19. März 2018

Vor ein paar Tagen informierten wir Sie über Neuigkeiten aus aktueller Rechtsprechung rund um das Thema Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Dieser zweite Teil schließt sich daran an und möchte Ihnen weitere wichtige richterliche Entscheidungen in diesem Zusammenhang vorstellen.

BSG zur Nachbesetzung von Arztstellen unterschiedlicher Arztgruppen

Mit Urteil vom 28.09.2016 (Az. B 6 KA 40/15 R) erklärte sich das Bundessozialgericht (BSG) eindeutig zu den Anforderungen an eine Nachbesetzung einer Stelle eines angestellten Arztes im Hinblick auf dessen Arztgruppe. Das BSG entschied, dass eine Nachbesetzung nur im Falle eines nachrückenden Arztes der gleichen Facharztgruppe möglich ist. Im zugrundeliegenden Fall schied ein Facharzt für Chirurgie als angestellter Arzt aus einem MVZ aus und sollte durch einen Facharzt für Orthopädie nachbesetzt werden. Diesem Vorhaben schob das BSG einen Riegel vor.

Das Gericht wies in seiner Argumentation auf § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V. Dies Norm erfordere die Zugehörigkeit zu der gleichen Arztgruppe im Sinne der Bedarfsplanung. Dies sei so genau zwar nicht im Gesetz geregelt, ergebe sich aber aus der Ausgestaltung der Nachbesetzungsmöglichkeit bei Überversorgung als Sonderregelung. Die Bedarfsplanung erfolge insgesamt nach Arztgruppen. Im speziellen Fall ist die Orthopädie und Unfallchirurgie zwar dem Gebiet der Chirurgie zugeordnet. Die Orthopäden und Unfallchirurgen fallen aber nicht in die Arztgruppe der Chirurgie (im Sinne der Bedarfsplanung), sondern in die Arztgruppe der Orthopäden. Daran ändere auch die inhaltliche Übereinstimmung der Tätigkeit von Vorgänger und Nachfolger nichts. Das BSG verwies hier auch auf den Sinn der Bedarfsplanung, der darin liege, eine gleichmäßige Versorgung der Versicherten in allen Fachbereichen zu gewährleisten.

LSG München zu den Anforderungen an den angestellten ärztlichen Leiter des MVZ

Das Landessozialgericht (LSG) München stellte in seinem Urteil vom 27.01.2016 (Az. L 12 KA 69/14) zusätzliche Anforderungen an die Aufgaben und Funktion des ärztlichen Leiters eines MVZ auf. Bereits mit Urteil vom 14.12.2011 stellte das BSG (Az. B 6 KA 33/10 R) die Anforderung auf, die Aufgabe des ärztlichen Leiters beschränke sich nicht allein auf die Leitung. Vielmehr habe der ärztliche Leiter eines MVZ auch selbst vertragsärztlich im MVZ tätig zu sein. Diese Tätigkeit kann als Vertragsarzt oder als angestellter Arzt erbracht werden.

Das LSG München äußerte sich nun zum einen über den Mindestbeschäftigungsumfang des ärztlichen Leiters. Der ärztliche Leiter müsse mindestens in halbtägigem Umfang beschäftigt sein. Das LSG bestätigte damit die dazu vorausgegangene Entscheidung des BSG (Urteil vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 39/12 R). Begründet wurde dies von den Richtern des LSG München mit der Notwendigkeit der Unterwerfung des ärztlichen Leiters unter die Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Eine solche Unterwerfung ist bei einem angestellten Arzt erst dann anzunehmen, wenn dieser mindestens im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme. Dann nämlich ist er (Zwangs-)Mitglied der KV. Zu verweisen sei dabei auf §§ 77 Abs. 3, 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V.

Nach dem Urteil des LSG München wurde § 77 Abs. 3 SGB V mit Wirkung zum 01.03.2017 geändert. Nunmehr sind die Voraussetzungen für eine (Zwangs-)Mitgliedschaft in der zuständigen KV bereits bei einem Beschäftigungsumfang von mindestens 10 Wochenstunden erfüllt. Vor diesem Hintergrund kann das Argument der notwendigen Unterwerfung unter die Disziplinargewalt der KV durch die Mitgliedschaft für einen mindestens halbtätigen Beschäftigungsumfang des ärztlichen Leiters nun nicht mehr herangezogen werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte nach dieser Gesetzesänderung ein anderes Argument für den mindestens halbtägigen Tätigkeitsumfang des (angestellten) ärztlichen Leiters finden oder ob der Mindestumfang gar auf 10 Wochenstunden reduziert wird. Letzteres ist wohl nicht zu erwarten, da im Umfang von 10 Wochenstunden eine Leitungsfunktion kaum denkbar ist-

BSG zum korrekten Antragsteller für die Anstellung eines Arztes

Am 04.05.2016 äußerte sich das BSG auch in einem Urteil (Az. B 6 KA 24/15 R) dazu, wer den Antrag auf Anstellung eines Arztes in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) zu stellen hat: die BAG in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder etwa die Vertragsärzte, die Mitglieder der BAG sind? Der Antragsteller ist dann selbstverständlich folgerichtig auch der Inhaber der zu erteilenden Anstellungsgenehmigung.

Diese Frage ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Das BSG entschied sich für die Berufsausübungsgemeinschaft als Antragsteller und (dann) Genehmigungsinhaber. Begründet wurde das Urteil damit, dass mit der Zuordnung der Anstellungsgenehmigung zu der BAG Konflikte aufgrund voneinander abweichender Gestaltungen der vertragsärztlichen und zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen sowie Konflikte z.B. im Falle eines Ausscheidens eines Vertragsarztes aus der mindestens Drei-Personen-BAG von vornherein möglichst vermieden würden. Erteilte man den einzelnen Mitgliedern einer BAG die Genehmigung zur Anstellung eines Arztes, wäre im Falle seines Ausscheidens unklar, was mit der Genehmigung geschehen solle.

Ob diese Grundsätze auch im Falle einer Anstellung eines Arztes in einem MVZ als Teil einer (Ü)BAG gelten sollen, hat bisher noch kein Gericht entschieden. Es ist jedoch zu erwarten, dass hier dasselbe gelten sollte, d.h. dass die (Ü)BAG die Anstellung beantragen und genehmigt werden würde.

Fazit Medizinisches Versorgungszentrum

Die angeführten Urteile geben wiederum einige Anforderungen im Hinblick auf die Gründung oder den Betrieb eines MVZ vor. Dabei fällt auch bei diesen Entscheidungen auf, dass die Gerichte bei ihrer Argumentation zum Teil über den Gesetzeswortlaut hinausgehen. Wir werden die Rechtsprechung zum Thema MVZ weiterhin für Sie beobachten. An dieser Stelle werden Sie regelmäßig weiterhin über Neuigkeiten im Zusammenhang mit Medizinischen Versorgungszentren informiert.

Medizinische Versorgungszentren: was gibt es Neues? – ein Rechtsprechungs-Update – Teil 1

 

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