Irreführende Werbung: Statine bei Frauen (meist) ohne Nutzen

In einem lesenswerten und im Aufbau originellen Aufsatz widmen sich zwei amerikanische Wissenschaftler - ein Jurist und ein Statistiker - der Diskrepanz zwischen den Werbeaussagen Pfizers zum weltweit umsatzstärksten Medikament, dem Cholesterinsenker Lipitor® (in Deutschland Sortis®), und der ernüchternden Datenlage, die diesen Werbeaussagen insbesondere bei der Anwendung des Medikaments bei weiblichen Patienten gegenübersteht.

Zunächst führen die Autoren, die in Vioxx®-Prozessen die Klägerseite beraten haben, eine Metaanalyse zahlreicher Statin-Studien durch. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass für die Klasse der Statine bei Frauen ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung keinerlei Nutzen belegt ist.

Das Ergebnis deckt sich mit dem früherer Publikationen, die sich bislang jedoch kaum auf das ärztliche Verschreibungsverhalten ausgewirkt haben. Schon in einer im Jahr 2004 im JAMA publizierten Metaanalyse hatte sich bei Frauen ohne Vorerkrankung des Herzens kein Nutzen der millionenfach verschriebenen Cholesterinsenker gezeigt, weder im Hinblick auf kardiovaskuläre Todesfälle noch im Hinblick auf die Gesamtmortalität. Darüberhinaus ergab die damalige Analyse selbst bei Frauen mit bestehender Vorerkrankung des Herzens keinen lebensverlängernden Nutzen der Cholesterinsenkung.

In Pfizers Werbung zu Lipitor® spielt der fehlende oder unklare Nutzen des Medikaments bei Frauen keine Rolle. Die Autoren bewerten die Werbung somit juristisch als irreführend, woraus sich Haftungsansprüche gegen Pfizer ableiten ließen.

Die FDA als Kontrollinstanz ist in den Augen der Autoren grundsätzlich überfordert, solche Fehlentwicklungen zu kontrollieren. Schadenersatzansprüche gegen die Hersteller von Medikamenten seien deshalb ein unverzichtbares Instrument, unlautere Marketingpraktiken wie diese zu bekämpfen. Das in der Diskussion befindliche Rechtsprinzip "FDA Preemption", mit dem sich Medikamentenhersteller in den USA vor Schadenersatzklagen schützen wollen, indem sie sich auf die erteilte Zulassung durch die FDA berufen, gelte es deshalb zu verhindern.
When studies consistently reveal uncertain efficacy for a group as large as women, a system that imposes no duty to further test, but allows continued marketing to millions of women, is insufficient. In the drug arena, as in other areas of tort law, it is too hopeful to expect ready detection of efforts to conceal or spin health information. Even an extremely well-functioning FDA would likely miss concerted efforts to hide or shade results. The actual functioning of the FDA may unintentionally promote concealment and spin.

(Hat Tip: Pharmalot)

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Pfizer hat sich gegenüber Pharmalot inzwischen mit einem dürren Statement geäußert. Der Erstautor des Artikels geht in den Kommentaren bei Pharmalot ausführlich darauf ein.
 
[Pharmamarketing]
Autor: hockeystick   2008-09-23   Link   (1 KommentarIhr Kommentar  


hockeystick   2008-09-23  
Sortis® (Atorvastatin) gehört übrigens auch hierzulande zu den Präparaten, die immer wieder in rechtlich höchst fragwürdiger Weise außerhalb medizinischer Fachkreise beworben werden.

Neben Bankhofers Atorvastatin-Stunt auf dem auch in Deutschland empfangbaren ORF-Tochtersender TW1 (das Video mit Ausschnitten aus dem Auftritt hat inzwischen hier eine Heimat gefunden) sei in diesem Zusammenhang auf einen Artikel des Arzneitelegramms verwiesen: GESCHÄFT MIT DER ANGST - Pfizers Desinformationskampagne zu SORTIS:
Wir erachten die Anzeigenkampagne des Herstellers als Panikmache und gezielte Irreführung der Öffentlichkeit, mit der Pfizer versucht, den Umsatz des Produktes (515 Millionen (/Jahr über öffentliche Apotheken) ungeschmälert zu erhalten.









Stationäre Aufnahme












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