Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Mr. Troublemaker in der Ambulanz

with 6 comments

Bad Dingenskirchen, Samstag Nacht um halb zwei.
Im Wartezimmer der Ambulanz sitzt Mr. Troublemaker, zwei Meter zehn, Bodybuilder, Messerträger und einschlägig vorbestraft. Mr. Troublemaker ist stadtbekannt wegen… Nomen est omen.
Und da sitzt er also, nachts um halb zwei und blutet aus einer Schnittwunde, die er sich zugegezogen hat als er dem Gegenüber die Bierflasche über den Kopf gezogen hat.
Gegenüber hat es übrigens vorgezogen, sich aus dem Staub zu machen ohne die Polizei zu rufen.
„Die Bullen brauchen wir nicht!“ sagt Mr. Troublemakers Kumpel, „Sowas regeln wir selbst. Unter Männern!“
Von den Kumpeln gibts übrigens noch zwei, alle von ähnlicher Statur. Sie riechen penetrant nach Bier und machen den mitwartenden Ambulanzpatientinnen und weiblichem Personal zweifelhafte Komplimente.
„Sollen wir die rausschmeißen?“ fragt Marvin und grinst.
Ich glaube, der Gedanke an eine handfeste Schlägerei im Wartezimmer macht ihm richtig Spaß. Mir eher weniger.
„Da ziehen wir den Kürzeren!“, sage ich, „Rufen wir lieber die Polizei!“
„Lass doch die Bullen aus dem Spiel!“
Seit der Silvesternacht hat Marvin kein großes Vertrauen mehr in unsere Ordnungshüter.
Bevor ich etwas sagen kann, hat er sich auch schon eine Unterarm-Gehstütze geschnappt und öffnet geräuschvoll die Tür zum Wartezimmer.
„Der Nächste, bitte!“ sagt er mit Blick auf Mr. Troublemaker und dann, als sich die ganze Truppe erhebt, „…und ihr geht jetzt so lange mal nach draußen eine rauchen, Okay?“
Und schon hat Marvin den Patienten ins Behandlungszimmer geschoben und in die Horizontale verfrachtet.
Draußen auf dem Gang schluft ein Trupp lässig-cooler Gestalten langsam in Richtung Ausgang. Ich schaue ihnen kopfschüttelnd hinterher.
„Die gehorchen Dir ja!“
„Sag ich doch! Solche Sachen können wir doch locker alleine regeln. Unter Männern.“ sagt Marvin und sein Grinsen hat jetzt etwas richtig Diabloisches.

Written by medizynicus

28. September 2010 um 05:14

6 Antworten

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  1. Na, wenn das nicht mal doch noch eskaliert… 😉

    Hermione

    28. September 2010 at 06:05

  2. Ja, ja, in der Ambulanz bekommen sie a l l e weiche Knie und folgen brav. Könnte ja sein, dass der Doktor meint, sie bräuchten eine S p r i t z e !

    der Landarsch

    28. September 2010 at 08:44

  3. @Landarsch: Ja, und in der Ambulanz haben wir meistens ein paar kräftige Kollegen in Rufweite, die zur Hilfe kommen können! Aber wie ist das denn bei Euch Landärzten bei nächtlichen Hausbesuchen? Ihr habt doch noch nicht einmal einen Fahrer!

    medizynicus

    28. September 2010 at 14:08

  4. Da hast du Recht, lieber medizynicus und ich finde das äußerst gemein und rücksichtslos! Nee, im Ernst. Da fahren Hausärztinnen nächtliche Hausbesuche ins finsterste Ecken aufgrund irgendeines Anrufs, den JEDERMANN machen kann…ich finde das ínfach gruselig und kenne auch viele Kolleginnen, die bei sowas ihre Ehemänner immer mitgenommen haben!

    docangel

    28. September 2010 at 14:50

  5. @medizynikus: ich bin schnell und die Wohnungen sind meist eng und nicht so entfaltungsfreundlich. Notfalls hab ich auch immer eine Spritze zur Hand.

    der Landarsch

    28. September 2010 at 16:38

  6. @ medizynicus und docangel: Kleine Story aus der Vergangenheit
    Ich hatte in meinem früheren Gebiet ein Asylantenheim mit zu betreuen, das der pure Horror war: eine ehemalige Kaserne auf einem Horchgelände, 10 km in der Pampas und außerdem belegt mit über 100 Asylanten aus z. T. im Ursprungsland verfeindetetn Volksgruppen.

    Ich bekam also einen Einsatz dorthin (obendrein noch Ankündigung „Messer, Selbstmordversuch etc.“). Zufälligerweise war gerade ein befreundeter Kollege zu Besuch da, der vor kurzem aus Afrika zurückgekommen war und der sah, dass mir das mulmig wa. Er erklärte sich bereit den Einsatz zu übernehmen. Nach 1 Std. war er noch nicht zurück, nach 2 Std. ebenfalls nicht, nach 2½ Std. machte ich mich – mutig bis zur Selbstaufopferung – auf den Weg um nachzusehen, wo er geblieben war.

    Kam dort an, lauter schwarze, grimmige Gesichter (aber den Notfallkofer fest vor mich gepresst zum Schutz), wurde über 3 Stiegen weit hinten in ein Zimmer geführt. Es roch leicht nach Räucherstäbchen (oder Haschisch?). Ca. 15 Personen im Kreis auf den Etagenbetten, in der Mitte mehrere Kerzen und der – zitternde – Patient, daneben mein Freund, der – noch immer – beschwörend auf ihn eingeredet hat.

    Nach einer weiteren ¼ Std. war es dann soweit, mein Freund erklärte die Behandlung für beendet und meinte auf dem Nachhauseweg nur lapidar: „Ja so ist das in Afrika, so werden hier solche Krankheiten ´behandelt“.

    Das ist tag-täglich Hausarzt-Arbeit.

    der Landarsch

    28. September 2010 at 16:53


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