Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Wie gut muss unser Rettungsdienst sein?

with 10 comments

Wenn’s brennt, dann kommt die Feuerwehr, und wenn’s ein Leben zu retten gibt, dann kommt… jawohl, der Rettungsdienst, und zwar mit Tatü-Tata und Vollgas.
Nur – wieviel Gas müssen unsere Lebensretter denn eigentlich geben, wenn’s brennt?
In Berlin offenbar weniger, als in Gelsenkrichen, wie Rettungsdienst-Paule kürzlich in seinem Blog schreibt: Die Regel, dass der Rettungsdienst innerhalb von acht Minuten vor Ort sein muss (oder sollte) gilt in Berliner Außenbezirken nämlich – im Gegensatz zum Flächenland NRW – nur eingeschränkt. Oder anders Ausgedrückt: Im Berliner Speckgürtel können sich die Blaulichtler halt ein wenig mehr Zeit nehmen. Dort sind sie auch nicht mehr ganz so gut ausgerüstet, brauchen weniger Medikamente und auch keinen richtigen Defi mitzuführen.
Zwar hat ein Rettungsassistent im Laufe seiner Ausbildung eine Menge Kompetenzen erlernt, aber ob er sie auch anwenden darf, hängt ganz davon ab, in welchem Kleinstaat Bundesland er gerade sitzt.
Oder, wie Paul es ausdrückt:

Oder traut man seinen Mitarbeitern nicht mehr zu, als Basismaßnahmen durchzuführen? Hat nicht jeder Bürger Anrecht auf die gleiche medizinische Versorgung, egal wo er in Deutschland lebt? Muss die Feuerwehr nicht irgendwann mal damit rechnen, wegen Organisationsverschulden angezeigt zu werden!? Ich möchte nicht in der Haut der Kollegen stecken, die zwar alle Maßnahmen mal gelernt haben, es aber nicht anwenden können!

….was uns irgendwie wieder zu der Diskussion über die Kompetenz der Angehörigen von nicht-ärztlichen Gesundeheitsberufen führt.

Written by medizynicus

26. Oktober 2011 um 08:44

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

10 Antworten

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  1. Danke, dass du dieses wichtige Thema mit ansprichst!!

    alltagimrettungsdienst

    26. Oktober 2011 at 08:49

  2. Ein schwieriges Thema, was aber auch ganz Deutschland betrifft. Mit welcher Berechtigung gilt mancherorts für den Rettungsdienst eine Hilfsfrist von 8 Minuten, andernorts aber von 15 Minuten oder gar noch länger? Die Feuerwehr muss meines Wissens nach immer in 8 Minuten an der Einsatzstelle sein. Nur warum ist das nicht im Rettungsdienst möglich? Ja, ich weiß, das ist vermutlich wieder nicht finanzierbar. Aber dann scheint auch nicht jeder Mensch in unserem Land die gleichen Anrechte auf Hilfeleistung zu haben.

    Und was die Kompetenzen der Rettungsdienstler angeht bzw ob man ihnen nicht mehr als Basismaßnahmen zutraut: In Zeiten, in denen in ländlichen Gebieten manche NEF-Standorte zwischen 30 und knapp 50% der Zeit abgemeldet sind bleibt einem Rettungsassistenten ja kaum etwas anderes übrig als die Notkompetenz bzw die „erweiterten Versorgungsmaßnahmen“ voll und ganz auszuschöpfen.

    Ich denke, da liegt noch so einiges im Argen. Und besser wird das vermutlich nicht, eher im Gegenteil.

    Der Krangewarefahrer

    26. Oktober 2011 at 09:07

  3. Noch 10 bis 15 Jahre Ärztemangel und Kostendruck und wir haben eh ein Paramedic-System wie in den USA oder UK, vielleicht abgesehen von ein paar arztbesetzten RTHs. Ich nehme gerne diesbezügliche Wetten an! Wobei die Berliner Feuerwehr dann wahrscheinlich nicht die Kompetenzen der RAs erhöht, sondern nur die Fahrgeschwindigkeit ihrer RTWs – Load&Go zu den Profis in die Klinik 🙂

    Hauptstadtsani

    26. Oktober 2011 at 10:01

  4. Es mag für die deutsche Ärzte-Lobby völlig unvorstellbar klingen, aber es ist möglich Rettungsdienst OHNE oder zumindest annähernd ohne Ärzte zu betreiben. In Schweden lässt es die Fläche des Landes schlicht und ergreifend nicht zu, Ärzte zu haltbaren Kosten in den Rettungsdienst einzubinden. Das Rettungsdienstpersonal in Schweden ist sehr gut ausgebildet, wird sehr gut weitergebildet und hat dementsprechende Kompetenzen und Pflichten. Das bedeutet, dass sie sehr viel können und dürfen, bauen sie aber Mist stehen sie dafür selbst gerade… so wie es sein soll, ohne irgendeine völlig idiotische „Notkompetenz“-Grauzone… „Notkompetenz“, schon bei dem Wort wird mir schlecht…

    Patrick

    26. Oktober 2011 at 10:27

  5. @Patrick

    wahre Worte!!

    alltagimrettungsdienst

    26. Oktober 2011 at 11:37

  6. Naja, so lange man weiß was man tut und es hilft, ist doch sowieso im Notfall immer die Mutmaßung des Handelns im Sinne des Patientenwillens und – Wohles.
    Das Paramedics System wird wohl kommen, erste Pflege und Rettungskräfte dürften in den nächsten Jahren in den FHen angenommen werden, die im Ausland angebotenen entsprechenden Abschlüsse werden in Deutschland jedenfalls meines Wissens nach voll anerkannt,
    Gerangel um Kompetenzen gibt s da, wo der – im letzten Deutschen Ärzteblatt zitierte Konflikt zwischen Ärzten und Pflegenden richtig hochkocht, wobei in dem Moment wo man im Sinne eines Multiprofessionellen Teams denkt und handelt, dieser Konflikt eigentlich beigelegt sein müsste…
    Müsste… Aber warum ist er s nicht?

    chaotiker

    26. Oktober 2011 at 14:13

  7. da wäre so viel möglich, wenn man die retter ordentlich ausbilden würde (ist nicht immer der fall) und jedes jahr eine harte leistungsprüfung abnimmt. wer nachweist, dass er was kann, soll auch was dürfen!

    amigo

    26. Oktober 2011 at 14:54

  8. @amigo: Das mit der „harten Leistungsprüfung“ ist eine gute Idee. Aber die sollte man dann auch vergleichbar für Ärzte einführen. Will gar nicht wissen, welchen Kentnissstand ein Chefarzt mit 60 Jahren in einem Krankenhaus hat, der sich in Leitungsposition und damit eher an seinem Schreibtisch befindet und eher seltener am Patienten.

    Wobei ich den Zeitraum von 5 Jahren für angemessener halte. So schnell vergisst man schließlich nicht.

    McCloud

    27. Oktober 2011 at 00:17

  9. In einer Sonntagszeitung las ich neulich einen bemerkenswerten Artikel zu dem Thema, es ging um das Rettungswesen in Rheinland-Pfalz. Tenor: Der Rettungsdienst laufe gut, denn meistens werde die 15-Minuten-Frist eingehalten. Zumindest glaube man das. Alte Software in einigen Leitstellen lasse nämlich keine Statistiken zu, aber nach Gefühl würde es wohl in der Regel passen…

    Christoph

    17. November 2011 at 23:03


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