Benzodiazepine bei akuten Psychosen: Entspricht die Dosis dem Bedarf?

Benzodiazepindosis bei akuten Psychosen

In der stationären Behandlung akuter Psychosen kann es oft sinnvoll sein, am Anfang eine wirksame Dosis von Benzodiazepinen zu geben, da die akute Psychose oft mit einem hohen Maß an Angst und Anspannung einher geht. Angst und Anspannung lassen dann meist recht zügig nach, nach einer Woche sind sie oft weitgehend abgeklungen. Wenn zu Beginn Benzodiazepine gegeben worden sind, dann sollen diese nun zügig reduziert und so bald wie möglich abgesetzt werden.
In der Realität sehe ich oft, dass an den ersten zwei Tagen eher zu wenig Benzodiazepine gegeben werden, und danach die Dosis deutlich zu langsam reduziert wird. Natürlich gibt es nicht einen immer gleichen Benzodiazepin-Bedarf bei Patienten mit akuten Psychosen. Ich habe das Diagramm oben aber dennoch gezeichnet, um zu verdeutlichen, wie ich das meine. In den ersten Tagen brauchen manche Patienten eine hohe Dosis, dann ist eine rasche Dosisreduktion sinnvoll. 

Merke:
Prüfe täglich, wie hoch Angst und Anspannung wirklich sind und passe die Benzodiazepin-Dosis täglich daran an.

7 Gedanken zu “Benzodiazepine bei akuten Psychosen: Entspricht die Dosis dem Bedarf?

  1. Anna_Cranach 23. Juli 2014 / 18:20

    ja, stimmt,

    das würde ich als Laie auch so für die bessere Vorgehensweise halten.

    Die bisher übliche Praxis befördert ja auch Abhängigkeit.

    • Anna_Cranach 23. Juli 2014 / 18:32

      Außerdem kann es bei längerem Konsum zu kognitiven Defiziten kommen. Unter Drogenkonsumenten ist es weithin bekannt, dass es öfters vorkommt, dass jemand total vergesslich und durcheinander wird, wenn er tagelang Benzodiazepine nimmt und immer wieder Benzo nachlegt.

      Genau das ist mir mit der Benzo-Dauermedikation in der Psychiatrie passiert, ich war davon total durcheinander und vergesslich. Wurde natürlich nicht aufs Tavor geschoben, sondern als psychotisches Durcheinander fehldiagnostiziert…. typisch Psychiatrie. Es kommt immer von der Krankheit, die Medies sind nie schuld!

      Der Arzt war dann ziemlich überrascht, dass ich nach Ausschleichen und Absetzen von Tavor UND Absetzen von Seroquel dann komplett klar und null durcheinander und völlig normal war, da hat er meine Behauptung dann endlich akzeptiert, dass hauptsächlich Benzo-Dauerkonsum schuld war. (Ich habe ihm ständig gesagt, das ist mir schon mal mit Tavor passiert, in ambulanter Behandlung…. trotzdem wollte er mir nicht glauben. Einschätzungen von Patienten zählen ja nicht.)

      Ich hatte es dem Arzt, der mir 4 mg Tavor verschrieben hat, sogar gesagt, es ist mir mit Dauerkonsum schon mal passiert, dass ich massive Gedächtnisprobleme mit dem Kurzzeitgedächtnis gekriegt habe. (3 Wochen lang 2 mg Tavor/Tag) Da hat der Arzt dann gesagt, „das braucht sich nicht wiederholen, und wenn, dann ist es ja reversibel“. Es hat sich wiederholt, und trotz dieser Vorankündigung wurde mir dann auf der nächsten Station eine Psychose nachgesagt, natürlich ohne mir das zu sagen und ohne Information, warum sie das annehmen. Keine Chance, was klarzustellen, ich dachte ja, mein Durcheinander würde richtig interpretiert, ich hatte den Arzt ja informiert.

  2. Anna_Cranach 23. Juli 2014 / 19:28

    Aber davon abgesehen, ich finde den Beitrag richtig gut.

    Ein großzügigerer Umgang mit Bedarfs-Benzos und mit Schlafmitteln könnte gut helfen, die Dosis der Dauermedikation niedrig zu halten.
    Ich persönlich nehme auf jeden Fall lieber eine niedrigere Dauer-Dosis und dafür öfter mal ein Bedarfsmedikament,
    als umgekehrt.

    Dazu kommt noch, dass Antipsychotika/Neuroleptika sowas von widerlich sein können. Wenn sich mit Hilfe von Benzo und Schlafmitteln da an NL-Dosis sparen lässt, dann bin ich dafür. Benzos sind halt echt angenehme Drogen und NL unangenehme.

    Sowohl Benzos als auch NL wirken beruhigend.

    Mit dem Unterschied, dass Benzos ein besoffenes Scheißegal-Gefühl auslösen 😉
    und NL ein leeres, abgeschaltetes Scheißegal-Gefühl.

    Ich ziehe eindeutig das erstere vor.
    Viele andere Patienten auch, deswegen sind Benzos bei vielen Patienten beliebt und NL verhasst.

    Und die Patienten haben recht damit, dass sie angenehme Drogen nehmen wollen und unangenehme meiden. Schließlich sind Psychopharmaka dazu da, die Lebensqualität des Konsumenten zu steigern.

    Nicht dazu, dass er seiner Umgebung nicht mehr auf die Nerven fällt. Damit muss die Umgebung anders zurechtkommen. Soll die Umgebung doch Psychopharmaka nehmen, wenn sie so schwache Nerven haben.

  3. Ovid 23. Juli 2014 / 19:57

    Das langsame Ausschleichen unabhängig vom eigentlichen Bedarf hat aber doch den Grund, sehr unangenehme Benzo- Absetzsymptome zu vermeiden, unter Umständen sogar Krampfanfälle. Ich würde also hoch anfangen, aber dann dennoch ins langsame Ausschleichen übergehen. Ich selbst vertrage Benzos gut und entwickelte weder Abhängigkeit noch Probleme,( 6 Wochen lang , 10 mg am Tag in den ersten beiden Wochen ) , aber beim Absetzen bin ich vorsichtiger als viele Ärzte. “ Ab morgen lassen wir die mal weg.“ , das geht bei Benzos nach hinten los, wenn man nicht gerade eine Minidosis – 0,5- 1mg Tavor beispielsweise – nimmt. Ansonsten gebe ich dem TE Recht: Benzos am Beginn einer Psychose ersparen oft die NL, wenn man sie denn verträgt und Ängste im Vordergrund stehen.

    • Anna_Cranach 23. Juli 2014 / 20:22

      ja stimmt, aber der Blog-Autor empfiehlt ja hier in dem Artikel, die Benzos nahezu ausschließlich nach Bedarf zu verschreiben.

      „Merke:
      Prüfe täglich, wie hoch Angst und Anspannung wirklich sind und passe die Benzodiazepin-Dosis täglich daran an.“

      Man kann sich auch eine Abhängigkeit einhandeln, wenn man Benzos als Bedarfsmedikament einnimmt. Aber so leicht passiert das den meisten Leuten nicht. (Mir allerdings schon, ich habe bei Benzos eine Abhängigkeitsentwicklung in Nullkommanix)

      Bei mir geht es nach hinten los, über längere Zeit Benzos zu nehmen! Denn dann kriege ich Verwirrung.
      Von einer Einmaldosis nicht, auch wenn sie hoch ist.

      Und was meine Abhängigkeitsentwicklung betrifft, das kann mir zwar schnell passieren, aber der Entzug ist dafür bei mir nicht so schlimm und gut durchzustehen. Solange ich nicht dermaßen schnell entziehe, dass die Gefahr epileptischer Krampfanfälle besteht, habe ich nur ein bißchen Unruhe (—> draußen rumlaufen) und ein bißchen Händezittern, das wars.

      So verschieden sind die Patienten in ihrer Reaktion auf die gleichen Medikamente.

      Die Frage ist, woher weiß ein Arzt sowas? Sowas am Besten aufschreiben und das Schriftstück im Fall von Klinikaufenthalt dem Arzt überreichen.

      Ich nehme nur Benzos mit kurzer Halbwertszeit. Deswegen nehme ich kein Diazepam, ein Benzo mit 30 Stunden Halbwertszeit sehe ich nicht als Bedarfsmedikament. Das hat ja immer noch Wirkung, wenn ich die Wirkung schon längst nicht mehr brauchen würde.

  4. Peter Teuschel 23. Juli 2014 / 21:38

    Nach dem Dopamin-Artikel schon wieder ein ausgezeichneter Beitrag in kurzer Zeit! Wäre ich noch Assistent, würde ich versuchen, bei Dir eine Stelle zu bekommen. Große Klasse! Ganz wichtiges Prinzip, das Du da vorschlägst. Es braucht keine Uni und keinen Professorentitel, um 1a Psychiatrie zu lehren.

  5. Julitta Henrich 22. November 2019 / 00:21

    Hier möchte ich davor warnen das Mittel Tavor häufiger als eine Woche einzunehmen. Unser Sohn
    26 Jahre hatte einen Krampfanfall im Oktober. Zunächst wurde er auf eine Epilepsie im Frontallappen behandelt. Die Dosis schwankte zwischen 1,5 und 2,5 mg Tavor am Tag. Nach 6 Tagen Behandlung mit Tavor und Reduktion auf 1 mg Tavor, erfolgten bereits Entzugserscheinungen. Er begann zu schwitzen, wobei der Schweiß sehr kalt auf der Stirn war. Er sprach von Schüttelfrost, war äußerst unruhig und konnte nicht einschlafen. Dann sollte er nur noch eine Dosis von 0,5 mg am Tag über zwei Tage einnehmen. Danach stellte sich bei ihm der Realitätsverlust ein, er zitterte am ganzen Körper und bekam Angstzustände wieder Krampfanfälle zu bekommen. Am 8. Tag mit Dosis 0,5 mg, wurden seine Befürchtungen wahr, der nächste große Krampfanfall (Grand mal) brachte in sofort in eine neurologische Klinik, natürlich mit dem sogenannten Notfallmedikament Tavor. Übrigens, als Nebenwirkungen im Beipackzettel steht, dass bei Absetzen von diesem Mittel wieder Krampfanfälle auftreten können.

    In der gesamten nachfolgenden Nacht litt unser Sohn an Krampfanfällen, unter denen er nicht sprechen konnte. Die Nachtschwester hatte ihm in dieser Notsituation nicht geholfen. Erst als er
    nach einem Anfall eine SMS uns schickte „Hilfe ich habe Krampfanfälle und niemand hilft“. Schnell rief ich auf der Station an und sagte der Schwester Bescheid, die sich dafür mit den Worten entschuldigte, dass sie sich nicht mit Krampfanfällen auskennt und sie hätte bereits einen Arzt verständigt. Unser Sohn bat den Zimmergenossen ihm zu helfen, der nur den Kommentar hervorbrachte „Idiota“, weil er ein russischer Staatsangehöriger war. In dieser Nacht hatte unser Sohn Todesängste durchlebt. Wieder wurde zur Sedierung Tavor verabreicht. Obwohl wir seine bisherige Behandlung mit Tavor mitteilten, erhielt er nachfolgend den kompletten massiven Entzug.
    Am ersten Tag zitterte er wieder am ganzen Körper, schien völlig verängstigt zu sein und stellte sich vor, einen Tumor im Gehirn zu haben (obwohl das MRT keinen Befund zeigte). Am 2. Tag zeigte er ein sog. Entzugsdelir, er behauptete von Albert Einstein abzustammen, seine Infusionen
    selbst zu machen, Selbstheilungskräfte zu haben und enorm stark zu sein. Weil er nachts nicht schlief und durch die Abteilungen der Klinik geisterte, wurden wir gebeten die Nacht bei ihm zu verbringen.

    Die 3. Nacht schien etwas ruhiger zu verlaufen, doch dann schien er traurig und nachdenklich zu sein und redete aber nicht über seinen inneren Konflikt. Um eigene Arzttermine wahrzunehmen, mussten wir ihn leider in dieser Situation alleine lassen. Er war es leid ständig an der Antibiotikanadel zu hängen, er war es leid die ständigen Krampfanfälle zu haben und dass ihm keiner in dieser Situation hilft. In seiner Tavor-Welt war er dem Tod geweiht, er hatte Angst vorm Sterben und er hatte Wut auf den Russen, der ihm nicht geholfen hatte und er hatte Aggressionen gegenüber Kanülen und ständigen Spritzen. Also nahm er den Infusionsständer und schlug ihn mit ganzer Kraft gegen die Türe, wo der russische Mitbürger seine Sachen hatte. Dann setzte er sich ruhig in die Sitzgruppe. Die Ärzte und Pfleger kamen herbei, umzingelten ihn und gaben eine Betäubungsspritze. Dann wurde er zwangsweise in die geschlossene Psychiatrie verbracht und der Richter verfügte die Fixierung wegen einer akuten Psychose. Und als Notfallmittel verabreichte man ihm wieder Tavor. Nun kamen noch Psychopharmaka in seinen Behandlungsplan. Als Angehöriger eines erwachsenen Sohnes bekommt man keine Auskunft über Medikamente, Behandlungsplan usw.. Also haben wir uns eine Vollmacht von unserem Sohn unterschreiben lassen, damit wir Informationen erhielten. Die ausschleichende Gabe lag aber immer noch bei 1 mg Tavor am Tag.

    Nach dem 5. Tag Tavor in der Psychiatrie, kam die Diagnose Hirnhautentzündung durch eine Autoimmunerkrankung (limbische Enzephalitis) und er wurde zurück in die Neurologie zur Behandlung gebracht. Zum Glück hatte ein Arzt auf meine Aussagen gehört und Tavor durch Haloperidol ersetzt. Aber nach 18 Tagen Tavor besteht schon ein erhebliches Suchtverhalten.
    Obwohl die Neuroleptika und Psychopharmaka eher müde machen, ist er noch permanent unruhig, benommen und schläfrig.

    Warum werden die Patientenberichte von der Ärzteschaft einfach ignoriert?
    Meine Meinung dazu ist, außer der Notfallmedikation ist Tavor eine Körperverletzung!!!
    Warum gibt der Arzt die Verantwortung immer an den Patienten ab, wenn er ihm dieses
    Medikament verschreibt???

    Eine besorgte Mutter

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