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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Liebes Salzamt der Deutschen Bahn!

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Ja, ich weiß, es ist eine längere Geschichte, aber ich fange mal an.
Also, liebes Salzamt der Deutschen Bahn, jetzt stellen Sie sich mal folgendes vor: Ich wohne in A und ich will nach B. Verstanden? Sehen Sie, ist doch gar nicht so schwer!
So, und jetzt folgen Sie mir weiter: Also, ich will von A nach B und ich beabsichtige dabei, die Dienstleistungen Ihres Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Draussen stürmt der Wind ums Haus und ich sitze auf meinem kuscheligen Sofa und schaue mir an, wie das geht: ist ja wunderbar! Starte ich um 6 Uhr früh in A Hauptbahnhof, bin ich um kurz nach 7 in C, wo ich umsteigen muss und kurz nach 9 bin ich in B, wunderbar rechtzeitig um meinen Termin um halb zehn wahrzunehmen. Ist nämlich ein wichtiger Termin um halb zehn. In B, wohlgemerkt!
Ich merke mir also die Verbindung, drucke sie mir vielleicht so gar auf ein Stück Papier aus und erwerbe eine Fahrkarte. Auch die kann ich mir selbst ausdrucken. Geht doch alles wunderbar mit der Bahn!
Gut gelaunt mache ich mich also auf den Weg zum Bahnhof. Frage dort vorsichtshalber mal nach, ob gerade gestreikt wird, aber es ist alles okay und gut gelaunt steige ich in den Bummelzug…. Verzeihung, in die Regionalbahn. Die fährt auch pünktlich los und pünktlich erreiche ich meine Umsteigestation.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie am übernächsten Gleis ein Zug einfährt. Den muss ich kriegen!
Die Türen öffnen sich, ich warte geduldig bis die Omi vor mir sich mit Gehstock auf den Bahnsteig bewegt hat und dann sprinte ich los…. raus aus dem Zug, die Treppe runter, durch den Tunnel, Treppe rauf zum Nachbarbahnsteig, wo mein Anschlusszug… gerade dabei ist, ohne mich loszufahren.
Was mache ich jetzt?
Der nächste Zug geht in zwei Stunden. Dann ist mein Termin vorbei. Ein wichtiger Termin, wohlgemerkt, es geht um…. ist ja egal, um wichtige Dinge jedenfalls. Ob es noch eine Chance gibt?
Nee, gibt’s nicht!
Die junge Angestellte am Fahrkartenschalter – Verzeihung Reisezentrum – schüttelt bedauernd den Kopf.
„Nehmense doch den Zug in zwei Stunden!“ flötet sie.
Scherzkeks! Und mein Termin?
„Könnense den Termin nicht verlegen?“
Nochmal Scherzkeks!
„Dann nehmen Sie sich doch ein Taxi!“
Für fünfzig Kilometer? Auf Kosten der Bahn? Das nenne ich Service!
„Nein, das müssten Sie schon selber zahlen!“
Jetzt mal tief durchatmen.
Ist es vielleicht meine Schuld, dass mir der Zug vor der Nase weggefahren ist? Hätte ich die Oma doch lieber über den Haufen rennen sollen?
„Die Züge warten heutzutage nicht mehr aufeinander! Es gibt keine Anschlussgarantie. Steht alles so in unseren Beförderungsbedingungen, könnense nachlesen!“
Das heißt also….
„Wenn der Zug verspätet ist, müssense sich halt beim Zugbegleiter melden!“
War mein Zug denn verspätet? Soweit ich weiß, bin ich doch auf die Minute pünktlich hier angekommen.
Fahrkarten-Mäuschen lacht.
„Sehense, Sie hatten noch nicht einmal Verspätung, was regen Sie sich denn dann auf?“
Warum ich mich aufrege? Weil mir der Zug vor der Nase weggefahren ist! Weil sieben Minuten Umsteigezeit zwar normalerweise ausreichen, um die Treppe hinunter und wieder hinauf zu hechten, aber es nun einmal nicht von mir zu vertretende Umstände gibt, die bewirken, dass es auch schonmal siebeneinhalb Minuten dauern kann…
Mäuschen schaut mich mit herausforderndem Blick an.
„Wissense, sieben Minuten Umsteigezeit ist ja auch ganz schön sportlich, junger Mann, selbst wenn Sie etwas jünger und durchtrainierter wären!“
Das will ich jetzt aber überhört haben!
Also: Wenn in meiner Verbindung ein Anschluss von sieben Minuten angegeben ist…
„Es gibt keine garantierten Verbindungen mehr, junger Mann, das sagte ich Ihnen doch schon! Und garantierte Anschlüsse sowieso nicht. Wie gesagt, in unseren Beförderungsbedingungen….“
Inzwischen hat sich hinter mir eine längere Schlange gebildet.
„Nehmen Sie doch den nächsten Zug!“ zischt mir ein Typ von schräg hinten ins Ohr.
Der nächste Zug? In zwei Stunden? dann kann ich es auch gleich sein lassen!
„Wenn Ihr Termin so wichtig ist, dann müssen Sie halt nächstes Mal früher aufstehen!“ sagt Mäuschen noch bevor sie sich dem nächsten Kunden zuwendet.
Früher aufstehen…. also nächstes Mal nicht um sechs, sondern um vier Uhr losfahren? Zwei Stunden in einer zugigen Provinzbahnhofshalle verbringen, weil man ja nie wissen kann, ob gerade die Türen klemmen oder sonst irgendwas passiert ist?
Ich glaube, da schaut man sich dann lieber nach ernsthaften Alternativen um…
Also, liebe Damen und Herren von der Deutschen Bahn, ich weiß, dass es bei Ihnen kein Salzamt gibt.
In Österreich ist das so, da kann man sich beim Salzamt beschweren, wenn man das Bedürfnis hat, sich beschweren zu wollen. Aber auch da gibt es keine Salzämter mehr. Also kann man das Beschweren auch sein lassen.
In gewissen Regionen Deutschlands gibt es eine andere Ausdrucksweise, und so verbleibe ich
mit Schwäbischem Gruß,
Ihr
Medizynicus

Written by medizynicus

5. Januar 2015 um 05:46

Veröffentlicht in Nachdenkereien

12 Antworten

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  1. Also ehrlich: Nur 7 Minuten zum Umsteigen geplant? Tsts… *duckundweg* 😉

    Molly L.

    5. Januar 2015 at 09:22

  2. Genau aus dem Grund ist die Bahn für mich keine wirkliche Option mehr. Das eigene KFZ ist nicht ersetzbar, wenn es um solche Dinge geht.

    Der Maskierte

    5. Januar 2015 at 10:27

  3. In der Tat. Und die geplante Ankunft kurz nach 9 bei einem Tremin um halb 10 ist ebenfalls mehr als optimistisch. Ich fahre zwar auch nicht oft mit der Bahn, so 2-4 mal im Jahr, weiß aber aus Erfahrung, dass das auf jeden Fall ZU optimistisch geplant ist. Und aus meiner Erfahrungen aus der Kindheit (damals®) weiß ich, dass das nicht erst seit heute so ist. *ebenfalls duck*

    Karl

    5. Januar 2015 at 12:26

  4. Auch mit dem Kfz wäre eine solche Zeitplanung Harakiri.

    Karl

    5. Januar 2015 at 12:27

  5. Jaja… DB bedeutet seit einem Jahrzehnt nicht mehr „Deutsche Bahn“ (staatliches Unternehmen) sondern „Die Bahn“ (ein Privatunternehmen)…
    Die Deutsche Bahn wurde nämlich PRIVATISIERT… und zwar geschickt gemacht, sprich das altbekannte Logo DB blieb und so ungefähr jeder hat diese „kleine“ Änderung im Hintergrund übersehen.
    Die Folgen haben wir jetzt alle zu genießen. Es lebe die Privatisierung………….

    Emma

    5. Januar 2015 at 13:12

  6. Die Bahn ist und bleibt halt ein Saftladen.
    Ich fahre seit Jahren kaum noch Bahn, eben weil der Service Mist ist, buchen kann man maximal 3 Monate vorher und außerdem ist sie ständig zu spät.
    Da haben die Wiseguys ein schönes Lied zu geschrieben:

    Old_Surehand

    5. Januar 2015 at 13:29

  7. Die Deutsche Bummelzug AG macht Werbung dafür, sie zu meiden. Anders kann man es nicht nennen.

    dermultiplepapa

    5. Januar 2015 at 13:50

  8. Also ich hätte mich auch nicht bei so einem wichtigen Termin darauf verlassen, dass die knappe Planung klappt. Und das Mäusschen am Schalter kann auch keinen weiteren Zug aus dem Hut zaubern.

    lina

    5. Januar 2015 at 15:06

  9. Die Kunst ist das so mit Absicht zu planen, zu sagen, dass das nur so buchbar war, um dann je nach Takt die 25 oder 50% zu kassieren. 7 Minuten Umsteigezeit ist nur dann gut, wenn man auf die Prozente spekuliert und dann einen Takt als Puffer hat. Hilft dann allerdings auch nicht mehr, wenn die Rostlaube zwischendurch die Grätsche macht…

    Marrce

    5. Januar 2015 at 19:32

  10. @Karl

    Klar, zu knappe Zeitplanung trifft mich auch mit dem KFZ. Und gegen einen Super-Stau auch keine großzügig kalkulierten Zeitpuffer. Aber pro gefahrene 100 km mindestens 15 Minuten Bonus-Zeit einrechnen und bei Stau-bekannten Strecken nochmal 30 Minuten pro Stau-Abschnitt dazu und ich hab bis jetzt noch jeden Termin pünktlich erreicht, meistens war ich überpünktlich. Und so gut wie immer, war ich nicht langsamer als die Bahn – eine ICE-Direktverbindung vom hiesigen Bahnhof ausgenommen, aber da ist die Taktung unterirdisch, dass die Stunde mehr Fahrzeit durch den flexibleren Start wieder abgegolten wird.

    Der Maskierte

    5. Januar 2015 at 22:37

  11. Das mit den sieben Minuten hört sich für mich eigentlich machbar an, jedenfalls für zwei benachbarte Gleise. Im Zweifelsfall muss man halt vorher beim Schaffner Bescheid sagen. Dass Fernzüge nicht auf Regionalbahnen warten, sondern höchstens umgekehrt, ist allerdings nicht neu.

    Hesting

    6. Januar 2015 at 11:59

  12. Ich nutz die Bahn nur noch privat oder ich plan gleich einen Puffer von mindestens zwei Stunden ein. Geschäftlich reise ich lieber den Tag vorher schon an. Ansonsten erwischt einen bei der Bahn grundsätzlich Murphy’s Law: What can go wrong, will go wrong. Da hilft nur klassisches Projektmanagement: Immer 20% mehr Zeit einplanen, als man denkt, dass man höchstens brauchen wird …

    *Spammer*

    7. Januar 2015 at 10:06


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