Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Good Bye, Zivi!

with 9 comments

Tja, so gehen sie dahin… gehen den Weg alles Irdischen und plötzlich sind sie weg, einfach so.
Und jetzt, wo sie weg sind, da weint man ihnen die eine oder andere Träne nach:
Monsterdoc tut das zum Beispiel und SpiegelOnline und die ÄrzteBildZeitung.
Und?
Wenn ich mich recht erinnere, dann ist es schon eine ganze Weile her, dass ich den letzten leibhaftigen Zivi zu Gesicht bekommen habe. Bettenschieber-Robert ist heute vermutlich inzwischen längst ein gefeierter B-Promi in der Musikbranche. Damals war er so etwas wie der König der Bad Dingenskirchener Punk-Szene und sein Irokesenschnitt, dessen Farbe alle paar Wochen zwischen hellblau, giftgrün und violett wechselte war ständiges Dauergesprächsthema in allen Schwesternzimmern. Vielleicht hat er inzwischen auch ein BWL-Studium abgeschlossen oder ist Rechtsanwalt oder Partner in einer internationalen Unternehmensberatung, was weiß denn ich…
Und falls er als Unternehmensberater für einen Krankenhausbetreiber tätig wäre, da müsste er sich jetzt etwas einfallen lassen, so von wegen wie man die billigen Fron… äh… Pflichtdienstpflichtigen durch irgendwas ähnlich billiges ersetzen kann. Gar nicht so einfach!
Und wenn man die Sache mal von der anderen Seite sieht?
War die Zivildienstzeit nicht eine wichtige Erfahrung, die man nicht missen will, darf, soll? Sozusagen einmal im Leben direkt mitten im Leben stehen oder so?
Also nicht nur haben wollen, sondern erstmal Dienen, Ärmel aufkrempeln, zupacken und so, mal Gutes tun, ein Jahr lang oder zwei?
Da gab’s doch mal so einen Spruch, von wegen nicht nur jammern nach dem Staat sondern diesem Staat auch mal etwas geben, als Dankeschön sozusagen für… äh…ja, für was denn eigentlich?

Written by medizynicus

3. Juli 2011 um 23:38

9 Antworten

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  1. Naja, Zivi war ich nicht, ich hab mir erklären lassen welche seite vom Sturmgewehr die Gute ist 😉
    Aber auch da denke ich das einiges brökelt, zum beispiel die Verwurzelung in der Bevölkerung, wenn die die weltweite Reisetätigkeit ausüben halt nur ihren gewählten Job tun. Genauso denke ich das die Zivis in vielen Bereichen wichtig waren (Altenpflege z.b.) aber in manchen Bereichen fragte ich mich genauso wie bei manchen Begründungen ob das alles richtig ist (ZDL wegen langer Haare die dranbleiben solten oder auf ner biolog. Station (hat sich mir nie so recht erschlossen)).
    Andersrum war die Wehrgerechtigkeit eh schon Geschichte und die zu besetzenden Plätze wurden ja quasi verlost, nur die Zivis durften glaub ich alle, von daher tat sowas not.
    Was ich begrüßt hätte wäre eine Art Pflichjahr gewesen, mit freier Bereichswahl (Bund, HiOrgs, Altenpflege etc.)

    Gruß

    Hightower

    Hightower

    4. Juli 2011 at 08:33

  2. Ich war Zivi. Und ganz ehrlich, das war der größte Blödsinn meines Lebens, den ich mitmachen durfte. Mein Dienst war der Klassiker im Altenheim und als solcher nichts anderes als billige Hilfskraft. Das Einzige was ich für mich mitnehmen konnte, dass ich niemals in einer solchen Verwahranstalt enden will. Und ich war im „besten Heim am Platz“ zugange.

    Und dem Staat was zurückgeben? Wenn ich mal auf meinen Steuerzettel schaue, dann gebe ich da eine ganz schöne Menge zurück. Das hätte ich auch schon viel früher können, hätte man mir nicht ein Jahr meines Lebens gestohlen.

    Der Maskierte

    4. Juli 2011 at 11:01

  3. Nun, ich war Zivi, und diese Zeit möchte ich nicht missen. Von wegen Essen ausfahren und den dementen Omis jede Woche erzählen, dass man nächste Woche Geburtstag hat und dann 20 Mark zugesteckt bekommen: Ich habe in der septischen Chirurgie gearbeitet, mit Nachtschichten, diabetischen Stinkefüßen, 150-Kilo-Leichen und so weiter, das volle Programm eben. Menschlich habe ich viel gelernt, vor allem, dass man Leid manchmal aushalten muss, weil die Medizin nicht weiter weiss. Und natürlich, wie man mit Pralinen die Schwestern verzücken kann 🙂

    @Maskierter: Es geht auch nicht darum, dem Staat etwas zurückzugeben, sondern der Gesellschaft, also Deinen Mitmenschen. Und ja, ich halte einen Pflicht-Sozialdienst für sehr sinnvoll, für alle jungen Menschen (egal ob Männlein, Weiblein oder was sonst noch so da rumschwirrt). Das lehrt für das Leben, und kann zumindest vor Augen führen, was es bedeutet, Menschen pflegen zu müssen. Ist ja eine Erfahrung, die die wenigsten machen, bevor es mal ernst wird für sie.

    Krischan

    4. Juli 2011 at 12:25

  4. Egal ob Bundeswehr oder Zivildienst:
    Mit 18 oder 19 Jahren ist man als Person in der verdammt glücklichen Situation, sich noch nicht mit dem Sterben von Verwandten, dem Dahinvegitieren von Mitmenschen und dem Szenario Krieg beschäftigt haben zu müssen. Als junger Mensch ist man da eher in Partylaune (zumindest war es bei mir damals so). Da finde ich, dass die paar Monate (egal ob Bund oder Zivildienst) einem jungen Menschen auch ganz gut bei der persönlichen Entwicklung weiterhelfen.

    Ich selbst war beim Bund und kann mit dem Verein selbst immer noch nicht viel anfangen. Aber während der Zeit dort beschäftigt man sich schon mal mit der Situation, wie es ist, auf andere Menschen infolge eines Kriegs schießen zu müssen. Das kann einen schon nachdenklich machen, wie instabil dieser Frieden, den wir seit 65 Jahren haben, doch ist und in welch verdammt glücklichen Lage wir uns derzeit befinden.

    Selbiges beim Zivildienst: Jeder Mensch sollte mal gesehen haben, wie Mitmenschen in Altenheimen teilweise vor sich hinvegitieren und sich mal mit Mitmenschen unterhalten, die wissen, dass sie demnächst sterben müssen. Ich finde, dass das der persönlichen Entwicklung gut tut.

    MannimMond

    4. Juli 2011 at 12:52

  5. Ich sehe das hier wie Krischan:
    Nicht „dem Staat“ ( der uns Spenden- ähh lohnsteuerbescheide schickt) sondern der Gesellschaft (als Summe von Individuen, die in diesem mehr oder weniger tollen konstrukt leben).
    Denn aktuell ist es doch so, das jeder meint es müsse etwas für diese oder Jene Zielgruppe getan werden (Jugend- oder Seniorenarbeit als Beispiel) oder für diese oder jene Eventualität etwas getan werden, damit sich dann jemand kümmert (das weite Feld der HiOrgs, Fw etc.) aber in allen Bereichen findet man kaum leute die dafür Zeit investieren, und das finde ich traurig (P.S.: ich bin so ein Bematschter, der dafür Zeit opfert)

    Gruß

    Hightower

    Hightower

    4. Juli 2011 at 15:53

  6. Viel trauriger finde ich, wenn mit dem Wegfall der Zivis eine Lücke entsteht.
    Denn Zivis hätten nicht als billige Hilfskräfte, sondern als nützliche Zusatzkräfte angesehen werden sollen.
    Entsteht durch den Wegfall der Zivis eine Lücke macht dies doch nur den Pflegenotstand umso deutlicher.

    Herr Pfleger

    4. Juli 2011 at 17:04

  7. Ich war Zivi im OP. War absolut super. Ich habe mich weder überarbeitet, noch meine Stelle als sinnlos verstanden. Ich habe viele interessante Sachen und Menschen gesehen. Und es hat mich darin bestärkt Medizin zu studieren.

    DD

    5. Juli 2011 at 14:00

  8. Mir scheint hier bei der Debatte und im Artikel etwas zu fehlen.

    Sorry Leute, aber mir hat der Zivi auch nicht geschadet und ich habe auch eine tolle Lebenserfahrung darin gesammelt.
    Wenn aber das Sammeln wichtiger Erfahrungen einen Zwangsdienst rechtfertigt, dann könnte man künftig für eine Menge Dinge die Leute einfach mal so wegrekrutieren nach dem Motto „wird ihm mal gut tun“. Der Wehrdienst ist ein tiefer Eingriff in die bürgerliche Freiheit, und da braucht es mehr als irgendeine nachträglich angeklebtes Konzept über einen Dienst an der Gesellschaft. Die Realität war nämlich bis zuletzt, dass man nur über das Schlupfloch „Glaubens- und Gewissensgründe“ überhaupt dazu kam, denn der gesetzliche Normalfall war schließlich immer noch der Bund.
    Und nicht zuletzt: wenn man schon ein hehres Prinzip wie einen Gesellschaftsdienst anwenden will, dann steht immer noch die Frage im Raum, wieso Männer diesen leisten sollen und Frauen nicht.

    Fabian Seitz

    6. Juli 2011 at 16:41

  9. @Fabian: Du hast Recht: Der Pflichtdienst ist ein starker Eingriff in gesetzliche Grundrechte wie Freizügigkeit bei der Wohnortwahl und Freizügigkeit bei der Berufswahl. Daher wird sich ein Zwangsdienst „Soziales Jahr“ außerhalb der normalen Wehrpflicht bei uns auch nicht einführen lassen, da hat das Grundgesetz was dagegen (auch wenn das einige Politiker anders sehen). Das kippt spätestens das Bundesverfassungsgericht.

    MannimMond

    7. Juli 2011 at 14:34


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