Allez les Blogs! Oder: Beagle 2, eine äußerst britische Raummission

BLOG: Exo-Planetar

Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
Exo-Planetar

scilogs_em2016Ja, ich weiß. Großbritannien ist nicht gleich England. Um den Punkt gleich zu klären:

England ist halt England, Großbritannien ist Schottland, England und Wales;  Vereinigtes Königreich ist Nordirland, Schottland, England und Wales. Die Isle of Man sowie Kanalinseln sind separat. Das war Geographie, ein lokaler Seitenzweig der Planetologie.

Mutterland des Fußballes also. Es gibt seit jeher vier eigenständige Fußballverbände im Vereinigten Königreich. Die haben mit dem Fußball so früh angefangen, die mussten erstmal untereinander spielen. Also keine britische Nationalmannschaft – aber ein britisches Fußballteam bei den olympischen Spielen! Die englische Nationalmannschaft ist tendenziell eher mal erfolglos (kein Titel seit 1966), vielleicht sollte mal eine britische Nationalmannschaft mal angedacht werden. Eine statistische Aufarbeitung dieses Traumas findet sich im sehr empfehlenswerten Why England Lose: And other curious phenomena explained von Stefan Szymanski und Simon Kuper. Wenn wir schon bei gehaltvollen Fußballbüchern sind, unbedingt empfehlenswert ist auch The Ball is Round: A Global History of Soccer von David Goldblatt. Soviel zum runden Ball, der ins Eckige sollte.

Ich bin also für den Beitrag über England zuständig. Wieso England? Hat eigentlich vor allem persönliche Gründe, ich habe sechs schöne Jahre auf der Insel als Wissenschaftler (in London und Milton Keynes) gearbeitet. War beruflich und persönlich eine prima Zeit, und auch meine Leber drang in Bereiche vor, in die meine Leber nie zuvor- aber lassen wir daß.

Dann halt was über das Thema dieses Blogs, die planetaren Wissenschaften. Und In der Richtung läuft einiges in England (übrigens auch in Schottland). In der Forschung auf diesem Gebiet spielt England eine sehr gewichtige Rolle, Punching beyond its weight kann man da schon sagen. Alleine London ist ein echter internationaler Knotenpunkt in der Planetologie. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Fleißig geforscht wird am Imperial College, am Centre for Planetary Science des University College, das wieder aus mehreren Instituten besteht. Und dann natürlich das Natural History Museum, einer meiner alten Wirkungsstätten. Dort gibt es eine der größten (und qualitativ besten) Meteoritensammlungen der Welt, und es wird nicht nur ausgestellt, sondern auch in den entsprechenden umfangreichen analytischen Einrichtungen geforscht.

Dann, im Umland, geht es ordentlich weiter. Im schönen Canterbury, an der University of Kent wird unter anderem die leichte interplanetare Artillerie für Impakt- und Schockexperimente eingesetzt (und auch weil es einfach Spaß macht). Weiter östlich hat sich Bristol über die letzten zehn oder so Jahre mächtig gemaustert. Und natürlich die ewigen Platzhirsche, Oxbridge. Während in Cambridge planetologisch gar nicht (mehr) so viel läuft, ist Oxford fett mit dabei, sowohl fernerkundlich wie auch in Laboruntersuchungen. Und eingequetscht zwischen den beiden die Open University in Milton Keynes, aber mehr dazu weiter unter. Dann sind auf jeden Fall Leicester mit gleich einem ganzen Space Research Centre. Und natürlich die University of Manchester, die auch sehr, sehr viel auf meinem Gebiet leistet. Und das ist sicherlich noch nicht alles, wer Interesse hat, in der Richtung was zu forschen/studieren, sollte sich England mal genauer anschauen.

Der Weltenraum hat die Insel bisher nicht sehr effektiv mit Gestein beworfen, es gibt irgendwie weniger Funde als man von einem Gebiet dieser Größe erwarten würde. Wahrscheinlich der Dauerregen, der alles wegoxidiert (war ein Scherz, das Wetter zumindest im Südosten ist nicht soo schlecht, zumindest im Vergleich mit Norddeutschland). Und wenn dann ein Meteorit auftaucht, dann natürlich gleich als lange übersehener Mauerstein im Domizil eines einst recht populären Sangeskünstlers. Das kann man sich nicht ausdenken.

Wenn das Zeug also nicht von alleine runterfällt, dann muss man halt vor Ort gehen. Und auch da gibt es eine passende Begebenheit, die Geschichte von Beagle 2, der britischsten aller britischen Raumsonden. Und das bringt uns zurück zur oben schon erwähnten Open University zu Milton Keynes, meiner anderen Wirkungsstätte in England. Denn es hätte wohl keinen passenderen Geburtsort für die Sonde geben können.

Milton Keynes ist außerhalb Großbritanniens wohl weniger bekannt (obwohl die Gründung immerhin Anno 1979 einen Artikel im Spiegel wert war). Denn Milton Keynes mit seinen inzwischen fast 200000 Einwohnern existiert in seiner modernen Form erst seit 1967. Sie ist die letzte der New Towns, zentral geplanten Städten, die das überfüllte London entlasten sollten. Das letzte größere, unbebaute Gebiet fand sich in einer Sumpflandschaft in Buckinghamshire, um das alte Dorf Milton Keynes herum. So ist der Stadtname ist also nicht, wie oft angenommen, aus den Namen der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes und Milton Friedman zusammengesetzt.

Ursprünglich als futuristische Hochhaussiedlung samt Einschienenbahn geplant, setze sich dann ein Schachbrett-Entwurf durch. Die Stadtteile sind jeweils 1 km2 große Rechtecke, sie kleine Stadteile für sich bilden. Zwischen den Siedlungen sind  ‘Park’-Felder eingestreut, über die man fast bis zum kompakten Zentrum, praktisch einem riesigen Einkaufzentrum, gelangen kann. Da es kaum Gebäude über 3 Stockwerke gibt, merkt man generell selten, dass man sich inmitten einer mittelgroßen Stadt befindet. Milton Keynes ist auch für seine Roundabouts bekannt, Kreisverkehr wurde von Anfang an fest in das Schachbrett eingeplant. Auch interessant (und für die Entstehungszeit sicher revolutionär) ist das völlig unabhängige (aber auch nach ein paar Pint verwirrende) Rad- und Fußwegnetz. Ein ähnlicher zeitgenössischer Versuch einer kompletten Stadtneugründung in Deutschland ist eher gescheitert (Neue Stadt Wulfen), Milton Keynes hingegen war ein voller Erfolg.

Ach, Fußball passt hier auch noch rein die berüchtigten MK Dons. Hies ursprünglich FC Wimbledon, um dann nach Insolvenz nach Milton Keynes verfrachtet zu werden. Die Fans des FCW gründeten den Verein einfach neu, als AFC Wimbledon. Dieser spielt inzwischen in der 3.Liga, wie übrigens auch die MK Dons.

Und zeitgleich mit der der Stadt wurde gleich auch eine Uni gegründet. Das war interessanterweise auch der hiesigen Presse einen Artikel wert. Es handelt sich um die Open University (das Kürzel OU wird in GB überall verstanden). Das war zunächst ein von der Stadtgründung separates Unterfangen, das vor allem vom zweimaligen Labour Premierminister Harold Wilson vorangetrieben wurde. Die Lehre der OU besteht aus Distance Learning, es ist also eine Fernuni. Wilsons Vision war, moderne Kommunikationstechnik (damals halt das Fernsehen) zu verwenden, um gerade bildungsfernen Schichten akademische Bildung zu ermöglichen. Für das Grundstudium sind zunächst keine vorhergehenden Schulabschlüsse nötig (also auch keinen A-Level, das britische Abi).

Die Älteren unter uns erinnern sich doch sicher noch an das Telekolleg. Das gibt es sogar noch, wusste ich nicht. Wobei das Telekolleg aber ‘nur’ Schulabschlüsse ermöglicht. Trotz allen Widerstandes wurde die OU ein vollster Erfolg. Sie ist mit Abstand die größte Uni Großbritanniens, und man trifft eigentlich permanent auf Leute, die dort einen Abschluss gemacht haben. Und Fernuni heißt nicht, daß an der Qualität Abstriche gemacht werden, die Abschlüsse sind voll anerkannt. Die Uni rangiert in Qualität-Rankings im vorderen Mittelfeld. War die OU zunächst nur als reine Lehr-Uni geplant, so realisierten die Unterstützer schnell, dass die OU erst mit eigenen Forschungseinrichtungen bei vielen Kritikern für voll genommen werden würde. Gesagt, getan, aber so eine Uni brauchte auch einen ordentlichen Campus. Und so wurde die OU 1969 fast zeitgleich mit der Stadt gegründet.

Meine Güte, jetzt bin ich aber abgedriftet. Zurück zum Thema.

Man sieht, bei Milton Keynes und der OU handelt es sich um geballte, kondensierte britische Zukunftsvisionen der 60er und 70er Jahre. Also irgendwie ein passender Geburtsort für die britischste aller britischen Raumsonden, Beagle 2.

Und das kam so. Späte Mitte der 90er Jahre, lange ist es her, so um 1997, trafen sich in bester britischer Gewohnheit zwei Forscher aus der OU zu einem, vielleicht auch zwei Bier Pint nach der Arbeit. Wahrscheinlich in einem der beiden Swans, beides noch sehr authentische (Gastro) Pubs in der Umgebung der OU. Und Wissenschaftler reden gerne auch bei ein paar Bier über Wissenschaft (aber nicht nur, ehrlich). Thema des Plauschs von Colin und Ian war vielleicht Mars-Meteorit ALH84001.

Wir Älteren erinnern uns, das war der in der Antarktis eingesammelte Marsmeteorit, in dem man 1996 glaubte, Lebensspuren gefunden zu haben. Das ist schon 20 Jahre her ?!  Meine Güte, die Zeit vergeht. Das Thema ist wohl einen eigenen Beitrag wert, denk ich mal.  Die Angelegenheit war sogar dem damaligen US Präsidenten Bill Clinton eine Live-Ansprache an die Nation wert. Selbiger Meteorit, sogar die Probe, in der die vermeintlichen Lebensspuren gefunden wurden, geisterte kurz vorher eine Zeit lang im Personengeflecht zwischen OU und dem Natural History Museum hin- und her, und wurde vielleicht auch analysiert. Aber die Kollegen von der NASA sind dann halt über die (vermeintlich) interessanten Teile gestolpert.

Die Truppe um Colin Pillinger war der Grund, wieso es in Cambridge keine Planetary Science gibt, weil Pillinger und Co. nämlich Mitte der 80er aus selbigem Ort an die OU übergelaufen sind. Spezialität der Gruppe war und ist die Isotopie leichter, volatiler Elemente. Und da diese Isotopenverhältnisse gerade auch von biologischen Vorgängen beeinflusst werden, eignen sie sich natürlich besonders für Fragestellungen der Astrobiologie. Und schon in den Achtzigern hat diese  Arbeitsgruppe sich die Isotopie von Marsmeteoriten angeschaut.

Da wäre es doch irgendwie prima, solche Isotopenverhältnisse (z.B. vom Kohlenstoff) einfach mal vor Ort, auf dem Mars, zu messen. Das haben sich die beiden wohl dann auch gedacht, als das Thema in Richtung Raummissionen driftete. Stichwort ist Mars Express. Damals, in den 90ern, brach gerade so was wie ein zweites güldenes Zeitalter in der Raumforschung an. Über die 80er und frühen 90er war nicht allzu viel an Raumsonden unterwegs. Das änderte sich so um den Dreh herum. Mars Express war zunächst mal ein reiner ESA-Orbiter. Beagle 2 entstand dann eher als Nachgedanke. Ein früher Tagungsabstrakt hier. Schon ein Jahr später war das Ding ausgereifter. Und Pillinger ging gleich aufs Ganze, Zitat:”Beagle 2 is unashamedly an exobiology mission“. Problem bei der ganzen Sache: das liebe Geld. Raumsonden sind logischerweise teuer, sehr teuer. Man kann eigentlich nix von der Stange verwenden, alles wird speziell für eine Sonde entwickelt, zusammengelötet und bis zum Anschlag getestet.

Dummerweise hatte Beagle 2 am Anfang erst mal ein Budget von praktisch nix. Aber Pillinger verstand es, seine Sonde zu vermarkten. 1997, das war noch das Großritannien der Cool Britannia Ära. Beagle 2 wurde so gesehen ein Teil des Brit Pop – die damals sehr populäre Kapelle Blur half bei der PR aus, und komponierte sogar eine Signalmelodie, die als erstes vom Mars gesendet werden sollte. Der Künstler Damien Hirst pinselte Farbkleckse für die Kalibration der Kameras.  Dennoch, das Geld musste erst mal aus allen möglichen Quellen zusammengekratzt werden, um das Ding in die Gänge zu bekommen.

Dazu kam ein immenser Zeitdruck, Mars Express war schon eine flotte Angelegenheit, und für die Entwicklung und Bau von Beagle 2 verblieb noch weniger Zeit, wobei es immer wieder zu Änderungen auf Druck der ESA kam. Die Endgültige Form von Beagle 2 entstand in einer Verzweiflungsaktion auf einen Bierdeckel gekritzelt in einer Kneipe in Toulouse, nachdem man Colin Pillinger mitgeteilt hatte, das Gewicht der Sonde einfach mal so zu halbieren. Unterfinanziert taumelte also das Projekt erst mal vor sich hin, und auch die erhofften Sponsoren blieben aus. Bis sich dann ESA und die britische Regierung doch erbarmten (wohl auch Dank der Öffentlichkeitsarbeit), und zumindest einigermaßen Geld in das Projekt zu investieren. Dennoch, mit 50 Millionen Pfund war es dann doch nur ein Schnürsenkelbudget.

Was also bekam der Steuerzahler für das Geld ? Eigentlich ganz schön viel (schöner Artikel von Bernd Leitenberger hier). Beagle 2 war klein, kein Meter im Durchmesser bei gerade mal knapp 70 kg Gewicht. Dennoch quetschten die Briten einen Roboterarm zum Probensammeln, eine Stereokamera, diverse Sensoren, Mössbauer und Röntgenspektrometer, Bohrer und als Höhepunkt, einen kleinen Massenspektrometer in den Lander. Nachteil: es wurde bei der Landvorrichtung gespart. Erst mal vom Orbiter abgestoßen, war die Sonde antriebs- und steuerlos, um dann äußert ruppig erst durch das Hitzeschild abgebremst, dann mit Fallschirm und Luftpolster zu landen. Und das alles war nicht richtig getestet.

Wie auch immer, die Sonde hob piggypack auf Exo Mars unter großer öffentlicher Teilnahme 2003 in Baikonur ab, und driftete ihrem Schicksal entgegen. Zu dem Zeitpunkt hatte ein ziemliches Medieninteresse eingesetzt. Höhepunkt sollte die Landung von Beagle 2 Weihnachten 2003 sein. Die ersten Bilder von der Oberfläche sollten als Teil der altehrwürdigen Royal Institution Christmas Lecture übertragen werden. Das ist eine alte britische Tradition, heute eine mehrteilige Fernsehserie (zum Teil live) über ein aktuelles Thema der Wissenschaft. Weihnachten 2003 war das Thema nicht ganz zufällig Planetologie (Voyage in space and time), präsentiert von meiner damaligen Chefin Monica. Aufregende Zeiten damals. Die Christmas Lecture von 1977, vorgetragen von Carl Sagan  gibt einen schönen Eindruck (und dürfte wohl eine Inspiration für Cosmos gewesen sein).

Dummerweise war das vorerst letzte, was man von Beagle 2 sah, ein Bild kurz nach der Abtrennung vom Orbiter am 19.Dezember. Dann kein Signal, keine Melodie von Blur. Die Christmas Lecture wurde drumherum improvisiert. Es gab diverse Spekulationen, wie auch viel Häme. Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Erst Januar 2015 gelang es, den Lander zu finden. Und statt eines Trümmerhaufens fand man – einen im Zielgebiet ordentlich aufgesetzten Beagle 2, der sich halt im allerletzten Moment nicht richtig entfaltet hatte. Die Mission war sprichwörtlich auf den letzten Metern gescheitert.

Trotz allem war die Arbeit nicht umsonst. Auch aus Fehlern kann man lernen, schöner Artikel hier. Eine zentrale Schlußfolgerung: “Beware when cutting corners in spaceflight“. Und die Erfahrung bei der Entwicklung und dem Bau von den miniaturisierten Instrumenten ging auch nicht verloren, die OU war und ist weiterhin in der Raumsondenbranche tätig. Gerade der Miniatur-Massenspektrometer ist auch für viele kommerzielle Anwendungen von Interesse, zum Beispiel als tragbares Gerät für medizinische Diagnose.

Es ist interessant zu spekulieren, was passiert wäre wenn, Beagle 2 auch nur einigermaßen erfolgreich gelandet wäre. Ein weihnachtlicher Fernsehhöhepunkt, wahrscheinlich ein noch stärkerer Impuls für die britische Weltraumforschung. Und vielleicht der sprichwörtliche Ritterschlag für einige der Beteiligten. Dann wieder – einige Jahre später hätten sich dann möglicherweise unzählige ‘billige’ Beagle 2-Klone im inneren Sonnensystem in den Boden gerammt. Schwer zu sagen.

Das war dann mein Beitrag – länger als gedacht. Und ich habe noch nicht mal die wackeren Leute von der British Interplanetary Society und ihren tollkühnen Plänen erwähnt, oder das ursprüngliche britische Raumfahrtprogramm.

Ach ja. Den legendären Bierdeckel gibt es immer noch, wie ich aus zuverlässiger Quelle vor Ort erfuhr.

Lust auf mehr Wissenschaft aus Großbritannien? Der Nature Index, eine große Datenbank über Publikationen aus vielen Ländern und Instituten, gibt Ihnen einen Überblick über die dortige Forschungsszene.

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

3 Kommentare

  1. Um Beagle 2 herum hat es schon immer eine muntere Legendenbildung gegeben. Natürlich inklusive Verschwörungstheorien. “Sie(TM)” wollten natürlich nicht, dass eine kleine, preiswerte Mission gelingt.

    Das hier ist Teil der Legendenbildung:

    Erst Januar 2015 gelang es, den Lander zu finden. Und statt eines Trümmerhaufens fand man – einen im Zielgebiet ordentlich aufgesetzten Beagle 2, der sich halt im allerletzten Moment nicht richtig entfaltet hatte. Die Mission war sprichwörtlich auf den letzten Metern gescheitert.

    Also, aus diesen paar Pixeln, in denen Trümmer von Beagle 2 zu erkennen waren, etwas über die Unfallursache herzuleiten – manche britische Quellen versuchten ja geradezu, das Ganze zu einem Fast-Erfolg hochzujubeln – erscheint mir doch eher schwierig.

    Zudem ja auch die von der Untersuchungskommission identifizierten Versagensszenarien davon ausgingen, dass es erst auf den letzten Metern schief ging. Das ist nun mal bei Marslandungen so. Schwierig sind die letzten Meter.

    Falls die Airbags sich nicht aufbliesen, weil die Gasgeneratoren versagten, hätte das einen ungebremsten Absturz aus einigen Metern Höhe verursacht. Bei 0.38g käme es da wohl kaum zu einem ausgedehnten Trümmerfeld, wohl aber zu einer kaputten Sonde.

    Falls die Airbags zu früh abgesprengt worden sind, weil das Absprengen timer-gesteuert und nicht durch Beschleunigungssensoren erst nach Ende der Bewegung ausgelöst wurde, hätte es erst recht kein ausgedehntes Trümmerfeld gegeben, aber auch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit eine kaputte Sonde.

    Wenn das Airbag-Paket mit der Sonde drin aufgrund der verkürzten und wahrscheinlich gefährlich kurzen Fallschirmleine direkt in den Fallschirm hüpfte und sich darin verhedderte, hätte es auch kein Trümmerfeld gegeben, aber wahrscheinlich auch kein Funksignal.

    Etc. Beagle 2 war nach meinem Dafürhalten nichts mehr als “a failure looking for a place to happen”. Mit so wenig Masse und so wenig Kohle kann man keinen besseren Job leisten. Da kann man keinem der beteiligten Ingenieure einen Vorwurf machen.

  2. Das sollte jetzt auch nicht so rüberkommen – das Beagle 2 mit der heissen Nadel gestrickt war, ist schon offensichtlich. Die Frage ist wohl auch, wieviel bei einem eventuellen erfolgreichen Aufsetzen tatsächlich funktioniert hätte. Interessant, dass die Sache mit den Orbiter-Bildern doch nicht so eindeutig ist.

  3. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Die Legendenbildung um Beagle 2 findet nicht in diesem Blog statt, aber sie findet statt. Schon diese Aussagen wie die hier sind eine merkwürdige Kombination aus Tatsachenverdrehung und “wishful thinking”. Die “hochkomplexe Eintritts- und Landesequenz” hat eben nicht funktioniert.

    Funktioniert hat offenbar das, was nicht komplex war. Den Hitzeschild konnte man nicht falsch machen. Das Absprengen des vorderen Hitzeschilds dagegen schon – das war bei Beagle 2 durch drei Beschleunigungssensoren gelöst. Wenn ich mich recht erinnere, war deren Signal aber kein Mehrheitsvotum nachgeschaltet. Falls das zutrifft, hätte man da schon Glück gehabt, dass es offenbar funktionierte.

    Wirklich komplex ist aber die Endsequenz, wo genau in der richtigen Höhe Bremstriebwerke zünden müssen und dann bei Stillstand der Fuhre einige Meter über dem Boden die Fallschirme ausgelöst werden. Und hier hat offenbar etwas nicht funktioniert. Aber das ist genau der Punkt und nicht nur einfach ein Detail.

    Das aber wusste man spätestens seit dem Bericht der Untersuchungskommission, der etliche Schwachpunkte benannte, die jeder für sich das Aus bedeuten konnten und mehrheitlich in der Endphase angesiedelt waren. Einige habe ich schon genannt.

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