Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Mein Mann ist aber der Schwager vom…

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Die Stimme nebenan klingt unangenehm.
Ich habe mich in den kleinen Aufenthaltsraum in der Notaufnahme verkrochen und trinke nen schnellen Kaffee, welcher das Mittagessen ersetzt.
„…und ich erwarte, dass meine Schwiegermutter keine Schmerzen mehr leiden muß!“
Eine schrille weibliche Stimme.
„Gute Frau, wir werden unser Bestes tun!“
Schwester Anna bemüht sich offenbar um Schadensbegrenzung.
„Das sagen Sie immer! Aber nichts wird getan. Der Hausarzt ist ein Idiot. Hat ihr nur ein paar Spritzen gegeben, die haben gar nichts genutzt. Seit zwei Wochen hat meine Schwiegermutter höllische Rückenschmerzen…“
„Und vorher?“
„…eigentlich hat sie schon seit zwanzig Jahren schwere Rückenschmerzen und keiner kann ihr helfen…“
„Wir werden uns bemühen!“
„…und ich sage Ihnen, wenn Sie diesmal nichts tun…. mein Mann ist nämlich der Schwager vom…“
„Ich sagte doch schon…“
„Warum ist denn hier noch immer kein Arzt da?“
Damit ist wohl der Zeitpunkt gekommen, mich aus der Deckung zu wagen. Seufzend lege ich die Zeitung weg, stehe auf, knöpfe den Kittel zu und stelle mich dem Feind.
In einem Sekundenbruchteil hat die dralle, viel zu grell geschminkte Mittvierzigerin mich entdeckt. Neben ihr auf der Liege liegt ein armes Bündel Mensch.
„Hallo, Herr Doktor. Ich sage Ihnen gleich, mein Mann ist der Schwager vom…“
Ich nicke ihr kurz zu und schüttele dann der eigentlichen Patientin die Hand. Die ist nämlich gar nicht dement und kann eigentlich auch selber sprechen.

Written by medizynicus

5. Oktober 2009 um 16:07

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

2 Antworten

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  1. Solange Leute noch Sanitäter zu Rettungsassistenten, Krangenwagen und Notärzte zu Sanis sagen kann jeder der Schwager von irgendwem sein ;D

    Ist wie immer völlig egal. Man muss nur damit umgehen können.

    Aber Hut ab so ruhig laut Schilderung muss man erstmal reagieren.

    gr3if

    5. Oktober 2009 at 16:37

  2. Toll reagiert!
    Ich persönlich hab die Erfahrung gemacht dass mich die Angehörigen mit Schwager von Dingsbums immer ziemlich auflaufen ließen, sobald jedoch der Doc ins Zimmer kam wurde diese Leute so klein wie ein Katheterstopfen. Mit Hut! Und der Schwager von Dingsbums wurde nur noch beiläufig erwähnt.

    Manchmal hab ich mir den Spaß gegönnt die Verwandschaftsbeziehungen selbst zu erwähnen, damit mein Kollege gleich wusste was für Patienten er auf der Liege sitzen hat.

    closingtimeat6am

    12. Oktober 2009 at 11:22


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