Die Diskriminierung von Menschen mit HIV und Drogengebraucher_innen kennt man. Doch ein Staatsmann, der ihre außergerichtliche Hinrichtung betreibt, ist eine lange nicht gesehene Dimension.

Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Stop the killings“  im Drogenkurier Nr. 4/2016. Wir haben ihn aktualisiert und danken dem Autor herzlich für das Recht zur Zweitveröffentlichung!

Der seit dem 30. Juni 2016 als Präsident der Philippinen amtierende Rodrigo Duterte tat sich bereits im Wahlkampf mit populistischen Sprüchen hervor. Nun zieht er durch, was er angekündigt hat: Er hat die Öffentlichkeit dazu aufgerufen, alle umzubringen, von denen bekannt sei, dass sie Drogen gebrauchen. Bis Ende Januar 2017 sind dem Mordaufruf über 7000 Menschen zum Opfer gefallen, mindestens 2.500 von ihnen wurden von der Polizei getötet.

Einfache Männer, einfache „Lösungen“

Duterte vergleicht sich selbst gerne mit Adolf Hitler: „Hitler hat drei Millionen Juden massakriert. Hier sind drei Millionen Drogenabhängige. Ich würde sie gerne umbringen“, sagte er öffentlich in seiner Heimatstadt. Nur so sei das Problem mit den „kriminellen“ Drogengebraucher_innen auf den Philippinen zu lösen – es gelte, die nächste Generation vor dem Verderben zu bewahren. Einfache Lösungen für einfache Männer.

Nun sprechen Historiker_innen von sechs Millionen ermordeten Juden. Aber zu viele Detailkenntnisse darf man von Herren wie Rodrigo Duterte wohl nicht erwarten. Er sieht sich zudem offensichtlich in direkter Nachfolge von Hugo Chávez (bis zu seinem Tod 2013 Präsident Venezuelas und das „enfant terrible“ der lateinamerikanischen Politik) und gefällt sich darin, blindwütig zu provozieren und sich durch markige Sprüche und Flüche hervorzutun: den US-Präsidenten Obama bezeichnet er schon mal als „Hurensohn“, den Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki Moon als „Dummkopf“.

Dass sich durch faschistische Propaganda und Rassismen trefflich Wahlen gewinnen lassen – dafür steht das Jahr 2016, und dafür steht Duterte. Drogendealern hatte er im Wahlkampf den Tod durch Erhängen angedroht, da er keinen Strom an sie verschwenden wolle. Die Hinrichtung sei so auszuführen, dass dabei der Kopf abgetrennt werde. Und öffentlich brüstete er sich damit, selbst Menschen ermordet zu haben.

Wohin Ausfälle wie diese führen sollen – was das überhaupt alles soll – wissen wir noch nicht. Die Welt wird dadurch sehr bestimmt keine bessere werden. Menschlichkeit und Humanität stehen nicht nur in den Philippinen auf den dem Prüfstand.

Keine guten Zeiten für humane Drogenpolitik

Für die internationale Drogenpolitik kommen diese neuen Entwicklungen zur Unzeit: Noch bis vor Kurzem sah es so aus, als würde sich die Einsicht durchsetzen, dass der 1972 durch einen anderen Präsidenten mit kriminellen Neigungen – US Präsident Nixon – geprägte „war on drugs“ endlich beendet werden könne. Der „Drogenkrieg“ hat mit seinen menschenverachtenden Ideologien sehr wahrscheinlich mehr Menschenleben gefordert als der Drogenkonsum selbst.

Länder, die ihre Drogenpolitik an Humanität und an den Bedürfnissen drogengebrauchender Menschen ausrichten, haben in der Ausgestaltung von Hilfsprogrammen und dem Zugang zu den betroffenen Gruppen weniger Probleme – mit dem Ergebnis, dass dadurch die negativen Auswirkungen des Drogengebrauchs unter Kontrolle gebracht werden können. Dass lässt sich überall beobachten, und Länder lassen sich vergleichen: So hat Russland mehr Probleme als Deutschland, und innerhalb Deutschlands gibt es in Bayern mehr Probleme als in anderen, weniger ideologiegeprägten Bundesländern.

Ein Opfer ist auch die HIV-Prävention

Für die von den brutalen Morden Betroffenen, deren Familien, Kinder, Partnerinnen und Partner ist das verursachte Leid schwer zu ertragen. Und natürlich sind es auch auf den Philippinen vor allem die Armen und sozial Marginalisierten, die in der Öffentlichkeit als Drogengebraucher_innen wahrgenommen werden bzw. identifizierbar sind.

Ihre Situation wird sich durch die Maßnahmen weiter verschlechtern, zudem erschwert sich der Zugang zu Prävention- und Hilfsprogrammen sowie Testmöglichkeiten: „Auf den Philippinen hat man derzeit eine dreifach höhere Chance, wegen der Verdächtigung des Drogengebrauchs ermordet zu werden, als eine HIV-Diagnose zu erhalten“, sagte Ferenc Bagyinszky in einer Stellungnahme während eines Treffens bei UNAIDS.

Am 21. November 2016 traf sich Duterte mit seinem „Idol“ Putin. Auf dem Programm stand der Ausbau der russisch-philippinischen Handelsbeziehungen. Dass sich da zwei Männer trafen, die sich auch in Bezug auf die Drogenpolitik nahe stehen, war offensichtlich: Auch Russland meint das Drogenproblem des Landes durch restriktive Maßnahmen in den Griff bekommen zu können – und befeuert so die verheerende HIV-Epidemie im Land. Offensichtlich hat Duterte in ihm einen weiteren Verbündeten, die Herren können sich künftig ihre roten Teppiche gegenseitig ausrollen.

Bereits über 7.000 Menschen brutal ermordet

Seitdem Duterte seinen Feldzug ausgerufen hat, wurden laut Amnesty International über 7.000 Menschen getötet. Die Daten sind nicht übertrieben, sondern real: sie stammen direkt von der philippinischen Nationalpolizei (PNP). Polizei und Sicherheitskräfte verfolgen gnadenlos und konsequent die außergerichtliche Erschießung von Personen, die sie als Dealer oder Drogengebraucher_innen wahrnehmen.

Die Einführung der Todessstrafe steht für 2017 auf der Agenda der philippinischen Regierung. Dass sich die Todesstrafe für Drogenkriminalität weltweit auf dem Rückzug befindet – derzeit wird sie routinemäßig nur in sieben Ländern vollstreckt, darunter fünf Länder Asiens: China, Vietnam, Malaysia, Singapur und Indonesien plus Iran und Saudi-Arabien– kümmert Duterte dabei nicht.

Ob er auch die Parlamentarier der ASEAN-Staaten ignoriert, die sich für die Menschenrechte einsetzen und sich mit Bittschreiben an den Philippinischen Kongress gewandt haben, um das Recht auf Leben – seit 1987 in der philippinischen Verfassung verankert – zu bewahren, oder die tausenden Bürger_innen seines Landes, die erst vor einer Woche gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe und Dutertes Mordpolitik demonstriert haben? Man wird sehen.

Duterte nach Den Haag!

Das Internationale Netzwerk von Menschen, die Drogen gebrauchen (INPUD), hat im Oktober 2016 Demonstrationen inklusive Kranzniederlegungen vor unterschiedlichen philippinischen Botschaften organisiert. In einer Pressemitteilung von ACT UP London dazu heißt es:

„Diese durch den Staat organisierte Mordkampagne ist ein internationaler Skandal. Wir sind hier mit einer simplen Botschaft an die philippinische Regierung: Das muss sofort enden. (…) Drogengebraucher_innen gehören zu den verletzlichsten Personen in einer Gesellschaft. Die barbarischen Morde sind eine Attacke auf unschuldige Menschen. Sie sind schon an sich schrecklich und durch nichts zu entschuldigen, hinzu kommt jedoch, dass sie die HIV-Prävention unterminieren. Hunderte neue HIV-Infektionen werden verursacht, Menschen werden von der Gesundheitsversorgung abgeschnitten. Die ganze Welt blickt mit Abscheu auf das Land, während die Regierung die eigene Bevölkerung entmenschlicht und attackiert.“

Die Morde, die Duterte derzeit an Teilen seiner eigenen Bevölkerung vollziehen lässt, sind nichts Geringeres als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 2011 sind die Philippinen dem Internationalen Strafgerichtshof beigetreten. Verbrecher gehören nicht auf die Regierungsbank, sondern in Haft. Den Haag wäre denn auch der Ort, an dem Herr Duterte mit seinesgleichen am besten aufgehoben wäre.

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