Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Bröselatoren und Krümelmonster

with 10 comments

Zugang: Ein Patient aus dem Altenheim mit einer der üblichen irgendwas-Diagnosen. Hausarzt hat ihn eingewiesen und netterweise einen Medikamentenplan mitgegeben – das tun nicht alle Hausärzte. Jedenfalls erleichtert es die Aufnahmeuntersuchung ungemein, wenn man keine kriminaltechnischen Verhöre mit Angehörigen – oder, schlimmer noch, mit semidementen Patienten – durchführen muss um herauszufinden, was die kleinen weißen Tabletten sind, welche jeden Morgen vor dem Frühstück zu nehmen sind.
Ein Kompliment also erstmal an den unbekannten Hausarzt.
Aber dann muss ich doch wieder den Kopf schütteln:
Der Patient nimmt nämlich keine Tabletten, sondern weitgehend nur Brösel von Tabletten: Hier eine halbe, dort schon wieder eine halbe und einmal sogar eine Viertel Tablette.
Dabei gibt’s dieselben Medikamente auch in geringerer Dosierung: Anstatt einer Viertel Hunderter könnte er auch eine ganze Fünfundzwanziger nehmen. Damit erspart er sich einerseits eine Menge Bröselei – und gewährleistet andererseits auch, daß er wirklich das nimmt, was er nehmen soll, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Krümel wirklich immer exakt die gleiche Größe haben.
Dennoch, irgendwo muss es einen tieferen Sinn für diese Bröselei geben. Denn es ist mir schon ziemlich oft aufgefallen.
Wahrscheinlich bin ich noch viel zu klein um das zu verstehen… aber wenn ich einmal groß bin….

Written by medizynicus

13. Oktober 2009 um 19:40

10 Antworten

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  1. Ganz klar…. Kostengründe….
    Wenn er eine vierteltablette von einer Stärke nimmt, dann braucht er nicht soviele Rezepte im Jahr.
    Das die Stärke dann evtl. nicht voll stimmt… nunja… den einen Tag etwas weniger, dafür am nächsten dann halt ein wenig mehr…. Ab einenm bestimmen Alter und Krankheiten muss man da jetzt nicht mehr so genau sein… Ironie off

    Caddy

    13. Oktober 2009 at 20:12

  2. Kostenersparnis? *rat*

    Hermione

    13. Oktober 2009 at 20:20

  3. Dafür gibts doch diese schicken Tablettenteiler… geht ganz fix und bröselt auch nur wenig.
    (Im Ernst – sowas gibts wirklich!)

    Ansonsten: hab ich nicht irgendwo gelesen, dass geteilte Tabletten ganzganzganz böse sind, weil die scharfen Kanten den Darm aufschlitzen können? *grübel*

    (Noch mehr pseudo-medizinische Gerüchte fallen mir grad nicht ein.)

    Benedicta

    13. Oktober 2009 at 21:44

  4. der grund für die teilerei sind die kosten. vielfach sind auch die kleinen handelspackungen nur fiktiv, weil ausschliesslich wegen preisverhandlungen mit krankenkassen generiert und dann sofort vom markt genommen – die packugnsgrössen existieren dann nur mehr theoretisch.

    blöd wird es nur dann, wenn es sich um dragierte oder gefilmte tabletten handelt, deren beschichtung z.b.die magenlöslichkeit verhindert. harharhar.

    kelef

    14. Oktober 2009 at 02:17

  5. Haha, Darm aufschlitzen?
    Ich weiß nur, dass man nicht alle Tabletten teilen kann (Nennen wir sie Prim-Tabletten), weil man dann die Schicht zerstört, die dafür sorgt, dass der Magen oder sonst irgendwas den Wirkstoff schon killt.

    Vielleicht wurde einfach die Dosis verändert, als noch kein neues Rezept nötig war.

    Der Trick ist, bei der ersten Einnahme eine ganze Tablette zunehmen. Bei der zweiten eine halbe. Bei der dritten eine halbe halbe (aka viertel), beim vierten Mal eine halbe halbe halbe (achtel) usw.
    Das spart Uuuuunmengen Geld im Gesundheitssystem. Zum einen braucht man viel weniger Tabletten, zum anderen scheidet der Patient so bald aus dem Kreis der Leistungsempfänger aus 😉

    NK

    14. Oktober 2009 at 02:17

  6. Diese Schnapsidee stammt von unserer allseits verachteten Noch-(aber-bald-ex)Gesundheitsministerin, die die niedergelassenen Ärzte tatsächlich gezwungen hat, diesen gefährlichen Blödsinn zu machen. Auf der einen Seite wird der Pharmaindustrie eine Chargen-Konformität (d.h.,dass 1.alle Tbl. einer Charge und 2.alle Chargen untereinander nur um einen bestimmten Betrag voneinander abweichen dürfen) von 0,1% vorgegeben, auf der anderen Seite wird den niedergelassenen Ärzten ohne mit der Wimper zu zucken eine „Brösel-Konformität“ von 5% und mehr auf’s Auge (und in die juristische Verantwortung) gedrückt. Das nennt sich dann „Gesetzeskonformität“!

    der Landarsch

    14. Oktober 2009 at 10:23

  7. Oh ja, die Kostenersparnis. Gute Sache, wenn der Patient geistig und motorisch in der Lage ist, das zu machen, schlechte Sache wenn nicht.
    Wie gut dann so Vorschriften sind – wie vom Landarsch erwähnt, lasse ich mal dahingestellt. Auch das Gegenteil – ein Teil-verbot- macht wenig Sinn, finde ich.

    Pharmama

    14. Oktober 2009 at 11:01

  8. Denke auch es sind die Kosten… und weil viele Patienten denken eine halbe Tablette nehmen sei nicht so schlimm wie eine ganze, egal was drin ist. Und überhaupt sind sie ja alle gesund und nehmen nicht gerne Tablette…

    Avialle

    14. Oktober 2009 at 18:51

  9. Es ist wie viele oben geschrieben haben. Wir müssen bei den Verordnungen leider immer den Preis im Aug haben und je größer die Tablette, desto billiger der Preis pro mg.
    So entstehen solche perversen Bröseleien.

    Aber mal ne kleine Retourkutsche:
    aus dem Krankenhaus, speziell in Psychiatrie und Neurologie, werden tausende von Patienten entlassen, die Medikamente verordnet bekommen, die für die entsprechende Erkrankung gar nicht zugelassen sind.
    Diese off-label-Medis machen einem Niedergelassenen draußen nämlich das Leben zur Hölle, denn die Kassen sind ganz scharf drauf, sich das Geld 1-2 Jahre später wieder vom Arzt zurück zu holen, was dann Regress heißt.
    Darüber machen sich leider die Klinikärzte so gut wie nie Gedanken.

    drgeldgier

    14. Oktober 2009 at 19:06

  10. und noch ne kleine Retourkutsche:
    mein KH entlässt mir immer wieder Patienten mit Medikationsempfehlungen, die es gar nicht gibt. Auf Rückfrage stellt sich dann oft heraus, dass die Pat.im KH Spritzen bekamen, aber zuhause per Tablette weitergeführt werden sollen. Nur im Arztbrief steht das nicht! Da steht nur „Präparat XY: 3x tägl. 50 mg“

    der Landarsch

    15. Oktober 2009 at 08:17


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