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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

HIV und Aids einfach verbieten?

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Die Welt-Aids-Konferenz ist am 23.7. in Wien zu Ende gegangen.
Dass es zum Schluß markige Apelle an die Politiker aller Länder gab, ist zu erwarten gewesen: Der Zugang zu Medikamenten muss gerade auch in den Ländern der Dritten Welt gewährleistet werden, insbesondere auch im südlichen Afrika.
Interessant hingegen ist die „Wiener Erklärung“, welche im Rahmen des Kongresses verabschiedet worden ist.
Dort geht es um den Umgang mit Drogenabhängigen.
Eine restriktive Poltik mit strengen Verboten und „hartem Durchgreifen“ bringe nämlich gar nichts, heißt es da.
Die Krankheit läßt sich halt auch mit noch so scharfen Gesetzen nicht abschaffen. Im Gegenteil: Gefängnisse seien „Inkubatoren“, nicht nur für HIV, sondern auch für andere Erkrankungen.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Wird man demnächst das Päckchen Heroin in der Apotheke an der Ecke bekommen? Oder gar im Zigarettenautomaten?
Außer Georgien hat sich bislang noch keine Regierung ihre Zustimmung zu der Deklaration signalisiert.
Man darf also gespannt sein.

Written by medizynicus

25. Juli 2010 um 10:00

Veröffentlicht in Gehört und gelesen

5 Antworten

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  1. Leider sind nicht alle Länder so gelassen, das Problem ohne religiös- weltanschauliche Paradigmen zu überfrachten. Wenn man sich am Ziel orientiert, den infektionsträchtigen i.v.-Drogen Schwarzmarkt zu verhindern, dann wird man nicht drum herum kommen das Heroin an Bedürftige zu verteilen. Man muss natürlich strenge Eingangsvoraussetzungen für die Bezugsberechtigung errichten. Man soll ja nicht die Anfangsschwelle senken. Wenn wir aber so eine velorene Seele mit sauberem Heroin versorgen, dann bleiben die ganzen Gesundheitsprobleme außen vor (außer Obstipation). Auch die berufskriminellen Milliardengewinne trocknen aus. Weil aber in der Öffentlichkeit wie in der Politik die Kenntnis über Morphine und über die sozialen Kettenreaktionen beim Ausgrenzen der Abhängigen zu gering ist, muss noch mehr Zeit ins Land gehen und das Problem an noch mehr Türen klopfen, bis sich die Einsicht über den kritischen “Umstimmungs-Wert” hinaus verbreitet hat.

    Kreativarzt

    25. Juli 2010 at 11:43

  2. > Wird man demnächst das Päckchen Heroin in der Apotheke an der Ecke bekommen?

    Das war früher tatsächlich so. Die Firma Bayer hat meines Wissens nach Heroin früher tatsächlich verkauft, und es war für jeden frei zugänglich. Nicht zum Spritzen, sondern zur oralen Einnahme in Tablettenform. Zur Verbesserung des Gemüts.
    Und damals gab es keine Toten auf der Bahnhofstoilette. Weil nichts gepanscht wurde, und es nicht zur illegalen Droge stilisiert war.

    Abmahner

    25. Juli 2010 at 11:53

  3. @Abmahner: „Damals“ ist aber auch schon 100 Jahre her, und die Menschen mussten da noch entdecken, dass es direkt in die Venen gespritzt noch ein ganzes Eckchen mehr knallt.

    Richtig ist IMHO, dass mit reinen Verboten noch nie ein Problem wirklich gelöst worden ist, sondern eher verdrängt und weniger sichtbar in den Untergrund geschoben. Deswegen aber stark problematische Substanzen fast ohne Restriktionen handeln klappt aber leider auch nicht. Das hat die Menschheit schon häufig genug bewiesen.
    Ich finde es wichtig, dass man Personen mit Drogenproblemen einen nicht zu schwierigen, aber kontrollierten Zugang zu ihren Substanzen (oder echten Alternativen) schafft, damit man die Kriminalität eingrenzt. Aber es muss auch eine Verpflichtung für den Patienten dabei sein, langsam aber sicher etwas gegen seine Sucht zu unternehmen. Mit Unterstützung natürlich.

    Mr. Gaunt

    25. Juli 2010 at 14:03

  4. Wohlabgewogen gesagt, Mr. Gaunt. Nur gehört ein offenes Bekenntnis zur kontrollierten Abgabe von i.v.-Morphinen dazu. Das muss richtig deutlich! gesagt werden. Und der scheinheilige Katholenklüngel gehört dabei wie ein Schaschlik mit auf die argumentativen Hörner genommen. Diese in allen sozialen Institutionen präsenten Leute haben eben NICHT den Mut den vollkommen kaputten, kranken und ausgegrenzten Drogenabhängigen, Beschaffungfskriminellen und Hoffnungslosen mit einer offensiven Politik der progressiven Morphindispensierung zu helfen.
    Das sind immer andere gesellschaftliche Strömungen die da etwas ändern. Du sagst das mit dem “begrenzen” der Kriminellen genauso sanft wie Kreativarzt. Habt Ihr überhaupt mal solche Leute erlebt? Ja gut, man kann alles freundlich diskutieren. Aber ab und zu muss man auch mal die Nase über den Mist halten um zu spüren wie dramatisch dieses Thema wirklich ist. Und dann kann man die Bräsigkeit und Ignoranz der Gesundheitspolitik und dieser furchtbaren “Kirchenexperten” erst richtig wahrnehmen. Die Wiener Erklärung sollte in allen Arztpraxen zur Unterschrift ausliegen.

    Dr.Offenraus

    25. Juli 2010 at 18:45

  5. Es gibt zwei Möglichkeiten, mit denen sich der Einzelne dem aktuellen Druck der Gemeinschaft entziehen kann: zuballern“ mit Sex und mit Drogen.

    Weil sich der Einzelen aber entziehen will wird die Gesellschaft dies nie unterstützen sondern bekämpfen, mit Vorschriften und Strafen. Die Frage, warum sich der Einzelne entziehen will, stellt sich die Gesellschaft dabei natürlich nicht, denn dann müsste sie ja zugeben, dass sie selbst (Mit-)Schuld hat an der Situation und nicht besser ist wie der ach so Verteufelte.

    Sex führt zu Aids, Drogen führen auch zu Aids (und noch ein bißchen mehr). Da liegt die Ursache, warum dies so schwer zu bekämpfen ist. Der Freiheitsgedanke ist nämlich nicht tot zu kriegen – und wenn alle Mächtigen der Welt noch so sehr mit Säbeln rasseln und Ketten klirren!

    der Landarsch

    26. Juli 2010 at 12:07


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