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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Lichtnahrung und Hungerkünstler

with 9 comments

Es gibt Wunder.
Nikolaus von Flüe, der Nationalheilige der Schweiz soll über mehrere Jahre hinweg ohne Nahrung ausgekommen sein. Nun ist allgemein bekannt, dass ein Mensch unter solchen Umständen nach spätestens zwei bis drei Monaten verhungert und das war im Mittelalter nicht anders. So heißt es, dass der Heilige neben Wasser regelmäßig die heilige Kommunion zu sich genommen hat. Skeptiker mögen vermuten, dass zum heiligen Abendmahl ab und zu auch mal ein nahrhaftes Butterbrot gereicht wurde. Mönche hatten bekanntlich immer schon ein Händchen dafür, strenge Fastenregeln kreativ auszulegen, aber ich will nichts sagen, schließlich war ich damals nicht dabei.
Im frühen zwanzigsten Jahrhundert waren Hungerkünstler en vogue. Die traten in Kaffeehäusern oder im Zirkus auf und ließen sich auch schon einmal ein einen Käfig einsperren, wo sie möglichst lange ohne feste Nahrung durchhielten. Wasser trinken war in der Regel erlaubt, und ab und zu wurde einer beim heimlichen Naschen von Hühnerbrühe oder Schokolade erwischt und disqualifiziert. Den meisten Hungerkünstlern ging es hauptsächlich um die Show, auch wenn der eine oder andere seine Performance mit esoterischem Hokuspokus anreicherte.
Ja, und dann sind da die indischen Jogis. Die einen behaupten, fliegen zu können, die anderen wollen sich seit Jahrzehnten nur von kosmischer Lebensenergie, Luft und Licht ernährt haben.
Vor allem von Licht.
Ist das nicht eine tolle Sache? Man müsste nur herausfinden, wie das funktioniert, und hätte gleich die ideale Lösung für alle Hungersnöte der Welt. Topmanager können sich künftig alle Luxusrestaurant-Besuche sparen und hätten viel mehr Zeit zum Geld verdienen. Clevere Köpfe aus der Esoterik-Szene haben das sogenannte Lichtfasten längst in Europa populär gemacht, neben zahlreichen Büchern und kostenpflichtigen Seminaren gibt’s jetzt auch einen österreichischen Dokumentarfilm zum Thema.
Nun ist das Mittelalter schon eine Weile her und Menschen sind in Bezug auf Wunder skeptischer geworden. Die lichtessenden Jogis müssen sich also nicht nur unbequeme Fragen gefallen lassen sondern auch der Überprüfung mit modernen medizinischen, wissenschaftlichen und auch kriminalistischen Methoden. Und siehe da: immer dann, wenn die Untersuchungsbedingungen halbwegs reproduzierbar waren, gab es eine natürliche Erklärung für das Phänomen – mit geheimen Durchreichen und anderen Taschenspielertricks.
Gelackmeiert sind nur ein paar arme Gestalten, die wirklich an den faulen Zauber geglaubt und sich zu Tode gelichtfastet haben.
Mehrere Fälle sind dokumentiert.

Quellen:

Written by medizynicus

15. November 2010 um 05:02

9 Antworten

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  1. Schade, ich fand die Idee immer so mega cool, sich nur von Licht, Luft und Liebe zu ernähren. Liebe ist doch erlaubt bei so einer Lichtfastenkur, oder?

    Svenja-and-the-City

    15. November 2010 at 07:00

  2. Ich vermmute Photosynthese.

    Till

    15. November 2010 at 07:19

  3. Mollusken sind da weiter: Einmal ein paar Algenchloroplasten fressen und dann bis zu einem Jahr nur von Licht (und Wasser und CO2) leben. DAS musst Du ertmal bringen. Im Gegensatz zu anderen Organismen, die sich photosynthetisierende Endosymbionten halten, schaffen die kleinen Schnecken es nur die Clorolasten unverdaut einzubauen und vor allem funktionstüchtig zu halten.

    http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/meldung-vom-meer/allgemein/2010-10-31/das-geheimnis-der-gr-nen-schnecken

    Das wär doch die Lösung aller menschlichen Ernährungsprobleme: Einmal im Jahr ein bißchen Spinat essen und dann tatsächlich von Licht leben.

    Nicht, dass jetzt irgendein Lichtnahrungsfetischist herkommt und behauptet, sein Lieblingsjogi hätte das geschafft. Hat er nicht denn sonst wäre er grün, und das alte Lied von Kiesewetter wäre wahr 😉 :

    drkall

    15. November 2010 at 09:25

  4. Das führt doch das Therapiekonzept bei Anorexie völlig ad absurdum 😀

    anna

    15. November 2010 at 09:48

  5. Vielleicht ist die Lichtnahrung ja auch eine gute Idde zur Ergänzung der Kristallaurahokuspokustherapie, z.B als Nahrungsergänzung handgeklöppelte garantiert biologisch angebaute und politisch korrekte Lichtnahrung in braunen Mehrwegbügelflaschen (aber NUR als Nahrungsergänzung, man will ja den Patienten nicht schaden!).

    Ach, übrigens, jetzt mal wirklich ohne Ironie, GEISTIGE Nahrung kann in Einzelfällen wirklich hilfreich die Genesung unterstützen. Mir fällt allerdings jetzt keine passende Phase 3 Studie ein.

    drkall

    15. November 2010 at 11:20

  6. Apropos Hungerkünstler… ich habe einigen Damen in der Kundschaft die gut und gerne 2 Zentner und mehr auf die Waage bringen, sie behaupten steif und fest, sie würden so gut wie nichts essen…möglich, dass die vielleicht etwas zuviel Licht zu sich genommen haben, allerdings schieben die es auf die Drüsen.
    Jetzt frage ich hier mal die Fachzyniker, wir sind ja unter uns,um welche Drüsen es sich dabei handeln könnte.

    sweetkoffie

    15. November 2010 at 12:47

  7. Mmmhhh, ich hab jetzt Appetit auf einen saftigen Sonnenstrahl! 😀

    Hermione

    15. November 2010 at 12:57

  8. … für was die Leute Geld ausgeben, nicht nachvollziehbar.

    @sweetkoffie: Die Kundschaft könnte eine Unterfunktion der Schilddrüse meinen.

    Und das die so gut wie nix essen, mag sogar stimmen. Dafür schaufeln sie sich meist am Abend Chips, Schoko und Co. rein.

    DocConsult

    16. November 2010 at 09:15

  9. Hmm… bei Klaus von Flüe heißt es, er hätte nichtmal die hl. Kommunion gegessen, sondern nur vom ANBLICK der Hostie gelebt.

    Und es gab wohl auch damals schon Skeptiker – er wurde wohl eine Zeit lang (ich meine, mich an irgendwas in der Größenordnung von Jahren zu erinnern) in seiner Einsiedlerhütte von einem Heer überwacht, um zu überprüfen ob er auch wirklich nicht isst – was dann scheint’s so war.

    (Ich war mal dort und hab mir die Einsiedelei vom Klaus angeschaut, drum weiß ich das.)

    Benedicta

    22. November 2010 at 00:08


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