Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Wir müssen reden!

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Der Anruf kam eine halbe Stunde vor Mitternacht und war ziemlich kurz.
„Wir müssen reden!“
Beim Klang der Stimme schrak ich aus meinem halbdösigen Dämmerzustand und saß Sekundenbruchteile später kerzengerade senkrecht in meinem Sessel. Griff zur Fernbedienung, Glotze aus.
„Worüber?“
„Nicht am Telefon!“
Griff zur Whiskeyflasche, dann ein halbes Wasserglas Bourbon ohne Eis hinuntergestürzt.
„Wann und wo?“
Der Anrufer nannte Ort und Zeit und legte auf. Eine halbe Stunde später stand ich mit abgeblendeten Scheinwerfern auf einem einsamen Parkplatz am Waldrand. Der Sinntflutwolkenbruchregen prasselte gegen die Windschutzscheibe. Plötzlich wurde die Beifahrertür aufgerissen und eine tropfnasse Gestalt in dunklem Trenchcoat mit tief ins Gesicht gezogenem Hut zwängte sich auf den Sitz.
„Fahr los!“
„Wohin?“
„Einfach los!“
Ich startete den Motor.
„Willst Du mir nicht endlich sagen, worum es geht?“
Die Gestalt drehte sich zu mir hinüber und zum ersten Mal sah ich ihr Gesicht. Ich zuckte zusammen.
„Die Zahlen stimmen nicht!“ sagte Balthasar.“
„Wie meinst Du das?“
„Die Verkaufszahlen des Buches hinken weit hinter den Erwartungen her!“
„Was bedeutet das?“
Balthasar lachte dreckig.
„Was das bedeutet? Das weißt Du selbst!“
Er machte eine unschöne Geste.
Fast wäre mir das Lenkrad aus der Hand gerutscht, als mir plötzlich zu Bewusstsein kam, dass wir auf der eingeschlagenen Route in wenigen Minuten eine ziemlich hohe Brücke passieren würden. Aber ich beherrschte mich.
„Und jetzt?“
Balthasar lachte abermals.
„Und jetzt? Dein Problem! Du kannst mich rauslassen!“
„Wie bitte?“
Wir bewegten uns mit hundertzwanzig Stundenkilometern bei strömendem Regen in stockdunkler Nacht über eine Autobahn, weit und breit war keine Ausfahrt in Sicht.
„Dort, beim nächsten Notruftelefon, da läßt Du mich raus!“
„Du, ich kann Dich auch mitnehmen…“
„Du lässt mich hier raus!“
Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu.
Erst als er ausgestiegen war, bemerkte ich auf der Gegenfahrbahn am Randstreifen das Fahrzeug mit eingeschalteter Warnblinkanlage.
Ein paar Kilometer weiter war eine Raststätte. Mit zitternden Knien stieg ich aus und brauchte erneut einen doppelten Whiskey.

Written by medizynicus

13. September 2011 um 19:46

6 Antworten

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  1. Gebe mein Bestes, um Anna und Dich vor Schrecklichem zu bewahren. Bin vor kurzem mit Lesen fertig geworden und habe viel dabei gegrinst… 🙂 Eine Großbestellung gibt es vor Weihnachten, da viele meiner Freunde auch Mediziner sind und ich ihnen den Spaß nicht vorenthalten will…
    PS.: wenn Balthasar Langeweile hat, kann er noch ein bisschen am Layout feilen, da sind öfters ein paar Leerzeichen zuviel

    Antje

    13. September 2011 at 20:03

  2. An mir liegt es nicht! Ich schwöre! Ächt jetzt! Hab schon ein Buch!

    Mr. Gaunt

    13. September 2011 at 20:13

  3. mit 3 wiskeys autofahren….hossa (-:
    das wuerd ich mich auch als bekennender wiskeyfan
    nicht mehr trauen… war wenigstens gut?
    gruss landkrauter

    landkrauter

    13. September 2011 at 20:16

  4. Ich glaub, ich muss noch mal Werbung machen, das Buch hats wirklich verdient. Und das Filmteam …

    chefarzt

    13. September 2011 at 21:49

  5. Bitte was? Mit 3 Whiskey Autofahren? Wieso machst du auch solche Sachen 😛

    jaynesabbath

    13. September 2011 at 22:00

  6. Auch ich kann nicht Schuld an den zu niedrigen Verkaufszahlen haben. Buch ist gekauft und auch schon gelesen 😉

    Der Krangewarefahrer

    14. September 2011 at 11:01


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