Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Ausgependelt

with 12 comments

Die junge Frau ist zur Synkopenabklärung gekommen.
Will sagen: Sie ist vorhin auf dem Marktplatz zusammengeklappt und keiner weiß warum. Wir schon. Möglicherweise wahrscheinlich todsicher waren es nämlich nur die Nerven, der Kreislauf und das Wetter, aber vielleicht war’s ja doch das Herz, man kann ja nie wissen, und deshalb ist sie jetzt hier. Also kriegt sie das volle Programm.
Das volle Programm besteht aus Untersuchung, EKG, Blutentnahme und… naja, eine Infusion hängen wir auch an, halt so für den Kreislauf.
Während ich den venösen Zugang lege, schaut sie mich argwöhnisch an.
„Ich bin aber allergisch!“
„Auf was denn?“
„Auf so Medikamente.“
Das war wieder einmal ein sehr hilfreicher Kommentar.
„Auf welche denn?“
Sie zuckt hilflos mit den Schultern.
„Wofür sollten die Medikamente denn gut sein?“
Abermaliges Schulterzucken.
„Anders gefragt: Welche Medikamente vertragen Sie denn?“
„Letztens habe ich ein Antibiotika bekommen. Gegen Halsschmerzen.“
„Aha. Und damit hat’s keine Probleme gegeben?“
Die Patientin nickt.
„Wissen Sie noch wie es hieß?“
Kopfschütteln.
„Aber das kann man doch immer testen,oder?“
Naja… im Prinzip schon.
„Also, mein Hausarzt, der pendelt das vorher immer aus!“
Ungläubiges Staunen meinerseits.
Die Patientin lächelt.
„Nee, echt, das macht der ganz toll: immer bevor er mir etwas verschreibt, pendelt er erstmal aus, ob ich das vertrage!“
Nun ja…

Written by medizynicus

26. Mai 2010 um 21:56

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

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12 Antworten

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  1. Ommmmmmmmmmmmmmmmmmmm 😉

    Petra

    26. Mai 2010 at 21:59

  2. Oo
    Jetzt wäre nur interessant, ob der Hausarzt da ernsthaft daran glaubt oder ob er das nur als Taktik verwendet, weil es ihm zu blöd wurde, ihr ständig zu erklären, warum das Medikamt XY doch funktionieren kann, obwohl es doch so eine böse Aura hat….

    Chaoskatze

    26. Mai 2010 at 22:42

  3. Interessant wäre, ob der Hausarzt das als IGeL-Leistung abrechnet… 😉

    analysed

    26. Mai 2010 at 23:25

  4. O.M.G.. Kann diese Pendelfritzen schon von 100 m im Nebel sehen.
    In meinem naechsten Leben komme ich mit einem Pendel auf die Welt und verdiene ganz viel Knete, oder?

  5. Hahaha.
    You just made my day! 😀

    Sebastian

    27. Mai 2010 at 07:11

  6. Kann man den Eid des Hippokrates eigentlich auch einfach ablegen … an der Garderobe zum Beispiel??

    WissenIstNacht

    27. Mai 2010 at 08:46

  7. Mein Glauben an die Menscheit pendel ich auch immer aus. Nur scheinbar ist mein Pendel kaputt, denn der Glaube siecht dahin. 😉

    Der Maskierte

    27. Mai 2010 at 09:48

  8. Mal angenommen die Antibiose zieht nicht (wovon bei Halsschmerzen auszugehen ist) induziert das natürlich selbst beim sehr alternativ eingestellten Patienten ’nen hübschen Placeboeffekt. Gibt also 2 Möglichkeiten:

    1. Der HA hat ne krasse Schraube
    2. Patient hat ne Schraube, HA nutzt das schön für seine Zwecke.

    Ich favorisiere 1, allerdings ist Möglichkeit NR 2 auch realistisch: Einmal kurz mit ’nem Pendel drüber spart viel Überzeugungsarbeit… 5€ fürs Pendel und jeden Tag im Durchschnitt 5 min nervige Diskussion fern ab von jeder Grundlage gespart. Macht bei 300 Arbeitstagen p.a: 25 Stunden Zeitersparnis. Das rechnet sich!

    Vielleicht übernehme ich das für den Umgang mit esotherischen Pat. in der Praxis.

    Studmed

    27. Mai 2010 at 12:24

  9. Solche Geschichten habe ich auch schon öfters gehört, scheint etwas verbreiteter zu sein, das Auspendeln.
    Wie kann man als studierter Mediziner so einen Blödsinn veranstalten? Ich versteh es nicht. Naja, wobei. Geld stinkt nicht.

    stef

    27. Mai 2010 at 16:37

  10. ich überlege gerade wie de HA das macht. Hängt er ne Pille an ein Stück Faden und läßt das über Ihrem Kopf kreisen? 😀

    Sylvia

    27. Mai 2010 at 17:30

  11. so eine Ärztin kenn ich persönlich…das gibts wirklich

    KS

    27. Mai 2010 at 17:48

  12. @ studmed: Ich denke, da haben sich zwei gefunden, die zueinander passen.

    Wenn wir mal annehmen, dass die Patientin wirklich ein Problem hat, dann braucht sie medizinische und vielleicht auch psychosomatische Hilfe.

    Mit der Pendelei bekommt der HA wenigstens einen Zugang zu ihr und kann sie behandeln.

    Marc B.

    27. Mai 2010 at 23:01


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