Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Bewerte Deinen Arzt!

with 9 comments

Ja, die Bewertomanie greift um sich. Keine Woche, in welcher man nicht in der Bildzeitung (oder ähnlich hochqualifizierten Fachzeitschriften) irgendwelche Hitlisten der „besten“ Ärzte oder Kliniken findet. Monsterdoc hat schon drüber geschrieben und die Assistenzärztin.
Bewertungsportale gibts an jeder Ecke, und jetzt will auch die AOK noch auf den Zug aufspringen.
Schnapsidee? Saure Gurken Zeit?
Die Reaktion in der Ärzteschaft ist wie zu erwarten: die einen jammern, die anderen jammern nicht und versuchen, wie sie das System für sich nutzen können. Natürlich kann das System missbraucht werden. Wenn es anonym funktioniert, kann man sich mehrfach anmelden und den Nachbarkollegen mies machen. Der kann natürlich mit gleicher Münze zurückzahlen.
Oder er versucht es mit Bestechung: Du kriegst Deine Massagen verschrieben, wenn du mir eine Eins gibtst, vorn an der Rezeption gibts zu diesem Zweck einen PC, die Eingabe wird von der Arzthelferin überwacht.
Aber gut: Angenommen, das System würde wirklich funktionieren, was würde passieren?
Die Ärzte würden das verschreiben, was bei den Patienten populär ist und nicht das, was medizinisch sinnvoll ist. Also: Dem Patienten mit Rückenschmerzen nicht sagen, daß er mehr Sport machen soll, sondern Massagen verschreiben. Oder gleich eine Kur. Oder großzügig sein mit gelben Urlaubsscheinen. Oder… oder… oder.
Aber man soll ja nicht immer alles schwarz malen, oder?

Written by medizynicus

22. Juni 2009 um 16:46

Veröffentlicht in Gehört und gelesen

9 Antworten

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  1. Und man muß sich fragen, inwieweit das mancherorts eine Veränderung zum derzeitigen Zustand wäre …

    -thh

    22. Juni 2009 at 18:49

  2. Ich finde das System gut! Dann haben überlastete Ärzte endlich mal einen Weg, die Armee an Patienten fernzuhalten!

    Ernst: Blöde Idee.
    Eine Variante, die ich mir denken könnte (als Laie): Bewertungen innerhalb des Systems. Zum Beispiel, wenn Rettungsassistenten zu nem Hausarzt kommen und dort der Pat trotz akutem Handlungsbedarf unversorgt rumsitzt.

    Eine zentrale Frage bleibt natürlich: Was macht man danach? Dem Arzt gleich die Zulassung entziehen? zu ner Schulung schicken? Keine Ahnung.

    NK

    22. Juni 2009 at 18:53

  3. Hab das gestern auch bei Meibritt Ilmner (oder wie die Dame heisst) gesehen und fand die Diskussion einfach nur bescheuert! Als ob mich 1. so ein Voting in die AOK treibt, 2. 40 bis 50 Bewertungen ausreichen (mach mal ne Studie über Hypertonie mit 50 Patienten, da wirst du ausgelacht!), 3. Wartezeiten und das freundliche Lächeln der Sprechstundenhilfe etwas über die Qualität der Behandlung aussagen und 4. der Patient nicht mündig genug ist sich einen Arzt zu suchen. Es gibt solche Rankings ja auch nicht für Busfahrer, Supermarktverkäufer oder Flugzeugpiloten – die haben „unser Leben“ unter Umständen ebenso in der Hand (mmmh, lecker falsch gelagerte Mayo mit Salmonellen!).
    Außerdem finde ich es mal wieder bezeichnend, dass „die Ärzteschaft“ von so einem Schnösel-Plasmaten vertreten wird, der sonst den Tussen bei billgen Prosieben-Reality-Produktionen die T***en aufspritzt! Sorry, aber das regt mich jetzt schon auf… *kopfschüttel*

    Avialle

    22. Juni 2009 at 20:22

  4. also die meisten Ärztestimmen die ich gehört habe waren eher gelanweilt. Einen Skandal/Aufschrei/Protest/usw. hören mal wieder nur die Journalisten der Skandalpresse und der Skandal-Talk-Shows!

    Aber, was wäre denn, wenn. Wie heist’s im Show-Biz? „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert“.

    Wenn die Politik endlich festgestellt hat, dass die medizinische Qualität schlecht ist, na dann wird sie wohl (finanziell) nachlegen müssen! Oder wie sollte die Qualität besser werden? Per Gesetz? – homerisches Gelächter!!!

    Die Politik kann doch gar nicht anders als mit unserer Qualität zufrieden zu sein! Und ein unzufriedener Patient soll sich gefälligst einen andern Arzt suchen, anstatt mir die Zeit zu stehlen!

    der Landarsch

    23. Juni 2009 at 10:17

  5. Werdegang eines niedergelassene Arztes:

    Neue Praxis = viel Zeit für Zuwendung -> Patienten zufrieden: „sehr guter Arzt, da musst Du hin.“

    Wenn die Praxis dann (wegen der guten Mundpropaganda) voller und voller wird -> Zeit ist irgendwann nicht mehr da -> Behandlungsdauer wird immer kürzer (es warten ja noch 20 Patienten) -> Patienten unzufrieden: „Früher wars besser, jetzt nimmt er sich ja keine Zeit mehr, kriegt den Hals wohl nicht voll“

    Wenn dann die KV und die Krankenkassen dann ihre Wirtschaftlichkeitsprüfungen loslassen: keine Massagen mehr, keine teuren (neuen) Medikamente mehr, wieder vermehrt „Anleitung zur Selbsthilfe“ („Laufen Sie mehr“, „machen Sie mehr Sport“, „nehmen sie ab“ oder „nehmen Sie halt eine Schmerztablette“) -> Patienten unzufrieden: „Ja früher, da war er noch gut, aber wie so ein Leben die Menschen verändert! Na, ich geh jetzt auf jeden Fall zu dem neuen Arzt, der soll ja soooo gut sein!

    der Landarsch

    23. Juni 2009 at 10:30

  6. Also; „bewerte die Apotheke“ gibt es offenbar seit neuerem auch. Ich kann das nicht ganz ernst nehmen – eben wegen der Missbrauchsgefahr bei anonymen Bewertungen.
    Aber: was es bei uns auch gibt sind sogenannte „Mystery-Shopper“. Das ist sogar Vorschrift, dass man sich solchen Tests unterzieht im Sinne des Qualitätsmanagement Systems. In der Apotheke gibt es 3 Tests: OTC Beratung, Mystery-Call (Telefonanruf) und Rezeptabgabe – und -beratung.
    Bis jetzt haben wir immer gut abgeschnitten. Blöd nur, dass gerade die Testaussagen nicht öffentlich zugänglich sind, bestenfalls bekommt Otto Normalbürger eine statistische Auswertung aller der Tests zu sehen.
    Aber: Gibt es solche Mystery-Patienten auch bei den Ärzten und bei den Spitälern? Weiss da jemand was davon?

    Pharmama

    24. Juni 2009 at 13:07

  7. […] Damit wären eigentlich die wichtigsten Punkte bereits abgehakt … äh halt mal, es geht ja um die Arzt-Bewertung, richtig. Das besprechen wir dann morgen im zweiten Teil … Ausserdem einen Teil für Ärzte: Tricks und Kniffe, um eine gute Bewertung zu bekommen … (wie bei Medizynicus) […]

  8. Es gibt da etwas, dass mich in der ganzen Bewertungsdebatte ENDLOS nervt:
    Anscheinend halten ALLE Ärzte (die sich in meinem Lese-Umfeld bisher zu dem Thema geäußert haben) AUSNAHMSLOS ihre Patienten für Vollidioten.
    – „die Patienten bewerten gut, wenn der Arzt macht was sie wollen“
    – „da macht dann einer den Arzt schlecht und die die es lesen merken das nicht“
    (Das sind so die häufigsten Argumente).

    Erstens: ICH (und die meisten „Normal-Patienten“ die ich so kenne) kann sehr gut unterscheiden, ob ein Arzt macht was ich will oder vernünftig begründet, warum was anderes sinnvoll ist. Es zählt mehr, ob Maßnahmen nachvollziehbar begründet werden. Und ob ihrs glaubt oder nicht: ich hab sogar für Zeit-Probleme Verständnis…
    Zweitens: Ich bin durchaus in der Lage, Bewertungen anderer kritisch zu hinterfragen.
    Drittens: Es kommt immer auf die Fragen an… Evaluation ist eine spannende, aber keine einfache Sache. Ich hab mich im Studium und auch im Beruf da ziemlich intensiv damit auseinandergesetzt (weil ich in der Hochschulpolitik aktiv war) – und ich schätze, was es an Schönrechnerei gibt, hab ich in der Lehrevaluation schon zu sehen bekommen. Letztlich war die Bewertung aber IMMER fair und nachvollziehbar! (In dem Zusammenhang kommt mir grad: ich hab ein Deja Vu… GENAU die Argumente, die jetzt von euch Ärzten kommen, hab ich vor 10 Jahren von Profs gehört. DIE hatten nicht Recht (wie sich inzwischen gezeigt hat) – und ihr werdet auch nicht Recht behalten!)

    Benedicta

    26. Oktober 2009 at 00:57

  9. Gnarf. Auf den Feed-Reader reingefallen… das ist ja gar kein neuer Artikel *schäm*
    Ich geh dann mal noch ne Runde die Handhabung des Feed-Readers üben…

    Benedicta

    26. Oktober 2009 at 00:59


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