Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Nein Sagen (Teil 2)

with 5 comments

Dieser Kerl bleibt ganz ruhig sitzen. Ich zähle in Gedanken bis zehn, dann räuspere ich mich.
„Also gut,“ sagen Sie, „Sie möchten wissen, was ich Ihnen anbieten kann. Wenn Sie Hilfe bezüglich Ihres Alkoholproblems suchen, dann kann ich Sie gerne zur Entgiftung stationär aufnehmen. Sie akzeptieren unsere Regeln, und Sie bekommen Medikamente um die Entzungssymptome zu lindern…“
„Ich… hab doch kein Alkoholproblem!“ lallt er. Seine Ausdünstungen lassen Gegenteiliges vermuten, aber darum geht es hier nicht.
„Auch gut,“ führe ich fort, „Sie möchten Hilfe bezüglich Ihrer Angststörung. Jetzt um diese Zeit dürfte es schwierig sein, einen Nervenarzt aufzutreiben, wenn Sie nicht in die Nervenklinik…“
„Ich geh doch nicht in die Klapse! Ich bin doch nicht bescheuert!“
„…wenn Sie nicht in die Nervenklinik möchten, kann ich Ihnen anbieten, Sie über Nacht hier zu behalten und morgen früh konsiliarisch einem nervenärtzlichen Kollegen…“
„Sie wollen mir nicht helfen! Ich weiß schon…“
Er steht auf und verläßt unter wüsten Verwünschungen das Haus.
Okay. Ist auch besser so. Weder Marvin noch die Schwestern oben auf Station wären begeistert gewesen, ihn hier zu behalten.
In diesem Fall ist der Kelch also noch einmal an uns vorüber gegangen.
Die Hausärzte haben es schwerer.

Written by medizynicus

18. Mai 2010 um 21:42

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

5 Antworten

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  1. „Sie wollen mir nicht helfen! Ich weiß schon…“

    Kommt immer wieder vor, dass man von Patienten mit solchen oder ähnlichen Bemerkungen moralisch erpresst wird (gerne auch: „Das interessiert Sie ja eh nicht!“). Fragen oder Entgegnungen entzieht sich diese Art Patient dann gern durch abwinkendes Verlassen des Ortes. Man bleibt dann wie ein Depp zurück und muss mit dem aufkeimenden schlechten Gewissen (und das keimt immer auf!)fertig werden. Um sich zu beruhigen, stempelt man dann den Patienten innerlich als „Idiot“ oder „komischen Vogel“ ab so nach dem Motto „nicht mit mir stimmt was nicht, sondern mit dem stimmt was nicht“. Ist halt so ne psychologische Strategie. Ein ungutes Gefühl aber bleibt.
    Man kann in bestimmten Situationen (Notaufnahme, brechend volles Wartezimmer oder so) eben nicht bis an den Urschleim gehen -nur um für den Patienten jetzt das Optimale herauszuholen. (siehe Kommentar Klinkenputzer im Nein- Sagen, Teil 1). Natürlich möchte man gern wissen, was für ein Mensch da vor einem sitzt, was ihn gerade jetzt mit der Forderung hergetrieben hat, welches Problem vielleicht dahintersteckt. Wenn man das als Patient immer erwartet, hat man vielleicht zu viele „Bergdoktor“- Folgen gesehen. Es gibt eben solche und solche Situationen.

    docangel

    19. Mai 2010 at 08:19

  2. @docangel, @Klinkenputzerin: Ich höre ja gerne zu… im Prinzip zumindest… wenn ich Zeit habe… aber einem Besoffenen zuzuhören ist meistens wirklich Zeitverschwendung!

    medizynicus

    19. Mai 2010 at 08:50

  3. Hey Medizynicus, ich versuche gerade, Deine Haut zu retten (*ggg*) und Du schaltest mich mit Klinkenputzer (nebenbei: ist männlich) gleich……..!!!!!!!!!

    ;-))

    docangel

    19. Mai 2010 at 10:50

  4. Find ich ja echt spassig – mal nebenbei gesagt…der Klinkenputzer ist weiblich auch wenn er ein männliches Synonym benutzt 😉
    Es erschreckt trotzdem, den Eindruck zu gewinnen in eine Schublade gesteckt zu werden. Das ist alles, was ich damit sagen wollte 😉 Und, der Klinkenputzer (die Klinkenputzerin klingt ziemlich daneben oder?) schaut keinen Bergdoktor oder ähnliches. Sie erwartet nur, ernst genommen zu werden. Egal wie scheiss-stressig der Dienst gerade ist 😀

    Klinkenputzer

    21. Mai 2010 at 00:16

  5. Hm. Sagen wir mal so: der Mann kam an, nicht um eine Diagnose zu bekommen, sondern um sich „sein“ Medikament abzuholen.
    Ein Arzt, der einfach so ein Medikament verschreibt, handelt in meinen Augen unverantwortlich – und kann in meinem Wohnland auch strafrechtlich belangt werden.

    Und die Notaufnahme ist nicht unbedingt der Ort, wo lange Gespräche möglich sind. Bestenfalls die Überweisung in die Psychiatrie, in diesem Fall.
    Die hat der Patient ausgeschlagen, was wir im ersten Eintrag nicht wissen konnten.

    Aber dieses „Sie wollen mir nicht helfen“, das kenn ich auch. Von Leuten, die Geld von mir wollen – und Geld gibts bei mir nicht. Zu essen, ja. Rat und Hilfe, soweit ich geben kann, auch. Aber kein Geld.
    Und mancher, der da um Geld kommt, hat merkwürdig gute Schuhe an den Füßen… (bei DEM kam dazu, als ich ihn wohin begleiten wollte und den Hund anleinte, damit der auch seinen Auslauf hatte, da konnte der Mann auf einmal sehr gut ohne mich auskommen. Vorher verlangte er ziemlich eindringlich eine dreistellige Summe, die ich niemals hätte geben können, geschweige denn dürfen.)

    Wolfram

    21. Mai 2010 at 20:01


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