, dass damit das Problem gelöst ist. Dass der Beziehung von Ursache und Wirkung irgendwelche Kräfte zugrunde liegen könnten, wurde ja schon zu Humes Zeiten diskutiert und von Hume bestritten: was sollte das denn für eine Kraft sein, die einer Ursache-Wirkungs-Beziehung zugrunde liegt und dafür sorgt, dass sowohl der Blitz in ein Haus einschlagen kann (m. E. reicht die Entladungstätigkeit des Blitzes als Kraft für die entsprechende Wirkung aus) als auch, dass auf einen Reiz eine Reaktion erfolgt mit einem bestimmten Effekt? Welche zusätzliche Kraft außer der kinetischen Energie sollte es noch geben, die einen Fußball in eine Fensterscheibe befördert, woraufhin diese zerbricht?
    Und Relationen? Die Ursache-Wirkungs-Beziehung ist schon eine Relation. Gut, sie lässt sich auch als Funktion darstellen, aber was wäre damit erklärt?

    Also: Wenn es etwas gibt, das dazu führt, dass wir die Welt als kausal geschlossen erleben, dann kann es m. E. nur etwas sein, das naturgesetzlichen Charakter hat.
    Der Psychologe Friedhart Klix schrieb bereits 1992 in seinem Buch “Die Natur des Verstandes”:
    “Das [Auftreten solcher ‘Grundmuster geistiger Gebilde und Vorgänge’] wird in vielen Beispielen deutlich, und es nährt den Verdacht, dass hinter dieser Vielfalt geistiger Phänomene relativ wenige, vermutlich einfach und klar ausdrückbare Grundgesetze stecken, die heute noch niemand kennt, die aber ein verlockendes Ziel für eine Psychologie geistiger Prozesse des nächsten Jahrhunderts werden könnten.”

    Psychologie und Neurowissenschaften versuchen doch bereits, Regeln und Gesetze für Vorgänge im Gehirn zu formulieren, zwar leider eine unendliche Vielfalt lokaler Regeln und Gesetze und nicht relativ wenige Grundgesetze – Regeln wäre passender.
    Wenn man die Beziehung von Hirnaktivität und subjektivem Empfinden, von Körper und Geist schon mit Regeln oder Gesetzen beschreiben will und kausale Beziehungen berücksichtigen muss, die es gibt, aber nicht in dieser einfachen Form: hier Hirnaktivität = Ursache, da subjektives Empfinden = Wirkung – warum dann nicht nach diesen wenigen (kausalen) Regeln oder Gesetzen suchen?

    Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem

  106. Ob lateinische Spruchweisheiten hinreichend oder notwendig sind, kann ich nicht beurteilen, da ich sie nicht verstehe. Mit Sicherheit kann man behaupten, dass Hirnaktivitäten, inklusive der Aktivitäten der Sinnesorgane und auch der Muskeln und Drüsen, hinreichend sind für das geistige Leben. Denn andere, zusätzliche und notwendige Aktivitäten sind nicht erkennbar. Auch komplexe Tiere haben Geist, natürlich nicht vergleichbar mit dem Menschen.

    Man darf dabei nicht übersehen, darauf kommt es an, dass Hirnaktivitäten wie alle biologischen Aktivitäten die Eigenschaften und Wechselwirkungen der physikalischen Materie einschließen. Der Antimaterialismus stützt sich auf einen naiven Materialismus, indem Materie nur als leblose Substanz betrachtet wird. Ignoriert werden dabei die vielfältigen Erscheinungen der physikalischen Welt, die in jedem Organismus wirksam sind. Da sind allgegenwärtig elektrische und magnetische Felder, die gravitative Kraft und die elektromagnetische Strahlung. Die Materie kann sich im Gehirn gewissermaßen selber wahrnehmen.

    Die große Frage ist also, wie die “Selbstwahrnehmung der Materie” im Gehirn zustande kommt. Zweifellos spielt dabei die Komplexität eine Rolle, die sich aus einer strukturell komplexen Vernetzung und Vermaschung ergibt. Damit ist eine hohe Synchronität zahlreicher, nebenläufiger Aktivitäten verbunden, die “nach außen” als scheinbare Einheit bewusst werden. Das Gehirn erzeugt kein auszulieferndes Produkt wie eine Fabrik, sondern die Aktivität ist selber das Produkt.

    Das eigentliche Rätsel des Geistes liegt nicht in der Psychologie und Biologie des Gehirns, sondern in den Erscheinungen der Physik. Warum wir Farben sehen, ist so wenig erklärbar wie die Erscheinung von Elektrizität oder Magnetismus, oder wie die Erscheinung von Bewegung. Die phänomenalen Inhalte des Bewusstseins sind fundamentale Rätsel der Physik, ein “explanatory gap” (englisch versteht heute fast jeder). Erklärbar sind die Funktionalitäten oder Aktivitäten des Gehirns. Insofern sind diese nicht hinreichend für das Verstehen des Geistes.

  107. Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem

    “Entitäten sollen nicht über das notwendige hinaus vervielfacht werden.”

  108. Ja, Occams Rasierer. Er ist aber schon ziemlich stumpf geworden, genauso wie Poppers Falsifikationismus, durch übermäßigen und falsch verstandenen Gebrauch. Wie entscheidet man, welche Entität notwendig ist und welche nicht? Ist der Geist eine eigenständige, vom Körper unabhängige Entität? Das ist doch gerade die Frage!

  109. @Trice — Hirnaktivität, subjektives Empfinden, Kausalität.

    »Dann ist aber immer noch nicht geklärt, wie aus Hirnaktivitäten – also physicochemischen Signalen – die Welt entsteht, die wir erleben, wie wir das eben tun:…«

    Ja klar, das ist eben das große Rätsel, @Anton Reutlinger hat es bereits ausgeführt. Selbst wenn wir genau wüssten, welche Neuronenverbände wie feuern müssten, damit wir eine bestimmte visuelle oder akustische Wahrnehmung haben, stünden wir immer noch ratlos vor diesem Geschehen, nämlich dem kategorialen Wechsel vom objektiven physikalischen Prozess zum subjektiv erlebten Sinneseindruck.

    »Es muss etwas hinzukommen, das die Signale auf Hirnebene “transformiert”, damit wir sie erleben können.«

    Das würde mich sehr wundern, wenn es da etwas zu „transformieren“ gäbe. Die von Ihnen angesprochene Repräsentationsebene ist jedenfalls bereits Teil einer kategorial anderen Beschreibungsebene.

    »Fein, Sie kennen den Artikel von Esfeld auch.«

    Nur dank Ihres Hinweises.

    »Also: Wenn es etwas gibt, das dazu führt, dass wir die Welt als kausal geschlossen erleben, dann kann es m. E. nur etwas sein, das naturgesetzlichen Charakter hat.«

    Ja, das sehe ich auch so. Letztlich dürften es die Wechselwirkungen zwischen quantenmechanischen Feldern (oder was auch immer) sein, die eine gewisse Ordnung, Struktur und Regelhaftigkeit in die Welt bringen—und am Ende dazu führen, dass wir bestimmte, raumzeitlich benachbarte physikalische Ereignisse in einen Kausalzusammenhang setzen können.

    Wenn es stimmt, dass das Subjektive so etwas wie eine (System-)Eigenschaft des Hirnorgans ist, dann löst sich das Leib-Seele-Problem in Luft auf. Zumindest für den (Natur)wissenschaftler.

  110. Ein kleines Gedankenexperiment: Würde man einem Computer die Temperatur seines Gehäuses mitteilen, über ein integriertes Thermometer, dann könnte er über ein Programm sagen “mir ist kalt”. Was würde ihn dann vom bewussten Menschen unterscheiden? Natürlich würde man argumentieren, dass der Computer kein Kälteempfinden hätte, sondern nur einen Algorithmus ausführt, auf der Grundlage eines Sensorwertes und einer Vergleichsoperation. Aber die Wirkung des Thermometers beruht auf der Wechselwirkung von Materie des Computers selber, d.h. seines Gehäusekörpers auf die Materie des Thermometers und wiederum auf den materiellen Speicher und Prozessor des Computers. Letztlich erfolgt auch die Sprachausgabe wieder materiell über die Membran des Lautsprechers zum Ohr des Menschen. Es gibt keinen Ausweg aus der Materie (analog dazu elektromagnetische Energie). Das Rätsel liegt darin, dass wir die Wahrnehmung niedriger Temperaturen spezifisch als Kälte empfinden und frieren. Dafür gibt es keine Kausalität.

  111. @ Trice :

    Ein[] Wahrmacher ist etwas, das eine Aussage wahr macht[.]

    Benötigt wird erst einmal die Eigenschaft ‘wahr’, die von erkennenden Subjekten zu entwickeln ist einen besonderen Eigenschaftswert also.
    Steht dieser in einem tautologischen System (Mathematik, Philosophie etc.) bereit, kann durch Umformung in diesem tautologischen System der Beweis angetreten werden, dass “etwas wahr ist”, manchmal gelingt dies, Beispiel: Die Aussage A ist ‘wahr’, die Aussage B ist A, also ist auch B ‘wahr’.

    In der Naturlehre benötigt es bei bestimmter Datenlage den Entscheider, der ein erkennendes Subjekt sein sollte, zurzeit zumindest noch, der Wahrheit feststellt, dann streng genommen “Wahrheit” – die sogenannten Naturgesetze sind hier vielleicht ein schönes Beispiel, sie sind zwar gesetzt, gelten aber wegen besonders breit vorliegender Evidenz als wahr, besser natürlich: als “wahr”.

    Wenn also die Aussage lautet: die Abfolge von Ursache und Wirkung ist nicht beliebig, dann brauche ich für meine Aussage einen Wahrmacher, eine – wie es so nett in Wiki heißt: konkrete Entität. Die kann ich aber nur finden, wenn ich frage, weshalb die Abfolge der Ereignisse, die Ursache und Wirkung bilden, nicht beliebig ist.

    Variante: Sie benötigen ein erkennendes Subjekt, dass die Eigenschaft wahr, in der Regel implizit durch wahlfreie Feststellung einer sogenannten Kausalität oder Kausation, einer Theorie der Naturlehre zuweist.
    Sie könnten aber in der Naturlehre auch versuchen, Skeptizisten tun dies, ganz ohne dem Wahrheitsbegriff auszukommen, was cool ist, vgl. bspw. mit:
    -> http://www.pik-potsdam.de/~stefan/mare-interview.html


    Ansonsten war mit dem Sich-Nicht-Stören-Lassen weiter oben gemeint, dass der Schreiber dieser Zeilen gerne mal im Psychologischen, in die Medizin und in die Hirnforschung ein wenig kritisch hineinschwätzt, dass er hier abär auch seine Grenzen kennt, nicht stören will, nicht wirklich stören will.

    MFG
    Dr. Webbaer

  112. Als Beispiel für einen “Wahrmacher” kann man ein Signal deuten. Ein Signal ist wie ein Schalter für den Wahrheitswert einer Information oder (logischen) Aussage. Eine Information oder Aussage kann zunächst wahr oder falsch sein, denn sie kann ohne dieses Wissen gebildet werden, einfach als Relation zwischen zwei Begriffen; zum Beispiel “Deutschland ist Europameister”. Zunächst kann die Aussage wahr oder falsch sein, d.h. sie ist ungewiss (als dritter Wahrheitswert). Mit dem Abpfiff des Endspiels als Signal (vielleicht schon vorher) wird der Wahrheitswert der Aussage festgelegt. Wenn die Aussage selber noch unbekannt ist, dann wird nicht nur ein Signal, sondern die Aussage selber explizit als Nachricht “Deutschland ist Europameister” mit dem impliziten Wahrheitswert “wahr” übertragen. Da wir im allgemeinen nur wahre Informationen und Nachrichten erwarten, wird der Wahrheitswert meist weggelassen und nur zur Verstärkung oder Verneinung angegeben: “es ist [nicht] wahr/falsch, dass …”.

    Prinzipiell gehört der Wahrheitswert zu jeder Aussage oder Information. Da solche sprachlichen Ausdrücke unabhängig von der Wirklichkeit gebildet werden können, werden Signale, insbesondere in Form der Sinnesreize, als Wahrmacher benötigt. Dadurch können Signale eine Verhaltensänderung zur Folge haben. Bestimmte Geräusche, z.B. ein Knall, können ein Signal für Gefahr und Auslöser für Angst und Fluchtverhalten sein, weil die Information bezüglich der Gefahr schon latent bekannt ist.

    Philosophisch kann man behaupten, dass die Welt insgesamt nur aus Signalen besteht. Das sind die Wechselwirkungen der Materie zwischen einem Sender und einem Empfänger, oder Quellen und Senken. Eine fiktive Welt ohne Wechselwirkungen zwischen ihren Teilen wäre nicht wirklich [sic!] existent.

  113. @ Herr Reutlinger :

    Es gibt in der Natur keine “Wahrmacher” außerhalb der erkennenden Subjektivität.
    Das “Wahrmachtertum” ist der o.g. Tautologie, eigene Welten meinend, nämlich diejenigen der erkennenden Subjekte, vorbehalten, in der Natur nur eine sinnhafte Übung, nichts mehr; hier wird natürlich gerne zugestimmt:

    Eine fiktive Welt ohne Wechselwirkungen zwischen ihren Teilen wäre nicht wirklich [sic!] existent.

    … denn die Alternative wäre eine durchgehend indeterministische Welt (die sich zudem nicht vorgestellt werden kann, außer eben ganz abstrakt und wie als echtes Chaos beschrieben).

    Besondere Zeichengebung (“Signale”), Datenlagen meinend, gibt es in der Naturwelt nicht, sondern nur gemeinsam begangene Übungen der Art, dass Datenlagen (“D ist EM geworden” z.B.), insbesondere, wenn sie x-fach repetiert werden, als wahr oder besser als “wahr” gelten, wobei es bei naturwissenschaftliche Theoretisierung (“Sichtenbildung”) “ein wenig” schwieriger wird.

    Besondere Phänomene (‘Signale [,die] eine Verhaltensänderung zur Folge haben’) meinen Reflexe, die bei Lebewesen vorkommen können, von ihnen wahrgenommen werden könnten, aber auch nur besondere Übung, die besonders wird, weil sie zeitnah ohne besondere Theoretisierung auskommt.

    MFG
    Dr. Webbaer

  114. @Dr.Webbaer;
    Da stimmern wir durchaus überein. Jedes Verkehrszeichen als Beispiel hat eine bestimmte, latente Bedeutung, die gelernt wird von einem erkennenden Subjekt. Die Bedeutung wird aber erst akut wirksam, wenn ein kundiger Verkehrsteilnehmer das Verkehrszeichen als Signal (oder semiotisches Zeichen) wahrnimmt und danach handelt. In diesem Augenblick erhält die Aussage des Zeichens den Wahrheitswert “wahr”. Das Signal oder Zeichen selber hat keine semantische Bedeutung; sie wird ihm zugeteilt und mit ihm verknüpft durch Lernen oder Erfahrung, also aus Erkenntnisquellen oder Vorwissen. Ein unkundiger Verkehrsteilnehmer würde es sehen, aber nicht beachten. Ein Sinnesreiz allein ist ohne praktische Bedeutung und daher sinnlos. Die typische Reaktion darauf ist manchmal die Frage “was ist passiert”?

    Vielleicht hat jemand gestern abend die Fernsehsendung gesehen, in der es um geheimnisvolle Zeichen am abendlichen Himmel ging, konkret um rot bzw. gelb gefärbte Bereiche des Himmels. Wegen der ungewöhnlichen Intensität wurden sie als Signale unbekannter Bedeutung wahrgenommen und erregten Aufsehen und Anrufe bei Polizei und Feuerwehr. Infolge von Recherchen konnten die Ursachen (Reflexionen an Wolken aus menschgemachten Lichtquellen) und somit ihre “wahre” Bedeutung aufgeklärt werden.

    Man darf dabei nicht vergessen, dass auch der Mensch Teil der Natur ist und seine Fähigkeiten zur Erkenntnis im Verlauf der Evolution in beständiger Wechselwirkung und Rückkopplung mit der Natur entstanden sind. Rückblickend hat die natürliche Selektion dafür gesorgt, dass die Fähigkeit zur Erkenntnis den Gegebenheiten der Natur angepasst ist. Dabei ist nicht irgend eine Wahrheit das Kriterium, sondern die Überlebensfähigkeit oder Eignung zur Bewältigung und Gestaltung des Lebens. Was darüber hinausgeht, das ist ein Epiphänomen. Ob es für die Menschheit gut und nützlich ist, das sei dahingestellt, Skepsis ist wohl angebracht.

  115. Man darf dabei nicht vergessen, dass auch der Mensch Teil der Natur ist und seine Fähigkeiten zur Erkenntnis im Verlauf der Evolution in beständiger Wechselwirkung und Rückkopplung mit der Natur entstanden sind.

    Genesis und Natura konkurrieren hier ein wenig, meinen altsprachlich, die Sicht der Altvorderen meinend, die nicht unterschätzt werden soll, ganz ähnlich oder das Selbe.
    Insofern kann das Entstehen, im Intro des Johannes-Evangeliums wie folgt bärenstark vorgetragen, wie einige finden:
    -> http://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/johannes/1/
    … in seinem Sinne nicht als zu irgendwelchen Problemen anleitend verstanden werden, “Leib-Seele” und, denn es geht auch sparsamer.

    MFG
    Dr. Webbaer

  116. @Balanus: Hirnaktivität, subjektives Empfinden, Kausalität

    “Ja klar, das ist eben das große Rätsel, Selbst wenn wir genau wüssten, welche Neuronenverbände wie feuern müssten, damit wir eine bestimmte visuelle oder akustische Wahrnehmung haben,”

    Jetzt lehen ich mich mal aus dem Fenster: Nein, das ist kein Rätsel, und es geht auch nicht darum, zu wissen, welche Neuronenverbände wie feuern müssten, sondern zunächst einmal um die Grundlage der neuronalen Integration. Aber …

    ” stünden wir immer noch ratlos vor diesem Geschehen, nämlich dem kategorialen Wechsel vom objektiven physikalischen Prozess zum subjektiv erlebten Sinneseindruck.”

    …ganz ratlos nicht, denn was fehlt ist das Spezialgesetz, aber nicht zwischen neuronalen Prozessen und subjektiv erlebtem Sinneseindruck, sondern zwischen neuronalem Prozess, Repräsentationsebene und Bewusstsein.

    “Das würde mich sehr wundern, wenn es da etwas zu „transformieren“ gäbe. Die von Ihnen angesprochene Repräsentationsebene ist jedenfalls bereits Teil einer kategorial anderen Beschreibungsebene.”

    Eben. Deshalb habe ich “transformiert” ja auch apostrophiert, und deshalb brauche ich das Spezialgesetz.

    “Letztlich dürften es die Wechselwirkungen zwischen quantenmechanischen Feldern (oder was auch immer) sein, die eine gewisse Ordnung, Struktur und Regelhaftigkeit in die Welt bringen—und am Ende dazu führen, dass wir bestimmte, raumzeitlich benachbarte physikalische Ereignisse in einen Kausalzusammenhang setzen können.”

    Umgekehrt ist richtig: Es ist das Regelwerk, das Ordnung und Struktur in die Welt bringt – weil es die vorschreibt -, und weil es diese verflixten Spezialgesetze vorschreibt. Eins habe ich, vier fehlen mir noch (hoffentlich nicht noch mehr).

  117. @Dr. Webbaer:

    Ja, was ich meine, bewegt sich in einem solchen (mathematischen / philosophischen) System – in der Logik. Es geht darum, ob eine Aussage wahr oder falsch ist.

    “Variante: Sie benötigen ein erkennendes Subjekt, dass die Eigenschaft wahr, in der Regel implizit durch wahlfreie Feststellung einer sogenannten Kausalität oder Kausation, einer Theorie der Naturlehre zuweist.”

    Das ist jetzt noch etwas anderes. M.W. gibt es in den Naturwissenschaften keine Möglichkeit, zu prüfen, ob eine Theorie “wahr” ist.
    Mir ist schon klar, was Sie meinen, aber das ist nicht, worauf ich hinauswill. Dass Menschen dies tun, ist das Eine. Was mich interessiert, das Andere, ist wieso sie dies überhaupt können. Angenommen, es gäbe keine Kausalität, könnten sie es nicht (vielleicht gäbe es uns dann gar nicht). Da es sie aber gibt, will ich wissen, was ihr zugrunde liegt.

    “Sie könnten aber in der Naturlehre auch versuchen, Skeptizisten tun dies, ganz ohne dem Wahrheitsbegriff auszukommen, was cool ist,”

    Ja, ich weiß – ich habe mal eine Zeit lang die Skeptiker-Gruppe in der Xing-Community moderiert, ;-).

    “Ansonsten war mit dem Sich-Nicht-Stören-Lassen weiter oben gemeint, dass der Schreiber dieser Zeilen gerne mal im Psychologischen, in die Medizin und in die Hirnforschung ein wenig kritisch hineinschwätzt, dass er hier abär auch seine Grenzen kennt, nicht stören will, nicht wirklich stören will.”

    Das ist kein Stören. Ich finde das wichtig, denn so kann man Denkfehler feststellen, den eigenen Standpunkt noch einmal überprüfen, und manchmal ist es genau das, wonach man gesucht hat. Außerdem, nichts ist langweiliger als Konsens auf der ganzen Linie. Ohne eine Prise Störfaktor wäre das Leben öde.

    Und im Übrigen schwätze ich ja auch gern hinein, vor allem kritisch.
    Viele Grüße,
    Trice

  118. @ Trice :

    Angenommen, es gäbe keine Kausalität, könnten sie es nicht (vielleicht gäbe es uns dann gar nicht).

    “Es gibt” Kausalität, weil die Welt nicht umfänglich indeterministisch ist, dies könnte klar sein, >:->, und weil dieses Konzept höchst sinnhafterweise entwickelt worden ist, von erkennenden Subjekten, wie auch das Konzept der Existenz.

    LG
    Dr. Webbaer (für den (nicht nur hier) alles Klärchen ist)

  119. PS:

    M.W. gibt es in den Naturwissenschaften keine Möglichkeit, zu prüfen, ob eine Theorie “wahr” ist.

    Eine naturwissenschaftliche Theorie ist dann “wahr”, zu beachten die Anführungszeichen, die eine Metaphorik meinen, wenn sie empirisch adäquat ist.
    Ihr Kommentatorenfreund ist hier sozusagen Bas van Fraassen-Fan, vgl. :
    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktiver_Empirismus
    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Bas_van_Fraassen (‘Science aims to give us theories which are empirically adequate; and acceptance of a theory involves as belief only that it is empirically adequate. This is the statement of the anti-realist position I advocate; I shall call it constructive empiricism.’)

    Ein wenig blöd bleibt halt, dass naturwissenschaftliche Theorien beschreiben, erklären und die Prädiktion erlauben, wobei bereits eine Eigenschaft genügt, um eine Theorie als sinnhaft zu begreifen.
    Auch empirisch inadäquate Theorien also einen naturwissenschaftlichen Wert tragen könnten.
    Das mit der antirealistischen Position kam hier abär extra-gut an.

  120. Dr. Webbaer schrieb (21. Juni 2016 10:35):
    > ‘Science aims to give us theories which are empirically adequate […]’
    > Ein wenig blöd bleibt halt, dass […]

    Theorien nicht von Modellen unterscheiden zu wollen,
    also Definitionen wie Fakten bzw. Messwerte gewonnen werden sollen,
    nicht von Befunden und Erwartungen welche Fakten bzw. Messwerte (so) schon gewonnen wurden bzw. noch gewonnen werden könnten,
    ist wirklich bemerkenswert blöd.

    Aber es steht doch zu hoffen, dass es nicht dabei bleibt.

  121. @ Herr Wappler :

    Theorien nicht von Modellen unterscheiden zu wollen […] blöd.

    ‘Modelle’ sind Sichten (“Theorien”) folgende Nachbauten, von als sachlich oder ‘realistisch’ eingeschätzten Sachen oder dbzgl. Verhalten, wobei hier auch rein theoretische Entitäten vorliegen könnten.
    Was soll diese Ihrige Behauptung, dass da einer nicht unterscheiden will, in der Nicht-Unterscheidung blöd sei?

    MFG
    Dr. Webbaer (der an dieser Stelle nicht vertiefen muss, an dieser Stelle, Sie haben sich ja ansonsten schon einen Namen gemacht, werter Herr Dr. Wappler, nicht unbedingt als positiv bekloppt)

  122. Dr. Webbaer schrieb (21. Juni 2016 12:34):
    > ‘Modelle’ sind […] Nachbauten

    Sofern es sich um einen Nachbau handelt, also um die Zusammenfassung bzw. Abbildung schon gewonnener Fakten/Messwerte, nennt man diesen genauer “Standardmodell”. (Ein Wort übrigens, dass im gegenwärtigen Wikipedia-Artikel [[Modell]] durch Abwesenheit glänzt.)
    Daneben gibt es aber auch Modelle, um Erwartungen/Entwürfe/Projekte darzustellen; also sozusagen Vorbauten.

    > Was soll diese Ihrige Behauptung, dass da einer nicht unterscheiden will, in der Nicht-Unterscheidung blöd sei?

    Durch die in unseren vorausgegangenen Kommentaren verlinkten Artikeln schreibt Wikipedia insbesondere Bas van Fraassen die philosophische Position zu, dass “die Wissenschaft darauf abzielt uns Theorien zu geben, die mit den Fakten übereinstimmen”.

    Meine Einlassung soll dieser Position widersprechen; denn diese Position unterschlägt, dass nachvollziehbare Messoperatoren überhaupt erst (durch Theorien) definiert sein müssen, um damit ggf. Fakten bzw. Messwerte aus Beobachtungsdaten gewinnen zu können. Jeder durch Anwendung eines bestimmten Messoperators gewonnene Messwert liegt zwangsläufig im Wertebereich dieses Messoperators; eine darüber hinausgehende Forderung nach “Übereinstimmung” betrifft nicht den jeweiligen Messoperator bzw. die Theorie, in deren Rahmen er definiert wurde, sondern: Modelle, die sich auf seinen Wertebereich beziehen.

    (Leider vertritt van Fraassen die ihm zugeschriebene Position und/oder seine eigentliche Meinung offenbar nicht selbst in den SciLogs; also versuche ich stattdessen, mir seine selbsterklärten Fans/Apologeten vorzuknöpfen.)

  123. @ Herr Wappler :

    Es ist schon richtig, dass allgemeinen naturwissenschaftlichen, empirie-basierten und gerne auch empirisch adäquaten [1] Theorien, wie sie Bas van Fraassen zuvörderst wissenschaftlich (weiter-)bearbeitet sehen möchte, Messtheorien vorangehen, genau das Empirische meinend, die wiederum naturwissenschaftlicher Art – und, darauf wollen Sie womöglich hinaus, durch ihre ausschnitssartige und näherungsweise Erfassung problematisch sind.

    Jede physikalische Theorie ist bei näherer Betrachtung eine aus mehr als einem Element bestehende Theorienmenge.

    Was den Braten aber nicht fett macht, anders geht es nicht; hier muss nicht im relativistischen Sinne gestört werden, Naturwissenschaft ist Trial & Error – und der Error überwiegt, hat zu überwiegen oder ist eigentlich, im skeptizistischen Sinne, immer gegeben.

    Sie können, solange Sie im relativistischen Sinne stören wollen, Ihr Kommentatorenkollege kennt Sie ja schon länger und hegt hier keine besonderen Zweifel, zum Vergleich naturwissenschaftliche Anwendungen nehmen, die eben funktionieren und allgemeingesellschaftlichen Nutzen zeitigen.
    Diesen Nutzen kann ein Relativist, sollten Sie einer sein, fühlen Sie sich gerne dann auch persönlich angesprochen, nicht wegquatschen.
    Dieser Nutzen ist außerhalb der modernen (gerne auch: skeptizistischen) Wissenschaftlichkeit anderwie und anderswo nicht zu erreichen.

    MFG
    Dr. Webbaer (der nun, mit Verlaub, den Sack gerne zumachen würde)

    [1]
    Im Gegensatz zu Bas van Fraassen findet der Schreiber dieser Zeilen auch naturwissenschaftliche Theorien im Einzelfall höchst brauchbar, wenn sie nicht (durchgehend) empirisch adäquat sind.
    Stand aber schon weiter oben.

  124. Dr. Webbaer schrieb (22. Juni 2016 9:31):
    > Naturwissenschaft ist Trial & Error

    Genau das ist die Devise, wenn auch aufs Äußerste verknappt.
    Also gilt es für gewissenhafte Vertreter der Naturwissenschaft sich von jenen (allzu vielen) abgrenzen, die

    – „Trial (Messoperation, (Mess-Theorie)“ eben nicht von

    – „Error (Messergebnis, Modell)“

    unterscheiden (wollen oder können).

  125. @ Herr Wappler :

    Sofern Sie Ihr Kommentatorenfreund richtig verstanden hat, sind A und B, in diesem Fall Dr. Webbaer und Dr. Wappler, oder andersherum, hier Hand in Hand gehend.
    Was dann auch ein wichtiger Punkt wäre.

    MFG
    Dr. Webbaer

  126. Dr. Webbaer schrieb (22. Juni 2016 11:49):
    > […] hier Hand in Hand gehend.

    Das ginge aber nicht, ohne die Pfoten von van Fraassens oben zitierter plakativer Positionierung zu lassen, um stattdessen ein etwas lebhafteres Banner anzupacken:

    Wer verwerfen will, was den Fakten widerspricht, muss dabei doch festhalten können, wie man die Fakten bekommen hat.

    (Wobei wohl niemand außer Bas van Fraassen weiß, ob er dem widersprechen wollte und würde, oder nicht.)

  127. @ Herr Wappler :

    Wer verwerfen will, was den Fakten widerspricht, muss dabei doch festhalten können, wie man die Fakten bekommen hat.

    Sischer. Darum geht es Bas van Fraassen ja gerade, ‘Fakten’ sind, die Etymologie ist hier eindeutig, Gemachtes, Data wiederum sind etwas Gegebenes, die Altvorderen waren schon ganz OK und es darf Ihnen gelauscht bleiben; und -hey!- vielleicht kommt Ihnen und Ihren kleinen Überlegungen die Semantik auch entgegen.
    Sie sind hier irgendwie permanent i.p. der Unterscheidung von Daten und Fakten unterwegs, woll?!
    MFG
    Dr. Webbaer

  128. @Dr. Webbaer: Theorien, “Wahr”-heitsbegriff

    “Eine naturwissenschaftliche Theorie ist dann “wahr”, zu beachten die Anführungszeichen, die eine Metaphorik meinen, wenn sie empirisch adäquat ist.”

    Zu Fraassen habe ich erst einmal nachlesen müssen. Wenn ich es einigermaßen richtig sehe, dann erkennt er den Begriff der Theorie, im wissenschaftlichen Sinne, nicht an, sondern will, dass ihre Aussagen wörtlich genommen werden können.
    Ist die Frage, inwieweit das den Vorstellungen der Naturwissenschaftler von einer Theorie entspricht. Der Wahrheitsbegriff spielt, soweit es die Naturwissenschaften betrifft, dort keine Rolle mehr.

    Ich meine, es war Hampe, bei dem ich gelesen habe, dass der Begriff “wahr” (etwa bis zum Beginn der Neuzeit) auch mit dem gleichgesetzt wurde, was man eine Offenbarung nannte – nicht nur eine im religiösen Sinne (siehe Saulus, der zum Paulus wurde), sondern auch im wissenschaftlichen (siehe Archimedes’ Heureka). Aus ihm wurde dann die “blitzartige Erleuchtung” oder auch “blitzartige Erkenntnis”.
    Ob sie nun “wahr” waren oder nicht, es waren jedoch immer auch solche, die die Wissenschaft entscheidend vorangebracht haben. Ungut an ihnen war halt, dass sie sich der experimentellen Untersuchung entziehen und nicht selten einen mystischen Gehalt zu haben scheinen. Die poetischste Beschreibung, die ich kenne, ist die von Heisenberg, der “das Gefühl [hatte], durch die Oberfläche der atomaren Erscheinungen hindurch auf einen tief darunter liegenden Grund von merkwürdiger innerer Schönheit zu schauen”, weniger poetisch, dafür aber umso mystischer die Erklärung von Feynman, er habe “in diesem Moment einen Einblick in das Wirken der Natur” erhalten.

    Beide lagen wohl richtig, aber inzwischen wurde ja beschlossen, dass es diese Art, zu einer Erkenntnis zu kommen, nicht mehr gibt. Sie fiel der Ideologie unserer derzeitigen Gesellschaftsordnung ebenso zum Opfer wie die Existenz zweier unterschiedlicher Geschlechter, indem man beides von der naturgegebenen Ebene, wo sie unverfügbar sind, auf die kulturelle gehievt hat, von wo sie auch nicht wieder entfernt werden kann, ohne die Gesellschaftsordnung zu zerstören.
    Und so geht es der Wissenschaft heute wie der bayerischen Staatsregierung*, denen nun beiden die Erleuchtung versagt bleibt.

    LG

    Trice, die für den Alois Sympathien hegt

    *Ludwig Thoma: Der Münchner im Himmel
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/-718/5

  129. Dr. Webbaer schrieb (23. Juni 2016 12:42):
    > ‘Fakten’ sind, die Etymologie ist hier eindeutig, Gemachtes, Data wiederum sind etwas Gegebenes

    Danke für den Hinweis.
    Das beweist zwar nicht, dass jemand, der heutzutage das eine oder andere dieser Wörter benutzt, genau diesen Unterschied zum Ausdruck bringen wollte (ich habe dahingehend gerade mehr Glück als Verstand zum Recherchieren gehabt);
    und ich habe keine Ahnung (allerdings nun einige Neugier), ob sich im überlieferten Schrifttum von gewissen (schon allein deshalb bemerkenswerten) Altvorderen tatsächlich schon die (beiden zu unterscheidenden) Begriffe finden ließen, die wir ggf. mit den Worten “Fakten” bzw. “Daten” übersetzen würden.

    Aber das kommt jedenfalls gelegen, wenn man überhaupt erst einmal anzusprechen und zu motivieren versucht, was zwischen “etwas (gegeben bekommen) haben” und “etwas (daraus) machen” liegt;
    nämlich die Festlegung “Wie (machen wir das) ?”.

    Für (viele) Physiker (und gewisse Nahestehende) gehört das ja zum grundlegenden Handwerkszeug; seit ca. hundert Jahren steht für den Dreiklang

    Wie gewinnen wir aus geeigneten individuell gegebenen
    Daten einvernehmliche, nachvollziehbare Fakten
    eine kompakte und mittlerweile weitverbreitete Notation zur Verfügung:

    Â ψ_a = a ψ_a,

    wobei sich die Daten ψ_a hier insofern als “geeignet” (d.h. als “Eigenfunktion des Operators ”) verstehen, als

    ⟨ Â ψ_a | Â ψ_a ⟩ ⟨ ψ_a | ψ_a ⟩ =
    ⟨ ψ_a | Â ψ_a ⟩ ⟨ Â ψ_a | ψ_a ⟩

    gilt, während irgendwelche beliebigen Daten ψ nur allgemeiner

    ⟨ Â ψ | Â ψ ⟩ ⟨ ψ | ψ ⟩ ≥
    ⟨ ψ | Â ψ ⟩ ⟨ Â ψ | ψ ⟩

    erfüllen.

    Und damit einher ging insbesondere auch die Erkenntnis, dass bestimmte Daten, die geeignet waren, um daraus durch Anwendung eines bestimmten Wie?-Operators  konkrete Fakten (d.h. oben insbesondere den reellen Wert “a”) zu ermitteln,
    nicht unbedingt auch geeignet sind, um daraus durch Anwendung gewisser (oder irgendwelcher) anderer Operatoren Ô entsprechende weitere Fakten zu gewinnen.

    (Man spricht dann von Inkompatibilität der betreffenden Mess-Operatoren; und solche Zusammenhänge haben “die Alten” bestenfalls erahnt, aber sicherlich nicht gewusst und gelehrt.)

    > Darum geht es Bas van Fraassen ja gerade

    Diesen Eindruck habe ich (bisher) überhaupt nicht;
    aber vielleicht begebe ich mich heute Abend noch auch die oben
    ausgelegte audio-visuelle Spur (und würde eventuelle Fundstücke ggf. transkribieren und zur Diskussion stellen).

    Stattdessen verstehe ich die in den obigen Kommentaren zitierten van Fraassen-Parolen so:

    “Falls sich eine bestimmte Theorie als empirisch inadäquat erwiesen hat,”

    (um es bis dahin unverfänglich verklausuliert auszudrücken)

    “dann verwerfe diese gesamte Theorie, einschließlich der im Rahmen dieser Theorie definierten Mess-Operatoren, also auch einschließlich aller durch Anwendung dieser Mess-Operatoren gewonnenen Fakten/Messwerte;”

    und die Pointe zum Schluss:

    “sogar dann, falls genau jene vermeintlichen, nun zu verwerfenden Fakten der Anlass dafür gewesen wären, die betreffende Theorie als empirisch inadäquat zu beurteilen.”

    In anderen Worten: ich traue Leuten, die behaupten, “Theorien testen” zu wollen bzw. zu können, nicht weiter, als ich sie werfen kann.
    Und was die, die gewissenhaft genug sein sollten, dazu geschrieben haben, lässt mich nicht erkennen, dass sie sich mit dem genannten “Wie?” beschäftigt hätten.

  130. @ Trice :

    (…) inzwischen wurde ja beschlossen, dass es diese Art, zu einer Erkenntnis zu kommen, nicht mehr gibt (…)

    Korrekt, der Konstruktivismus hat sozusagen gewonnen. Weil er im skeptizistischen Sinne leistet, es wird ja in der Naturlehre nicht mehr verifiziert.
    Der Sozialkonstruktivismus kann, wenn er in falsche Hände gerät, wenn es nicht mehr um die Qualität von Konstrukt geht, natürlich äußerst gesellschafts-schädlich sein.

    LG
    Dr. Webbaer

  131. Herr Wappler,
    Sie sind ja vom Fach und Ihr Kommentatorenfreund ist auch hier nur interessierter Laie; soll u.a. auch bedeuten, dass Sie mit dem, was Sie schrieben und hier nicht umfänglich verstanden werden konnte, womöglich richtig liegen.
    Auch bei Ihrer Kritik an Bas van Fraassen, der hier zwar sehr gut und cool gefunden wird, dem aber hier nicht umfänglich zugestimmt wird. Bas van Fraassen ist ja konstruktivistischer Empirizist während kleines dickes (aber nicht mehr so wie früher!) Webbaer Konstruktivist (ohne Attribut) ist.
    Ein schöner Tag heute,
    MFG
    Dr. Webbaer

  132. @Dr. Webbaer

    “Der Sozialkonstruktivismus kann (…), natürlich äußerst gesellschafts-schädlich sein.”

    Ist schon passiert. Der Zug ist abgefahren, da sind nicht mal mehr die Rücklichter zu sehen. Schauen Sie es sich an: warum denn wohl gibt es diese Art, zu einer Erkenntnis zu kommen, nicht mehr – oder genauer: darf es sie nicht mehr geben?

    Wenn das Gleichheitsprinzip zur Maxime wird, dann kann es nicht Einzelne geben, die Anderen etwas voraus haben, ihnen gar überlegen sind.
    Wenn Frau Dr. Baudson einem ihrer Beiträge den Titel gibt “Intelligenz: das unsympathische Merkmal”, um dann zu fragen: warum eigentlich?, ist die Frage, sorry, naiv. Denn hohe Intelligenz schafft wieder Ungleichheit, die nicht sein darf – weshalb ja auch festgestellt wird, dass der Unterschied soo groß gar nicht ist. Und man braucht nur eine Illustrierte aufzuschlagen, die sich mit dem Thema Intelligenz oder gar Genie beschäftigt, um bestätigt zu bekommen, dass selbstverständlich jedes Kind das Zeug zum Genie in sich hat – was schlicht falsch ist.

    Nein, wenn diese Art, Erkenntnis zu gewinnen nicht mehr sein darf, dann darf es auch in den Wissenschaften keine Einzelnen mehr geben, die auf ungewöhnliche Weise – und nicht experimentell nachprüfbar – zu Erkenntnissen kommen. Dies kann nur noch interdisziplinär geschehen. Der Frage, was sich denn so urplötzlich am menschlichen Denken geändert haben soll, wird mit dem Argument begegnet, dass Wissenschaft heute einen so hohen Standard erreicht hat und so komplex geworden ist, dass anstehende Fragen nur noch im Kollektiv beantwortet werden können, der einzelne Wissenschaftler (möglichst im Elfenbeinturm), passé sei – und niemand hinterfragt es. Niemand kommt auch nur auf den Gedanken, zu fragen, ob das tatsächlich stimmt. Niemand kommt auf den Gedanken zu fragen, ob Interdisziplinarität dem Gleichheitsprinzip entspricht und zugleich dem einzelnen Wissenschaftler mit dieser Begründung eben doch noch ein elitäres Gefühl vermittelt – zumindest der großen Masse gegenüber.

    Nichts gegen interdisziplinäre Zusammenarbeit, nichts gegen Teamarbeit. Aber wenn ihr Zweck mit darin liegt, Alleingänge Einzelner zu verhindern, wenn die Wissenschaft sich selbst Scheuklappen verpasst und es nicht einmal bemerkt, dann kann das nicht nur gesellschaftschädlich sein, dann ist das gesellschaftsschädlich.

    Trotzdem, ein schöner Tag heute,

    LG
    Trice

  133. @ Trice :

    Da scheint bei Ihnen wieder eine ganze Menge konservative (“politisch rechte”) Meinung am Start zu sein. Auch ein wenig Wissenschaftskritik, dort schaut es aber aus Sicht Ihres Kommentatorenfreundes noch ganz gut aus, von bestimmtem ungünstigen Sozialkonstruktivismus, der sich wissenschaftlich schimpft, einmal abgesehen.
    Sie dürfen versuchen derart zu unterscheiden: Konstruktivismus als Erkenntnisprinzip sehr OK, wird aus ihm bestimmte Gleichheit bis Dummheit bis Relativismus abgeleitet, schlecht.
    BTW, zur sogenannten Hochbegabtenforschung, an der der Schreiber dieser Zeilen i.p. Sinnhaftigkeit keine Zweifel hegt, fällt diese Frage ein: “Müssen Hochbegabtenforscher selbst hochbegabt sein?” – besser wäre es womöglich.

    LG
    Dr. Webbaer

  134. @Dr. Webbaer

    “Da scheint bei Ihnen wieder eine ganze Menge konservative (“politisch rechte”) Meinung am Start zu sein.”

    Darüber bin ich hinaus. Konservatismus, Liberalismus, Sozialismus, das gehört in die Ära der Moderne. Spätestens seit dem abgeschlossenen Umbau der Gesellschaft Ende der 80er Jahre sind diese Begriffe obsolet. Ansonsten sehe ich es wir Fürth: in die derzeitige politische und gesellschaftliche Lage sind vom Liberalismus die individualistischen Menschenrechte, vom Sozialismus deren materialistische Konkretisierung auf egalitärer Basis eingegangen, und vom Konservatismus allenfalls eine gewisse Staatsbezogenheit.

    Im Übrigen bin ich Konstruktivist – eben das Erkenntnisprinzip betreffend -, anderenfalls hätte ich meinen Ansatz überhaupt nicht formulieren können. Aus genau dieser Einstellung heraus bereitet mir das derzeitige Wissenschaftssystem Bauchschmerzen. Denn nicht allein, dass die derzeitige Gesellschafts – oder sollte ich sagen Welt-Ordnung? – auch in der Wissenschaft Einzug gehalten hat und ihr Weltbild (mit)prägt, sie führt auch zu diesen

    http://www.zeit.de/2014/01/wissenschaft-forschung-rettung

    Folgen.
    Und sind Sie wirklich der Meinung, dass sich mit der Abschaffung des Magister Artium oder des Diplom-Ingenieurs die Dinge zum Besseren gewandelt haben?

    Dass inzwischen wieder Hochbegabten-Forschung und -Förderung sein und es Elite-Universitäten geben darf, ist zwar erfreulich, aber ich vermute, es ist in erster Linie den Interessen der Wirtschaft geschuldet, nicht irgendwelchen tiefer gehenden Einsichten.

    Es ändert jedoch auch nichts daran, was Dean Keith Simonton beklagt:
    http://www.spektrum.de/news/ende-des-genies/1184695

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