Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Wenn Ärzte zu Mördern werden

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Wir Ärzte gehören zu den Guten.
Wir wollen Leben retten. Helfen. Heilen. Und indem wir das tun, haben wir Macht über diejenigen Menschen, die uns ausgeliefert sind. In der Tat gibt es wohl kaum einen anderen Beruf, in welchem ein Mensch so völlig schutzlos von einem anderen Menschen abhängig ist wie das beim Arzt-Patienten-Verhältnis der Fall ist. Und weil das so ist, gibt es hier strenge Regeln.
Ein Arzt hat manchmal die Möglichkeit, einen Todgeweihten wieder ins Leben zu holen. Manchmal auch nicht. Manchmal hätte er die Möglichkeit, es zu tun, tut es aber nicht. Und viel zu oft gibt es Gelegenheiten – und die gibt es wirklich – einen Menschen aus dem Leben in den Tod zu befördern. So etwas tut man natürlich nicht. Eigentlich nicht. Fast nie.
Aber manchmal?
Sprechen wir es aus: Es gibt Ärzte, die zu Mördern geworden sind.
Wenn man über das Thema googelt, landet man schnell bei den verbrecherischen KZ-Ärzten aus der Nazizeit. Der fürchterliche Joseph Mengele ist nachgewiesenermaßen schon lange tot, aber die Nummer zwei, Aribert Heim, lebt vielleicht noch, seit über sechzig Jahren auf der Flucht. Harold Shipman war kein Nazi. Er war der nette, freundliche Landarzt von nebenan, welcher nach Feierabend den einen oder anderen Patienten mit einer Überdosis Schmerzmittel um die Ecke brachte. Einfach so. Über zweihundert Leute soll er auf dem Gewissen haben. Warum? Fragen kann man ihn nicht mehr, nachdem die Sache aufgeflogen ist hat er im Gefängnis Selbstmord begangen. Radovan Karadzic lebt noch. Er muss sich für Kriegsverbrechen verantworten, die hat er allerdings nicht in seiner Eigenschaft als Arzt begangen sondern als Politiker. Dass Ärzte zu blutrünstigen Diktatoren und Tyrannen werden kommt übrigens auch immer wieder mal vor: Francois Duvalier alias Papa Doc war zum Beispiel so einer. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema…

Written by medizynicus

25. August 2010 um 06:52

6 Antworten

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  1. „In der Tat gibt es wohl keinen anderen Beruf, in welchem ein Mensch einem anderen unsere Patienten.“
    Ich glaube, dem Satz fehlt eine gewichtige Information. Aus dem Bauch heraus sollte er wohl so heißen:
    „In der Tat gibt es wohl keinen anderen Beruf, in welchem ein Mensch einem anderen [ausgeliefert sind, wie uns] unsere Patienten.“

    Der Maskierte

    25. August 2010 at 08:51

  2. Ich gehöre zwar „zur anderen Seite“ – aber ich finde es viel schlimmer, wenn Ärzte aus Ignoranz nicht handeln. – Mein Vater ist im April an Leberkrebs aufgrund nicht erkannter und somit nicht behandelter Hepatitisinfektionen gestorben – es war sehr schlimm für uns. Aber noch schlimmer war die Reaktion seines Arztes, als ich ihn um Aufklärung darüber bat, warum er geschwiegen hat. Er wusste schließlich seit Jahren, dass die Werte „saumäßig“ waren und er wusste, dass ich die Betreuerin meines Vaters war. Er sagte mir ins Gesicht,“… man müsse nicht so pingelig sein …“ Da lässt man lieber einen Menschen auf so grausame Weise sterben – dabei hätte man ihm helfen oder wenigstens das Leid auf ein erträgliches Maß lindern können.

    Kerstin

    25. August 2010 at 13:17

  3. Na ja, die Welt ist ja nicht wie in Grimms Märchen…Wenn man so über die Medizingeschichte nachdenkt und wie überhaupt man zu Anatomiekenntnissen gekommen ist, etc. dann ist der Arztberuf immer an der Grenze gewesen zwischen weh tun/zerstören und dem Versuch zu heilen…
    Klar, ist das heute alles sehr abstrakt….: Die Anästhesieverfahren machen Operationen nicht mehr zu einer quallvollen Tortur (man lese mal OP Berichte des 18 Jahrhunderts Herder (Auge) Voltaire (Gallenstein?)) …Aber vom Prinzip her MÜSSEN Ärzte ihren Patienten weh tun und bracuhen auch eine gehörige Abgrenzung zu dem eigentlichen ‚Objekt‘ Patient (z.B. Chirurg in einer OP)…
    Ich glaube: Da liegt gut und böse., Macht und Ohnmacht, Überidentifikation und Kälte in allen Facetten nah nebeneinander und man müsste ÜBERmensch sein, um wirklich diesen Balaneakt zu meistern…
    Bis auf wenige Ausnahmen würde ich sagen: Der Arztberuf ist generell eine Überforderung an den Menschen, weswegen ich ihn nicht machen wollte oder könnte…Mir würde das so nicht gelingen…

    blogwesen

    29. August 2010 at 07:44

  4. Die weit überweigende Anzahl der Ärzte leistet eine sehr schwere und komplexe Arbeit. Nichtärzte können das nur in Ausnahmen verstehen. Eigene Todesängste verzerren die Wahrnehmung des Berufes.
    Ärzte sind bewundernswert und unterbezahlt. Oups.

    Kreativarzt

    29. August 2010 at 19:03

  5. @Maskierter: Danke, schon ausgebessert
    @Kerstin – das ist ein ganz anderes Thema: Hier geht es um Ärzte, die ganz bewusst die Entscheidung treffen, einen Menschen zu töten – und zwar nicht aus „Mitleid“ sondern aus „niederen Beweggründen“, wie sie im Strafrechtsparagraphen für Mord definiert sind. Davon gibt es weniger… zum Glück sehr, sehr wenige… aber hin und wieder kommt es vor. Und ganz, ganz selten sind diejenigen Mörder-Ärzte, die in ihrer Eigenschaft als Ärzte aus irgendwelchen Motiven heraus – oft aus irgendwelchen Machtphantasien heraus – Verbrechen begangen haben. Interessanterweise sind solche Typen in der Literatur immer wieder beschrieben worden, ziemlich häufig sogar.

    medizynicus

    29. August 2010 at 19:48

  6. Ein Nachruf auf Aribert Heim: http://mosereien.wordpress.com/2012/09/22/aribert-heim-1914-1992/ , gleichzeitig ein Nachruf auf die bundesrepublikanische Nichtverfolgung von Naziverbrechern.

    Andreas Moser

    21. September 2012 at 23:47


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